Bad Earth Sammelband 4 - Science-Fiction-Serie - Manfred Weinland - E-Book

Bad Earth Sammelband 4 - Science-Fiction-Serie E-Book

Manfred Weinland

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Beschreibung

Der vierte Sammelband der atemberaubenden Science-Fiction-Serie jetzt zum Supersparpreis

Das neue Gesicht der Erde

Immer noch getrennt von den beiden verschollenen GenTecs erreichen John Cloud und Scobee mit der RUBIKON II den Pluto. Doch wo steckt Darnok? Ist ihm etwas zugestoßen oder gibt er sich ganz bewusst nicht sofort zu erkennen?

Die unmittelbare Nähe zur Erde wirkt sehr verlockend auf die Gefährten, können sie es doch kaum erwarten, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Doch der Planet ist immer noch in ein rätselhaftes Feld gehüllt, das ihn jeder optischen Wahrnehmung entzieht.

Was ereignet sich hinter dem sonderbaren Schattenschirm? Wozu dient er? Und vor allem: Wer regiert die Erde?


Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen.

Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich auch im Sammelband.

Dieser Sammelband umfasst die Folgen 16 - 20 der Serie Bad Earth.


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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die digitalen Originalausgaben: Copyright © 2017/2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covergestaltung: © Tanja Østlyngen und Guter Punkt, München www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © thinkstock: Globalpix|mppriv|michalz86|Avesun|3000ad ISBN 978-3-7325-8588-5

Manfred Weinland, Susan Schwartz, Michael Marcus Thurner, Alfred Bekker

Bad Earth Sammelband 4 - Science-Ficiton-Serie

Inhalt

Manfred WeinlandBad Earth 16 - Science-Fiction-SerieDas neue Gesicht der Erde Immer noch getrennt von den beiden verschollenen GenTecs erreichen John Cloud und Scobee mit der RUBIKON II den Pluto. Doch wo steckt Darnok? Ist ihm etwas zugestoßen oder gibt er sich ganz bewusst nicht sofort zu erkennen? Die unmittelbare Nähe zur Erde wirkt sehr verlockend auf die Gefährten, können sie es doch kaum erwarten, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Doch der Planet ist immer noch in ein rätselhaftes Feld gehüllt, das ihn jeder optischen Wahrnehmung entzieht. Was ereignet sich hinter dem sonderbaren Schattenschirm? Wozu dient er? Und vor allem: Wer regiert die Erde? Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Susan SchwartzBad Earth 17 - Science-Fiction-SerieIhr Himmel ist ohne Sterne - aber ihnen gehört das All Zwar haben John Cloud und GT-Scobee die RUBIKON II verloren, aber wider Erwarten sind sie doch noch auf der Erde gelandet. Doch wo genau? Denn nachdem sie in dem rätselhaften "Warrikk" gerade noch aus der Tiefseestation und vor ihrem unbekannten Verfolger entkommen konnten, erreichen sie endlich die Küste eines unbekannten Landstrichs. Doch der sonst so vertraute Heimatplanet wirkt seltsam fremd. Was für eine Erde ist das, deren Vegetation nichts mehr mit der alten Erde gemeinsam hat, deren Himmel keine Sterne hat ...? Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Bad Earth 18 - Science-Fiction-SerieSie sind die Rechtlosen der neuen Menschheit Gejagt von den Erinjij und von dem unbekannten Wesen, das in Verbindung mit den ominösen Hirten zu stehen scheint, sind die "Alt-Terraner" zusammen mit Jelto in seiner Station gefangen. Die Situation ist vollkommen außer Kontrolle, das Ende scheint unausweichlich ... Doch nicht nur die Lage in der Station des Florenhüters spitzt sich dramatisch zu, auch anderswo schwinden die Hoffnungen. Denn zur gleichen Zeit erreicht das Mädchen Aylea die "Zone", einen Ort, von dessen Existenz kaum ein Mensch etwas ahnt - und wo alle Träume enden ... Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Michael Marcus ThurnerBad Earth 19 - Science-Fiction-SerieSie sind Sterbende - und sie betreten eine Welt ohne Sonne Die Odyssee der beiden gesundheitlich angeschlagenen GenTecs Jarvis und Resnick scheint kein Ende zu nehmen: Kaum haben sie die Dschungelwelt der Luuren verlassen, öffnet sich ihre Kapsel erneut in einer völlig fremden Umgebung. Die GenTecs begeben sich auf Erkundungstour. Doch die unbekannte Umgebung ist gefährlich. Und abermals müssen sie feststellen, dass sie zum Spielball übergeordneter Interessen geworden sind. Sie haben ihr Schicksal längst nicht mehr selbst in der Hand ... Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
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Inhalt

Cover

Über diese Folge

Über die Autoren

Was bisher geschah

Impressum

Hinter dem Schattenschirm

In der nächsten Folge

Über diese Folge

Folge 16: Hinter dem Schattenschirm

Das neue Gesicht der Erde

Immer noch getrennt von den beiden verschollenen GenTecs erreichen John Cloud und Scobee mit der RUBIKON II den Pluto. Doch wo steckt Darnok? Ist ihm etwas zugestoßen oder gibt er sich ganz bewusst nicht sofort zu erkennen?

Die unmittelbare Nähe zur Erde wirkt sehr verlockend auf die Gefährten, können sie es doch kaum erwarten, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Doch der Planet ist immer noch in ein rätselhaftes Feld gehüllt, das ihn jeder optischen Wahrnehmung entzieht.

Was ereignet sich hinter dem sonderbaren Schattenschirm? Wozu dient er? Und vor allem: Wer regiert die Erde?

Bad Earth – das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen.

Über die Autoren

Manfred Weinland schrieb bereits für renommierte Serien wie Perry Rhodan Taschenbuch, Ren Dhark, Maddrax, Dino-Land, Jerry Cotton, Gespenster Krimi, Professor Zamorra u.a., ehe er das Konzept für die Serie Bad Earth ausarbeitete. Zusammen mit Erfolgsautoren wie Alfred Bekker, Luc Bahl, W. K. Giesa, Peter Haberl, Horst Hoffmann, Claudia Kern, Achim Mehnert, Susan Schwartz, Conrad Shepherd, Marc Tannous, Michael Marcus Thurner und Marten Veit, die ebenfalls alle bereits jahrelange Erfahrung im Schreiben von Science-Fiction-, Action- und Abenteuer- oder Horrorromanen haben, gelang eine ebenso spannungsgeladene wie komplexe Science-Fiction-Serie, die sich einem Thema widmet, das alle interessiert: Der Zukunft der Erde und der Menschheit.

Was bisher geschah

Die irdischen Astronauten John Cloud, Scobee, Resnick und Jarvis verschlägt es in eine düstere Zukunft, in der die Menschen Erinjij genannt werden.

Die Gestrandeten geraten zwischen alle Fronten, schließen sich mit dem Außerirdischen Darnok zusammen und entkommen, als sie von Erinjij-Raumschiffen gejagt werden, nur mit knapper Not in den Aqua-Kubus. Dort finden sie ein rochenförmiges Raumschiff, das auf die ominösen Sieben Hirten zurückgeht und taufen es RUBIKON II.

Kurz darauf gehen die beiden GenTecs Jarvis und Resnick an Bord verloren. Wenig später stößt das Rochenschiff auf die Schiffbrüchigen Cy und Algorian, Botschafter der Allianz CLARON. Sie berichten vom völkerbedrohenden Komplott der Jay’nac.

Darnok erklärt sich bereit, die Botschafter mit seinem Karnut zur Zentralwelt der Allianz zu bringen. Beim Abschied übergibt er Cloud überraschend die Koordinaten des irdischen Sonnensystems, wo er sich auch wieder mit den Menschen treffen will.

Aber als die RUBIKON II nach dramatischen Ereignissen in der Oortschen Wolke die Rendezvous-Koordinaten erreicht, gibt es von Darnok keine Spur. Das nervenaufreibende Warten auf den Keelon beginnt – mitten im Herzen des Erinjij-Reiches …

Manfred Weinland

Hinter dem Schattenschirm

Prolog

Ein unglaubliches Bild …

Natürlich, er hatte davon gehört. Aber es zu sehen, sich mit eigenen Augen davon überzeugen zu können, dass es existierte … war noch einmal etwas völlig anderes.

»Das also ist Crysral …«

»Ja«, antwortete Algorian. »Das ist Crysral.« Es klang andächtig.

Darnok ruhte in seinem Becken, das ihm Ruhestätte, Kommandostelle und Schutz in einem war. Soeben war das Karnut aus dem Zwischenraum ausgetreten, hatte die letzte Etappe der Hinreise abgeschlossen. Die Antimateriemeiler veränderten ihren Arbeitston, aus sattem Brummen wurde ein schwaches Wispern.

»Crysral«, wiederholte Darnok. »Sollte ich jemals Zweifel daran gehegt haben, dass dies eine bedeutsame Welt für die Allianz ist, so wären sie spätestens jetzt verflogen.«

»Es ist die Welt des CLARON«, versicherte Algorian. »Das geistige und kulturelle Zentrum. Das Herz. Brächte man es zum Verstummen, würde das Band der Völker augenblicklich reißen.«

Darnok hörte zu, ohne den Blick von dem Bildschirm zu wenden, den er an einer Innenwandseite des Karnuts geschaltet hatte – und über den auch Algorian und Cy das Wunder schauten.

Das Wunder: Ein Planet, mehr als doppelt so groß wie Roogal, die zerstörte Heimatwelt des Keelon. Dennoch wiesen ihm die Instrumente eine vergleichbare Schwerkraft zu. Demnach war sein spezifisches Gewicht sehr viel geringer als das Roogals, seine Masse in etwa identisch, nur bei größerer Ausdehnung.

Der Planet folgte einer stark elliptischen Bahn um einen Weißen Zwerg, der kaum Wärme spendete. Eine Atmosphäre besaß er nicht. All dies schien jedoch kein Kriterium gewesen zu sein, um ihn nicht zur Zentralwelt des CLARON zu machen.

Und das Wunder … Nun, das sichtbare »Wunder«, das Darnok bestaunte, war auch nicht auf der Planetenoberfläche zu finden – sondern darüber.

Es war so Respekt einflößend, dass der Keelon sich unwillkürlich wünschte, Roogal hätte wenigstens einen dieser Verteidigungswälle besessen, von denen insgesamt sechs diesen Planeten hier wie die Schalen einer Ya-Frucht umgaben. Vielleicht hätte es sein Volk dann noch gegeben. Vielleicht wären an seiner statt die elenden Erinjij in ihrem Blut ersoffen.

»Das eigentliche Zentrum CLARONs«, sagte Algorian, »wird nur für den erkennbar, dem es erlaubt ist, Crysral zu betreten. Der Planet ist in Kavernen aufgeteilt. Sechs riesige und zahllose kleine. Die sechs Hauptkavernen sind den Heimatwelten der Gründungsvölker nachempfunden. Dort herrschen die Umweltbedingungen, die ihre Abgesandten gewohnt sind. Und von ihnen aus führen Wege zum Mittelpunkt Crysrals, wo die Versammlungen abgehalten werden. Wo alle politischen Beschlüsse der Allianz ihren Ausgang haben.«

Cy gab einen Laut von sich, der wohl bewundernd gemeint war.

»Was ihr sehen könnt«, fuhr Algorian fort, »sind die so genannten ›Schalen‹. Die äußere besteht aus Verbundraumern der Ceyniden.«

Darnok zoomte eines der Raumschiffe heran. Es besaß die ungefähre Form eines flachen Rings, in den eine Kugel eingebettet war, die keine sichtbare Verbindung zu dem sie umgebenen Ring besaß. Keine Verstrebung, nichts. Dennoch gehörte beides zusammen, bildete eine Einheit. Über die Kugelfläche verteilt waren Vorrichtungen zu sehen, die unschwer als Geschützaufbauten erkannt werden konnten. In der Ringscheibe schienen sich die Antriebsaggregate zu befinden. Der Bordrechner des Karnuts ermittelte eine Zahl, die nahe hunderttausend lag.

Hunderttausend Schiffe allein dieses Typs bildeten die äußere Verteidigungsschale um Crysral, die Herzwelt der Allianz CLARON!

»Verbundraumer?«, echote Darnok fragend.

»Scheibe und Kugel sind im Ernstfall in der Lage, voneinander autark zu operieren«, erläuterte Algorian. Der Aorii schien in seinem Element.

Genau wie das Pflanzenwesen Cy hatte Darnok auch ihm einen genau auf seine Bedürfnisse abgestimmten Sitz zur Verfügung gestellt. Die Nanostruktur des Karnuts hatte ihn ausgebildet.

Aber der zerbrechlich anmutende Humanoide, der den Verlust seines Hassbruders Rofasch noch immer nicht verschmerzt hatte, stand lieber, statt sich zu setzen. Nervosität hatte ihn ergriffen.

Wahrscheinlich, dachte Darnok, ist er der Einzige hier an Bord, der für sich selbst bereits die volle Tragweite dessen, was hinter ihm liegt, realisiert hat.

Er selbst konnte nur ahnen, welche Bedeutung – vor allem aber welche Konsequenz – die Entdeckung hatte, die Algorian und Cy auf der Welt der Jay’nac gemacht hatten.

Diese Anorganischen drohten damit, Krieg mit den aggressiv expandierenden Erinjij zu beginnen.

Die Allianz wiederum fürchtete, dass sich ein solcher Feldzug der Anorganischen, wie berechtigt er auch sein mochte, am Ende gegen alles organische Leben innerhalb der Galaxis wenden konnte.

Unter den Anorganischen gab es keine bekannte Allianz im Stile CLARONs – nichtsdestotrotz galten die Jay’nac als die mächtigsten Vertreter Anorganischen, als ihre Stimme.

Und nun hatte sich herausgestellt, dass hinter dieser Befürchtung mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit steckte. Das Botschaftsschiff, das bei den Jay’nac für eine Aufrechterhaltung des Friedens von Organischen und Anorganischen untereinander – die Erinjij ausgenommen – hatte werben wollen, war einem beispiellosen, von langer Hand vorbereiteten Komplott der Jay’nac auf die Schliche gekommen. Nach der Aufdeckung ihrer Pläne, die eine schleichende Unterwanderung CLARONs zum Ziel hatten, war das Botschaftsschiff von Einheiten der Jay’nac verfolgt, gestellt und vernichtet worden.

Die einzigen Überlebenden waren Cy, ehemaliger Träger der Bewusstseinskopien der Allianz-Regenten, und Algorian, sein Lehrer und – Darnok glaubte dies bemerkt zu haben – sein Freund.

Die RUBIKON hatte die Überlebenden aus den Trümmern ihres Schiffes geborgen. Und während das Rochenschiff selbst unter der Leitung der Menschen John Cloud und Scobee weiter zu deren heimatlichem Sonnensystem gereist waren, hatte sich Darnok dazu bereit erklärt, die beiden Überlebenden ins Herz der Allianz zu bringen. Sie sollten die Völker CLARONs vor der neuen, mehr als greifbaren Gefahr warnen.

Vor den Jay’nac, die sich als mindestens ebenso gefährlich erwiesen hatten wie die Erinjij.

Es ist also wahr, dachte Darnok. Die Befürchtungen der Allianz haben sich bestätigt. Für die Jay’nac ist das rücksichtslose Vorgehen der Erinjij ein willkommener Anlass, den Krieg anzuzetteln.

Den offenen Krieg.

Zuerst gegen die Eroberer vom Planeten Erde.

Und dann – gegen alles Organische!

***

»Die zweite Verteidigungsschale, von außen betrachtet, bilden die Steinschiffe der Laschkanen«, fuhr Algorian in seinem Exkurs fort.

Darnok zoomte ein Beispiel der gerade genannten Einheiten heran.

»Steinschiffe …«, sagte er. »Sie sehen aus wie Asteroiden. Ich kann keinerlei Hinweis auf künstlichen Ursprung entdecken. Nicht einmal auf eine Bearbeitung des natürlich gewachsenen Felsens …«

»Die Laschkanen sind Meister der Tarnung. Alles, was du siehst, ist Maske. Sobald sie fällt …«

»Ja?«

»Wünsche es dir nicht, es jemals zu erfahren. Ich kann dir aber versichern, dass diese ›Steine‹ äußerst wehrhaft sind. In ihrem Innern verbergen sich gewaltige Waffen … Aber etwas anderes: Du weißt, was wir auf der Reise hierher besprochen haben.«

»Ich weiß es.«

»Und?«

»Ich habe eine Schicht Zeit um das Karnut gelegt, das es vor jeglicher mir bekannter Ortung schützt.«

Algorian wirkte beruhigt.

Cy hingegen sagte: »Dennoch wäre es ein Risiko, uns noch näher heranzubringen.«

»Was ich bislang von der Allianz gehört und was ich auch sonst auf meinen Fahrten durch die Galaxis erfahren habe, weckt nicht gerade großes Vertrauen in die Lauterkeit CLARONs.«

»CLARON ist ein politisches Bündnis von grundverschiedenen Völkern«, erwiderte Algorian. »Es hat seine Schattenseiten, aber Tatsache ist, dass es seit dem Zusammenschluss von Ceyniden, Laschkanen, Aorii, Rogh, Ovoanern und Neeg keinen Akt der Gewalt mehr unter diesen Völkern gegeben hat. Der Friede währt nun schon eine so lange Zeit wie niemals zuvor. Da du ein Keelon bist, ist dir bewusst, welches Nichtmitglied der Allianz ihn ins Wanken brachte – lange bevor wir von den dunklen Absichten der Jay’nac auch nur ahnten.«

»Die Menschen«, sagte Darnok.

»Die Erinjij«, bestätigte Algorian.

»Sie haben mein Volk vernichtet, meine Heimat zerstört … Was weiß die Allianz darüber?«

»Es blieb ihr nicht verborgen.«

»Sie hatte keine Möglichkeiten, es zu verhindern?«

»Die Allianz ahnte nichts von den Absichten der Erinjij. Roogal wurde von CLARON stets geachtet. Die Keelon machten nie einen Hehl daraus, dass sie keinem Bündnis angehören wollten. Ihre Sichtweise der Dinge unterschied sich grundlegend von der anderer Völker. Genau wie ihre Fähigkeiten. Letztlich waren sie es, die die Erinjij offenbar auf den Plan riefen. Die Menschen haben etwas in euch gesehen, mit dem sie entweder nicht umgehen konnten oder nicht umgehen wollten. Geschöpfe mit euren Talenten stellen eine Gefahr dar. Eine Gefahr zumindest für alle, die danach trachten, sich andere zu unterwerfen. Die Erinjij hätten die Keelon niemals unterwerfen können. Also brachten sie sie um.«

Das, dachte Darnok, war eine ebenso nüchterne wie treffende Beurteilung der Geschehnisse.

Er musste sich zwingen, nicht an den Moment zu denken, da er Zeuge des Untergangs seiner Welt geworden war.

»Die dritte Schale«, sagte er, um auf andere Gedanken zu kommen. Er zoomte eines der Objekte, aus denen sie gebildet wurde, aus dem Ganzen heraus. »Welches Volk des CLARON steht dahinter?«

»Meines«, antwortete Algorian ohne Umschweife. »Die Aorii. Wir bevorzugten schon immer die Vielfalt.«

Tatsächlich erkannte Darnok, dass das Objekt, das er gewählt hatte, nicht beispielhaft für die anderen Objekte der dritten Schale war. Es erinnerte an einen ungeschliffenen Edelstein, seine Proportionen wirkten irgendwie … schief. Es war aus einem silbrigen Material, und die Oberfläche war komplett mit runenartigen Zeichen verziert. Darnok wählte ein beliebiges anderes Objekt – es sah aus wie eine gläserne Linse. Man vermochte nicht ins Innere zu schauen, aber es wirkte tatsächlich wie komplett aus milchigem Glas gegossen.

»Die Aorii haben offenbar auch Sinn für Schönheit, scheint mir«, sagte er. »Ihre Schiffe sehen nicht aus, als seien sie dafür gebaut, Waffen sprechen zu lassen.«

»Das waren sie auch nicht – nicht, bevor die Erinjij erschienen. Aber es hat sich geändert. Vieles hat sich geändert.«

»Die Zylinder?«, fragte Darnok.

»Rogh«, erwiderte Algorian.«

»Die flachen Dreiecke?«

»Ovoaner. Und die innerste Schale … Neeg. Sie sind das zahlenmäßig kleinste Mitgliedsvolk des Bundes. Aber ihre Balkenschiffe beinhalten ein Höchstmaß an Offensiv- und Defensivkraft. Sie bilden den letzten Wall um Crysral. Niemand kann sich vorstellen, dass es je dazu kommt, aber sollte auch er fallen, würde sich der Planet selbst vernichten, bevor er in die Hände einer feindlichen Macht geriete.«

Darnok war erschüttert.

Was er zunächst als Wunder betrachtet hatte – sechs »Schichten« unterschiedlichster Raumschiffe um einen atmosphärelosen Planeten gestaffelt –, erschien ihm bei genauerer Betrachtung wie eine Perversion.

»Ihr seid sicher, dass wir so verfahren können, wie besprochen?«

»Du hast uns gerettet. Wir schulden dir Dank«, erwiderte Algorian. »Aber ich fürchte, in Zeiten wie diesen kann niemand garantieren, dass die Allianz darunter dasselbe versteht wie wir.«

Darnok wusste, dass der Aorii Recht hatte. Der Untergang seines Heimatplaneten hatte dem Keelon den letzten Rest von Naivität ausgetrieben.

»Du warst mit Menschen zusammen«, sagte Algorian, während sich Cy wie stets zurückhielt. »Mit Erinjij. Das könnte gewissen Strömungen innerhalb der Allianz genügen, dich Verhörmethoden zu unterziehen, von denen du dir keine Vorstellung machst.«

»Obwohl ich euch hierher gebracht habe, damit ihr CLARON vor den Jay’nac warnen könnt?«

»Die Allianz hat jetzt zwei Feinde«, erwiderte Algorian. »Diese Entwicklung würde dich nicht schützen – im Gegenteil. Man könnte der Meinung sein, du verfügst über Erinjij-Informationen, deren Wert sich gar nicht abschätzen lässt.«

»Zum Beispiel die galaktische Position ihrer Heimat.«

»Zum Beispiel und ganz besonders das – ja«, antwortete Algorian.

»Ich fürchte«, erwiderte Darnok, »damit hätten sie nicht einmal Unrecht.«

»Ich weiß.«

***

Der Abschied verlief ohne große Gesten. Dennoch spürte Darnok die tiefe Dankbarkeit beider Wesen. Und das, obwohl vor ihnen eine mindestens ebenso ungewisse Zukunft lag, wie vor ihm selbst.

Wie würde die Allianz auf die Nachricht vom Komplott der Anorganischen reagieren?

Würde sie nun selbst zum Krieg rüsten?

Womöglich sogar einen Präventivschlag gegen Jay’nac und Erinjij versuchen.

Überhaupt: Was wusste man über mögliche Verbindungen dieser beiden Völker?

War es denkbar, dass sie nicht nur ähnliche Ziele verfolgten, sondern schon längst – und von Anfang an – miteinander kooperierten?

Darnok hatte nicht vergessen, was speziell die Erinjij ihm angetan hatten. Auf der Fahrt nach Crysral hatte er lange mit sich gehadert, doch nun, zum Abschied, rang er sich zu einem Geschenk durch, das weitreichende Folgen haben würde.

Falls er es nicht rechtzeitig unschädlich machen würde.

»Was ist das?«, fragte Algorian, als Darnok ihm den Speicher überreichte.

»Du wirst es erfahren, sobald die Zeit um ist, die ich bestimmt habe.«

Algorian überlegte kurz – und stellte keine weiteren Fragen.

Kurz darauf sonderte Darnok genügend Substanz vom Karnut ab, um eine Hightech-Blase zu bilden, die Algorian und Cy ein ausreichend langes Überleben sichern würde – zumal er noch lange genug in der Nähe bleiben würde, um auf sie Acht zu geben.

Danach schleuste er sie aus und strahlte eine anonyme Benachrichtigung in Richtung Crysral ab.

Die Reaktion erfolgte unverzüglich. Eines der Ceyniden-Schiffe löste sich aus dem äußeren Wall und nahm die Blase auf.

Alles Weitere lag nun in Algorians Hand.

Das Karnut beschleunigte und verließ das System des Weißen Zwergs.

Tage befand es sich im Anflug auf die Rendezvous-Koordinaten, die Darnok mit John Cloud vereinbart hatte.

Im Anflug auf das System der Erinjij.

Die vielleicht mit den Jay’nac paktierten.

Vielleicht.

Die eines aber mit Sicherheit getan hatten.

Die Keelon ausgerottet.

Beinahe jedenfalls.

Und der Letzte dieser aussterbenden Art wollte nun dafür sorgen, dass auch sie ihr verdientes Ende fanden.

Er würde alles daran setzen, dies zu schaffen …

Mit diesen Gedanken durchdrang Darnok das Feld aus Trümmern und Urmaterie, das dem System des Feindes vorgelagert war … eine Schale, die an die Wälle der Allianz um Crysral erinnerte, jedoch natürlichen Ursprungs war.

Oortsche Wolke, hatte Cloud sie genannt.

Das Karnut wollte sie durchdringen. Und zunächst verlief die Fahrt auch ohne Probleme.

Doch dann …

Es ging zu schnell, um zu reagieren.

Das Verhängnis griff nach Darnok, obwohl sich das Karnut im Schutz eines schwachen Zeitfeldes bewegte, mit dessen Hilfe er die Wahrnehmung der überall verteilten Erinjij-Stationen täuschen wollte.

Ein Versuch, der kläglich misslang.

Ein Versuch, der die Katastrophe letztlich bewirkte.

Ein Schlag, eine Erschütterung, als wäre das Karnut in voller Fahrt gegen eine unzerstörbare Wand geprallt, und dann – begann sich die Hülle des Schiffes aufzulösen.

Darnok erblindete unter dem Ansturm des grellen Lichts.

Er suchte Rettung im Einsatz seines Magoos …

… und setzte sich damit vollends schachmatt.

Sein letzter Gedanke, seine letzte Erkenntnis war, dass er nun nie erfahren würde, wie die Erinjij-Welt dieser Zeit aussah, in seiner Gegenwart.

Bei seinem Ausflug in die Vergangenheit hatte er es versäumt, sie zu besuchen. Und nun …

Dem blendenden Licht folgte Dunkelheit.

Schwärze.

Umfassende Lähmung und das Versagen sämtlicher Körperfunktionen …

1.

Manchmal war es wie in ihrer Kindheit:

Ein Raum.

Kälte.

Einsamkeit.

Sporadische Besuche von Männern und Frauen, für die sie keinerlei Gefühle empfand – oder nur Abneigung und Wut. Das Haus, in dem sie aufgewachsen, in dem sie erzogen und ausgebildet worden war, glich in vielerlei Hinsicht dem Ort, an den es sie nun verschlagen hatte.

Auch hier herrschten Kälte, Einsamkeit, Wut. Mitunter heillose Wut, die sich in diesem Fall nicht gegen eine Person richtete, sondern gegen ein Ding.

Sie hatten es RUBIKON genannt … RUBIKON II – aber dieser Name, dachte Scobee, war auch schon das Einzige, was vorgaukelte, sich in einem für Menschen erbauten Raumschiff aufzuhalten.

Die Wahrheit war – und Cloud mochte noch so vehement dagegen sprechen –, dass dieses im Aqua-Kubus der Vaaren gefundene Artefakt für Wesen gebaut worden war, die definitiv keine Menschen waren und über die sie noch immer so gut wie nichts wussten.

Ein Begriff hing im Raum: die Sieben Hirten.

Ein Zusammenhang zwischen dem Schiff und diesen von den Vaaren wie Heilige oder Götter verehrten Geschöpfen mochte bestehen, bewiesen war er nicht. Obwohl es Hinweise gab, dass eine Verbindung existierte. Die Tafeln, die Darnok entziffert hatte beispielsweise. Sie hatten so ominöse Hinweise enthalten wie: »Stört ihre Ruhe nicht.« Oder den vaarischen Namen für das Rochenschiff: SESHA.

Die eigentlichen Hinweise aber kamen aus einer Richtung, die mehr als befremdlich war: von John Cloud, der das Schiff als Erster betreten und den es als Einzigen ausdrücklich akzeptiert hatte.

Bis heute wusste niemand, wie die künstliche Intelligenz des Artefakts – der Bordrechner, oder wie auch immer man die telepathisch mit Cloud kommunizierende Instanz bezeichnen wollte – ihre Auswahl traf. Wie sie entschied, wer befugt war, das von ihr vertretene Schiff zu kontrollieren.

Ihre Wahl war auf John Cloud, den ehemaligen Commander der Marsmission gefallen …

… eine Position, die auch Scobee zeitweilig inne gehabt hatte. Bis alle Befehlshierarchie hinfällig, sinnlos geworden war …

Sie schüttelte den Kopf.

Vergangenheit.

Vor ihnen lag die Gegenwart – und sie war ein gigantisches Puzzle, dessen Gesamtbild ihnen, den in der Zukunft Gestrandeten, immer noch verborgen blieb. Sie hatten flüchtigen Kontakt mit Vertretern einer galaktischen Allianz gehabt, die sich CLARON nannte und in der Hauptsache aus sechs organischen Mitgliedsvölkern zusammensetzte.

Organisch.

Bis zur Begegnung mit Darnok, Cy und Algorian hatte sich Scobee nicht einmal in ihren kühnsten Vorstellungen träumen lassen, dass es eines Tages nötig werden könnte, zwischen organischem und anorganischem Leben zu unterscheiden.

CLARON tat dies.

CLARON hatte Kontakt zu einer intelligenten Spezies, die sich Jay’nac nannte und nicht der herkömmlichen Auffassung – zumindest nicht Scobees Betrachtungsweise – von Leben entsprach. Bei den Jay’nac handelte es sich um Wesen, deren Biologie auf Silizium basierte, nicht auf Kohlenstoff, wie bei den Menschen.

Persönlich waren sie den Jay’nac noch niemals begegnet, aber sie hatte zwei ihrer Opfer getroffen: Cy und Algorian. Die beiden waren die einzigen Überlebenden eines von den Jay’nac angegriffenen und zerstörten Raumschiffs, das sich eigentlich um bleibenden Frieden mit den Anorganischen bemüht hatte. Stattdessen waren die Botschafter des CLARON einem unerhörten Komplott auf die Schliche gekommen. Die Jay’nac drohten nicht nur, in den offenen Krieg gegen die Menschen dieser Zeit – die Erinjij – zu treten. Sie beabsichtigten offenbar auch eine schleichende Unterwanderung von CLARON, indem sie versuchten, geklonte Doppelgänger der jetzigen Regenten in die Allianz einzuschleusen … und gegen die Originale auszutauschen.

Dass dies den Tod der wahren Regenten bedeutet hätte, war ein beinahe nebensächliches Faktum, wenn man die Folgen bedachte, die eine solch heimliche Kontrolle des Bundes organischer Völker durch die intriganten Jay’nac mit sich gebracht hätten.

Darnok jedenfalls hatte sich bereit erklärt, Cy und Algorian mit seinem Karnut zur Schlüsselwelt der Allianz zu bringen. Quasi als Abschiedgeschenk hatte er Scobee und Cloud die Koordinaten überlassen, die es ihnen ermöglichten, zum heimischen Sonnensystem zurückzukehren.

Cloud hatte die Daten mit der KI der RUBIKON abgeglichen – und scheinbar mühelos hatte das Artefakt sie für sich übersetzt.

Nachdem sich die Oortsche Wolke – die Wiege von Milliarden Kometen – beinahe als vorzeitige Endstation entpuppt hätte, war es ihnen schließlich doch noch gelungen, diesen von den Menschen kontrollierten »Wall« um das Sonnensystem zu durchbrechen.

Seitdem kreuzte die RUBIKON mehr als vier Milliarden Kilometer von der Position entfernt, an der sich die Erde hätte drehen sollen.

Aber die Erde – war verschwunden.

***

»Sie kann nicht verschwunden sein!«

»Du meinst, du wünschst dir, dass sie es nicht sein kann.« Der Mann, der sie über Lichtjahr- und Zeitabgründe hinweg begleitet hatte, war seit vielen Tagen der einzige Mensch überhaupt in ihrer Nähe. Nur sie und er waren geblieben, denn noch bevor Darnok gegangen war, hatten sie das Verschwinden von Resnick und Jarvis beklagen müssen.

Zwei Klone wie sie, Scobee. Beinahe jedenfalls wie sie …

Das Schicksal der Gefährten, die an Bord der neuen RUBIKON verschollen waren, war immer noch ungeklärt. Wenn es auch Anhaltspunkte dafür gab, dass sich ihre Spur in einem Raum voller Kapseln verlor, bei denen es sich um Transportmittel unbekannter Funktionsweise handeln konnte.

Bewiesen war nichts.

Resnick und Jarvis konnten ebenso gut – oder schlecht – längst tot sein. Oder irgendwo an Bord gefangen … Oder aus dem Schiff heraus entführt …

Diese Ungewissheit war umso tragischer, seit feststand, dass die beiden an einem genetischen Defekt litten, der über kurz oder lang ihr Ende herbeiführen würde. Falls sie noch lebten.

»Es macht keinen Sinn«, beharrte Scobee. Sie befanden sich in ihrer Kabine, die Cloud für sie erstellt hatte. Indem er seine Befehlsgewalt über die RUBIKON in einer Weise benutzt hatte, die Scobee fast eine Gänsehaut bescherte, wann immer sie daran dachte.

Der Raum, in dem sie sich befanden, hatte so zuvor nicht existiert. Aber vom Kontrollsitz in der Zentrale aus hatte Cloud offenbar mit Akzeptanz der KI in die innere Struktur der zentralenahen Bereiche eingegriffen. Er hatte Wände versetzt und schlichtes Mobiliar geformt. Es war ihm sogar gelungen, ein Badezimmer zu erschaffen. Seither gab es Toiletten an Bord und etwas, das einer irdischen Dusche zumindest ähnelte. Aus dem »Brausekopf« an der Decke strömte jedenfalls wohl temperiertes Wasser.

Wasser hatten sie sich also auf der RUBIKON erschließen können, Nahrung nicht. Was das anging, waren sie immer noch auf die Konzentratpakete angewiesen, die ihnen Darnok hinterlassen hatte.

Und die irgendwann in den nächsten Tagen zur Neige gehen würden.

Dies wäre kein Problem gewesen, wenn sich der Keelon zum vereinbarten Zeitpunkt am vereinbarten Treffpunkt nahe Pluto eingefunden hätte. Aber Darnok war nun schon seit zwei Tagen überfällig. Es gab nicht die geringste Spur von ihm, und nicht nur Scobee machte sich Vorwürfe, ihn mit den beiden Außerirdischen gehen gelassen zu haben.

Sie hatten freundlich gewirkt – aber zugleich auch so fremdartig, dass es ebenso gut ihre erbittertsten Feinde sein könnten.

»Was macht schon Sinn?«, erwiderte Cloud. »Dass wir von einem Wurmloch aufgesogen, von einem Keelon in die ferne Zukunft entführt wurden und uns seither mit den Untaten der Menschen dieses Zeitalters konfrontiert sehen?«

»All dies glauben wir doch letztlich nur zu wissen, oder?«, meldete Scobee ihre Skepsis an, die in den vergangenen Tagen gehörig gewachsen war.

»Wie meinst du das?«

»Bei allem, was wir vermeintlich über die ach so brutal expandierende Menschheit wissen, verlassen wir uns doch bislang nur auf Dinge, die uns andere erzählen, oder? Nichtmenschen!«

»Du meinst, nichts von dem, was Darnok, was Cy und Algorian über die Erinjij berichtet haben, müsse wahr sein? Das ist nicht dein Ernst!«

»Absolut«, erwiderte sie fest.

»Wir haben die irdischen Schiffe gesehen. Sie haben selbst uns, die wir Menschen sind, unter Feuer genommen. Schon kurz nach unserer Wurmlochpassage.«

»Es waren Schiffe, die aussahen, als seien sie von Menschenhand erbaut worden. Meinetwegen trugen sie sogar irdische Schriftzeichen auf ihren Außenhüllen. Aber wir haben bis heute keinen einzigen Menschen gesehen oder gesprochen, der beweisen würde, dass diese Fahrzeuge auch tatsächlich mit Menschen besetzt sind.«

»Das ist eine mehr als fragwürdige These.«

»Das sehe ich anders.«

»Und was hat das mit der verschwundenen Erde zu tun? Seit unserer Ankunft scannen wir das System. Alle Planeten sind mühelos sowohl über das optische System als auch über die Fernortung zu ermitteln – selbst das, was aus Jupiter geworden ist, lässt sich erkennen. Als Verwerfung in der Raumzeit. Aber die Erde …«

»Wenigstens der Mond müsste zu orten sein«, hieb Scobee in die gleiche Kerbe. »Aber Luna ist ebenso verschwunden wie der Planet, auf dem wir geboren wurden.«

Er legte den Kopf schief. Obwohl er es vermeiden wollte, konnte sie mühelos in seinem Gesichtsausdruck lesen. Das Wort »geboren« hatte ihn gestört.

Er unterscheidet also immer noch, dachte sie enttäuscht. Er sieht mich immer noch als ein Produkt, als ein in irgendwelchen Labors entstandenes Wesen. Das Wort »geboren« ist ihm suspekt – zumindest in Zusammenhang mit mir …

Sie hoffte, dass sie sich täuschte. Aber sie wusste, dass Cloud Probleme mit Klonen hatte. Aus irgendeinem Grund konnte oder wollte er sie nicht akzeptieren.

Hör auf, dich selbst zu bemitleiden. Du hast ihm erst wieder neue Nahrung für Misstrauen geliefert. Deine Beichte ist nicht spurlos an ihm abgeprallt. Was erwartest du?

»Ja, was erwarte ich?«, murmelte Scobee.

»Bitte?« Cloud zog die Augenbrauen zusammen.

»Nichts. Was können wir tun? Wir wollten zur Erde – auch wenn es die Erde einer uns fremden Zukunft ist. Aber alles, was wir geschafft haben, ist, ins Sonnensystem zurückzukehren. Das zweifellos komplett erschlossen ist. Von Menschen.«

»Hast du einen gesehen?«

Sie verneinte. »Aber wir empfangen ihre Sendungen. Der Äther ist voller Nachrichten!«

»Von denen sich keine zur Erde zurückverfolgen lässt«, bekräftigte er noch einmal. »Machen wir uns also mit dem Gedanken vertraut, dass sie nicht mehr existiert. Es mag noch Menschen geben. Sie mögen das Sonnensystem besiedelt haben – aber es sind andere Menschen als wir es erwartet haben. Marsgeborene, Venusgeborene, Titangeborene … Wo immer ihr Zuhause in diesem System liegt, sie haben offenbar dasselbe verloren wie wir. Die echte Heimat. Dort, wo alles begann …«

***

Scobee hatte ihren Gefährten noch nie so fatalistisch reden hören.

»Ich glaube es trotzdem nicht«, sagte sie. »Erinnere dich: Als wir auf dem Mars waren, damals vor was weiß ich wie vielen Jahren, schleusten die Äskulap-Schiffe ein Heer von Sonden aus, hinter denen die Erde wie hinter einem Schattenfeld verschwand. Das war unser letzter Eindruck. Danach brach auch jede Funkverbindung ab. Aber zuvor waren die Äskulap-Schiffe auf ihr gelandet … Was machte das für einen Sinn, wenn das Schattenfeld ein Anzeichen von Vernichtung gewesen wäre? Sie wären doch niemals gelandet, um sich selbst mit ins Verderben zu reißen.«

»Die Äskulap-Schiffe waren nicht mit Besatzungen bemannt, wie wir sie erwarten würden«, erinnerte Cloud. »In dem, das wir gekapert haben, befand sich doch nur ein einziges Wesen – eine Art Roboter. Zumindest haben wir das damals geglaubt.«

»Damals?«

»Nun, nach allem, was wir über außerirdisches Leben in der Galaxis erfahren haben, könnte es sich ebenso gut um ein Lebewesen bis dahin unbekannter Ausprägung gehandelt haben. Um einen Jay’nac beispielsweise.«

»Du meinst, die Jay’nac stecken hinter der Invasion, die 2041 stattgefunden hat?«

»Ich halte es für nicht ausgeschlossen.«

Sie dachte darüber nach. »Du meinst, sie könnten den Grund, den sie offiziell nennen, um gegen die Erinjij vorzugehen, selbst geschaffen haben?«

»Es würde zu dem Komplott passen, das sie in diesem Augenblick gegen die Allianz der Organischen schmieden.«

»Dann wären die Menschen ihre Opfer – oder Werkzeuge.«

»Beides«, sagte er. »Sie könnten beides sein.«

»Aber dann macht es noch weniger Sinn, dass die Erde nicht mehr existiert.«

Er erhob sich von dem »Möbel«, das er aus dem Stahl des Schiffes geformt hatte. Eines von wenigen, die sich in der spartanisch eingerichteten Kabine befand.

»Was hast du vor?«

»Ich werde mir die Sache noch einmal vornehmen. Wieder und wieder«, entgegnete er und setzte sich in Bewegung. »Irgendwo da draußen gibt es eine Stecknadel. Ich werde den Heuhaufen so lange durchforsten, bis ich sie gefunden habe!«

»Zwei«, erwiderte Scobee.

Er blieb stehen. »Zwei?«

»Halte bei der Gelegenheit auch Ausschau nach dem Mond. Wenn der noch da ist, ist es sicherlich auch die Erde …«

Cloud zögerte kurz, dann nickte er. »Ja«, sagte er. »Wenn …«

Zuversichtlich klang es nicht.

2.

Wann immer Scobee die Karte aufrief, löste der Anblick des 3-D-Modells ungläubiges Staunen in ihr aus.

Der Sockel des Hologramms, das sich vor ihr aufblähte, war ein münzgroßer Gegenstand, den der Keelon ihnen vor seinem Weggang überlassen hatte. Das Speichermodul bestand aus einem unbekannten Kunststoff und war mit – gleichfalls unbekannten – Hieroglyphen verziert. Symbole, die in Wirklichkeit Schalter waren, über die der Inhalt des Moduls verfügbar gemacht werden konnte.

Die »Münze« enthielt nicht nur ein Aufrissmodell der RUBIKON II, das Darnok mit Hilfe seiner Nanosonden erstellt hatte – noch bedeutender waren die Daten, die ihnen der Keelon bezüglich ihrer verlorenen Heimat hinterlassen hatte: die Koordinaten des irdischen Sonnensystems, das die RUBIKON mittlerweile, nach dem Durchbruch der Oortschen Wolke, erreicht hatte.

Das Sonnensystem, dachte Scobee, aber nicht die Erde.

Die Erde war ferner denn je, und die Zweifel, ob sie überhaupt noch existierte, wuchsen von Stunde zu Stunde. Alle Versuche, sie auf Höhe ihrer früheren Bahn ausfindig zu machen, waren bislang gescheitert. Da war – nichts!

Zumindest scheinbar nichts.

Selbst der Mond war verschwunden.

»Ich beginne jetzt.«

Johns Stimme drang aus dem winzigen Lautsprecher ihres Anzugkragens. Er war nicht nur der Einzige, den SESHA akzeptiert hatte. Er war vor allem der Einzige, dem das Schiff gehorchte.

Seit er dessen Willen gebrochen hatte.

»Viel Glück!« Sie widmete sich wieder dem Modell.

Während Cloud eine weitere Schicht im »Sarkophag-Sitz« einlegte, einem von sieben Steuerplätzen innerhalb der Bordzentrale. Wenn er nicht gerade schlief, hielt er sich fast ununterbrochen dort auf und suchte nach Spuren Darnoks und der Erde. Und komplettierte den Wissensstand, den sie bislang über die Verhältnisse im Sonnensystem gewonnen hatten.

Es war vollständig erschlossen. Überall herrschte reger Schiffsverkehr. Auf den meisten Planeten und größeren Monden existierten Siedlungen oder Basen. Aber dieses Bild war nicht stimmig. Es erklärte nicht das Expansionsbestreben der Erinjij, der Menschen, die in der gesamten Milchstraße wegen ihrer brutalen Eroberungspolitik gefürchtet waren.

Wofür annektierten sie ferne Welten? Wofür und für wen? Wo waren all die Menschen, denen es nach neuem Lebensraum verlangte? Es gab keine Erde, die bevölkerungstechnisch aus allen Nähten platzte. Es gab vielleicht überhaupt keine Erde mehr …

Seit der Rückkehr an den Ort, an dem sie sich Antworten auf diese und andere Fragen erhofft hatten, waren die Rätsel noch größer geworden.

»Danke«, antwortete Cloud auf ihre guten Wünsche und schaltete ab.

Scobee sah förmlich vor sich, wie er sich auf einem der sieben Sitze niederließ, die dem Anschein nach für Humanoide gebaut worden waren, und wie sich die »Schale« um ihn schloss. Sie entzog ihn den Blicken anderer, sorgte aber dafür, dass er Teil des Schiffes wurde. In einem Ausmaß, das die Möglichkeiten und Pflichten eines Piloten oder Kommandanten weit überstieg.

Cloud hatte es so beschrieben, dass er mit dem Schiff verschmolz. Dass sein Geist die verschiedenen Sektionen durchwanderte, mit der KI kommunizierte und … und … und …

Für Scobee war und blieb das innige Verhältnis ihres Schicksalsgefährten mit dem Artefakt schwer vorstellbar und noch schwerer nachvollziehbar.

Während er den Raum um die RUBIKON herum absuchte, beschäftigte sie selbst sich lieber mit der Karte.

Darnok hatte das 3-D-Modell so genannt, aber es war viel mehr. Vor allem aber behauptete es, dass die RUBIKON nicht einfach nur ein Raumschiff mit der überschaubaren Länge von rund 250 Metern, einer Breite von gut 300 Metern und einer maximalen Dicke von zirka 60 Metern war …

Sondern eine Stadt!, dachte die genetisch optimierte Frau.

***

Es war der pure Aberwitz, denn glaubte man den Daten der Nanosonden, auf denen diese holografische Darstellung basierte, musste die RUBIKON in Wirklichkeit mindestens zehnmal so groß sein, wie sie immer angenommen hatten.

Wie war das möglich?

War es überhaupt möglich?

Welche Nuss hatte Darnok ihnen da zum Knacken überlassen?

Die »Münze« lag auf dem Boden von Scobees Kabine. Darüber hatte sich das dreidimensionale Modell eines Objektes entfaltet, das entfernt an einen irdischen Rochen erinnerte. Die Grundform war einem Manta sehr ähnlich, allerdings war vieles stilisiert und modifiziert. Es gab keine »Augen« oder dergleichen. Es gab nur glatten, dunklen Stahl unbekannter Legierung.

Und ein ebenso unbekanntes Antriebssystem, das wahlweise unter- oder überlichtschnell war.

Während der Reise zum Sonnensystem hatte Scobee die Sterne am Schiff vorbeiziehen sehen – mit unglaublicher Geschwindigkeit –, ohne dass sie dazu in ein anderes Kontinuum oder sonst wie geartetes Medium übergewechselt wären.

Jedenfalls hatte dieser Übergang nicht merklich stattgefunden.

Das Prinzip der Rochenbewegung war ihnen immer noch fremd. Auch Darnok hatte nichts zur Enträtselung beitragen können, obwohl er über ausreichende Erfahrung in ÜL-Antrieben verfügte.

Scobees momentanes Interesse galt jedoch weniger dem Antrieb als vielmehr dem Aufbau des unmöglichen Schiffes, das innen um ein Beträchtliches größer zu sein schien, als es von außen erkennbar war.

Die Karte war während des Ausfalls der Portale entstanden. Diese Transmitter ermöglichten es im Normalfall, fast ohne Zeitverlust von einem Ort innerhalb der RUBIKON zum anderen zu gelangen. Auf diese Weise war die wahre Größe des Schiffes zunächst auch nicht aufgefallen. Erst die Nanosonden, die Darnok durch das Ganglabyrinth geschickt hatte, brachten etwas Licht ins Dunkel des inneren Aufbaus.

Das Resultat sah Scobee vor sich. Ein in weit über hundert Decks aufgeteiltes Gebilde, dessen einzelne Ebenen sich über eine Länge von mindestens zweieinhalb Kilometer und eine Breite von bis zu drei Kilometern erstreckten.

Womit die RUBIKON das Prädikat Raumstadt eher verdient hätte als Raumschiff.

Aber das war noch längst nicht alles.

Eine erst kürzlich gemachte Entdeckung ermöglichte es Scobee, die RUBIKON über ihre gesamten Ausmaße zu durchwandern und zu erkunden, ohne auch nur einen einzigen Schritt vor ihre Kabine zu setzen.

Darnok hatte ein paar nette Ergänzungen in seine Karte eingebaut.

Typisch für den Keelon, dass er sie nicht erläutert, sondern sich darauf verlassen hatte, dass Scobee oder Cloud sie durch Zufall entdeckten.

So war es dann auch geschehen.

Vorsichtig tauchte Scobee, wie in den letzten Tagen schon oft geschehen, mit ihrem rechten Arm in das Hologramm ein und berührte mit der Spitze ihres ausgestreckten Zeigefingers eine bestimmte Stelle.

Es gab keinen fühlbaren Widerstand, und doch … sobald der Finger zur Ruhe kam, registrierte das Hologramm, worauf Scobee zeigte.

Und im selben Moment begann der Film abzulaufen.

***

Es war, als würde sie selbst durch Gänge hasten.

Sie machte den Flug der Nanosonde mit, als wäre sie ein mikroskopisch kleiner Passagier.

Es war hell. Nur die Farbtöne des Lichts wechselten sich von Gangzone zu Gangzone ab. Und überall waren Durchlässe, türlose Rahmen, Abzweigungen.

Die Geschwindigkeit der Sonde entsprach ungefähr der eines schnell gehenden Menschen. Das Sichtfeld umfasste 180 Grad. Scobee blickte in das Fenster, das sich innerhalb des Hologramms geöffnet hatte und genoss die Führung durch das rätselhafte Schiff, das zwar von den Vaaren bewacht worden war, aber nicht von ihnen erbaut zu sein schien. Zumindest nicht von den heute lebenden und den Aqua-Kubus beherrschenden Vaaren.

Es besaß entfernte Ähnlichkeit mit den für den Einsatz »unter Wasser« ausgelegten Jadeschiffen, von denen Scobee bezweifelte, dass sie überhaupt imstande gewesen wären, im freien Weltraum zu manövrieren. Dabei war es aber eher so, dass die Jadeschiffe nach SESHAs Vorbild konstruiert worden waren – und nicht umgekehrt.

Die Jadeschiffe wirkten wie eine vereinfachte Variante dieser Vorgabe.

Wer hatte die RUBIKON einst im Zentrum des Kubus zurückgelassen und die Vaaren dazu veranlasst, das Artefakt durch eine Art Religion vor jeglichem Zugriff zu schützen?

Waren die Sieben Hirten die Erbauer?

Und wenn ja, welcher Spezies mochten sie angehört haben? An Bord der RUBIKON deutete nichts auf wasseratmende Geschöpfe hin, wie sonst allerorten im Kubus.

Scobee dachte an die grob eingelassenen Züge auf der Oberfläche der Sarkophag-Schale, hinter der Cloud verschwand, sobald er sich mit der Schiffs-KI verband.

Diese Mimik gehörte mit Sicherheit keinem Menschen, war aber auch nicht so fremdartig wie die Physiognomie eines Keelon, Aorii oder Aurigen. Immerhin gab es ein Gesicht.

Aber dieses Gesicht strahlte so viel Fremdheit und Schrecken aus, dass Scobee hoffte, niemals einem lebenden Vertreter dieser Gattung zu begegnen. Weder hier an Bord noch sonst wo in den Weiten des Alls.

Bereich um Bereich des beliebig ausgewählten Ganges erforschte Scobee. Sie warf Blicke in Räume, in die auch die Sonde kurz gespäht hatte. Und auch wenn alle Eindrücke flüchtig blieben, halfen diese Ausflüge ihr doch, sich ein klareres Bild der RUBIKON zu verschaffen.

Auch Cloud hatte diesen Weg des Erkundens ein-, zweimal beschritten, sich dann aber wieder auf die Möglichkeiten besonnen, welche sich aus der Verschmelzung mit der Schiffs-KI ergaben.

Wenngleich er immer wieder das Gefühl hatte, dass ihm dabei Bereiche des Schiffes vorenthalten wurden.

»Blinde Sektoren« nannte er sie.

Und in einem dieser Blindsektoren bewegte sich Scobee gerade – und machte eine Entdeckung, die alles in Gefahr brachte.

Alles.

Nicht nur ihre eigene Zukunft – auch die John Clouds – auf diesem Schiff …

3.

Das andere Schiff kam wie aus dem Nichts, war plötzlich da. So nah – scheinbar so nah –, dass Cloud einen Moment lang fürchtete, mit ihm zu kollidieren.

Sie sehen uns, dachte Cloud. Sie starren zu uns herein.

Es war nur eine kurze Anwandlung. Dann war der Erdraumer vorbei.

Aus dem Schatten des Pluto kommend, jagte er mit irrwitziger Beschleunigung an der RUBIKON vorbei in Richtung auf den Kuiper-Gürtel und die Oortsche Wolke.

»Beruhige dich«, wisperte das Schiff. »Es bestand keine Gefahr. Ihre Ortung kann uns nicht erfassen. Ich habe den Schmiegschirm modifiziert – unter Berücksichtigung der Erkenntnisse, die wir bei den zurückliegenden Angriffen gewonnen haben. Sämtliche Taststrahlen werden jetzt um uns herumgelenkt. Selbst optisch sind wir nicht mehr zu erfassen.«

Wie die Erde, dachte Cloud.

Er nahm den Dialog mit der KI der RUBIKON wieder auf. Lautlos formten seine Lippen: »Immer noch kein Anzeichen von Darnok und dem Karnut?«

»Nein.«

»Nicht die kleinste Spur?«

»Nichts.«

Die Stimme des Schiffes durchströmte Cloud wie ein Hauch unendlicher Fremde. Er spürte, wie er sich innerlich verkrampfte. Er hatte gehofft, es würde sich ändern. Es würde besser, je häufiger er sich auf das Artefakt einließ. Aber dies erwies sich als Illusion.

Das rochenförmige Gebilde, das sie im Zentrum einer Vakuumkugel mit einer Lichtsekunde Durchmesser entdeckt hatten, hatte ihn vorübergehend im Glauben bestärkt, er könne es beherrschen.

Aber dem war nicht so.

Es beherrschte ihn.

Er hatte bislang noch nicht mit Scobee darüber gesprochen, aber jedes Mal, wenn er sich aus dem Sarkophag-Sitz löste, fühlte er sich regelrecht missbraucht. Als hätte ihn jemand oder etwas zu Taten genötigt, die er bei klarem Verstand und im Vollbesitz seines Willens niemals aus eigenem Antrieb begangen hätte.

Was für ein Wahnsinn!, dachte er.

Aber der wahre Irrsinn hatte schon viel früher begonnen. Mit Verlassen der Erde. Mit der Schwarzen Flut … und mit Jupiter, dem Planeten, der sich zuerst zu einem Schwarzen Loch verdichtet hatte und dann zum Tor, aus dem eine ganze Armada außerirdischer Raumschiffe gedrungen war.[1]

Irgendwann löste er sich aus der Umklammerung des Sitzes.

Der Panzer, der ihn körperlich von seiner Umgebung abschottete, verschwand.

Vor ihm stand Scobee. Sie wirkte völlig aufgelöst.

»Ich muss dir etwas zeigen!«, empfing sie ihn fast außer sich. »Du ahnst nicht, was …«

***

Er begleitete sie aus der Zentrale heraus. Im direkten Anschluss lagen die beiden Kabinen, die er ihren Bedürfnissen angepasst hatte – so weit es die von Cloud entdeckte Morphing-Fähigkeit des Stahls zugelassen hatte.

Und die nach wie vor vorhandene Einflussnahme der Schiffs-KI.

In Scobees Kabine erwartete ihn die aktivierte 3-D-Simulation des RUBIKON-Inneren. Sie nahm etwa anderthalb Meter in der Breite und knapp über einen Meter in der Länge ein.

»Was hast du entdeckt?«, fragte er die Frau mit dem schulterlangen, glatt fallenden, schwarz-violetten Haar.

Scobee ging ohne Umschweife auf das holografische Modell zu und aktivierte die Filmsequenz, die eine der Nanosonden beim Kartographieren aufgezeichnet hatte.

Wenig später begleitete auch Cloud deren Flug durch einen der zahlreichen Schiffskorridore.

Ein Bereich innerhalb des Raumschiffs, der in der hinteren, unteren Hälfte lag. Cloud wusste nicht, warum er ausgerechnet in diesem Moment an die Cheopspyramide denken musste.

Aber der Vergleich sollte sich als passend erweisen.

»Achtung«, warnte Scobee vor.

Dann endete die Eintönigkeit der Korridore jäh, und der Schläfer geriet ins Bild …

***

Das Ganze dauerte nur einen Sekundenbruchteil – dann war die Sonde an der Nische vorbei, in der sich die Konturen eines Geschöpfes abzeichneten wie in Bernstein gegossen.

Cloud stieß einen Pfiff aus, der ihm gar nicht bewusst wurde.

»Kannst du das anhalten und noch mal zurückspulen?«, fragte er.

»Bedaure. So weit bin ich noch nicht geübt im Umgang mit Keelon-Technik. Ich bin schon froh, dass ich es starten kann. Es hört jedes Mal von allein auf, wenn das Ende der Sequenz erreicht ist. Wenn du es noch mal sehen willst, müssen wir ganz von vorne starten.«

Cloud schüttelte den Kopf. Trotz der Kürze der Wahrnehmung, hatte sich der Anblick förmlich in sein Gehirn gebrannt.

Ein Humanoider.

Über seine Größe ließ sich ohne Vergleichsmöglichkeit wenig sagen, aber er war nackt gewesen, haarlos, und seine Haut hatte fest gewirkt, fast wie gepanzert. Sein Schädel einschließlich dem Gesicht war knöchern …

Cloud holte tief Luft. »Es ist also wahr«, murmelte er.

»Wahr?«, echote Scobee.

»Sie sind immer noch da. Die Herren der RUBIKON … Die Erbauer des Artefakts … Sie befinden sich an Bord, und wenn wir nicht gerade ein Grab gesehen haben, dann …«

»Er – oder sie? Ich vermag keine eindeutigen, geschlechtsspezifischen Merkmale zu entdecken. Also … Es schläft nur, da bin ich mir sicher«, sagte Scobee. »Ich habe die Sequenz dreimal wiederholt. Einmal habe ich sogar eine Bewegung erkannt, glaube ich.«

»Das Bild war erstaunlich scharf«, bestätigte Cloud. »Details sind durchaus erkennbar. Allerdings …«

»Ja?«

»… sollten wir unsere Erwartungen ein wenig herunterschrauben. Es wäre mehr als fantastisch, wenn sich die Hirten wirklich an Bord befänden, noch dazu lebend.«

»Und schlafend.«

»Wie auch immer.« Cloud trat einen Schritt vom Modell zurück. Er blickte Scobee ernst in die Augen. »Glaubst du, wir finden diesen Abschnitt, wenn wir uns an den Holoangaben orientieren?«

»Ich hatte gehofft, dass du das fragst.«

Er lächelte. »Und?«

»Ich bin entschlossen, es zu versuchen.«

Er schüttelte den Kopf. »Wir«, korrigierte er sie ruhig. »Wir werden es versuchen. Ich habe es satt, nach Dingen zu suchen, die entweder nicht da oder unsichtbar sind … oder nach Außerirdischen, die sich verspäten.«

Seine Verweise auf die Erde und auf Darnok waren unmissverständlich.

»Sehen wir also zur Abwechslung mal nach etwas, das da ist – und nur darauf wartet, entdeckt zu werden.«

»Oder … erweckt«, sagte Scobee.

Erst in diesem Moment dämmerte es Cloud, dass dieser Fund mehr als einen Aspekt besaß.

Einen möglichen Hirten zu finden, war eine Sache – ein solches Wesen von unabsehbarer Machtfülle eventuell sogar ins Bewusstsein zurückzuholen, eine völlig andere …

***

»Handeln wir klug?«, murmelte Cloud.

Scobee blieb stehen, blickte ihn verwirrt an. »Wir handeln. Ist das nicht auch schon ein gewisser Fortschritt gegenüber unserer ersten Phase?«

»Erste Phase?«

»Als wir Darnoks Willkür noch völlig ausgeliefert waren.«

»Vielleicht. Aber …«

»Hölle, John!«, stieß Scobee hervor. »Ich weiß auch, dass es ein Risiko bedeutet! Jeder verdammte Schritt auf diesem Kahn bedeutet ein Risiko. Aber nichts über ihn zu wissen – nicht, was wirklich unter der Oberfläche steckt –, wird auf Dauer mindestens ebenso gefährlich sein. Du fliegst dieses Ding, steuerst es im Verbund mit einer Rechnereinheit, über die wir letztlich ebenso wenig wissen wie über jedes andere Ding an Bord. Wir kennen nicht einmal die einstige Bedeutung dieses Schiffs. Es kann ein Kriegsschiff oder eine Arche sein. Vielleicht ist es auch die letzte Zuflucht einer zum Untergang verfluchten Zivilisation. Es kann alles sein. Die ganze Zeit sind wir davon ausgegangen, dass es verlassen ist. Jetzt haben wir ein Bild gesehen, das das Gegenteil aussagt. Aber nicht einmal das muss stimmen. Hier an Bord gab es schon andere Vorfälle, die sich ohne ins Absurde abzuschweifen als Katz-und-Maus-Spiel interpretieren ließen. Ich gebe zu: Ich habe nicht dieses Urvertrauen in den Kahn, das dich offenbar auszeichnet. Ich misstraue jedem Quadratzoll hier. Dieses Ding will mich nicht. Es mag dich wollen, aber mich? Nein!«

»Das bildest du dir ein.«

»Ich wette, Darnok war froh, als er verschwinden konnte. Und vielleicht ist das ja auch der Grund, weshalb er nicht wie vereinbart erschienen ist.«

»Du meinst, er will kein Wiedersehen?«

»Wäre das so abwegig?«

»Ja.« Er sagte es im Brustton der Überzeugung, die er auch empfand.

Achselzuckend erwiderte sie: »Lass uns weitergehen.«

Schweigend setzte sie ihren Weg fort. Die RUBIKON war zum einen getarnt, zum anderen nicht wehrlos, auch wenn Cloud den Kommandositz nicht belegte. Die KI wachte über die Umgebung des Rochenschiffs, registrierte jede Veränderung. Und wenn sie es für begründet hielt, würde sie Alarm schlagen.

Würde sie?

Wenn der entdeckte Humanoide tatsächlich ein Mitglied der einstigen Besatzung war und nur schlief, nicht tot war, warum hatte sie ihn dann nicht längst geweckt? Warum hatte sie das Schiff stattdessen in die Hände eines völlig fremden Menschen gelegt, den sie als autorisiert bewertete?

Vielleicht werden wir es nie erfahren, dachte Cloud, weil wir vorher sterben.

Aber tief im Innern glaubte er nicht daran. Er glaubte an Schicksal und den Sinn des Lebens. Wenn sie hätten sterben sollen, wäre dies schon viel früher geschehen!

Er lachte über sich selbst.

Die Philosophie, an die er sich klammerte, war mehr als dürftig.

Zwei Stunden später und drei Decks tiefer erreichten sie die Stelle, die ihnen die Aufzeichnung der Nanosonde gezeigt hatte.

Und diese Stelle war … leer.

***

»Wir müssen falsch gelaufen sein!«, behauptete Cloud. »Irgendwo ist uns ein Fehler passiert!«

Niemals, dachte Scobee. Sie hatte sich den Weg exakt eingeprägt, und auf ihr Gedächtnis war Verlass.

»Die einzige Möglichkeit, die ich sehe«, sagte sie, »ist, dass die Karte einen Fehler aufweist.«

»Dann hätte Darnok gepfuscht.« Cloud stand vor der Nische, die genau wie jene aussah, die sie im Film entdeckt hatten.

Nur gab es keinen bernsteinartigen Block darin, geschweige denn ein außerirdisches, entfernt menschenähnliches Wesen.

»Und das halte ich für wenig wahrscheinlich«, fügte er hinzu. »Bei seiner Sorgfalt …«

Scobee trat neben ihn, besah sich die vakante Nische ebenfalls. »Wenn es wenigstens irgendwo auf diesem Schiff auch nur die Andeutung von Staub gäbe, dann könnten wir sehen, ob hier eine staubfreie Stelle ist, die sich von der Umgebung unterscheidet.«

Er begriff, worauf sie hinaus wollte. »Du hältst es für möglich, dass der Block mit dem Schläfer entfernt wurde?«

»An Bord dieses Dings halte ich alles für möglich.«

»Eines Tages wird es dir deine Äußerungen übel nehmen.«

»Auf diesen Tag warte ich. Dann zeigt es endlich sein wahres Gesicht.«

Cloud wollte etwas erwidern, aber in diesem Moment geschah es.

Scobee spürte einen Luftzug – zumindest meinte sie, ihn zu spüren –, und als sie sich umdrehte …

»Bei allen Sternen!«, keuchte sie.

Cloud folgte ihrem Blick – und erstarrte.

»Das ist er!«, keuchte Scobee. »Das ist der Kerl aus dem Bernstein!«

Er stand wenige Schritte von ihnen entfernt. Setzte sich dann in Bewegung und näherte sich.

»Vorradjeskko«, sagte der Fremde.

***

»Seid demütig«, wiederholte das Wesen. Die dünne braune Membran in seinem knöchernen Gesicht zitterte bei jedem Wort wie die Bespannung eines altmodischen Lautsprechers.

»Demütig?« Cloud merkte kaum, wie ihm die Frage über die Lippen rann. Er registrierte nur, dass Scobees Kopf jäh herumruckte. Sie starrte ihn plötzlich ebenso erschreckt an, wie sie es gerade noch bei dem Außerirdischen getan hatte.

Dieser überragte sie beide um etwa einen halben Meter. Sein Schädel war ebenfalls größer als der Kopf eines Menschen – fast doppelt so groß, dabei völlig haarlos und von der Form her irgendwie zu flach.

Seine Haut war so dünn, dass man sie kaum erkennen konnte. Das, was Cloud im Bild von Darnoks Karte für besonders dicke Haut gehalten hatte, war schon die Knochenstruktur.

Der Körper wirkte nicht mehr nackt. Stattdessen wurde er ungefähr ab der Körpermitte bis nach unten von einem ständigen Gewimmel aus das Umgebungslicht absorbierenden Teilchen bedeckt. Die Natur dieser Partikel blieb unergründlich. Sie huschten wie schwarze, beinlose Insekten über den Körper des Humanoiden. Vielleicht besaßen sie auch Gliedmaßen, doch die mussten so klein sein, dass sie unsichtbar blieben.

Ein Gewimmel wie in einem Ameisenhaufen, dachte Cloud.

»Was hast du gerade gesagt?«, fragte Scobee.

»Ich wollte nur wissen, was er unter ›demütig‹ versteht.«

Die Gestalt blieb einen knappen Meter von ihnen entfernt stehen.

»Demütig? Du sagtest: Jeskko!«

Er blickte sie verständnislos an. Nichts anderes hatte er gerade zu ihr gesagt. Jeskko. Demütig.

»Ich fürchte …«

Ihre Augen weiteten sich, änderten spontan die Farbe. Aus dem üblichen Jadegrün wurde tiefes Schwarz. Cloud hatte das Gefühl, in zwei Löcher zu starren, deren Grund weit hinter den Beschränkungen von Scobees Schädel lag.

Ihn fröstelte.

Weniger der veränderten Augen wegen als vielmehr unter der Erkenntnis, was sie ihm gerade klarzumachen versuchte.

Für einen Moment schien der Boden unter seinen Füßen aufzuweichen. Er machte einen instinktiven Schritt zur Seite, bis er sich wieder in der Gewalt hatte.

»Du meinst: Du verstehst nicht, was er sagt?«

»Ich höre nur eine Aneinanderreihung von hart akzentuierten Lauten … Die du auch gerade benutzt hast.«

»Das ist verrückt.«

»Das müsste wohl eher ich sagen …«

Er ballte die Hände zu Fäusten und wandte sich dem Wesen zu. Dem Riesen.

»Wer bist du?«, fragte Cloud.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie sich Scobee abermals versteifte.

Ich habe es wieder getan, dachte er. Ich spreche seine … Sprache. Zur Hölle, wie kann das sein? Und wieso merke ich es nicht einmal?

Der Fremde wandte sich jetzt ausschließlich Cloud zu. Und obwohl er keine Augen darin erkennen konnte, wusste er, dass er von der ganzen Fläche dieses »Gesichts« angestarrt wurde. Es besaß Einbuchtungen und Erhebungen, die entfernt – sehr entfernt! – an einen Menschenschädel erinnerten, der komplett mit einer dünnen, knochenfarbenen Haut überzogen war. Die einzige farbliche Abweichung war ein fast kreisrunder, etwa untertellergroßer Fleck in der unteren Kopfhälfte, aus dem die Stimme des Wesens drang. Dieser Fleck wiederum sah aus wie ein über einen Resonanzkörper gespanntes Trommelfell.

War es so? Und wenn ja, wie ernährte sich ein solches, mundloses Geschöpf?

Diese und andere Fragen schossen Cloud durch den Sinn, als der Fremde antwortete: »Ich bin Sobek.«

Das war der Name eines der Hirten!

Cloud war dennoch keineswegs so erstaunt, wie er es eigentlich hätte sein müssen. Was ist los mit mir? Vor uns steht eines der Wesen, die von den Vaaren vergöttert wurden, und ich …

»Das glaube ich nicht.« In dem Moment, da er es sagte, wurde ihm bewusst, welche Gefahr er durch sein ihm selbst unverständliches Verhalten heraufbeschwor.

Sekundenlang stand das Schweigen wie eine Wand zwischen ihnen.

Endlich drang etwas aus der Membran des Wesens, das alles bedeuten konnte: Belustigung, Ärger, Unbekümmertheit … Cloud sah sich mit den Grenzen seines Verstehens konfrontiert.

»Geht jetzt!«, sagte es.

»Was sagt er?«, fragte Scobee.

»Wir sollen gehen.«

»Rede verständlich mit mir!«

Er schloss kurz die Augen, konzentrierte sich, bemühte sich – und wiederholte den Satz.

»Danke.« Scobee nickte ihm zu, signalisierte Verständnis für sein Problem. »Warum schickt er uns weg? Wäre das nicht die Gelegenheit, uns in ungezwungener Atmosphäre locker miteinander bekannt zu machen?«

Er bewunderte sie für ihre Fähigkeit, in dieser Lage ironisch zu sein.

»Er behauptet, Sobek zu sein.«

»Sobek …« Scobees tätowierte Augenbrauen hoben sich und zogen sich im nächsten Moment über der Nasenwurzel zusammen. »Das ist derjenige der Hirten, auf dessen Sitz ich schon mal Platz genommen habe …«

Obwohl sich Cloud an die Situation, die Scobee ansprach, schwach erinnerte, erschien es ihm nicht der Erwähnung wert. Nicht jetzt, nicht hier.

»Du sagtest: ›Er behauptet …‹ Heißt das …?«

»Ja. Das heißt, dass ich ihm nicht glaube.«

»Warum nicht?«

»Darum!«

Noch ehe Scobee, noch ehe »Sobek« reagieren konnte, warf sich Cloud einem plötzlichen Impuls folgend nach vorne gegen die Gestalt. Die Arme ausgestreckt, musste die Wucht ausreichen, den vermeintlichen Hirten entweder umzuwerfen oder …

Cloud prallte gegen ein Hindernis, das keinen Millimeter nachgab.

Aber erst an der Wand hinter »Sobek«, der weiterhin ungerührt dastand, unerschütterlich.

»Eine Illusion«, stieß Scobee hervor. »Nur eine … Projektion … Ein Hologramm – oder irgendetwas in der Art …«

»Dennoch werdet ihr gehen!«, sagte die Erscheinung in diesem Augenblick und zunächst nur für Cloud verständlich. »Ihr müsst, denn ich habe entschieden. Du hast deinen Zweck erfüllt. Ihr seid nicht länger willkommen!«

Erst in diesem Moment dämmerte Cloud, dass der »Hirte« sie nicht einfach nur wieder den Weg zurückschicken wollte, den sie gekommen waren. Sie sollten nicht zurück in den zentralen Bereich der RUBIKON gehen, sondern …

»O mein Gott …« Er rieb sich die Handgelenke, die den Aufprall gegen die Wand nicht schmerzlos weggesteckt hatten.

»Tut es so weh?«, fragte Scobee.

Sie dachte, sein Ausruf beziehe sich auf die Schmerzen. Sie war noch völlig ahnungslos.

Langsam ging er zu ihr. Dabei umrundete er »Sobek«, obwohl dieser erwiesenermaßen nicht real vor ihnen stand.

»Er sagt, wir müssen gehen.« Er fasste sie am Arm. »Komm!«

»Aber …«

Kopfschüttelnd unterbrach er sie. »Wenn ich ihn richtig verstanden habe, haben wir ein Problem. Eins, das unter Umständen unseren Tod bedeutet.«

Sie sah ihn nur an.

Und dann wiederholte er, was der Hirte gesagt hatte. »Wir sind hier nicht länger willkommen … Wenn ich das richtig verstehe, will man uns von Bord haben. Oder drastischer formuliert: uns rausschmeißen.«

4.

»Dahinter kann nur diese verdammte KI stecken«, fauchte Scobee. »Du hast behauptet, du hättest sie unter Kontrolle. Das dürfte nun wohl hinfällig sein …«

Cloud schwieg. Sein Blick glitt zu dem Pseudowesen, das sich nur eine Armlänge von ihnen entfernt manifestiert hatte. Es machte keinen Sinn, darauf loszugehen. Es war nicht real. Nicht in einem Maß jedenfalls, das es greifbar gemacht hätte. Was Cloud schmerzhaft zu spüren bekommen hatte …

»Vielleicht hast du es missverstanden.«

Er lachte unterdrückt. Dann schüttelte er den Kopf, wandte sich dem vorgeblichen Hirten zu. »Habe ich das? Habe ich dich missverstanden? Ist es kein Rauswurf?«

Auch wenn es ihm nicht bewusst wurde, ging er davon aus, dass er auch jetzt wieder jene Sprache benutzte, die er niemals erlernt hatte. Die Sprache, deren bloßer Klang Scobee erneut neben ihm zusammenzucken ließ.

Statt einer unmissverständlichen Antwort, sagte das Hologramm: »Kehrt zurück in die Zentrale.«

»Was sagt er? Frag ihn, ob er nicht unsere Sprache benutzen kann. Er …«

Sie verstummte, als die Erscheinung verschwand. Übergangslos. Das Hologramm war einfach weg – so wie er kurz vorher noch einfach da gewesen war.

Ohne zu wissen warum, ging Cloud zu der Stelle, an der »Sobek« gestanden hatte. Was immer er dort zu finden erwartet hatte – es gab nichts. Keine Spur.

»Was hat er gesagt?«, wiederholte Scobee ihre Frage. »Spann mich nicht auf die Folter! Wie hast du ihn dazu gebracht, zu verschwinden?«

Cloud drehte sich ihr zu. »Er ging von ganz allein«, sagte er. »Nachdem er uns aufgefordert hatte, in die Zentrale zurückzukehren.«

»Dann war alles nur ein Irrtum. Du hattest ihn falsch verstanden. Wir …«

»Davon hat er nichts gesagt. Ich glaube nicht, dass Grund zur Erleichterung besteht.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin sicher, ihn richtig verstanden zu haben. Lass uns gehen, wir sollten seiner Anweisung folgen!«

»Sonst …?«

»Ich weiß es nicht.«

»Er ist ein Hologramm. Was kann er tun, wenn wir ihn einfach ignorieren?«

Cloud lächelte bitter. »Uns umbringen?«

»Wie?«

»Wenn er mit der Schiffs-KI gekoppelt ist – beziehungsweise eine Manifestation von ihr ist, was ich stark vermute –, dürfte er etliche Möglichkeiten haben. Wenn er großzügig ist, dürfen wir uns unsere Todesart vielleicht sogar aussuchen. Wie wär’s mit ersticken, erfrieren, verhungern, verdursten?«

»Wir haben Vorräte. Wir haben Luft.«