Bad Homburg - Heide-Renate Döringer - E-Book

Bad Homburg E-Book

Heide-Renate Döringer

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Beschreibung

Ein Gang durch die Geschichte der Stadt Bad Homburg von der Landgrafenzeit bis heute, lebendig erzählt dank abwechslungsreicher Berichte, spannender Anekdoten und stimmungsvoller Gedichte. Fotos, Bilder sowie zeitgenössische Illustrationen ergänzen sie wirkungsvoll und informativ. Lauscht man den Brunnen Bad Homburgs könnten sie von flanierenden Kurgästen, von Dramen im Kasino der Brüder Blanc, vom Sport im Kurpark, den Prinzen, Kaisern, Zaren, Schriftstellern, Künstlern und Kranken, alle im gemeinsamen Leid mit ambitionierten Ärzten verbunden, erzählen - hier können Sie diese Geschichten nachlesen. Auch die der Villa Wertheimber, einst Sitz einer jüdischen Frankfurter Bankiersfamilie im ehemaligen Prinzengarten. Als Herrenhaus errichtet, bot sie nach dem Krieg Kriegsversehrten ein Heim und dient heute als Stadtarchiv, wo auch die Arbeit des Dichters Hölderlin eine Heimat gefunden hat. Genießt man dort gerade nicht Natur und Kultur im Gustavsgarten mit spielenden Kindern, dann kann man auch wunderbar für ein Buch recherchieren, so wie für dieses!

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FürElla Johanna Döringeralias„dirty finger“

Vorwort

Bad Homburg vor der Höhe ist die Kreisstadt des Hochtaunuskreises und zählte im Jahre 2022 rund 55.000 Einwohner. Zu Füßen der Taunusberge gelegen und nicht weit entfernt von der Großstadt Frankfurt am Main, ist Bad Homburg bekannt als Kur- und Kongressstadt. Kliniken, Reha-Zentren, Thermalbäder und Parks versprechen kranken Menschen Heilung, aber auch Gesunde kommen gerne in die gepflegte Stadt, um Urlaub zu machen und das Leben zu genießen. Kur, Kunst und Kultur gepaart mit Champagnerluft versprechen einen erholsamen und interessanten Aufenthalt. Turnusmäßig finden in Bad Homburg das Poesie- und Literaturfestival, das Orgelfestival Fugato, die Blickachsenausstellung mit Skulpturen internationaler Künstler, das Thaifestival, das Laternenfest, Theateraufführungen und zahlreiche Ausstellungen in Museen und Galerien statt. Im historischen Spielcasino kann der Besucher auch heute noch das Glück herausfordern und gepflegt dinieren. Das Unterhaltungsangebot in der Stadt erscheint bunt und äußerst vielfältig.

Doch Bad Homburg bietet viel mehr. Die Stadt blickt zurück auf eine jahrhundertelange, wechselhafte, interessante Geschichte. Stadtväter und Einwohner sind sich dessen sehr bewusst; sie bewahren historische Stätten und Gebäude und halten die Erinnerung auf vielfältige Weise wach.

Das Buch unterstützt dieses Anliegen. Es erzählt von drei Homburger Landgrafen und deren Ehefrauen, die für die Entwicklung der Landgrafenparks maßgeblich waren. Es beschreibt die Entdeckung des Heilwassers, das Wirken kundiger Ärzte, das aufregende Leben in der Kurstadt um die Jahrhundertwende, die Besuche von Kaiser Wilhelm II. im Homburger Schloss, seiner Sommerresidenz, und es lässt eine herrschaftliche Villa zur Zeitzeugin werden.

Überlieferte Anekdoten, Gedichte, Illustrationen und sogar ein Märchen gestalten diesen historischen Rückblick zu einem unterhaltsamen Lesebuch. Blickachsen von der Landgräflichen Gartenlandschaft bis zur Gegenwartskunst spannen einen Bogen über das Leben in Homburg vom 19. Jahrhundert bis in die Moderne.

Während der Nachforschungen zu meinem Buch Elisabeth-Landgräfin von Hessen-Homburg (1770-1840) im Jahre 2021 beschäftigte ich mich schon intensiv mit der Landgräflichen Gartenlandschaft und den Prinzengärten in Homburg. Damals nahm ich an einigen Führungen unter Leitung der Landschaftsarchitektin Elzbieta Dybowska teil; wir besuchten unter anderem auch den Gustavsgarten. Zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht bewusst, dass gerade dieser Garten einmal mein persönliches Arkadien1 werden würde.

Heute vermittelt mir allein schon die entschleunigte Anfahrt entlang der Tannenwaldallee mit ihren gepflegten Villen Wohlgefühl. Beim Durchschreiten des Haupttores am Gustavsgarten fällt der Blick zuerst auf die riesigen Katzengestalten von Laura Ford, die sich auf der Wiese zu vergnügen scheinen; abstrakte Skulpturen unter uralten Baumriesen und in saftigem Gras bilden ein spannendes Zusammenspiel von lebender Natur und moderner Kunst. Und schließlich erscheint die imposante Villa Wertheimber, die unter anderem das Archiv der Stadt Bad Homburg beherbergt – Ort und Fundgrube der Recherche.

Inhalt

I. Landgräfliche Gartenlandschaft Homburg

II. Der Kurort Homburg (1810-1914)

Die Stadt der Brunnen und Bäder

Die Spielbankzeit

Frühe Kurgäste / Zeitzeugen berichten

III. Sehnsuchtsort der Sommerfrischler

Kureinrichtungen und Ärzte

Sport im Kurpark

Illustre Besucher

Die erste elektrische Straßenbahn

Kaiser Wilhelm II.und Kaiserin Auguste Viktoria

Homburg wird Bad

IV. Die Familie Wertheimber

Das Accatium

V. In Zeiten des Krieges

Das erste Jahr 1914

Im Jahr 1915

Im Jahr 1916

Im Jahr 1917

Im Jahr 1918

VI. Villa Wertheimber

Im Nationalsozialismus

Ein Neuanfang

Eine Kulturstätte

Das Bad Homburger Stadtarchiv

Friedrich Hölderlin in Bad Homburg

Ein kultureller Veranstaltungsort

VII. Der Gustavsgarten im 21. Jahrhundert

Der Gustavsgarten als Skulpturenpark

Nachwort

Anmerkungen

Literatur

Die Autorin

Blickachsen in der Gartenlandschaft in der Kunst

wir blicken voraus

wir blicken hin

wir blicken an

wir blicken durch

wir blicken zurück

Anblick Durchblick Rückblick

A

U

G

E

N

B

L

I

C

K

E

H.- R. Döringer

I. Landgräfliche Gartenlandschaft Homburg

Die Bäume

Die Sträucher

Die Pflanzen sind der

Schmuck und das

Gewand der Erde

Rousseau

Die Gartenlandschaft Homburg stellt mit einer Fläche von rund 360 Hektar ein besonderes Gartenkunstwerk dar. Drei Generationen des Landgrafenhauses Hessen-Homburg gaben der Anlage in der Zeit zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert jeweils einen eigenen Charakter.

Sowohl für Landgraf Friedrich V. Ludwig und Landgräfin Caroline, die Erbauer der Gartenlandschaft, als auch für Landgraf Friedrich VI. Joseph und Landgräfin Elizabeth, die Vollender, galt im Sinne des Zeitalters der Aufklärung die Sehnsucht nach Arkadien als erstrebenswertes Ideal. Die künstlerische Gestaltung von Parks und Gartenanlagen sollte eine Idylle schaffen für ein Leben in Harmonie mit der Natur. Landgraf Gustav und Landgräfin Louise lebten ihr Arkadien im Gustavsgarten.

Landgraf Friedrich V. Ludwig und Landgräfin Caroline

Die Beginner

Landgraf Friedrich V. Ludwig 1 1748-1820

Landgräfin Caroline 2 1746-1821

Friedrich V. Ludwig war drei Jahre alt, als sein Vater Landgraf Frierich V. Karl im Jahre 1751 starb. Seine Mutter, die erst 19jährige Landgrafenwitwe, vertraute die Erziehung des Knaben dem erfahrenen und hochgebildeten Prinzenerzieher Alexander von Sinclair an. Der junge Friedrich Ludwig entwickelte sich zu einem Schöngeist, denn die übliche militärische Laufbahn war ihm verwehrt, da er unheilbar stotterte. Auch im persönlichen Gespräch fühlte er sich gehemmt und gestand „Da ich das Unglück habe, manchmal zu stottern, rede ich nur, wenn ich meiner Sache sicher bin.“ So verfasste er in französischer und deutscher Sprache Gedichte, Reiseberichte und eine Fülle von religiösen, historischen und politischen Abhandlungen.

Im Alter von 20 Jahren heiratete der Landgraf die schöne, tatkräftige und ehrgeizige Caroline von Hessen-Darmstadt. Diese Verbindung war eine Zweckheirat aus politischen Gründen, denn mit der Vermählung wurde nach jahrelangen Streitigkeiten zwischen den Häusern Hessen-Darmstadt und Hessen-Homburg ein Haus- und Erbvertrag besiegelt. Dieser Vertrag sicherte Homburg die langersehnte weitgehende Selbständigkeit innerhalb des deutschen Reichs zu. Die Gattin Caroline war eine Tochter der „Großen Landgräfin“, die Mitte des 18. Jahrhunderts Darmstadt zu einem kulturellen Zentrum gemacht hatte. In solchem Umfeld aufgewachsen fühlte sich die neue Landgräfin im ärmlichen Homburger Landgrafenschloss höchst unwohl und beneidete ihre Schwestern, die viel glänzendere Partien machten.

Dem landgräflichen Paar wurden 15 Kinder geboren; vier davon starben früh, sechs Söhne und fünf Töchter wuchsen problemlos heran. Das Elternpaar konnte sich seinen persönlichen Interessen widmen. Der literarisch und philosophisch hochgebildete Landgraf und seine intelligente Gemahlin standen in brieflicher und persönlicher Verbindung zu den Geistesgrößen ihrer Zeit; Sinclair und Hölderlin wohnten und arbeiteten sogar im Dienste des Landgrafen. Zu den Besuchern des Hofes im ausgehenden 18. Jahrhundert gehörte Goethe, und in regem Briefwechsel stand das Ehepaar mit Klopstock, Herder und Wieland. Man pflegte auch Kontakte zu Voltaire und zeitgenössischen Malern, die sich ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts intensiv mit den Fragen der Natur, der Landschaftsmalerei und der Gartenkunst beschäftigten.

Als Auslöser für das Lebenswerk des Landgrafenpaares in Homburg galt die Philosophie des zeitgenössischen Franzosen Jean Jacques Rousseau. Friedrich V. Ludwig und Caroline hatten gemeinsam Rousseaus Erzählung „Julie et la Nouvelle Héloise“ gelesen, in der ein Idealgarten im landschaftlichen Stil, nämlich die Gartenanlage von Ermenonville6,beschrieben wird. In Anlehnung an diese Beschreibung der Gartengestaltung fand die tiefe Verehrung des französischen Philosophen nun auch in Homburg ihren gartenkünstlerischen Ausdruck. Nach den Vorbildern der Landschaftparks Ermenonville und Wörlitz wurde das Gelände unterhalb des Schlossberges in einen englischen Landschaftsgarten mit malerischen Gehölzpartien und romantischen Wegen verwandelt, dem Aufruf Rousseaus folgend „Zurück zur Natur“.

Die Tannenwaldallee

In den Jahren 1770/71 ließ Landgraf Friedrich V. Ludwig einen schnurgeraden, von Säulenpappeln8 gerahmten Weg anlegen, der vom Schlosspark aus in Nord-West-Richtung verlief und zum Tannenwald führte – es war die zukünftige „Tannenwaldallee“.

Alleen dienten in dieser Zeit der Gliederung von Parkanlagen und lenkten den Blick weit in die Landschaft hinaus, hier in Homburg vom Schloss bis in den Taunus und zum Feldberg. Diese neue Straße beanspruchte der Landgraf nicht nur für sich und seine Gäste, sondern er sah sie als eine promenade publique an, auf der die Homburger und die vielen Kurgäste an Sonntagen spazieren gehen konnten.

tannenwaldallee7.

die allee entlang, durch wald zur höhe ...

ausbrechen aus dem pferch der herde in das

große abseitssein der welt ... ausatmen,

damit einatmen sein kann des lichtes der himmel

in die brust, die von andern eingeengt ...

ausbrechen aus einer welt, die uns andere verordneten.

ausbrechen, um selbst sein zu dürfen und welt

erschaffen, in der atmen möglich...

„solche unschuldigen augenblicke geben mir“-

wie vormals hölderlin- „wieder mut und kraft.“

also entlang die allee zum pfad und der sonne am hang.

Hem Schüppel

Ein unbekannter Poet veröffentlichte 1846 dieses kleine Gedicht:

Wanderung im Tannenwald

Kommt lasst uns heute einen Gang

zum Tannenwalde machen!

Die Zeit nach Tisch wird oftmals lang,

drum richtet eure Sachen,

zu Fuß die Gegend zu besehen.

Wir wollen der Allee zu gehen,

der Weg wird euch gefallen.

Im Jahre 1775 erwarb der Landgraf noch ein Grundstück, um einen Verbindungsweg zwischen dem „Kleinen Tannenwald“ und der Tannenwaldallee anlegen zu können. Diese Straße wurde von Akazien gesäumt, und der zur Linken liegende Garten wurde der spätere Gustavsgarten.

Die gesamte Anlage sollte die Aspekte der Ästhetik mit der Nutzbarkeit verbinden und dem philosophischen Ideal der Zeit Heraus aus den Mauern – hinein in die Natur! entsprechen und Raum verschaffen.

Landgraf Friedrich V. Ludwig gewann aus seinen gartenkünstlerischen Erfolgen eine tiefe persönliche Befriedigung und leitete daraus seine eigene Lebensphilosophie ab, welche er gleichsam als Rezept für ein glückliches Leben und eine erfolgreiche Regierungszeit an seine Söhne weiterzugeben gedachte.

Nach dem Tode des Landgrafenpaares (1820 bzw. 1821) gelangten neben dem Großen und dem Kleinen Tannenwald sowie einem Forstgarten und einem nahegelegenen Tiergarten weitere fünf Grundstücke an der Tannenwaldallee als Erbe in das Eigentum des ältesten Sohnes, Landgraf Friedrich VI. Joseph. Die Grundstücke an der Allee gab dieser später als Geschenke an seine vier Brüder Ludwig (Louis), Gustav, Ferdinand und Philipp weiter. Die so genannten „Prinzengärten“ sind demnach nicht ein Geschenk des Vaters Friedrich V. Ludwig an die fünf Söhne, sondern von Landgraf Friedrich V. Joseph an seine vier Brüder. Zum Zeitpunkt der Schenkung im Jahre 1823 waren Ludwig Wilhelm (Louis, 17701839), Philipp August (1779-1848), Gustav (1781-1848) und Ferdinand (1783-1866) bereits zwischen 40 und 50 Jahre alt.9

1. Schlossgarten / 2. Carolinenbrücke / 3. Englischer Garten 4. Louisgarten / 5. Gustavsgarten / 6. Ferdinandsgarten / 7. Kleiner Tannenwald

Landgraf Friedrich VI. Joseph und Landgräfin Elizabeth

Die Vollender

Landgraf Friedrich VI. Joseph 3 1769-1829

Landgräfin Elizabeth 1770-1840

Friedrich VI. Joseph war Erbprinz der Landgrafschaft Hessen-Homburg. Da sein Vater um eine sorgfältige Ausbildung seiner Söhne bemüht war, erhielt Friedrich VI. Joseph, genannt „Fritz“ ebenso wie seine Brüder eine strenge religiöse wie auch humanistische Erziehung. Friedrich interessierte sich von Jugend an für das Militär und trat 1798 in österreichische Dienste. Seine Karriereleiter war steil; im Laufe der Jahre wurde er zuerst zum Oberst und dann zum General ernannt, doch die erdrückende Schuldenlast in der Grafschaft zwang ihn, im Alter von 48 Jahren seinen Abschied zu nehmen und sich eine reiche Frau zu suchen. Die Wahl fiel auf Prinzessin Elizabeth, eine Tochter des englischen Königs George III. und seiner Gemahlin Sophie Charlotte aus dem Hause Mecklenburg-Strelitz.

Elizabeth war von den 15 Kindern des englischen Herrscherpaares das siebte Kind, die dritte Tochter. Sie erhielt am Königshof in London eine umfassende Ausbildung, lernte zahlreiche zeitgenössische Künstler und Wissenschaftler kennen und entwickelte sich zu einer intelligenten jungen Frau. Da die königlichen Eltern ihre Töchter möglichst lange um sich haben wollten, verhinderten sie lange Zeit deren Eheschließung. So kam es, dass Elizabeth schon 48 Jahre alt war, als sie den Homburger Landgrafen kennen und lieben lernte. Es wurde eine glückliche Ehe. Landgräfin Elizabeth, von den Homburgern liebevoll „Eliza“ genannt, kümmerte sich tatkräftig um Land und Leute.

Als sich Landgraf Friedrich VI. Joseph und seine Gattin schließlich der landgräflichen Gärten annahmen, erreichte die Gartenkunst in Homburg ihren Höhepunkt. Landgräfin Elisabeth war eine begeisterte und kenntnisreiche Botanikerin. Die Nähe zu Kew Gardens, den königlichen Gewächshäusern, und die Unterstützung ihrer Eltern hatten es ihr erlaubt, die Natur zu studieren und eigene Experimente auszuführen.

In Homburg machte sich Eliza dann die Gestaltung der Gartenlandschaft zur ihrer persönlichen Aufgabe. Da sie eine jährliche Apanage aus England erhielt und zusätzlich über ein großes Privatvermögen verfügte, konnte sie in England ausreichend Pflanzen bestellen, um die von ihrer Schwiegermutter, Landgräfin Caroline von Hessen-Homburg, vorbereiteten Gärten weiterzuentwickeln. Tausende Pflanzen von über 400 Arten und Sorten kamen in den Jahren 1820 bis 1826 aus dem bedeutenden englischen botanischen Garten Kew nach Homburg. Die erste Lieferung traf am 2. November 1820 ein. Sie bestand aus 530 Nadelgehölzen wie Kiefern, Tannen, Lebensbäumen und Zypressen, die sicher für den Schlossgarten und die Gärten entlang der Tannenwaldallee vorgesehen waren. Die große Anzahl lässt darauf schließen, dass man von einem erheblichen Anbauverlust ausging. Die Gehölze stammten teilweise aus Europa, von den Bermudainseln bis nach Nordamerika und aus der ganzen übrigen Welt. Schon am 6. Februar 1821 folgten etliche Moorbeetpflanzen wie Azaleen, Rhododendren, Hortensien und Magnolien, aber auch Cranberrys und Heidelbeeren in verschiedenen Sorten und kleinen Mengen von durchschnittlich zwei Stück. An Bäumen wurden weiterhin sechs Tulpenbäume und 12 Libanon-Zedern geliefert.10

Das Landgrafenpaar veranlasste den Ausbau der Tannenwaldallee und ließ zugleich auch die inzwischen baufällig gewordene Brücke, das Bindeglied zwischen Schloss und Allee erneuern. Landgraf Friedrich VI Joseph benannte sie zu Ehren seiner Mutter Carolinenbrücke, gerade noch rechtzeitig, denn die verehrte Dame starb zwei Tage nachdem sie von der Namensgebung erfahren hatte. Im Jahre 1821 wurde die Tannenwaldallee um weitere 5,4 Kilometer bis zum Limes verlängert, und es entstand die Elisabethenschneise. Elizas ganze Liebe gehörte jedoch dem Kleinen Tannenwald, der ihr 1822 von ihrem Mann zur Nutzung auf Lebenszeit übergeben worden war.

Landgraf Gustav und Landgräfin Louise Friederike

Die Genießer im Gustavsgarten

Landgraf Gustav 1781-1848

Landgräfin Louise 4 1798-1858

Gustav war der vierte Sohn von Landgraf Friedrich V. und seiner Ehefrau Caroline von Hessen-Darmstadt. Im Jahre 1786 wurde Gustav von seinem Taufpaten, dem schwedischen König Gustav III., zum Gardeleutnant ernannt und leistete von 1798 bis 1800 als Hauptmann aktiven Dienst im schwedischen Heer. Anschließend diente er wie sein Bruder Friedrich im österreichischen Heer. Als 1839 sein Bruder Philipp Landgraf wurde, rückte Gustav auf die erste Stelle der Thronfolge, und er übernahm dann nach Philipps Tod 1846 die Führung der Landgrafschaft.

Schon früh sorgte sich Gustav um die Nachfolge, bereits 1807 hatte er in einem Brief an einen Freund geklagt „Unsere Familie kommt mir vor wie ein Baum, der niemals blüht“, dabei bezog er sich darauf, dass noch keiner der sechs Brüder eine Familie gegründet hatte.11 Er selbst heiratete im Alter von 37 Jahren am 12. Februar 1818 in Dessau seine Nichte Louise Friederike von Anhalt-Dessau, die zwanzig Jahre alte hübsche Tochter seiner Schwester Amalie. Dem Paar wurden drei Kinder geboren: Caroline Amalie Charlotte am 19. März 1819, es folgten Elisabeth Louise Friederike am 30. September 1823 und schließlich der langersehnte Erbprinz am 6. März 1830.

Die Familie verlebte frohe Stunden im Gustavsgarten.

Landgräfin Louise Friederike war sehr an Natur und Gartengestaltung interessiert, denn sie hatte schon als Prinzessin des Hauses Anhalt-Dessau das Wörlitzer Gartenreich kennen- und lieben gelernt. Nun ließ sie sich von diesem Vorbild inspirieren: Ausgesuchte Baum- und Buschgruppen umstanden die geschwungenen Rasenflächen und sorgfältig gewählte Blickachsen lenkten das Auge. Das Ehepaar schuf sich einen romantischen kleinen Lustgarten im Stil der englischen Gartenkunst. Gustav und Louise Friederike lebten fast nur für sich, gingen zu zweit spazieren, speisten allein und genossen ein ruhiges Leben in ihrem Landschaftspark. Einer der Gründe mag die Schwerhörigkeit gewesen sein, an der die Landgräfin seit Jugendjahren litt. Man erzählt, viele Bäume im Gustavsgarten hätten die eingeschnittenen Initialen des glücklichen Paares getragen.12 Für gemütliche Treffen wurde zuerst ein Gartenhaus errichtet, und im Jahre 1830 folgte ein Teepavillon, der sogenannte „Dorische Tempel“, der dem Blumengartenhaus im Schloss Georgium in Dessau nachgebildet wurde.

Zuweilen lud Louise ihre Schwägerin Eliza hierhin zum Tee ein, denn trotz des großen Altersunterschieds hatten die beiden Frauen ein gemeinsames Interesse: die Gärten. Fremden Besuchern stand der Gustavsgarten nach Anmeldung beim Gärtner offen, sofern die Eigentümer nicht anwesend waren.

Bei allem friedlichen Leben im Gustavsgarten war die Sorge um die Nachfolge der Landgrafenschaft immer noch präsent. Caroline, die Erstgeborene, entwickelte sich gut, ihre jüngere Schwester Elisabeth war jedoch schwachsinnig, und der Erbprinz Friedrich Ludwig starb 1836 überraschend als Student in Bonn im Alter von 18 Jahren an einer Infektion.

Nun lebte nur noch einer der ehemaligen Prinzen – Ferdinand. Dieser letzte Landgraf hatte nie geheiratet und auch keine Nachkommen, und so kam es, dass nach seinem Tode Caroline, Landgraf Gustavs Tochter, Alleinerbin des gesamten privaten Nachlasses des Homburger Hauses wurde. Caroline hatte 1839 den Fürsten Heinrich XX. von Reuss-Schleitz geheiratet und lebte mit ihm und den gemeinsamen Kindern im Schloss der Residenzstadt Greiz in Thüringen. Als Alleinerbin ließ Fürstin Caroline den Großteil des Homburger Schloss-Inventars versteigern und die Ländereien verkaufen. Nur den Gustavsgarten, den Lieblingsort ihrer Eltern, behielt sie bis an ihr Lebensende (1872), und diese Anhänglichkeit übertrug sich auf ihre Nachkommen. Der Homburger Gärtner Merle war für die Pflege des Gartens zuständig. Er musste sich jedoch wegen aller Belange an den Hofmarschall in Greiz wenden. Dazu gibt es bezüglich der Akazien in den Unterlagen folgenden Bericht:

Hofgärtner Merle und die „Akazien“

Rund 100 Jahre nach der Anpflanzung der Robinien merkte Hofgärtner Merle in einem Brief an die Fürsten von Reuß ältere Linie an, dass der Astabbruch aus den alten Bäumen lebensgefährlich sei. In seinem Brief schlug Merle daher vor, die Robinien zu entnehmen. Ein Brief gleichen Inhalts ging an die preußische Gartenverwaltung nach Potsdam, die seit 1866 für den Kleinen Tannenwald zuständig war.

Aufgrund der ungeklärten Eigentumsverhältnisse der Kreuzallee genehmigte der Königliche Hofgartendirektor Jühlke die Entnahme der Robinien nur unter der Voraussetzung, dass die Fürstenfamilie Reuß zustimmt. Hofgärtner Merle wartete diese Zustimmung offensichtlich nicht ab, denn wenig später, am 6. Dezember 1886, holzte er die Bäume komplett ab.

Bereits im Januar des darauffolgenden Jahres erhielt Merle daher vom Hofgartendirektor Jühlke eine ernste Rüge über sein ‚unmotiviertes und unangemessenes Vorgehen' mit dem unmissverständlichen Hinweis, daß ein derartiges Verhalten weder von Merle, noch von einem seiner Kollegen oder Mitarbeitern geduldet würde.13

1Inv. 10.5.1.3.1164 Johann Heinrich Schmidt (zugeschr.): Landgraf Friedrich V. von Hessen-Homburg, um 1785, Hessische Hausstiftung (CC BY-NC-SA) / Foto: David Hall

2Inv. 10.5.1.3.1163 Johann Heinrich Schmidt (zugeschr.): Landgräfin Caroline von Hessen-Homburg geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt, um 1785, Hessische Hausstiftung (CC BY-NC-SA) / Foto: David Hall

3Fotograf: Robert Baber

4CC BY-SA 4.0

II. Der Kurort Homburg (1810-1914)

16

Die Stadt der Brunnen und Bäder

Etliche Brunnen und Anwendungen lockten seit dem

18. Jahrhundert Einheimische und Fremde

1810 Oberer Salzbrunnen

(1838 Ludwigsbrunnen)

Reich an Kohlensäure: positive Wirkung auf den Organismus

1834 Elisabethenbrunnen

Natrium-Chlorid Säuerling: Magen- und Darmerkrankungen

1841 Kaiserbrunnen

Herz und Kreislaufbeschwerden

1856/57 Louisenbrunnen

Schwefelsauerstoff: Herz und Kreislauf

1858 Gasbad

Kohlesäurebäder

1899 Landgrafenbrunnen

Kochsalz und Eisen: Leber und Gallenbeschwerden

1906 Auguste Victoriabrunnen

Natrium Calcium Chlorid: Beste Calciumquelle

1914 Durstbrunnen

Eine allegorische Darstellung von Wasser

1915-1920 Samariterbrunnen

Gewidmet den Samaritern im Kriege 1914-1918

Die Anfänge

Die Geschichte des Kurbetriebs in Bad Homburg ist untrennbar mit den Heilquellen der Stadt verbunden. Die Quellen waren wohl schon in römischer Zeit bekannt, denn im Gebiet des heutigen Kurparks wurden römische Fundstücke entdeckt, die als Weihegaben für Quellgottheiten gehalten werden. Im Lorscher Codex