Bartleby & Loki - Michael Vedlin - E-Book

Bartleby & Loki E-Book

Michael Vedlin

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Beschreibung

Die Kopfgeldjäger Bartleby und Loki jagen den Schwerverbrecher Gernak. Dessen Spur führt das Duo auf den verwilderten Planeten Trelor, wo sie es mit misstrauischen Bürgern, wilden Bestien und einer ebenso mörderischen wie unberechenbaren Jägerin zu tun bekommen. Die beiden hartgesottenen Einzelgänger, deren Beziehungen zu Frauen sich bisher auf jene zu Bartlebys Schießeisen Milly und Karla beschränkten, sehen plötzlich ihre gesamte Mission und sogar ihr Vertrauen zueinander infrage gestellt ...

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Für Larissa Delphine,

Seelenfeuer

Hab´ nur den Mut, die Meinung frei zu sagen Und ungestört!

Es wird den Zweifel in die Seele tragen Dem, der es hört.

Und vor der Luft des Zweifels flieht der Wahn.

Du glaubst nicht, was ein Wort oft wirken kann.

Johann Wolfgang von Goethe

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Feuer in der Wüste

Kapitel 2: Logik

Kapitel 3: Opfer

Kapitel 4: Lohn

Kapitel 5: Jäger und Gejagte

Kapitel 6: Begegnung

Kapitel 7: Sterne

Kapitel 8: Sonne

Kapitel 9: Drei?

Kapitel 10: Drei!

Kapitel 11: Ruhe und Sturm

Kapitel 12: Klarheit

Kapitel 13: Empfang

Kapitel 14: Rund

Kapitel 15: Blau

Kapitel 16: Seife

Kapitel 17: Folter

Kapitel 18: Folter II

Kapitel 19: Drei Halbe

Kapitel 20: Klick

Kapitel 21: Wahrheit

Kapitel 22: Kristall

Kapitel 23: Glas

Kapitel 24: Randol

Kapitel 25: Zwei…oder?

Kapitel 1 Feuer in der Wüste

Als Bartleby und Loki ihr Lager aufschlagen, steht die Sonne bereits tief am Himmel.

Die kleine Anhöhe am Fuß des Mardos-Gebirges, die sie für ihre Rast gewählt haben, bietet ihnen einen sehr guten Blick auf das kleine Dorf an den Süd Ausläufern des Gebirges. Bartleby Sado sitzt am Lagerfeuer und blickt in die schwach glänzende Innenseite seiner Kaffeekanne. Schon viele Jahre lang begleitet ihn dieser metallene Gefährte auf seinen Reisen.

Schwach sichtbar an der äußeren Seite befindet sich eine Gravur mit dem Text Für einen guten Tag – der Werbespruch, der Toreon-Kaffee-Fabrik. Und wenn diese Kanne, oder besser ihr Inhalt, eines kann, dann wohl gute Tage bescheren.

Bartleby ist ein markanter Brocken von einem Mann. Seine mittellangen dunkelblonden Haare hängen immer etwas zerzaust und unordentlich an seinem Kopf herab. Unter dem unrasierten Dreitagebart verbirgt sich eine kantige Kinnlinie.

Seine beeindruckende Statur ist durch einen hochaufragenden Körper bestimmt, der seinen höchsten Punkt bei etwas mehr als zwei Metern erreicht. Eingefasst von einem weit geschnittenen Mantel, sind seine kräftigen Schultern die passenden Halterungen für die überraschend anmutig gleitenden Bewegungen seiner Arme.

Trotz seiner bulligen Erscheinung, erbringt er die filigrane Fingerfertigkeit, seine Kaffeekanne bis in die letzte Ecke zu reinigen. Kaum vergleichbar jedoch mit der Aufmerksamkeit und Begeisterung, die er seinen Schusswaffen schenkt. An der linken und rechten Hüfte stecken die beiden Spezialanfertigungen wohl behütet in ihren Holstern. Auch wenn Bart zumeist eher wenig spricht, so könnte er endlos über „Karla und Milli“ schwadronieren. Die beiden Energiewaffen aus der dritten Generation einer mittlerweile aufgegebenen Baureihe, sind durch feine Verzierungen und Markierungen gekennzeichnet. Bart hat viele Stunden seines Lebens damit verbracht, sie zu personalisieren; ihnen den Schliff zu verpassen, der nur ihm die hundertprozentige Möglichkeit gibt, seine Waffen zu erkennen. Zwar sind sie technisch nicht mehr auf dem neusten Stand - feuern weniger Schuss ab, als neuere Modelle, oder schwächeln auch bei der Feuerkraft - zeichnen sich aber durch eine hohe Zuverlässigkeit und Genauigkeit aus.

Bart würde nichts auf der Welt gegen seine beiden Schießeisen tauschen.

Während das Feuer in der kleinen höhlenartigen Vertiefung an den Hängen des Gebirges langsam vor sich hin lodert, blickt Bart auf die Kaffeekanne und haucht seinen Atem gegen die Außenseite. Er nimmt sein Poliertuch – dasselbe benutzt er für Karla und Milli - und poliert damit die Außenwand. Die Rückstände des Waffenöls in dem Tuch geben der Oberfläche der Kanne immer diesen Glanz, dieses unverwechselbare Strahlen, das er so gerne betrachtet. Er liebt es geradezu, diese meditative Prozedur Abend für Abend durchzuführen, und zelebriert jede Sekunde mit einer stoischen Ausdauer und Präzision.

„Wenn du noch mehr putzt, brauchst du Karla nicht mehr, um ein Loch in deine Kanne zu fräsen“, witzelt Loki Karel, der neben ihm am Lagerfeuer sitzt.

Im Gegensatz zu Bart zeichnet sich Loki eher durch Redseligkeit, großes Wissen und einen messerscharfen Intellekt aus. Sein Erscheinungsbild ist geprägt von adretter Kleidung.

Über einem weißen – mittlerweile leicht angegrautem – Hemd trägt er stets eine schwarze Weste mit mehreren Knopfreihen. Loki ist ein gutes Stück kleiner als Bart. Auf seinem Kopf thront ein schwarzer Hut, den er nur selten absetzt.

Er ist – auch hier zeigt sich ein großer Unterschied zu seinem Kumpan – nicht der Schönste.

Klar und einfach sein Gesicht, schmal und von mittlerer Größe seine Statur. Schwarze Haare umsäumen die kindlichen Konturen und garnieren, in Form eines Schnurrbartes, sein verschmitztes Lächeln.

„Wenigstens hätte ich dann glänzendere Gesellschaft“, kontert Bart, während er weiter seine Kanne poliert, ohne auch nur ansatzweise in Lokis Richtung zu blicken.

„Wenigstens sei dir dann überhaupt mal Glanz beschert, mein grummeliger zerzauster Freund.

Eine ordentliche Wäsche würde dir sicher mal die Läuse aus dem Pelz fegen.“ Loki zieht die Augenbraue hoch und mustert seinen Begleiter.

Bart poliert weiter und geht nicht auf den Schlagabtausch ein, den Loki versucht vom Zaun zu brechen. Wenn er eines weiß, dann, dass diese Spielchen nicht zu seiner Stärke zählen und sich endlos hinziehen würden. Loki kann eine Sache nämlich ganz und gar nicht: verlieren.

„Meinst du, er ist wirklich hier?“ Bart entdeckt einen Fleck auf der Oberfläche und drückt mit dem rechten Daumen fester auf die Kanne. „Wir sind nun schon sehr lange unterwegs und bisher kein Stück weitergekommen.“ Er haucht auf die Kanne.

„Wir sind nah dran. Da unten liegt unsere Spur.“

Loki zeigt in Richtung des kleinen Dorfes unterhalb ihres Lagerplatzes. Obwohl es nur wenige Häuser zählt, ist es vollständig von einer Stadtmauer umgeben.

„Das dürfte das Dorf Randol sein, das unser Kontakt auf Sierat beschrieben hat. Zehn Sprünge über den Weltenweg, vorbei an dem kleinen Gebirge hier und schon sind wir da. Marek hat erzählt, es wäre früher ein Umschlagspunkt für Händler gewesen, die durch den Weltenweg kommen und weiter zu den Basillen wollen. Heute nutzt aber kaum noch jemand diese Passage. Er meinte, es wäre gut möglich, dass wir nur wenige Menschen antreffen.“ Loki nickt zufrieden und zeigt mit wedelndem Zeigefinger in Richtung Randol: „Jedenfalls ist es das richtige Dorf.

Sieh dich um! Ist hier irgendetwas, was auch nur annähernd zur Beschreibung passt?“ Er redet sich in Rage und kommt Bart ein Stück näher.

„Nun sag schon!“

„Nein“, sagt Bart knapp, während er kurz aufblickt, um seinem gereizten Begleiter in die Augen zu sehen. „Ich habe nichts Ähnliches gesehen.“ Die Kanne ist fertig poliert, schimmert matt. Bart fasst sie am oberen Rand und packt sie behutsam in seinen Rucksack. Er fährt sich mit der Hand durchs Gesicht und massiert sein Kinn, während er aufblickt und sagt: „Wir müssen hier wirklich aufpassen, Loks.“ Sein Blick wandert kurz in Richtung Randol, um dann wieder direkt Lokis Augen zu finden. „Da unten sehe ich ein kleines verschlafenes Örtchen. Wahrscheinlich gibt es dort nur das Nötigste, um die armen Schweine, die dort hängen geblieben sind, durchs Leben zu bringen. Aber im Grunde wissen wir nichts darüber. Es könnte alles Tarnung sein, für seine Bande. Und wir wissen beide nicht, wie viele ihn im Moment begleiten.“ Bart steht langsam auf, geht auf Loki zu und legt seinen Arm auf dessen Schulter. Bart ist eine gute Hand breit größer als sein Begleiter und schaut daher mit seinem Blick nach unten, als er weiterspricht: „Ich weiß, dass du uns ans Ziel führen wirst, alter Freund. Das hast du immer getan und wirst es auch dieses Mal tun.“

Barts Arm sinkt langsam wieder an seine Flanke.

„Ich möchte nur nicht, dass wir zu vorschnell oder überhastet agieren.“ Loki hängt die Daumen lässig in den Gürtel, neigt den Kopf ein wenig zur Seite und schaut von unten in Barts Richtung. Bart kennt diesen Blick. Sein Begleiter besitzt die Fähigkeit, Beherrschtheit und Überlegenheit auszustrahlen, ohne herablassend zu wirken.

„Natürlich werden wir nicht ohne einen genaueren Blick hineinstürmen, die Messer wetzen und Kugeln fliegen lassen. Für wen hältst du mich?“

Er macht eine Pause, runzelt die Stirn, und Bart hätte schwören können, dass ein leichter Anflug von Enttäuschung in den Augen seines Begleiters hängt.

Loki reibt sich die Augen und atmet hörbar ein.

Er ist müde. Er hasst es, sich diese Schwäche einzugestehen; hasst die vernichtende Enttäuschung, die die aktuelle Jagd mit sich gebracht hat. Aber er muss stark bleiben. Er will sein Ziel nicht ziehen lassen, nicht zu lange warten, nicht wieder zu spät sein. Sie sind beide schon zu lange unterwegs, zu lange erfolglos.

Loki nimmt auf dem großen Findling am Rand des Lagerfeuers Platz und senkt langsam den Kopf.

Seine Hände baumeln etwas kraftlos zwischen den Schenkeln. Er atmet hörbar und lang aus, bildet eine kleine Staubwolke zu seinen Füßen und zwingt ein Blatt zu seiner allerletzten Reise in die Flammen des Lagerfeuers.

Bart beobachtet Loki angestrengt. Es ist neu, dass sein alter Freund, solche subtilen Äußerungen der Schwäche aufzeigt.

Loki atmet wieder leise ein und richtet seinen Blick direkt auf Barts Gesicht. Seine Hände stützen sich beherrscht auf und umfassen fest die Knie. Bart hätte schwören können, dass genau in diesem Moment ein leichter Windzug aus Lokis Richtung herüberweht.

„Wir werden ihn zur Strecke bringen“, sagt er knapp.

„Wir werden ihn finden, seine Bande niedermähen, ihn in die Ecke drängen, wie ein scheues Karnogal. Wir werden jeden Zentimeter dieses Landes und jedes anderen Landes, in das er je seinen Fuß gesetzt hat, nach ihm absuchen, bis wir ihn haben, bis wir am Ziel angelangt sind.“

Lokis Augen brennen regelrecht. Die Flammen des Lagerfeuers spiegeln sich in seinen Pupillen, während seine Stimme beherrscht bleibt, nicht ansatzweise ein Funken der Schwäche erkennbar ist, die Sekunden zuvor noch so präsent war.

Bart wartet. Er setzt sich langsam wieder an den gleichen Platz, an dem er zuvor seine Kanne poliert hatte. Sein Blick bleibt bei Loki. Er schaut ihm tief in die Augen, versucht in den Pupillen seines Freundes zu lesen. Ist er sich wirklich so sicher, oder versucht er den Starken zu mimen?

„Gut“, entgegnet Bart kurz, „so oder so ähnlich hatte ich es mir auch vorgestellt.“

Er wendet den Blick ab und schaut in Richtung Randol. „Wie sieht dein Plan aus?“

Loki folgt Barts Blick. „Also gut. Ich würde schätzen, dass es dort unten vielleicht ein gutes Dutzend Häuser gibt. Marek ist zuletzt vor ein paar Wochen hier gewesen. Hat mir berichtet von einer gähnend langweiligen kleinen Siedlung, voll mit Bauern und kleineren Handwerkern – nichts Nennenswertes. Kaum einer nutzt noch den Weltenweg hier her. Die Basillen sind einfach zu wenig am Handel interessiert. Und Randol dort unten hat wohl kaum etwas von Interesse zu bieten.“ Loki steht auf, die Hände in den Hüften und dreht sich in Richtung Randol. Die Sonne ist fast vollständig untergegangen. Bald wird das Feuer des Lagerfeuers von Randol aus gut erkennbar sein und die beiden Jäger würden ihre Position preisgeben. Natürlich haben beide bei der Wahl Ihres Rastplatzes für die Nacht dies berücksichtigt und mit der Sonne im Rücken in Richtung Randol ihr Feuer entfacht. Handwerker und Bauern haben sicher nicht die Erfahrung und das Wissen von Kopfgeldjägern oder Marschallen, aber ein Feuer in der Dunkelheit der Nacht würden sie sicher auch erkennen. Zumal immer noch die kleine, wenn auch unwahrscheinliche Möglichkeit besteht, dass Loki sich irrt und Randol doch kein so friedliches Nest ist … „Marek hat dort unten mit einem Rana oder Rano gesprochen. Dieser wiederum hat ihm von einer Bande berichtet, die erst kurz zuvor ganz in der Nähe von Randol gesehen wurde. Alle waren in hellem Aufruhr und hatten Angst überfallen zu werden. Die armen Hunde haben sich mit Mistgabeln und Fackeln bewaffnet.“ Loki gluckst.

„Die Bande ist dann aber weitergereist und niemand hat noch mal etwas von ihnen gesehen oder gehört.“

Um Luft zu holen, macht er eine kurze Pause.

„Ich bin sicher, dass er das war.“

Während Loki sich umdreht und auf den Bodenhockt, lauscht Bart konzentriert den Worten seines Kameraden.

„Was macht dich da so sicher? Gernak ist nicht der einzige, der Tagediebe und anderes Pack um sich schart“, bemerkt Bart.

„Nein“, reagiert Loki knapp. „Aber er ist der Einzige, den ich kenne, der einen schwarzen Hut mit goldener Krempe trägt und so selbstverliebt ist, dass er noch goldene Schuhe dazu tragen muss. Als könnte man ihn nicht sowieso schon von weitem leuchten sehen.“ Loki zieht die Augenbrauen hoch und schaut Bart direkt in die Augen. Natürlich könnte er sich auch irren, aber diesen Gedanken zuzulassen, würde bedeuten, die Mission wäre sinnlos. Und das einzugestehen ist für Loki unmöglich.

„Bart.“

Ein Ausdruck großer Entschlossenheit liegt in Lokis Augen.

„Er ist es. Ich bin sicher. So sicher, wie die Tatsache, dass deine Mama den härtesten und wildesten Brocken Mensch auf die Welt gebracht hat, den ich kenne.“ Er packt Bart von hinten am Nacken und zieht den Kopf nah an seinen heran. Die beiden Augenpaare kommen sich näher und für eine Millisekunde hätte man glauben können, einem verliebten Paar dabei zuzusehen, wie sie sich im Sonnenuntergang liebkosen. Die beiden Stirnen berührten sich fast, als Loki weiterspricht: „Wir haben noch nie so lange gesucht. Wir waren noch nie so lange erfolglos.

Nie zuvor haben wir unsere Geduld so sehr gebraucht.“ Lokis Entschlossenheit ist fast schon als dritter Gesprächspartner anwesend, so sehr ist seine Kraft und Überzeugung spürbar. „Für nichts auf dieser oder allen anderen noch verbliebenen Welten, werden wir aufgeben.“

Bart zwinkert. „Nimm die Hand aus meinem Nacken.“

Loki zögert und schaut verwirrt und überrascht, spürt einen Widerstand in seinem Griff und lässt dann ab. „Schon gut, schon gut. Ich will doch nur, dass du aufhörst zu zweifeln. Ich kenne uns und was wir im Stande sind zu tun. Nichts wird uns aufhalten!“

Loki ist schon immer Denker und Lenker dieses Duos gewesen. Seine Entscheidungen haben sie meist an das richtige Ziel geführt und nur selten in eine Sackgasse. Wie ein guter Anführer, muss auch Loki hin und wieder das Heft in die Hand nehmen, Zweifel zerstreuen, den Weg bereiten, den Blick schärfen.

„So wird es kommen.“ Bart nickt knapp. Herz und moralischer Kompass, Leben und Liebe, energetischer Ruhepol und kluger Wegweiser, Vernunft in Zeiten der Unruhe und unkontrollierten Leidenschaft.

Loki blickt Bart unvermittelt an und grinst leicht. „Na, so gefällt mir das schon besser!“

Sein Blick wandert zur Silhouette der Gebäude von Randol.

„Hier brauchen wir all unsere Sinne. Keine Schwächen, keine Ablenkungen – es geht um den großen weißen Salek.“

Bart nickt mehrmals kaum merklich und denkt an das alte Märchen aus Kindertagen: Salek Groß, welches seine Mutter ihm so oft vorgelesen hat.

Er kann sich nicht an viele Dinge aus seiner Kindheit erinnern. Die Flucht aus seinem Geburtsort, die Vertreibung, all das Leid seines Volkes, für den Moment vergessen und versteckt hinter dem glücklichen und wohligen, vertrauten Vorhang des Kindermärchens. Barts Mutter hat stets versucht, die Gräuel des zweiten Zeitalters vor den Kindern zu verstecken und ihnen eine unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen. Doch mit dem Alter und dem reifenden Geist, kamen die Erkenntnisse, die Gewissheit, die Realität.

Bart erinnert sich gut an das Märchen, in dem es um ein sagenumwobenes Tier geht – den großen weißen Salek. Ein riesiger Hirsch mit einem prachtvollen Geweih und strahlend weißem Fell.

Seine epische und unvergleichliche Schönheit, umgibt jedoch eine verfluchte Aura. Jeder, der ihn zu lange anblickt, wird entweder verrückt oder verzaubert - je nach seelischer Konstitution. Der weiße Salek soll an einem noch unentdeckten Ort leben, der nur von einem in vollkommener Reinheit geborenen Wesen gefunden werden kann.

Bart hatte stets an den Lippen seiner Mutter gehangen, wenn sie ihm beschrieb, wie der Salek vom Geweih bis zu den Hufen aussah. Sie nutzte die fantastischsten Formulierungen und ließ keine noch so übertrieben anmutende Phrase aus.

Oft gelang es ihr durch das gegensätzliche Extrem zu der tagtäglich erlebten Verfolgung und den Hinrichtungen, den Kindern so ein kleines Glitzern in die müden und leidgeplagten Augen zu zaubern.

Unsanft holt Loki Bart wieder aus seinen Gedanken zurück.

„Lass uns noch kurz über den morgigen Tag sprechen.“

Er setzt sich an das fast erloschene Lagerfeuer und nimmt einen glimmenden Zweig vom Rand der Heimstatt. Während Loki beginnt, mit dem Zweig eine grobe Skizze von Randol in den Sand zu zeichnen – und dabei Steine und kleinere Kiesel als Illustrationsunterstützung zur Hilfe nimmt – setzt Bart sich Loki gegenüber, folgt mit dem Blick den Bewegungen des Zweiges und hört aufmerksam zu.

„Das hier ist die Stadtmauer.“ Er zeigt auf den Rand um das Arsenal von Kieseln. „Warum auch immer so ein Nest eine Stadtmauer braucht. Sicher ein Überbleibsel aus den glorreichen Zeiten.“ Loki bewegt den Zweig zum südlichen Ende des Kreises und unterbricht ihn je mit einem tiefen Zug im sandigen Untergrund. „Hier ist der Eingang, oder besser: der südliche der beiden Eingänge. Es gibt noch einen zweiten auf der gegenüberliegenden Seite. Wir werden aber hier unten reingehen.“

Bart runzelt leicht die Stirn, während er Lokis Ausführungen schweigend folgt.

„Ich denke, wir sollten nicht ohne Rückendeckung rein gehen. Am besten teilen wir uns auf.

Einer von uns geht rein. Der andere bleibt zurück – vielleicht hier.“ Loki zeigt mit dem Finger auf einen größeren Stein zu seinen Füßen, der einen etwa zwanzig Meter großen Felsbrocken verkörpern soll, der etwa dreihundert Meter südlich von ihrer jetzigen Position steht.

„Ich könnte dir mit Karla und Millie von dort aus Deckung geben.“

Loki nickt.

„Genau das wollte ich gerade vorschlagen! Bereite deine beiden schießwütigen Huren auf ein Gemetzel vor, wenn es denn sein soll. Ich werde wie ein ahnungsloser Reisender durch das Tor gehen. Als wüsste ich nichts von Banden, oder den Basillen.“ Loki steht auf und spielt seine Rolle etwas überspitzt, stolziert umher mit geschwollener Brust und mimt sein morgiges Alter Ego. „Ich bin völlig fremd, aber nicht auf den Kopf gefallen.“ Loki grinst verschmitzt. „Wäre das so in deinem Sinn, Kumpan?“

Bart nickt – kaum sichtbar. „So wird es kommen.“

Loki nickt. „Dann sind wir uns einig. Lass uns jetzt das Feuer löschen und uns auf`s Ohr hauen.“ Mit diesen Worten schiebt Loki die Karte von Randol mit seinen Füßen in das Feuer. Die schwach erkennbare Glut bildet etwas Rauch, erstirbt dann aber.

Kapitel 2 Logik

Mit der anschwellenden Helligkeit der Dämmerung erwacht Loki aus seinem – zugegeben sehr kurzen und etwas aufgeregten - Schlaf. Seine Augen öffnen sich langsam und erblicken eine veränderte Kulisse. Plötzlich wirkt Randol auf ihn wie ein deplatziertes Kunstwerk; als hätte jemand mit einem großen dicken Bleistift eine Grenze um die Silhouette der Stadt gezogen, um sie aus ihrer Umgebung herauszutrennen. Die Stadtmauer ist klar erkennbar und bildet den Rahmen der Stadt, einzelne Häuser liegen noch im Schatten der schwindenden Nacht.

Mit dem ersten bewussten Atemzug nimmt Loki einen vertrauten Geruch auf: Bart hat Kaffee gekocht! Er schließt die Augen und atmet ein zweites Mal tief ein. Herrlich.

„Ich hoffe, du hast den Kochmat benutzt und nicht wieder ein Feuer angezündet“, sind die ersten tadelnden Worte des Tages.

Bart reagiert nicht. Langsam hebt er den Becher zum Mund und trinkt, während die kalte Morgenluft Dampfschwaden vom Becher aufsteigen lässt.

Den Becher zu seinen Füßen im Sand abgesetzt, nimmt er die Kanne vom Kochmat und füllt einen zweiten Becher für Loki.

„Hast du das Sprechen verlernt?“ Loki bohrt nach.

„Warum sollte ich mir von deinen Beleidigungen diesen Morgen verderben lassen, indem ich sie auch noch ernst nehme?“, erwidert Bart trocken.

Loki richtet sich auf und streckt sich. Mit einer flinken Drehung kommt er in den Schneidersitz seinem Kameraden gegenüber und wartet bis dieser ihm den Becher reicht. Er quittiert die Freundlichkeit mit einem kleinen Nicken und nimmt ebenfalls einen Schluck.

„Wie lange bist du schon wach? Hat sich was verändert da unten?“

„Nicht lange. Bin vielleicht vor zehn Minuten aufgewacht. In der Stadt gab es ein Geräusch, was ich noch nicht genau einordnen kann.“ Bart zeigt in Richtung Randol, Loki folgt seinem Finger und versucht in der Dämmerung etwas zu erspähen.

„Ich sehe nichts Auffälliges.“ Noch immer starrt er nach unten. „Aber wenn wir einem trauen können, dann deinem Gehör. Was, alter Knabe?“ Loki nimmt einen großen Schluck.

„Es hörte sich an, als würde eine Tür zugeschlagen werden – oder unbeabsichtigt zufallen, ich bin nicht sicher.“

Loki sieht Bart mit großen Augen an. „Da gibt es einen Unterschied, den du hören kannst?“

„Ja, den gibt es.“

Loki hat gehofft, er würde mehr Informationen bekommen, doch der Große geht nicht weiter darauf ein und trinkt seinen Becher leer. Während er aufsteht und erneut seine Glieder streckt, wird die Helligkeit hinter Randol stärker – schon bald ist die Sonne ganz am Horizont erkennbar. Die beiden Jäger haben diesen Rhythmus genauso geplant. Bei Ihrer Ankunft auf Trelor zur Mittagszeit des gestrigen Tages, wussten beide bereits in welcher Entfernung sie mit der Stadt rechnen können. Loki plant diese Details immer akribisch – er hasst Überraschungen. So war es immer die Absicht der Beiden einen Schlafplatz zu finden, der einen guten Blick auf die Stadt gewährt, aber gleichzeitig ausreichend Deckung bietet. Den Lauf der Sonne hierbei zu berücksichtigen ist eine der leichtesten Übungen für den Organisator. Wenn die Sonne am Morgen einen etwas höheren Punkt erreicht hat, und Loki in Richtung Randol spaziert, werden die Wächter oder Marshalle – wenn Randol überhaupt über solche Schutzmaßnahmen verfügt – einen klaren und guten Blick auf nahenden Reisenden haben. Loki wiederum wird sich mit dem Hut vor der Sonne schützen müssen, was es ihm leicht macht, unauffällig sein Gesicht zu verbergen. Der Beobachtungsposten wird sich in Sicherheit wiegen, kann er doch alles einwandfrei erkennen, während der Fremde, der sich der Stadt nähert, ja einen Nachteil hat durch die Blendwirkung der aufgehenden Sonne.

„Was meinst du, sollen wir uns langsam auf den Weg machen?“, fragt Loki seinen Begleiter.

Bart richtet sich auf und schnallt seinen Waffengurt um. Sein Blick ist auf Randol gerichtet und mit einem knappen und kaum erkennbaren Nicken zeigt er sein Einverständnis.

Loki reicht Bart seinen Becher und beginnt damit sein Nachtlager zusammenzurollen.

„Ich schätze, in zehn Minuten solltest du unten an der Straße sein, Loks. Willst du auf der Rückseite des Hügels runter und die kleine Biegung noch mitnehmen? Dann sehen sie dich erst, wenn du um die Kurve kommst.“ Bart reicht Loki sein Holster mit der Energiewaffe. Loki hat keine allzu persönliche Beziehung zu seiner Schusswaffe. Die Energa3000, die sich erst seit etwa einem halben Jahr in seinem Besitz befindet, ist die neueste Version einer erfolgreichen und zuverlässigen Baureihe. Da Lokis Schwerpunkt eher im Nahkampf liegt, benötigt er eine Waffe, die genau das tut, was sie tun soll.

Die romantischen und unsinnigen Spielereien, die Bart ständig mit seinen beiden Huren zum Besten gibt, findet Loki unnötig.

„Wieso nicht. Lass uns kein Risiko eingehen.“

Loki ist erstaunt, mit welchem Scharfsinn Bart bereits aufgewacht ist und schnallt den Waffengurt um. Er selbst hat noch ein wenig Nacht in den Knochen und muss sich dieser erst mit den kommenden Schritten entledigen. „Taste du dich ruhig schon mal langsam an den Felsen ran.“

Loki schaut Bart unvermittelt an.

„Ziele gut, aber schieße besser.“

„Pass auf dich auf da unten.“

Schlagartig verändert sich Lokis Miene. Seine Wangenknochen scheinen hochgezogen zu werden, seine Augen öffnen sich weit, seine Mundwinkel gehen hoch. Er spricht mit leicht verstellter Stimme: „Ich grüße Sie einsames, einsames Völkchen. Mein Name ist Roger Baum – zu Ihren Diensten. Ich bin ein Reisender auf dem Weltenweg, auf der Suche nach Gelegenheiten und besonderen Geschehnissen. Ich handle mit Erinnerungen, Erzählungen, Geschichten! Gibt es jemanden, der mir hier – für einen entsprechenden Preis natürlich – seine Gedanken und Ideen verkaufen möchte?“ Loki strahlt förmlich – beängstigend und atemberaubend überzeugend zugleich.

Bart wirkt unbeeindruckt. „Roger Baum also, ja?“

„Lass dir nur keine Lügen erzählen“, witzelt Bart, klopft Loki auf die Schulter und macht sich schleichend und geduckt auf den Weg zum vereinbarten Felsen.

Loki blickt ihm kurz nach und macht sich dann ebenfalls auf den Weg den Hügel herunter. Er nimmt wie besprochen die Rückseite, um die Biegung vor der Stadt voll auszunutzen und keinen Zweifel an seiner Geschichte aufkommen zu lassen. Vielleicht gibt es ja doch einen Posten, der auf genau diese Dinge achtet.

Roger Baum ist eine der Rollen, die Loki häufiger verwendet. Er spielt einen fröhlichen und etwas eigentümlichen Kauz, der seinen Lebensunterhalt mit dem Erzählen von Geschichten verdient. Auf den Welten, auf denen der technologische Fortschritt noch nicht so stark den Alltag bestimmt, und die Technik sich auf ein paar wenige mechanische Hilfsmittel beschränkt, ist diese Rolle eine gute Methode, um mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen, sich ihr Vertrauen zu erschleichen und gleichzeitig ein Gespür für das lokale Geschehen zu bekommen.

Die Mischung aus sandgewordenem Stein und steingewordenem Sand unter Lokis Füßen gibt bei seinem Bergabmarsch zusehends nach, doch er kann das Gleichgewicht halten. Eine kurze Ruderbewegung nach hinten verhindert den unsanften Sturz. Noch ein paar Meter und er ist unten am Fuß des Hügels, auf dem Pfad zur Stadt angekommen. Hier ist das Licht der aufgehenden Sonne noch nicht zu sehen, die Schwärze der Nacht auf der anderen Seite schwindet jedoch bereits.

Auf dem Pfad angekommen, sind seine Füße dankbar für den festen und steten Untergrund, der – wenn auch nicht gepflastert oder gar geteert - trotzdem eine gewisse Regelmäßigkeit aufweist. Gesäumt von wenigen Kräutern oder anderen Wüstengewächsen am Wegesrand, dreht sich die Straße nach links und lässt einen unwissenden Wanderer völlig ahnungslos, dass hinter der Biegung die Stadt Randol wartet. Loki blickt entlang der Ebene und kann außer Steinen und Sand nur Weniges erblicken. Einige kakteenartige Gewächse und ihm völlig unbekannte Wüstenbäume sind am Horizont erkennbar. Auf der Reise vom Weltenweg bis hierher konnten Bart und Loki ein paar einzelne Bäume sehen. Wenn auch bei weitem nicht so prächtig wie die großen Maasong-Bäume auf Sierat, so hatten sie wenigstens etwas Leben in dieses karge Ödland gebracht. Doch Loki hat das Gefühl, dass mit zunehmender Nähe zur Stadt, die Natur schwindet. So als habe jemand gesagt: „Bis hierhin und nicht weiter.“

Er muss kurz schmunzeln, während er sich vorstellt, wie ein allmächtiges Wesen einen Kreis um Randol zieht und die eben gedachten Worte spricht.

„Ich warne euch, ihr Kräuter und anderes grünes Geranke“, spricht er leise mit verstellter Stimme in die frische Morgenluft, „hier ist Randol, bis hierhin und nicht weiter sollt ihr wachsen.“ Loki wirft mit der Hand das Stopp-Zeichen in die Luft und kichert. Vor seinem geistigen Auge gehorchen die Gewächse des Umlandes ganz brav auf die Worte ihrer Gottheit und kriechen rückwärts bis in die entfernteren Wüstenregionen.

Während er um die Kurve geht, beginnt das Licht des Tages stärker zu werden. Aus dem Augenwinkel ist nun die Spitze des Felsens erkennbar, hinter dem sich Bartleby vorerst verschanzen soll. Mit jedem Schritt wird der Felsen riesiger, der Blick weiter, der Tag heller, die Stadt rückt näher. Die Umrisse, die zuvor kaum mehr als eine Ahnung waren, wandeln sich nun zu Häusern, Fenstern, Türen. Hier und da ist sogar etwas Heimeligkeit erkennbar. Eine Gardine im Fenster, eine Wäscheleine auf dem Dach eines Hauses, auf der im seichten Morgenwind ein Laken flattert.

Aus der Ferne sah Randol wie ein Kaff aus, nun wird die Stadt immer breiter vor Lokis Augen; die Mauer baut sich hoch vor ihm auf. Gute drei Meter scheint der Schutzwall um die Stadt zu messen.

Wie Marek Loki berichtet hat, hatten die basillschen Erbauer mit Randol einen Außenposten am Weltenweg-Portal geschaffen. Weit weg von ihrer Hauptstadt, sollte hier Handel mit dem Rest der Galaxie betrieben werden, ohne die eigene Kultur und Lebensart zu berühren. Doch mit den Händlern kamen auch die Verbrecher. Und vor zehn Jahren etwa, ist die Kriminalität derart gestiegen, dass es für die Basillen nicht mehr beherrschbar war. Man säuberte die Stadt von allem Unrat, gab den Vorposten auf, und ließ nur eine kleine Schar Einwohner zurück, die die Stadt selbst verwalten durften. Lediglich alle paar Wochen besucht nun ein Kontrolleur das Dorf, um die Einwohnerzahl und die Veränderungen unter die Lupe zu nehmen. Jedes Detail wird genauestens dokumentiert. Die Kontrolleure der Basillen sollen hierbei sehr kaltblütig und berechnend vorgehen. Marek erzählte, dass vermehrt Häuser niedergebrannt oder auch nicht registrierte Einwohner einfach verschleppt werden.

Nun sind es nur noch etwa fünfzig Meter bis dorthin. Loki spürt Barts prüfenden Blick. Er weiß, dass egal was hier und heute passiert, er immer alles versuchen wird, um ihrer beider Leben zu bewahren.

Die Sonne hat nun genau den geplanten Zweck erfüllt: Loki zieht seinen Hut tief ins Gesicht, um sich vor ihren Strahlen zu schützen, ohne den Blick auf die Stadt zu verdecken. Die Mauer ist nicht von einem Tor unterbrochen, wie sonst üblich – scheinbar gibt es nicht so viel Wertvolles hier, um sie wirklich hermetisch abzuriegeln - sondern ein Torbogen von schlichter Bauweise gibt einen Blick in das Innere der Stadt frei.

Loki sieht den Weg herunter in die Stadt hinein und kann außer den Gebäuden, die die Straße säumen, noch nicht viel erkennen. Tatsächlich scheint ein Haus dem anderen zu gleichen – wenige kleine Details lassen erahnen, dass die nun hier lebenden Menschen Sinn für Ästhetik haben. Ganz im Gegensatz zu den Erbauern dieser hässlichen Groteske von aneinandergereihten Lehmklötzen – den Basillen.

Er hatte damit gerechnet, dass jemand ihn am Tor anhalten würde; ein Posten, ein Marschall, oder ein Sheriff. Stattdessen: niemand. Es macht sich schon fast ein wenig Enttäuschung in ihm breit. Hat er doch seine Rolle des Roger Baum in so vielen Situationen schon zum Besten geben können, und mittlerweile eine ganz ansehnliche Auswahl interessanter Geschichten zusammengetragen. Vorerst scheint Roger Baum jedoch nicht gebraucht zu werden – dieses Nest ist entweder verlassen oder verschlafen, oder beides zugleich.

Zu seiner linken reihen sich drei, nein vier, Häuser aneinander. Alle in Form und Größe identisch. Die Farben der Wände sind ebenso gleich, wie die Formen der Fenster und Türen.

Wie kann man hier nur leben?, denkt Loki. Ein schrecklich eintöniger Ort.

Als er losgegangen ist war es etwa sechs Uhr morgens. Es ist also durchaus denkbar, dass die Einheimischen noch schlafen, oder jetzt erst den Tag beginnen. Aber so ruhig und fast schon gespenstisch, hatte Loki es sich nicht vorgestellt. Selbst die Geräuschkulisse in Randol ist erschreckend schwach, bestenfalls eine Hinterhofbühne. Lediglich der Wind führt mit verschlafener Trägheit ein leises Säuseln in die Morgenluft. Lokis Haar weht ganz leicht. Zu seiner Rechten bewegt sich ein Vorhang. War das ein Gesicht? Lokis Blick bleibt an einem Fenster hängen und sucht forschend nach einem Anhaltspunkt. Der Blick gegen die Sonne bereitet ihm nun manche Schwierigkeiten – er hat Probleme, Details zu erkennen. War das nun eine Bewegung im Fenster, die der Wind verursacht hat, oder ein Bewohner? Wird er beobachtet? Sein Gefühl sagt ihm, dass außer dem Blick von Bart noch etwas anderes ihn im Auge hat, doch kann er es nicht erkennen.

Loki geht weiter in die Stadt hinein. Nach den ersten vier Häuserpaaren am Eingang, verbreitert sich nun der Weg vor ihm und ein unerwartet großer Platz tut sich auf. Lokis Blick wandert den Horizont entlang von links nach rechts und sucht weiter nach Hinweisen. Lebt hier überhaupt jemand? Sind Mareks Hinweise möglicherweise doch nutzlos?

Sein Blick bleibt hängen. Schräg rechts von seiner derzeitigen Position aus, befindet sich ein Gebäude, dass sich klar von den anderen unterscheidet. Es hat nicht nur ein weiteres Stockwerk, sondern auch ein deutlich erkennbares Schild an der Tür: Sammelhort Merkwürdige Sprache hier, denkt Loki. Aber der Sinn – oder Zweck des Gebäudes erschließt sich zumindest schnell.

Er geht weiter in Richtung des vermuteten Versammlungsortes von Randol und erwartet, hier eine Taverne oder ein Rathaus vorzufinden.

Ein Geräusch. Jemand schleicht hinter ihm her.

Vielleicht zwanzig Meter oder mehr, schätzt Loki.

Da Bart immer noch einen guten Blick auf seinen Freund haben sollte, schätzt Loki die Gefahr für sich gering ein, möchte aber auch kein Risiko eingehen. Schließlich spielt er einen Reisenden und keinen professionellen Killer, der jedes noch so kleine Geräusch in seiner Umgebung identifizieren kann.

„Hallo!“, ruft er daher, um den Verfolger und alle weiteren Beobachter davon zu überzeugen, dass er ein harmloser kleiner Wicht ist.

Keine Antwort.

„Hallo!“ Ein erneuter Ausruf. „Ist jemand hier?“ er wartet auf Antwort. Nichts.

„Mein Name ist Roger Baum.“

Keine Reaktion.

„Ich bin durch den Weltenweg gekommen und suche nach einem Ort an dem ich rasten, meine Geschichten zum Besten und meine Taler gut testen kann“, reimt er fröhlich und endet mit einem freundlichen Kichern.

Wieder keine Reaktion.

Loki wartet. Er lauscht seinem Umfeld und versucht, das kleinste Geräusch zu erhaschen. Nur der Wind pfeift leise und träge den Sand durch die Luft. Wieder wandert sein Blick an den vor ihm liegenden Gebäuden entlang, suchend nach einer Bewegung, einem Zucken, einem eindeutigen Zeichen. Nichts.

Da! Ein Geräusch hinter ihm. Etwa fünf Meter weit weg. Es war klar hörbar. Schritte im Sand, sehr schnell.

Bart hätte schon längst gefeuert, wenn es sich um eine ernste Gefahr handeln würde. Oder? Wurde sein Begleiter überwältigt? Sind Gernaks Jungs schlauer und gerissener geworden? Sind sie Opfer einer gut ausgeklügelten Falle, an deren Anfang der dumme Loki sich einen Bären hat aufbinden lassen und seinem alten Freund Marek einfach jedes Wort geglaubt, begierig jeden Satz aufgesaugt hat?

Ist er wirklich so ein Naivling gewesen? Loki zweifelt. Zu lange sind er und sein Begleiter nun schon unterwegs auf der Jagd nach dem großen weißen Salek, wie Bart immer so schön sagt.

„Ha! Du bist tot! Peng, peng, peng!“

Für einen kurzen Moment zuckt Loki zusammen, begreift jedoch schnell, dass er nicht tot ist.

Er dreht sich langsam um und sieht nun direkt vor sich zwei Kinder stehen. Der Kleidung nach zu urteilen, beides Jungs. Sie formen mit ihren schmutzigen kleinen Händen Pistolen und zielen mit einem zusammengekniffenen Auge direkt auf den Himmel oder die Gebäude hinter Loki. Selbst in einer Welt voller blutrünstiger und gemeingefährlicher Kindergangster wäre Loki nicht tot, weil die beiden einfach zu schlecht gezielt hätten.

„Oh! Dieser Schmerz!“, durchfährt es ihn plötzlich und Loki greift sich an die Brust. „Ihr habt mich erwischt.“ Seine Stimme zittert. Er sinkt in sich zusammen und landet auf den Knien.

Er reckt die rechte Hand zum Himmel und fleht: „Bitte. Bitte lass es nicht vorbei sein. Ich bin zu jung, um zu sterben.“

Loki drückt nun auch seine rechte Hand langsam an die Brust und kauert sich weiter zusammen.

„Häh! Wir haben dich doch gar nicht getroffen, Blödmann“, sagt der eine der beiden Schwerverbrecher. „Guck. Das sind nur unsere Finger.“ Er nimmt beide Hände hoch und zeigt dem Reisenden offen seine Handflächen. Der zweite beobachtet die Bewegung und macht sie nach.

„Oh.“ Loki tut verwirrt. „Da bin ich aber beruhigt. Ich dachte schon, es wäre alles aus.“

Die Kinder kichern. „Du bist nicht so schlau, was?“

„Ihr habt euch so leise an mich herangeschlichen, dass wohl der Schreck mich fast umgebracht hat.“ Loki bleibt weiter in der Hocke und stützt sich auf seinem rechten Bein ab. „Und wie gut eure Waffen ausgesehen haben.“ Er macht eine Pause und eine Geste der Anerkennung: „Mannomann.“

„Mano Mann? Was ist das denn? Du sprichst aber komisch!“ Beide Kinder lachen.

Loki lacht kurz mit, möchte aber nicht mehr Zeit mit diesen Gören vertrödeln. Das ganze Schauspiel war schon unangenehm genug für seine Jägerehre.

„Könnt ihr mir sagen, wo ich eure Eltern finde?“

Keiner der beiden scheint Lokis Frage gehört zu haben. „Bist du durch den blitzenden Kasten gekommen?“

Loki nimmt an, dass sie den Weltenweg meinen.

„Ja, das bin ich.“ Er blickt in staunende, große Kinderaugen.

„Tut das nicht weh? Die anderen, die damals da durchgekommen sind, haben alle so krank ausgesehen, und so kaputt.“

Die beiden sind vielleicht fünf oder höchstens sechs Jahre alt. Sie scheinen die Ankunft von Gernak und seiner Bande beobachtet zu haben.

Oder ist noch jemand anderes an diesem gottverlassenen Ort gelandet?

„Ihr kennt also den blitzenden Kasten und spielt öfter da?“ Dieses Mal scheint Loki die richtige Frage gestellt zu haben. Die beiden nicken eifrig. „Wisst ihr denn noch, wann die anderen, die so kaputt waren, da durchgekommen sind?“

Nun meldet sich der Kleinere der beiden zu Wort und stupst seinen Freund in die Seite. Er flüstert, aber trotzdem hörbar für Loki: „Mama hat uns doch verboten mit Fremden zu sprechen.“ Also handelt es sich wohl um Brüder.

„Mama ist doch nicht hier“, sagt der linke leise zu seinem Bruder. „Und außerdem sieht der hier doch voll harmlos aus.“ Loki fällt sein eigenartiger nuschelnder Dialekt auf.

Der Sprachführer wendet sich wieder Loki zu und ein listiges Grinsen tritt in seine Augen.

„Was kriegen wir denn von dir, wenn wir dir was erzählen?“ fragt Mister gefährlicher Verhandler unvermittelt und rümpft die Nase.

„Ich kenne Geschichten über geheimnisvolle Monster und unbesiegbare Helden.“ Loki verstellt seine Stimme, um interessanter zu wirken. „Ihr würdet staunen!“ Der jüngere Bruder bekommt große Augen und hängt wortlos schon jetzt an den Lippen von Loki.

„Wie jetzt?“, murrt der Ältere. „Mit Geschichten kannst du uns nicht veralbern!“

Loki ist sprachlos. Mit so viel Chuzpe hatte er nicht gerechnet.

„Schir! Male! Wo steckt ihr Rabauken wieder?“

Die Stimme kommt aus einem der umliegenden Häuser.

„Wir kommen gleich, Mama!“ Der Boss hat geantwortet, ohne seinen Blick von Loki abzuwenden.

„Wir können später noch verhandeln, aber jetzt müssen wir heim.“ Der kleine Gangster hebt drohend seinen rechten Zeigefinger. „Nächstes Mal musst du uns schon was Besseres geben.“ Er streckt Loki die Zunge raus und rennt mit seinem Bruder in das nächste Haus am Rand des Platzes.

So viel zum ersten Kontakt, denkt Loki. Wir sind also schon mal am richtigen Ort. Aber wo ist Gernak, wenn er nicht hier ist? Ich brauche mehr Informationen!

„Hey Fremder!“ Die Stimme nähert sich von hinten. Scheinbar gibt es doch noch Erwachsene in diesem Dorf. Loki hört, wie sich die Energiezellen mehrerer Gewehre langsam aufladen. Es klingt, als würde es sich um Modelle aus einer sehr alten Baureihe handeln – wahrscheinlich vierte Dekade des letzten Jahrhunderts; Bart hätte es genauer erkannt. Loki darf sich nichts anmerken lassen, also spielt er den unwissenden und verwirrten Reisenden Roger Baum.

„Ach du liebe Güte!“, entfährt es ihm, während er herumwirbelt und rückwärts in den Staub fällt. Genau auf die Stelle, wo der kleine Hosenscheißer gerade eben noch seine Mundhöhle präsentiert hat.

Loki blickt auf und erkennt an der Front des Sammelhorts vier Männer. Ihrer Kleidung nach zu urteilen, sind mindestens zwei von Ihnen Handwerker oder machen sich zumindest regelmäßig bei der Arbeit schmutzig. Loki vermutet, dass er ein gemeinsames Frühstück – oder etwas Ähnliches – gestört hat. Alle vier sind bewaffnet mit Energiegewehren. Nicht in tadellosem Zustand, aber funktionieren würden sie wohl. Die grimmigen Minen der vier Männer mustern Loki und zeigen, wie unliebsam Fremde hier sind. Ein Besuch über den Weltenweg ist offenbar nicht wahrscheinlich genug, um einen Posten aufzustellen, aber im Falle des Falles, stehen die Wächter parat, um Eindringlinge willkommen zu heißen.

„Bitte, nicht schießen!“ Loki legt schützend die Hände vors Gesicht.

„Was willst du hier?“ fragt die erste Energiewaffe barsch, während ihr Besitzer das Gewehr in beiden Händen hält und sein Griff etwas fester um das Metallgerüst greift.

Die Vier sind etwa zehn Meter entfernt von Loki und nähern sich langsam.

„Sprich!“, ruft die erste Energiewaffe fordernd und mit hörbarer Entschlossenheit.

„Bitte, bitte, keine Gewalt! Kein Grund zur Sorge, ich bin keine Gefahr für euch!“

Loki erhebt sich langsam und hebt beschwichtigend die Hände.

„Mein Name ist Roger Baum, Weltenweg-Bummler, Weitgereister, Philosoph und Wörtermeister. Ich bin hierhergekommen, um meine Geschichten zu teilen, von Erlebnissen zu berichten und hier und da `nen kleinen Schwank zu dichten.“ Er kichert.

Schweigend und mit deutlichem Stirnrunzeln, folgt das Empfangskomitee den Worten des Fremden. Ungläubige Augenpaare warten auf eine Fortsetzung.

„Es kommen wohl nicht oft Fremde hier her, was?“

Ein unsicheres Lächeln umspielt Rogers Lippen.

„Nicht besonders…“, antwortet der zweite Beschützer von links skeptisch.

„Ein Märchen vielleicht? Wie wäre es mit einer Fabel? Elfen? Drachen? Gefährliche Monster?“

Roger reist die Augen weit auf, während er seine letzten Worte dehnt.

„Ich habe eine große Zahl Geschichten zu erzählen, eine spektakulärer als die andere. Für sie werte Herren, ist die erste kostenlos!“

„Kein Wort glauben wir dir!“

Die erste Energiewaffe unterbricht Lokis Rede und legt sogleich das Gewehr zum Schuss an, als plötzlich alles ganz schnell geht: Vier Energiestöße fliegen punktgenau mit allerhöchster Präzision an Loki vorbei und treffen direkt auf die Waffen der Schützen. Die Gewehre fliegen rauchend aus den Händen ihrer Besitzer und landen ein paar Meter vor ihren Füßen. Sie schütteln die Hände vor Schmerz und schauen verwirrt in die Gegend um sie herum. Das Überraschungsmoment ist geglückt und die vier Beschützer ihres Heimatortes schrecken zurück, während ein kurzer Schmerzensschrei erklingt. Kein echter Schrei – mehr ein kurzes icksen, erschreckt, überrumpelt.

Das war knapp, denkt Loki, aber irgendwie auch schade … Ich war gerade so richtig in Fahrt!

Natürlich hätten Barts Huren zu keinem besseren Zeitpunkt feuern können. Wer weiß zu welchen unbedachten Taten die Männer noch fähig gewesen wären.

Loki springt auf und zieht seine eigene Waffe.

Er richtet sie auf die Vierergruppe und mit einem Mal ist Roger Baum Vergangenheit – Loki Karel steht am Platz.

Seine Stimme ist fest und gleichzeitig ruhig und klar.

„Jetzt redet ihr.“

Kapitel 3 Opfer

Als Loki gerade den Weg nach unten den Hügel heruntergenommen hat, geht Bart bereits inmitten des geradezu monströsen Schattens des Findlings, hinter dem er Stellung beziehen soll.

Die Luft ist hier noch etwas kühler – sein Atem ist kurz zu sehen. Bart streift geduckt. Zwar ist er von großer und bulliger Statur, aber der Findling würde ihn wohl auch ohne die elegante Verrenkung verdecken. Am Fuß des Felsens angekommen, hockt sich Bart in den Staub. Er richtet seinen Blick auf die Kurve hinter der er jeden Moment Loki erwartet. Seine Gedanken sind nicht länger im Hier und Jetzt, der große Salek lässt ihn nicht mehr los. Die Worte seines Freundes hallen noch nach in ihm, hat dieses Märchen doch eine so große Bedeutung für ihn. Er schaut zur Biegung und fixiert einen Punkt, während ihn seine Gedanken forttragen. Er flüstert leise: „Der große Salek …“

Schon immer war Algon der schönere der beiden Planeten in Barts und Lokis Heimat-Sonnensystem. Die Felder und Wiesen von Schimmerberg werden immer die schönsten Erinnerungen in Bart hervorrufen – und die traurigsten. Wäre nicht dieser unsägliche Krieg gewesen, würde Bart wohl noch immer dort leben, den Hof seines Vaters führen und mit der süßen Hilgi aus Flüsterberg ein glückliches Leben führen.

Doch es sollte anders kommen.

„Barti Schatz!“ Er hasste es, wenn seine Mutter ihn so nannte.

„Barti Schatz, das Essen ist fertig!“ Und wieder dieses schreckliche Wort … „Ja Mama, ich komme gleich!“

Bart hockte im Stroh in der Scheune auf dem Hof seiner Eltern. Die kleine Kitwit hatte Junge bekommen – vier Stück. Die stolze Katzenmutter lag geschafft und doch glücklich in dem Rückzugsort, den sie sich gesucht hatte. Mit ihrer rauen Zunge leckte sie ihre Jungen ab und befreite sie von all dem ekligen Schleim.

„Iih!“ Bart verzog das Gesicht, während sich Kitwit das Mäulchen schleckte und dann gleich wieder ans Werk ging. Einen Moment noch schaute er der Katze angewidert zu, als er dann doch den Entschluss fasste, ihre Leistung anzuerkennen.

„Herzlichen Glückwunsch, Kitti-Witti“, lobte er lächelnd.

Die kleine Katze spitzte die Ohren, als sie die vertrauten Laute vernahm.

Sie fühlte sich überhaupt nicht bedrängt oder gestört durch Bart. Seit sie selbst ein Junges war, befand sie sich schon auf dem Hof der Sados und lebte ein glückliches Katzendasein.

„Bartleby Sado! Wie oft muss ich noch rufen, bis der feine Herr sich hierherbemüht!“ Die Stimme seiner Mutter überschlug sich fast. Mama war in letzter Zeit gereizter als sonst. Woran das wohl lag?

„Ja, Mama!“

Er beugte sich kurz nach vorne und küsste Kitwit auf die Stirn, drehte sich um und sprang förmlich zur Tür der Scheune. „Nicht, dass Mama noch richtig böse wird“, dachte er sich, „aber Kitwit sieht so süß aus mit ihren Jungen! Das wird sie schon verstehen.“

Bart schob die schwere Scheunentür ächzend zur Seite, zwängte sich durch den Spalt nach draußen und rannte – nach dem er das Tor wieder hinter sich geschlossen hatte – in Richtung Wohnhaus.

Der Hof befand sich schon seit Generationen im Familienbesitz. Barts Vater hatte ihn von seinem Vater geerbt und dieser wiederum von seinem Vater. Dieser – also Barts Urgroßvater – hatte das Wohnhaus, die Scheune und alles, was sich sonst auf dem Grund der Sados befand, mit eigenen Händen erschaffen und mit Leben gefüllt.

Barts Vater erzählte immer voller Stolz von seiner Blutlinie und der harten Arbeit, die seine Ahnen investiert hatten, um ihren Kindern und Kindeskindern eine Zukunft zu schaffen.

„Und jetzt auch noch ein Heim für vier kleine Kätzchen“, dachte Bart schmunzelnd.

Die Tür zum Wohnhaus stand offen, und als Bart die Schwelle übersprang, erfasste ihn sogleich der Geruch nach frischem Eintopf. „Hmmm“, entfuhr es ihm.

„Mama, das duftet!“ Der kleine Bartleby lachte voller Frohsinn und stürmte auf den Esstisch zu, sprang hastig an seinen Platz und wartete auf die zubereitete Speise.

„Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass du dich mit diesen schmutzigen Pfoten auch nur eine Sekunde länger an meinem Esstisch aufhältst, Freundchen!“, tadelte seine Mutter. „Geh und wasch dir die Hände und alles, was du da draußen sonst noch dreckig gemacht hast!“

„Och Mama … ich bin doch ganz sauber … hab mich erst heute Morgen gewaschen. Guck!“ Er streckte seiner Mutter die wirklich stark verschmutzten Hände entgegen und schaute mit der unschuldigsten Miene, die ein Zehnjähriger so haben kann, in die Augen seiner Mutter.

Doch Tara Sado ließ sich nicht erweichen. Auch wenn der Blick ihres einzigen Sohnes sie schon manchmal hat nachgeben lassen, so war sie dieses Mal nicht in der Stimmung, um gnädig zu sein.

Sie stemmte ihre Hände in die Hüften, zog die linke Augenbraue hoch und sagte ernst: „Hände!

Jetzt!“

Barts Miene veränderte sich schlagartig. Seine Mutter war die liebevollste Person, die er kannte, aber wenn sie so dastand, wusste er: Der Spaß war vorbei.

Er sprang von seinem Stuhl auf und hastete ins Bad. Der Eintopf roch wirklich großartig. Der kräftige und würzige Geschmack seines Lieblingsgerichtes tastete sich langsam von der Nase, durch seinen Mund bis tief in den Bauch und hinterließ das hungrigste Knurren, zu dem Barts Körper je in der Lage gewesen war.

Im Bad angekommen, goss er einen Schwung Wasser in die Schüssel und wusch sich hastig, aber einigermaßen gründlich, die Hände. Wenn er auch beim Abtrocknen den größten Teil des Schmutzes von seinen Händen ins Handtuch schmierte, hielt er sein Werk doch für recht ansehnlich und legte das Handtuch an den vorgesehenen Platz zurück.

Mit großem Hunger im Bauch stürmte Bart in die Küche – während sich seine Füße fast gegenseitig überholt hätten – und zeigte seine sauberen Finger voller stolz seiner Mutter. Tara zog wieder die Augenbraue hoch, ließ jedoch ein kleines Lächeln aufblitzen, als sie sah, dass ihr Sohn seine Arbeit mit Eifer gemacht hatte.

„Na das sieht doch nach was aus.“

Sie stellte den Eintopf auf den Esstisch. „Jetzt hast du dir auch eine kleine Stärkung verdient.“

Tara nahm Barts Teller und füllte ihn mit einer Kelle. „Wie geht es Kitwit?“, fragte sie interessiert.

„Gut! Sie hat vier Junge bekommen. Vier, Mama!

Und die sind alle so niedlich. Können wir sie dieses Mal nicht behalten?“ Bart schaute flehend. „Ich verspreche auch, dass ich mich gut kümmern werde. Kitwit ist so glücklich mit ihren Kleinen! Bitte Mama!“

Tara lächelte und freute sich über die Lebenslust und Begeisterung, die ihr Sohn versprühte.

Es war immer ein kleines Zubrot für die Sados gewesen, die Kätzchen im Dorf zu verkaufen. Aber sie wollte ihrem Sohn nicht die Freude nehmen, wenn sie auch wusste, dass wahrscheinlich keines der Kätzchen lange auf dem Hof bleiben konnte. „Wir werden sehen, mein Schatz“, sagte sie versöhnlich.

Das reichte ihm: „Juhu!“

„Iss jetzt. Ich höre deinen Magen ja bis hier hin.“ Tara setzte sich gegenüber und begann zu essen. „Aber schling nicht so. Die ganze Luft in deinem Bauch kommt wieder durchs falsche Ende raus.“

Bart gluckste und atmete beim Löffeln immer gerne noch etwas mehr Luft ein, damit er später ordentlich pupsen konnte. „Das wird ein Spaß“, dachte er.

„Wo ist Papa?“ fragte Bart neugierig, während die ersten Löffel kaum den Hals hinuntergerutscht sind.

„Iss langsam und schling nicht so! Sonst bekommst du keinen Nachtisch!“ Seine Mutter hatte heute wirklich schlechte Laune, musste Bart feststellen. Er entschied jedoch, dass es wohl das Beste sei, den Anweisungen zu folgen und sich nicht weiter Gedanken darüber zu machen.

Die Sekunden vergingen, der Eintopf wurde tapfer gekaut. „Wo ist Papa denn nun?“, fragte Bart erneut.

„Er ist noch einmal ins Dorf. Wir müssen den Zaun auf der Weide erneuern. Die Schafe könnten sonst ausbüchsen.“ Tara antwortete freundlich und doch meinte Bart einen Unterton zu hören.

Belog sie ihn?

„Ist alles in Ordnung, Mama?“

„Mach dir keine Gedanken, Barti-Schatzi.“ Tara strahlte ihn an. „Es ist alles in Ordnung, iss deinen Eintopf, damit du schnell wächst.“ Barts Miene hellte leicht auf, doch das ungute Gefühl blieb trotzdem. Und dann wieder dieser schreckliche Kosename! Er war doch kein Kind mehr!

„Mama, nenn mich nicht so! Ich werde schon bald elf. Du kannst mich nicht mehr wie ein kleines Kind behandeln. Bald bin ich groß genug, um die Schafe zu hüten, und das Feld zu pflügen und dann können Papa und du mal Pause machen!“ Er war sich seiner sehr sicher.

„So, ist das also, ja?“ Tara lachte und zweifelte nicht ein bisschen an der Entschlossenheit ihres Sohnes; und tatsächlich hatte er in den letzten Wochen etwas an Kraft zugelegt, war ein gutes Stück gewachsen und auch lange nicht mehr so leicht, wie früher, als sie ihn noch hochheben und in die Luft werfen konnte. Sie vermisste diese Zeit … es war damals noch alles so aufregend, so neu. Ihr eigenes kleines Abenteuer mit einem stattlichen Mann und Schafhirten, der ihr Herz im Sturm eroberte und ihr – wie einer richtigen Prinzessin – den Hof machte.

Ihre Eltern hielten anfangs nicht allzu viel von Benji Sado – was wohl allen Eltern angeboren ist – gaben dann aber schnell nach, als sie merkten, dass das Herz ihrer Tochter wohl einfach zu diesem Schafshirten aus Schimmerberg gehörte und sie am Ende dann doch nur eines für ihre Tochter wollten: Glück.

Tara lächelte ihren Sohn an und war in diesem Moment einfach nur rundum glücklich. Niemals hätte sie gedacht, dass dies der letzte Moment voller Glückseligkeit sein sollte, für sie und ihre Familie.

„So lange du kleiner Dreckspatz noch immer eine Extraeinladung brauchst, bis du mit gewaschenen Händen an den Tisch kommst, nenn ich dich auch Barti-Schatzi.“ Sie blickte ihn fordernd an.

Bartleby zog eine Schnute und schaute beschämt zur Seite. Er entschied, dass der Eintopf nun lange genug gewartet hatte und tat es seiner Mutter gleich, die bereits den nächsten Löffel in der Hand hatte.

So aßen beide alleine ihren Teller leer, während Benji Sado im Dorf nicht nur Draht holte, um den Zaun zu erneuern; sondern auch, um seine Schulden beim ansässigen Pfandhaus zu begleichen.

Es stand seit ein paar Monaten nicht gut um die finanzielle Lage der Familie Sado. Der Handelsboykott von Sierat für Schafswolle aus Argon spitzte sich zu und da die Sados den größten Teil Ihres Einkommens durch den Verkauf von Wolle erwirtschafteten, wurde es schwierig.

Tara dachte bereits darüber nach, ihre Fähigkeiten zu erweitern und die Wolle auf dem eigenen Hof weiterzuverarbeiten zu Stoff. Auch hatten sie mal darüber gesprochen, sich das notwendige Zubehör fürs Färben zuzulegen. So könnte man durch die Weiterverarbeitung mehr verdienen. Doch all diese Ideen kosteten Geld.

Und leider gab es davon im Hause Sado derzeit sehr wenig. Hinzu kam, dass Bart zu dieser Zeit leider noch nicht besonders viel zur Haushaltskasse beitragen konnte. Im letzten Jahr besuchte er noch die Schule von Schimmerberg, doch auch diese musste dieses Jahr leider von der Liste der Investitionen gestrichen werden.

Benji bezahlte also gerade die Schuld für den vor einem Monat erworbenen neuen Pflug – den alten hatte das Alter dahingerafft – als sich dem Hof der Sados ein tiefes Dröhnen näherte.

Der Ton wurde schnell lauter und Bart bekam es mit der Angst zu tun. Er ließ den Löffel fallen und der Eintopf spritzte aus dem Teller in sein Gesicht.

„Mama, was ist das?“, quiekte er.

Tara war verängstigt. Sie konnte dieses Geräusch beim besten Willen nicht zuordnen. Im Dorf erzählte man sich von großen Maschinen, die in den Städten gebaut wurden, um Arbeiten leichter und schneller zu machen. Ihr alter Freund aus dem Krämerladen von Schimmerberg – Han Gedir – bezeichnete die Geräusche, die von diesen Maschinen erzeugt wurden, als „ohrenbetäubend“. „Ja, das hatte er gesagt“, dachte Tara.

„Ich weiß es nicht mein Schatz.“ Ihre Stimme zitterte mehr, als sie es wollte. Sie sprang auf und ging zur Kochstelle, griff sich das größte Messer, das sie zu fassen bekam und stellte sich mit weit geöffneten Armen schützend zwischen die Eingangstür und ihren Sohn.

Das Geräusch wurde immer lauter. Die Teller und Tassen begannen zu klappern, der Tisch wackelte, die Töpfe trommelten. Das Geräusch war über ihnen! „Wie kann das sein?“, dachte Tara.

„Was für ein Streich wird hier gespielt?“

„Mama!“ Bart hielt sich die Ohren zu. Er hatte fürchterliche Angst. Alles um ihn herum schien zu wackeln oder zu beben und es wurde mit jeder Sekunde schlimmer.

„Komm her mein Junge.“ Sie schaute in Barts Richtung und winkte ihn zu sich. Bart nahm das Angebot dankbar an und stellte sich hinter seine Mutter. Er schlang die Arme um ihre Taille und drückte mit aller Kraft, die er hatte, zu.

„Ich hab` solche Angst“, schluchzte er. Er konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie kullerten einfach so die Wange herab.

Von einem Augenblick zum nächsten hatte das Geräusch seinen Höhepunkt erreicht und wurde gleich wieder etwas leiser. Mit der gleichen extremen, furchteinflößenden und unerwarteten Geschwindigkeit, mit der es gekommen war, wurde das Geräusch wieder leiser, erstarb langsam und verschwand schließlich völlig.

Tara war wie gelähmt. Was war das? Sie atmete kurz und hastig und spürte ihren Herzschlag in jeder Zelle ihres Körpers. Die Anspannung hatte sie förmlich zerrissen. Waren sie in Sicherheit?

„Ist alles in Ordnung, Bartleby?“ Sie drückte ihn fest an ihre linke Seite, schaute von oben auf den großen und doch verängstigten Jungen in ihrem Arm herab und befürchtete für einen Moment, er würde nicht zu ihr hoch sehen. Für einen Bruchteil einer Sekunde dachte sie, Bart wäre von dem Geräusch getötet worden. „Alles … in … Ordnung … Mama“, schluchzte und zitterte es leise von unten herauf.

Den Schreck seines Lebens hinter sich, atmete Bart noch immer hastig und unruhig. Sein Griff lockerte sich keinen Millimeter. Tara hielt noch immer das Messer in den Händen, was ihr jetzt absurd vorkam. Sie blinzelte sich aus dem Schockmoment frei und legte es auf den Esstisch.

Sie griff mit der einen Hand den Arm ihres Sohnes, fasste mit der anderen seine Schulter und begab sich nach unten auf Augenhöhe zu ihm. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Alles wird gut.

Hab keine Angst, mein Sohn. Mama ist da. Dir wird nichts passieren.“ Sie sah ihm direkt in die Augen, voller Liebe, voller Gewissheit, voller Überzeugung. Bart schniefte und zog seine Nase hoch. Er wischte sich mit der freien Hand die Tränen aus dem Gesicht und schämte sich höllisch, weil er so langsam die Wärme in der Unterhose spürte. Er hatte sich in die Hose gemacht. „Wie peinlich“, dachte er sich und versuchte dem Blick seiner Mutter zu entkommen.

Er glaubte ihr. Sie war seine Mutter. Sie hatte immer recht. Natürlich würde alles gut werden!

Was denn auch sonst?

Tara hatte noch immer ein schlechtes Gefühl.

Was war geschehen? Sie stand auf und begab sich langsam zur Haustür.

„Nein Mama! Nicht! Was, wenn es wiederkommt?“

Bart sprang nach vorne und griff nach dem Arm seiner Mutter. „Ich will nicht, dass du gehst!“

Tara wusste, dass irgendetwas nicht stimmte und wenn sie eines vom Leben gelernt hatte, dann die Tatsache, dass die Ungewissheit über Geschehenes meist schlimmer ist, als das Geschehene selbst. Sie schaute Bart sanft an und sagte: „Du musst jetzt stark sein, mein Sohn.

Weißt du noch, was dir Papa immer über den großen Salek erzählt hat?“ Der Griff ihres Sohnes lockerte sich etwas und sie bekam ihren Arm langsam frei.

„Nur die Stärksten können ihn besiegen, nur die Weisesten ihn finden, aber nur die Mutigsten können seinen wahren Wert verstehen.“ Barts Stimme zitterte noch immer etwas. Aber der Gedanke an den großen Salek – das mystische Fabelwesen aus dem Märchen – und die unzähligen Male, die sein Vater es ihm erzählt hatte, wenn er ihn zu Bett brachte oder ein Gewitter ihn ängstigte, gaben ihm die nötige Kraft, um sich von seiner Mutter und der kindlichen Abhängigkeit zu befreien.

Dieser Moment gab Bartleby Sado zum ersten Mal das Gefühl, was es bedeutet ein Mann zu sein, oder was nötig wäre, um einer zu werden.

Bart atmete tief durch, schaute in die sanften Augen seiner Mutter und sprach mit überraschend fester Stimme: „Gut. Aber wir gehen zusammen.“

Tara schmunzelte. Sie streckte ihrem Sohn die Hand entgegen und er ergriff sie dankend. So schnell wollte er nun doch nicht zum Mann werden.

Sie gingen Hand in Hand auf die Haustür zu. Das Haus der Sados hatte zur Front hinaus keine Fenster. Die Außenwelt konnte also nur durch die geöffnete Tür hereindringen. Tara drückte langsam den Griff herunter und öffnete sie. Der Geruch des Hofes drang in ihre Nase. Der vertraute Geruch nach Heu, Wolle und Vieh, nach Mist und … nach Rauch?

Wie in Zeitlupe vergehen nun die Bilder aus Barts Erinnerung. Zentimeter für Zentimeter wurde der Türspalt größer, der Geruch stärker, die Vermutung zu Gewissheit. Grell lodernde Flammen schossen empor und züngelten in den tiefschwarzen Himmel. Die Scheune brannte.

Lichterloh und siedend heiß verleibte sich das Feuer alles ein, was vorher noch Holz und Stroh gewesen war.

Tara riss die Augen auf und stieß einen kurzen Schrei aus: „Nein! Nicht …“ Gelähmt vom Schock, nahm sie kaum wahr, dass Bart sich enger an seine Mutter drängte.

Die gesamte Lebensgrundlage der Sados verbrannte vor ihren Augen. Geräte, Futter für die Tiere und natürlich das Vieh selbst waren in der Scheune. Neben dem Knacken des brennenden Holzes, waren die Schreie der Schafe deutlich zu hören. Das verzweifelte Blöken der gefangenen Tiere war kaum zu ertragen und Tara dachte für einen Moment sie würde die Besinnung verlieren. Doch das durfte sie nicht. Sie musste sich um ihren Sohn kümmern.

„Kitwit!“, rief der kleine Bartleby plötzlich und stürmte in Richtung Scheune. Geistesgegenwärtig festigte sich Taras Griff um Barts Arm und hielt ihn zurück.

„Du bleibst schön hier!“

„Aber Mami, Kitwit! Wir müssen sie retten!“

Tara nahm sich zusammen, schaute ihrem Sohn in die Augen und sagte: „Du wirst jetzt nicht dort hineinrennen! Bestimmt hat Kitwit noch einen sicheren Platz gefunden.“

Natürlich wusste Tara, dass ihre Worte blödsinnig waren. Kitwit und ihre Jungen waren tief in der Scheune versteckt. Bei dem lauten Dröhnen hat sich die Katzenmama sicher noch besser versteckt. Aber dem Inferno zu entkommen war ausgeschlossen. Tief im Inneren wusste Tara, dass Kitwit und ihre Jungen im Katzenhimmel waren.

Es blieb keine Zeit, um Luft zu holen.

Urplötzlich wurde der Himmel von grellen Blitzen erhellt, die den Tag bei Nacht erschufen.

Die Gegend um Schimmerberg brannte lichterloh und Blitz um Blitz waren Explosionen zu hören und ein immer heller werdendes orangenes Wabern zu sehen. Tara nahm die freie Hand hoch, um ihre Augen zu schützen. Sie verstand es nicht vollständig, ahnte nur, was hier geschehen war und während sie noch dabei war es zu begreifen und die richtigen Worte zu finden, war es Bart, der den Mund aufmachte: „Schimmerberg brennt!“ Seine Augen wurden groß und feucht, gefüllt mit tausend Tränen.

„Mama …“ Er weinte und fand kaum die Kraft zu atmen.

Viele Jahre später erinnert sich Bart daran, dass ihm das Atmen derart schwerfiel, dass er Angst bekam, nie wieder atmen zu können. Doch in dieser Nacht begann etwas Anderes in ihm zu erwachen und ihm Kraft zu geben. Genug Kraft, um seiner Mutter die einzige Frage zu stellen, die ein Zehnjähriger in dieser Sekunde fragen wollte:

„Wo ist Papa?“

„Bei Kitwit …“, flüsterte sie mit tauber Stimme und Tränen rannen ihre Wange herunter.