Bäume in der Stadt - Andreas Roloff - E-Book

Bäume in der Stadt E-Book

Andreas Roloff

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Beschreibung

Stadtbäume - unser Vitamin G(rün) - Positive Wirkungen und Nutzen von Stadtbäumen - Auswahlkriterien für Stadtbäume - Welche Baumarten eignen sich in der Stadt - Die 40 wichtigsten Stadtbaumarten Stadtbäume sind schon lange für die Gesundheit, das Wohlbefinden, das Naturerleben, das Stadtklima und die Luftqualität wichtig. Ihre Bedeutung nimmt in letzter Zeit wegen des Klimawandels, des ansteigenden Anteils der Stadtbevölkerung, der fortschreitenden Naturentfremdung der Stadtmenschen und der steigenden Wertschätzung von Stadtgrün weiter zu. Inzwischen wird Stadtgrün daher sogar schon als Vitamin G bezeichnet. Aber auch die Ansprüche an Stadtbäume nehmen zu: sie sollen ihre Funktionen möglichst umfassend, möglichst lange und mit möglichst wenig Aufwand und Kosten erfüllen. Dieses Buch vermittelt Praktikern, Planern, Stadtbaum-Verantwortlichen und -Liebhabern den aktuellen Stand des Wissens zu Bäumen in der Stadt.

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Andreas Roloff

Bäume in der Stadt

Besonderheiten – Funktion – Nutzen – Arten – Risiken

Ulmer E-Books

unter Mitarbeit von

Rolf Kehr, Sten Gillner, Britt Grundmann,

Sandra Korn, Ulrich Pietzarka

152 Abbildungen

12 Tabellen

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung2 Über positive Wirkungen und Nutzen von Stadtbäumen2.1 Ästhetik, Sinneseindrücke2.2 Psychologie und Wohlbefinden/Gesundheit2.3 Umweltbewusstsein, Ökologie2.4 Orientierung, räumliche Ordnung, Architektur2.5 Schutz und Lebensqualität2.6 Ernährung und Heilkräfte2.7 Nutzung von Bäumen2.8 Kultureller Wert, ökonomischer und sozialer Nutzen2.9 Probleme3 Besondere Bedingungen und Auswahlkriterien für Stadtbäume4 Verwendung von Baumarten in der Stadt4.1 Physiologische(s)/ökologische(s) Amplitude und Optimum4.2 Ausgewählte Beispiele für Verwendungshilfen4.3 Bedeutung von Anpassung und Optimierung4.4 Eigenschaften von Pionier- und Klimaxbaumarten4.5 Ausgewählte Beispiels-Baumarten4.6 Darstellungsweisen von Amplituden und Matrizen4.7 Resümee5 Die 40 wichtigsten Stadtbaumarten5.1 Acer platanoides, A. pseudoplatanus: Spitz- und Berg-Ahorn5.2 Aesculus hippocastanum: Gemeine Rosskastanie5.3 Ailanthus altissima: Drüsiger Götterbaum5.4 Alnus glutinosa: Schwarz-Erle5.5 Betula pendula: Sand-/Weiß-/Hänge-Birke5.6 Carpinus betulus: Gemeine Hainbuche/Weißbuche5.7 Castanea sativa: Ess-Kastanie/Marone5.8 Corylus colurna: Baum-Hasel5.9 Fagus sylvatica: Rot-Buche5.10 Fraxinus excelsior: Gemeine Esche5.11 Ginkgo biloba: Ginkgo5.12 Gleditsia triacanthos: Amerikanische Gleditschie/Lederhülsenbaum5.13 Juglans regia: Gemeine Walnuss/Nussbaum5.14 Larix decidua: Europäische Lärche5.15 Liquidambar styraciflua: Amerikanischer Amberbaum5.16 Malus domestica/-Sorten/-Hybriden: Kultur-Apfel und Apfel-Sorten/-Hybriden5.17 Picea pungens: Stech-/Blau-Fichte5.18 Pinus nigra: Schwarz-Kiefer5.19 Platanus × hispanica (= P. × acerifolia): Ahornblättrige Platane5.20 Populus tremula: Zitter-Pappel/Aspe5.21 Prunus avium: Vogel-/Süß-Kirsche5.22 Pyrus communis: Kultur-Birne/Birnbaum5.23 Quercus robur ssp. robur (= Q. robur), ssp. sessiliflora (= Q.petraea), Q. rubra: Stiel-, Trauben- und Rot-Eiche5.24 Robinia pseudoacacia: Gemeine Robinie/Scheinakazie5.25 Salix alba, S. × rubens: Silber-, Fahl-Weide5.26 Sophora japonica: Japanischer Schnurbaum/Pagodenbaum5.27 Sorbus intermedia: Schwedische Mehlbeere/Oxelbeere5.28 Taxus baccata: Gemeine Eibe5.29 Tilia cordata, T. platyphyllos, T. × vulgaris: Winter-, Sommer- und Holländische Linde5.30 Ulmus glabra, U. laevis, U. × hollandica: Berg-, Flatter-, Holländische Ulme6 Klimawandel und Stadtbaumarten6.1 Klimaänderung und Artenwahl6.2 Besonderheiten des Stadtklimas6.3 Klimatische Verhältnisse von potenziellen Herkunftsgebieten6.4 Vorgehensweise für die Bewertung der Trockentoleranz und der Winterhärte6.5 Ergebnisse6.6 Potenziell besonders geeignete Straßenbaumarten6.7 Schlussbemerkung7 Trockenstress: Ursachen und Konsequenzen für Stadtbäume7.1 Stress: Definitionen und Mechanismen7.2 Ursachen von Trockenstress für Bäume in der Stadt7.3 Trockenstress-Reaktionen/-Anpassungen7.4 Mögliche Trockenstresstoleranz-Parameter7.5 Artenliste (nach KlimaArtenMatrix)7.6 Bewertung und Ranking der Trockenstresstoleranz-Parameter7.7 Schlussbemerkungen8 Wichtige Krankheiten und Schädlinge an Stadtbäumen8.1 Einleitung8.2 Krankheiten und Schäden nach Gattungen und Arten9 Lebewesen auf Bäumen: Misteln9.1 Mistel/Wirt-Interaktion9.2 Nutzung, Mythologie und Brauchtum9.3 Schäden am Wirtsbaum und ihre Verhinderung/Beseitigung9.4 Fazit10 DankServiceLiteraturBildquellenDie Autoren
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1Einführung

Verschiedene deutsche Großstädte werben damit, dass sie zu den grünsten Städten Deutschlands oder gar Europas gehören. Stadtbäume sind schon lange wichtig für die Gesundheit, das Wohlbefinden, das Naturerleben, das Stadtklima und vieles mehr. Ihre Bedeutung nimmt in letzter Zeit weiter zu wegen des Klimawandels, des ansteigenden Anteils der Stadtbevölkerung, der fortschreitenden Naturentfremdung der Stadtmenschen und der steigenden Wertschätzung von Stadtgrün. Inzwischen wird Stadtgrün sogar schon als Vitamin G bezeichnet. Aber auch die Ansprüche an Stadtbäume nehmen zu: sie sollen ihre Funktionen möglichst umfassend, möglichst lange und mit möglichst wenig Aufwand und Kosten erfüllen.

Daher hat dieses Buch zum Ziel, interessierten Praktikern, Planern, Stadtbaum-Verantwortlichen und -Liebhabern den aktuellen Stand des Wissens aus neueren Untersuchungen und Studien anwendungsorientiert vorzustellen. Dabei gibt es keinerlei Überschneidungen zu anderen Büchern des Autors, die sich insofern ideal ergänzen (z. B. Baumkronen 2001, Flora der Gehölze 2008, Baumpflege 2008, Lexikon der praktischen Baumbiologie 2010).

Abb. 1. 1. Verstümmelung von Bäumen und unterbliebene/wirkungslose Schutzmaßnahmen an Baustelle.

Hierbei sind mit Stadtbäumen gemeint: Solitäre, Baumgruppen und -reihen im öffentlichen städtischen Raum und in Privatgärten, Alleen, Parkanlagen, Brachflächen in der Stadt und Stadtwälder. Es geht also nicht nur um Straßenbäume, wie gelegentlich missverstanden wird. Zudem sei darauf hingewiesen, dass der Begriff Stadt auch Kleinstädte mit einschließt, die nach offizieller Definition z. T. nur 2000 Einwohner, also auch dörflichen Charakter haben können, ebenso wie einzelne ländliche Stadtteile von Großstädten.

Wenn man sich intensiver mit den positiven Wirkungen und dem Nutzen von Stadtbäumen befasst (Kap. 2), ist man beeindruckt von der Vielfalt und letztlich enormen Bedeutung von Bäumen für Menschen in der Stadt. Erschreckend ist dagegen die heutige geringe Lebenserwartung von Stadtbäumen (etwa 50 % ihrer potenziellen Altersspanne), und vor allem von Straßenbäumen (nach eigenen Erhebungen nur etwa 25 % der potenziellen Altersspanne, auf Grund von vorzeitiger Alterung, Standortproblemen, Baumaßnahmen, Schäden/Krankheiten/Stress, falscher Baumartenwahl und Verkehrssicherungsmaßnahmen). Es wird noch zu wenig für den Schutz und Erhalt der Stadtbäume getan (Abb. 1.1) – die meisten der heute gepflanzten Bäume werden daher wohl nicht mehr das Alter jetziger Altbäume derselben Art erreichen.

Der hohe Stellenwert der emotionalen Beziehung von Menschen zu Bäumen wird z. B. aus der hohen und weiter steigenden Popularität vom ‘Baum des Jahres’ deutlich (www.baum-des-jahres.de) sowie aus der Tatsache, dass die meisten Bildkalender über Naturobjekte Kalender über Bäume sind (für 2012: über 60 verschiedene). Zwar können Stadtbäume auch Ärger und Probleme bereiten, die Bilanz einer Bewertung positiver Wirkungsfaktoren und negativer Effekte dürfte aber meist deutlich positiv ausfallen. Wenn man das Bewusstsein dafür verbessert, erlangen Bemühungen um Baumschutz und Aufwand für Pflege mehr Zustimmung und sind die damit verbundenen Kosten eher akzeptabel. Die vielen positiven Aspekte lassen sich allerdings nicht alle in monetären Beträgen bewerten. Hier ist dringend weiterer Forschungsbedarf vorhanden und verstärkte Überzeugungsarbeit notwendig.

Tab. 1.1 Anzahl Stadtbäume in Städten mit ca. 500 000 Einwohnern am Beispiel von Dresden und Bremen (Schätzungen/Hochrechnungen nach eigenen Erhebungen, für Straßenbäume nach Angaben der Ämter)

Anzahl Dresden

Bremen

Bäume in Privatgärten

600 000

750 000

Bäume in öffentlichen Parks und Grünanlagen

Großer Garten Dresden, Bürgerpark Bremen

1 200 000

1 500 000

sonstige (z. B. Friedhöfe, Wohnblockviertel

500 000

600 000

Bäume in Stadtwäldern (z. B. Dresdner Heide, Bremer Stadtwald)

1 500 000

750 000

Straßenbäume

60 000

70 000

Bäume auf Brachflächen

800 000

400 000

Summe

~ 4 700 000

~ 4 500 000

Wie viele Bäume gibt es eigentlich in einer Stadt mit ca. 500 000 Einwohnern? Dieser Frage wurde beispielhaft in Dresden und Bremen durch Erhebungen, Schätzungen und Hochrechnungen nachgegangen. Dabei sind alte und junge, dicke und dünne, große und kleine, frei wachsende und beschnittene Bäume, an natürlichen, naturnahen und naturfernen Standorten, zu berücksichtigen, was die Kalkulation nicht ganz einfach macht. Das Ergebnis ist für das Anliegen und die Zielgruppe dieses Buches sehr wichtig und beeindruckend. Denn zu den Stadtbäumen zählen alle in Tabelle 1.1 genannten.

Das heißt, es kommen auf jeden Einwohner etwa 10 Bäume.

Um alle diese Bäume geht es in diesem Buch.

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2Über positive Wirkungen und Nutzen von Stadtbäumen

Bäume geraten schnell und häufig in die negativen Schlagzeilen: „4 Tote durch umstürzende Platane“, „21-Jähriger erhängte sich an Eiche“, „Wieder zwei Verkehrstote an Alleebäumen“, „Mann schlägt Nachbarn wegen Birke krankenhausreif“ (Überschriften aus Tageszeitungen). Es wird viel über Probleme und negative Auswirkungen von Stadtbäumen diskutiert, da sie in der Regel auffälliger und einschneidender sind als die positiven Wirkungen und der Nutzen. Diese sind zudem schwierig zu erfassen und zu bewerten und werden daher seltener berücksichtigt. So sind ausführlichere Abhandlungen über positive Aspekte bisher selten.

Daher sollen hier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die positiven Wirkungen und der Nutzen von Stadtbäumen sowie die Bedeutung für uns Menschen in der Stadt mehr ins Bewusstsein gerückt werden (Abb. 2.1, 2.2). Es wird nachfolgend zunächst auf Wirkungsfaktoren eingegangen und anschließend auf den Nutzen von Bäumen für Lebensqualität und Wohlbefinden der städtischen Bevölkerung. Diese Aspekte erlangen wegen der zunehmenden Urbanisierung eine steigende Bedeutung.

„Wenn ich wüsste, dass die Welt morgen unterginge,

pflanzte ich doch heute noch einen Baum.“

Martin Luther

Abb. 2. 1.  Kalter, harter, abweisender, im Sommer überhitzter Platz ohne Bäume.

Abb. 2. 2. Gegliederter, warmer, einladender Platz mit Bäumen und Schatten (Schmalblättrige Esche).

2.1Ästhetik, Sinneseindrücke

Bäume sind für viele Menschen ein Inbegriff von Schönheit, vor allem einzeln stehende ältere Exemplare. Sie sind durch ihre Phänologie (äußere Veränderungen im Jahreslauf) gerade in der Stadt entscheidend für das Erleben der Jahreszeiten, z. B. durch Austrieb und Blüte im Frühjahr, Fruchtreife im Spätsommer, Laubfärbung im Herbst und Raureif im Winter. Auch der Geruch vieler Baumarten ändert sich im Jahreslauf charakteristisch. Stadtteile ohne Bäume sind Stadtteile ohne Jahreszeiten.

Visuelle Eindrücke wie Farbnuancen (z. B. der Blätter im Sommer und Herbst), unterschiedliche Strukturen (z. B. Blattformen und Kronenarchitektur), Design (z. B. Säulen-Pappeln, Alteiche) und Ästhetik (wie wirkt ein Baum?) tragen zum positiven Empfinden und Erleben bei. Um die Unterschiede zwischen der ästhetischen Wirkung verschiedener Baumarten zu veranschaulichen, braucht man sich nur einen lichten, jungen Birkenhain gegenüber einem dunklen, dichten Fichtenstangenholz im Frühjahr vorzustellen. In einer aktuellen Befragung von Hauseigentümern wurden als häufigster Grund für positive Empfindungen zu Hausbäumen ästhetische Gesichtspunkte genannt: „sieht schön aus“, „Blüte“, „Laubfärbung“. Da dieser Aspekt zum einen besonders wichtig, andererseits aber besonders schwierig erfassbar und bewertbar erscheint, wird in Tabelle 2.1 der Versuch unternommen, die positiven Wirkungen verschiedener Baumarten zu veranschaulichen. Diese Bewertung ist natürlich subjektiv und soll nur beispielhaft verdeutlichen, dass man so zu einem Ranking wichtiger Stadtbaumarten nach ästhetischen Gesichtspunkten kommen kann – danach würden von den bewerteten Baumarten (Kap. 5) Kirschbaum, Schwedische Mehlbeere, Birnbaum, Apfelbaum und Robinie auf den ersten Rängen landen. Diese Wirkungen werden z. B. im Arboretum Alnarp (Südwest-Schweden) in sog. „Einart-Hainen“ eindrucksvoll verdeutlicht. Auch die besondere Gestaltung/Beachtung von Bestandesrändern ist hier zu nennen. Neben visuellen Eindrücken spielen auch Geruch (Blüten, Herbstlaub), Geräusche (Windrauschen der Krone, herbstliches Blätterrascheln), Geschmack (Früchte, junge Blätter) und Fühlen (Früchte, behaarte Blätter) eine Rolle.

2.2Psychologie und Wohlbefinden/Gesundheit

„Nichts ist heiliger, nichts ist vorbildlicher als ein schöner starker Baum“ schrieb Hermann Hesse 1920. Bäume begleiten uns durchs Leben.

Die Beziehungen zwischen Baum und Mensch sind sehr vielschichtig und noch wenig untersucht. Besonders deutlich wird das Potenzial dieser Beziehung beim Hausbaum: es gab und gibt bis heute nicht wenige Familien, die am Haus einen Baum pflanzen, z. B. als Schutzpatron, um von der Krone im Sommer Schatten zu erhalten, als Windschutz oder aber um Früchte, Honig u. Ä. zu ernten (Abb. 2.3). Hausbäume werden z. T. sogar als Familienmitglieder bezeichnet – die Beziehung ist besonders stark, wenn sie vom Hauseigentümer selbst oder zu einem besonderen Anlass gepflanzt wurden. Der Baumbestand in privaten Gärten umfasst oft ein Vielfaches vom Straßen- und Parkbaumbestand einer Stadt, z. B. für Dresden etwa 600 000 Bäume in privatem Grün gegenüber fast 60 000 Straßenbäumen (s. Kap. 1).

Abb. 2. 3. Zählt bisweilen mit zur Familie: Hausbaum (Walnuss).

Für die Gesundheit haben Bäume heute eine hohen Stellenwert, der derzeit und in naher Zukunft deutlich zunehmen wird: in Parkanlagen (Stadt-, Kur-, Bürgerpark), im Garten, beim Spazierengehen und Wandern, auf der Bank am Baum oder beim Picknick unter Bäumen, was in anderen Ländern z. T. noch viel ausgeprägter zelebriert wird als bei uns. Parkanlagen werden daher auch als ‘therapeutic landscape’ bezeichnet, und derzeit ist die sog. ‘Gartentherapie’ im Kommen. Der Garten (auch Schrebergarten) wird zunehmend als Wellness-Center verstanden, als Wohlfühlraum – Gärtnern als private Gesundheitsprävention.

Auch für den Immissionsschutz in der Stadt haben Bäume große Bedeutung, dies betrifft vor allem die Senkung der Konzentrationen von Ozon, Stickoxiden, SO2 und Kohlenmonoxid. Parkanlagen werden daher auch als „grüne Lungen“ der Städte bezeichnet.

In der Diskussion um die Lebensqualität in der Stadt steht seit Jahren die Feinstaubminderung im Fokus – hier geht es insbesondere um die Eigenschaften der Bindung von Mikropartikeln an Blättern von Bäumen und Fassaden-/Dachbegrünungen. Dafür sind raue, klebrige und behaarte Laubblätter und nadelförmige Blätter günstig. Man unterscheidet Akkumulierer und Selbstreiniger: während sich bei ersteren der Feinstaub zunehmend auf der Blattoberfläche ansammelt (z. B. bei Jungfernrebe) und schließlich zur Schädigung des Gehölzes führen kann, wird er bei Letzteren regelmäßig durch Niederschläge wieder abgewaschen (z. B. bei Platane). Für die Wirkungen spielt auch die Anordnung der Bäume im Straßenraum und die Breite der Straße eine Rolle.

Friedhöfe, Kur-, Heim- und Krankenhaus-Parkanlagen werden von Bäumen dominiert, da ihre positiven Wirkungen auf die Psyche und die Gesundheit bekannt sind und nachgewiesen ist, dass sie die Genesung bzw. Erholung beschleunigen und Stress abbauen. Zudem ist in Parkanlagen der Schatten im Sommer wichtig, die mentale Wirkung des Grüns, die Geräuschdämpfung und die verbesserte Luftqualität (Abb. 2.4), und sie sind ein beliebter Ort für körperliche Aktivitäten (Ballspiele, Walken/Joggen etc.). Aktuelle Forschungsprojekte zeigen den hohen Stellenwert von Natur für Wohnumgebung und Naherholung, es handelt sich um den von der Bevölkerung höchstbewerteten Aspekt. Psychische, physische und soziale Wirkungen von Aufenthalt und Arbeit im Grünen, also z. B. in Gärten und Parkanlagen, werden in Tabelle 2.2 zusammengefasst.

Abb. 2. 4. Erholung unter einem Baum (Ess-Kastanie) in einer Parkanlage.

Die medizinische Bedeutung von Bauminhaltsstoffen und -teilen ist heute in mitteleuropäischen Städten gegenüber früheren Zeiten und Entwicklungsländern weit in den Hintergrund getreten im Vergleich zu synthetischen Medikamenten. In der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) spielen einige Baumpräparate jedoch nach wie vor eine herausragende Rolle (z. B. Inhaltsstoffe des Ginkgos zur Durchblutungsförderung, der Rosskastanie bei Gelenkschmerzen) oder wurden sogar neu entdeckt (z. B. Krebsmittel aus Eiben). In der Homöopathie haben Bäume wichtige Bedeutung für einzelne Symptome (z. B. Thuja nach Pockenimpfung, Juniperus bei Nierenentzündungen).

Tab. 2.2. Positive psychische, physische und soziale Wirkungen von Aufenthalt und Arbeit im Grünen.

Psychischer Bereich

durch den Kontakt zur Natur wird der Kontakt zur eigenen Natur hergestellt

Förderung von Entspannung und Wohlbefinden

Abbau von Stress

antidepressive Wirkungen des Lichtes und des Grüns

Physischer Bereich

durch körperliche Tätigkeiten (Laufen, Sport…) Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit

Förderung von Lebensenergie durch frische Luft

Stimulierung aller Sinne, die kognitive Leistungsfähigkeit wird gesteigert

Sozialer Bereich

Förderung von Kontakten, insbesondere bei Kindern

Förderung des Wir-Gefühls, Abbau von Vereinzelungstendenzen

Ausbildung von Verantwortungsgefühl durch Reflektieren der Natur-Kreisläufe

Weiterhin können Bäume Menschen in der Kindheit für ihr Leben prägen und z. B. maßgeblich das Heimatgefühl bestimmen: wer in Norddeutschland aufgewachsen ist, hat oft eine innige Beziehung zur Pappel oder Birke, Brandenburger zur Kiefer und Mittelgebirgsbewohner zur Fichte. Man verschenkt gerne Baumpatenschaften, die meist eine persönliche Bindung von den Beschenkten mit diesem Baum bzw. der Baumart zur Folge haben. Früher war es verbreitet (und kommt z. T. wieder in Mode), zur Geburt eines Kindes einen Geburtsbaum zu pflanzen. Im 18. Jahrhundert erhielt man vielerorts eine Heiratserlaubnis erst dann, wenn man eine bestimmte Anzahl an neu gepflanzten, grünenden Heiratsbäumen vorweisen konnte. Heute sind Hochzeitsalleen und ‘Schnullerbäume’ beliebt, letztere zum leichteren Entwöhnen des Kindes vom Schnuller (Abb. 2.5). In Münster hat sich kürzlich eine ‘Aktion Bürgerbäume’ gegründet.

Abb. 2. 5. Schnullerbaum (Tulpenbaum), eine Erleichterung für das Abgeben des Schnullers in fortgeschrittenem Kindesalter.

Abb. 2. 6. Richtfestbaum (Sand-Birke), ein beliebter, schöner Brauch beim Hausbau.

Große Bedeutung hatten in früheren Zeiten Tanz- und Gerichtslinden. In Tanzlinden wurde auf einem Podest in der Krone getanzt, unter Gerichtslinden wurden Versammlungen abgehalten, in denen es um Pfründe, Recht und Wahrheit ging. Die Rechtsfindung wurde getragen von der Überzeugung, dass niemand es wagen würde, unter einer Linde zu lügen.

Bei Maibäumen handelt es sich um meist große, aufgeastete verzierte Bäume, die an einem zentralen Platz im Ort bei einer festlichen Veranstaltung aufgerichtet werden. Beim Richtfest wird nach Fertigstellung des Rohbaus ein Baum auf dem Dach des Hauses befestigt und unter diesem gefeiert (Abb. 2.6).

Abb. 2. 7. Positiv empfundene, savannenartige Parklandschaft mit baumfreien Rasenflächen vor Einzelbäumen und Bestandesrändern.

Bäume spielen in der Natur-Gestaltung durch Menschen eine herausragende Rolle, z. B. im Gartenbau und in der Landschaftsarchitektur bei der Planung und Anlage von Parkanlagen, Plätzen, Privat- und Landschaftsgärten. Besonders positiv wirkt eine savannenähnliche Parklandschaft (Abb. 2.7), da sie dem menschlichen Urbedürfnis nach Überblick am besten entspricht: die stammesgeschichtliche Entwicklung zum Menschen fand in der afrikanischen Savanne statt. Der Anblick von Bäumen und Büschen wird als lustvoll erlebt. Mit Bäumen können bestimmte Stimmungen hervorgerufen werden, z. B. Mittelmeer-Flair durch Palmen.

Weiterhin wird die psychologische Komponente der Mensch/Baum-Beziehung sehr eindrucksvoll deutlich bei Horoskopen, die Bäume als Grundlage verwenden (z. B. das „Keltische Baumhoroskop“). Hier werden bestimmte Baumtypen unterschieden, die mit der Erscheinungsform der Baumarten im Zusammenhang stehen (z. B. Eiche: die robuste Natur, Kiefer: das wählerische Wesen, Weide: die Melancholie).

Besondere Bedeutung haben Bäume in nahezu allen Kulturen seit jeher in der Mythologie, da Gestalten von Baumriesen und ihr hohes Alter schon immer Ehrfurcht einflößten. Im Baum findet der Mensch sein größtes Gleichnis, da er wie der Mensch aufrecht lebt und die „Arme“ gen Himmel reckt, „Bäume sind wie Brüder“. Zahlreichen Baumgleichnissen begegnet man in der Bibel, und auch in vielen Sprichwörtern taucht die Wesensgleichheit Baum – Mensch auf, z. B. „Was als Bäumchen falsch gebogen, wird als Baum nicht grad gezogen“. Vielerorts gab es heilige Haine. Im Mittelpunkt der alten Religionen standen meist Bäume, so z. B. in der christlichen gleich zu Beginn ein Apfelbaum bei der Vertreibung aus dem Paradies, bei den Nordgermanen die Weltenesche Yggdrasil oder Buddhas Baum der Erleuchtung. Einen Eindruck von dieser symbolischen und spirituellen Bedeutung erhält man auch heute noch von vielen Münzen, auf denen Bäume bzw. Baumblätter abgebildet sind. In Liedern, Literatur, Dichtung und Märchen haben Bäume oft einen besonderen Stellenwert, z. B. in den Liedern „Der Mai ist gekommen“, „Am Brunnen vor dem Tore“ und „Oh Tannenbaum“ sowie in den Märchen Allerleirauh, Machandelboom und Aschenputtel. In vielen alten Geschichten werden Menschen in Bäume verwandelt, z. B. in den Metamorphosen von Ovid die Tochter des Königs von Zypern Myrrha in einen Myrrhenbaum, Apollons Geliebte Daphne in einen Lorbeerbaum.

Und schließlich gibt es in Deutschland einen ganz besonderen Baum für Beziehungen von Menschen untereinander: die Bräutigamseiche von Eutin (Schleswig-Holstein). Es ist der einzige Baum im Land mit einer eigenen Postadresse und eigenem „Briefkasten“ (ein Stammloch) – ohne Postgeheimnis, indem Kontakt- bzw. Heiratswillige ihr Ansinnen per Brief an den Baum mitteilen und andere Partnersuchende dann ggf. Kontakt aufnehmen können, wenn sie die Briefe durchsehen (www.braeutigamseiche.com).

Das Altern von Bäumen wird meist als positiv empfunden: umso älter ein Baum ist, desto mehr wirkt er und strahlt er aus. Alte Bäume sind Sinnbild für Werden und Vergehen, vermitteln uns das Gefühl von Zeitlosigkeit und schaffen Verbindung zu früheren Zeitepochen (König-Ludwig-Eiche, Luther-Linde, Goethe-Ginkgo, Newton‘s Apple Tree) sowie Bewusstsein der eigenen bescheidenen Rolle und Lebensspanne des einzelnen Menschen. Bäume können das Gefühl von Ruhe und Frieden verbreiten und dadurch maßgeblich zur Entspannung und Stimmungsbesserung führen. Eine Befragung unter Stadtbewohnern in Michigan (USA) ergab, dass Bäume am stärksten zur Attraktivität von Straßen und Wohnvierteln beitragen (Abb. 2.8) und ihr Fehlen den größten Negativfaktor darstellt. „Straßen ohne Bäume haben kein Gesicht“.

Abb. 2. 8. Straßenbäume (Spitz-Ahorn) mit hohem positivem Wert für die Wohnqualität.

In der Farbpsychologie wird die Wirkung von Farbtönen untersucht. Gemäß ihrer Stellung im Farbenkreis wirkt danach die Laubfarbe Grün ausgleichend und beruhigend. Sie erzeugt Harmonie, inspiriert, stabilisiert, stärkt das Selbstwertgefühl und ruft Sehnsucht nach dem (verlorenen) Paradies hervor. Auch deswegen erholt man sich im Wald und in Parkanlagen so gut. Grün wirkt hilfreich besonders bei Menschen, die zu starken Stimmungsschwankungen neigen. Ein Wald-/Parkspaziergang hat bei Depressionen meist sehr positive Folgen. Grün ist zudem die klassische Farbe der Umweltschützer, denn Grün steht für Leben und eine intakte Umwelt. Hildegard von Bingen prägte bereits im 12. Jahrhundert den Begriff „Viriditas“, womit sie die Grünkraft, die Kraft des Lebens meinte. Allerdings kommt es bei all dem immer auf den Grünton an, was schon durch die Beschreibungen ‘leuchtend grün’ und ‘giftgrün’ deutlich wird.

Der sog. Baumtest – die Interpretation von spontan gemalten Baumbildern – ist seit Jahrzehnten bei Psychotherapeuten eine oft verwendete, wenn auch nicht unumstrittene Methode zur Ursachenfindung von Verhaltensabweichungen bei Kindern und Jugendlichen. Hierbei werden vom Therapeuten der Schwerpunkt des Baumes, die Höhe des Kronenansatzes und Auffälligkeiten der Stamm-, Kronen- und Wurzeldarstellung von frei gemalten Baumbildern interpretiert.

2.3Umweltbewusstsein, Ökologie

Durch Bäume wird in Städten maßgeblich das Umweltbewusstsein gefördert. Dadurch, dass sie Prinzipien der Anpassung, Optimierung und Nachhaltigkeit verwirklichen und sich im Laufe des Jahres (der Jahre) verändern und reagieren, erfahren die von der Natur zunehmend entfremdeten Stadtmenschen noch etwas von Wildnis und Naturerlebnis. Nicht zu vergessen ist die Bedeutung für das Umweltbewusstsein, und insbesondere auch für die Umwelterziehung von Kindern. Das zeigen auch die vielen neu gegründeten Waldkindergärten der letzten Jahre.

Bäume tragen zu Biodiversität, Naturschutz und Generhalt bei. Sie sind außerdem Lebensraum für Vögel (z. B. Eichelhäher), Insekten (z. B. Bockkäfer), Säugetiere (z. B. Eichhörnchen), Epiphyten (z. B. Mistel), Pilze (z. B. Zunderschwamm), Flechten (z. B. Gelbflechte) etc. und können über Parkanlagen, Grünkorridore oder Alleen Biotope integrieren bzw. miteinander vernetzen.

2.4Orientierung, räumliche Ordnung, Architektur

Alleen und Baumreihen an Straßen und Wegen dienen seit Jahrhunderten, in Italien seit Jahrtausenden u. a. zur Orientierung und Lenkung, sie leiten den Blick oder weisen den Weg, z. B. zu prägnanten Bauwerken oder markanten Orten. Dadurch tragen sie zur Verkehrssicherheit bei. Dies wird heute leider oft infolge von z. B. Astbrüchen oder Anfahrschäden in den Hintergrund gedrängt, da Bäume immer häufiger als Verursacher von Unfällen eingestuft werden, auch wenn die wirklichen Ursachen bei Anfahrunfällen oft überhöhte Geschwindigkeit oder Alkoholgenuss sind.

Weiterhin können Bäume auf Plätzen in der Stadt zur Gliederung bzw. Betonung, Strukturierung und Gestaltung beitragen: der Raum eines Platzes wird dadurch in einzelne, nicht völlig voneinander getrennte Séparées eingeteilt und der Raumeindruck verstärkt (Abb. 2.2). Alte Bäume haben an vielen Plätzen und markanten Punkten in Ortschaften/Städten ortsbildprägenden Charakter: z. B. ‘Unter den Linden’, ‘Gasthaus zur Linde’, ‘Gerichtslinde’, ‘Malerkiefer’. Sie stehen dort auch oft als Naturdenkmal unter Schutz.

In der (Landschafts-)Architektur werden Bäume seit langem verwendet, beispielsweise wegen ihrer Wirkung der Blicklenkung, zur Betonung von Gebäudeform und -stil, zur Einrahmung, als Kontrast, zur Verbindung mit dem Garten bzw. der Landschaft und wegen ihrer Funktionen als Hausbaum.

2.5Schutz und Lebensqualität

Hinsichtlich der Sauerstoffproduktion von Stadtbäumen hält sich hartnäckig die Aussage, dass z. B. eine 100 Jahre alte Buche täglich 13 kg Sauerstoff produziert und damit den Bedarf von 10 Menschen deckt. Eine solche Aussage ist jedoch falsch, denn dabei werden die Atmung und die Alterung der Bäume übersehen. Wenn es so einfach wäre, müssten wir Menschen im Winter erhebliche Probleme beim Atmen haben, denn dann produzieren Bäume (und andere grüne Pflanzen) keinen bzw. kaum Sauerstoff. Bäume verbrauchen vielmehr einen großen Teil des von ihnen produzierten Sauerstoffes bereits selbst wieder durch ihren Stoffwechsel (Atmung), der auch nachts und im Winterhalbjahr weiterläuft. Weitere nennenswerte Anteile des Sauerstoffs werden bei der Zersetzung von Blättern, Zweigen und Wurzeln von den Zersetzerorganismen wieder verbraucht, und alte Bäume produzieren schließlich netto gar keinen Sauerstoff mehr, da die Zersetzungsprozesse dann größere Bedeutung haben als die Aufbauvorgänge. In der Gesamtbilanz bleibt zwar tatsächlich alles in allem etwas Sauerstoff übrig, aber im Vergleich ein sehr geringer Anteil von wenigen Prozent. Obige Aussage der Sauerstoffproduktion für 13 Menschen ist daher eine Fehleinschätzung und sollte als Argument für Stadtbäume besser nicht verwendet werden, da auch Nichtfachleute irgendwann die Irreführung bemerken, und dann hat man als Vertreter einer solchen Aussage Vertrauen verloren. Es gibt genügend andere gute Argumente für Bäume in der Stadt, von denen viele hier genannt werden.

Bäume als lokaler Klimaschutz gewinnen derzeit erheblich an Bedeutung, da die Funktionen Schattenwurf und Luftfeuchtigkeitserhöhung (durch Transpiration) bei steigenden Temperaturen immer wichtiger werden. Stadtbäume gleichen Klimaextreme aus. Sie tragen an heißen Sommertagen zur Kühlung und Beschattung bei (Abb. 2.9), was als angenehm empfunden wird. Während gemessene Temperaturdifferenzen zwischen Parkanlagen und bebauten oder versiegelten Plätzen/Arealen bis zu etwa 5 °C betragen können, ist die gefühlte Temperaturdifferenz (durch Koppelung mit höherer Luftfeuchte unter Bäumen, PET = Physiologisch Äquivalente Temperatur) meist deutlich größer und kann bisweilen über 10 °C erreichen. Noch extremer (bis 15 °C) sind die Unterschiede der Oberflächentemperaturen von Asphalt und in baumbestandenen Grünflächen. Dabei ist natürlich zu beachten, dass die Laubfläche und -dichte für die Wirkung entscheidend ist und Einzelbäume in ihrer Wirkung weit hinter Baumgruppen und -beständen zurückstehen. So nimmt mit jeder Einheit LAI (Leaf Area Index = Blattflächenindex als Maß für die Belaubungsdichte) die Oberflächentemperatur des Bodens/Belages an heißen Sommertagen um etwa 1 °C ab.

Abb. 2. 9. Gesuchte Beschattung durch Bäume an einem heißen Sommertag (Stiel-Eiche).

In der augenblicklichen Diskussion um den Klimawandel erlangen Bäume zusätzliche Bedeutung durch ihre CO2-Bindung. Dies kann sowohl lokal zur Berechnung der Kohlenstoffbilanz eines Grundstückes oder einer Stadt wie auch global für Szenarien der weiteren Erwärmung wichtig sein.

Für die Bedeutung von Bäumen als Lärmschutz ist neben der objektiv messbaren Schallminderung um bis zu 10 dB vor allem die psychologische Wirkung nicht zu unterschätzen: man sieht den Verkehr durch die Bäume nicht mehr, und dadurch empfindet man die Schallminderung stärker als sie tatsächlich ist. Die Funktion des Sichtschutzes durch Baumkronen hängt vom Alter des Baumes und dem LAI (Blattflächenindex) der Baumart ab. Besonders effektiv ist eine dichte Verzweigung mit vielen kleinen Blättern. Bäume führen zu maßgeblichem Windschutz, weshalb in windgeprägten Regionen Baumreihen (z. B. an Radwegen) oder Knicks (wie in Schleswig-Holstein und im Erzgebirge) gepflanzt und gepflegt werden. An freistehenden Häusern ist der Windschutz eine der wichtigsten Funktionen von Hausbäumen, auf feuchten und nassen Standorten in freien Lagen auch der Blitzschutz. Dafür nehmen die Hausbewohner dann sogar in Kauf, dass sie auch im Sommer in der Wohnstube das Licht anmachen müssen.

In der Ingenieurbiologie spielen Bäume z. B. als Böschungs-/Erosionsschutz eine große Rolle, besonders Weiden und Erlen.

In dichtbesiedelten Gebieten tragen Bäume maßgeblich zum Trinkwasserschutz, zur Speicherung von Regenwasser und zum Hochwasserschutz bei. Bekannt dafür sind z. B. die Wiener Quellschutzwälder.

2.6Ernährung und Heilkräfte

Kernobst (z. B. Äpfel, Birnen, Kirschen, Pfirsiche) und Schalenfrüchte (z. B. Hasel-, Walnuss) sind wichtige Nahrungsbestandteile. Dabei ist der Vorteil, dass Bäume hinsichtlich pathogener Risiken als wesentlich stabiler einzuschätzen sind als landwirtschaftliche Nutzpflanzen. Zudem treten durch sie i. d. R. keine Bodenverschlechterungen ein, und es muss nicht ständig gedüngt werden. Auch das Sammeln von Pilzen ist hier zu nennen, da die meisten Pilzarten auf Bäume angewiesen sind.

Einige Baumarten sind eine wichtige Bienentracht und daher an der Honig-Produktion beteiligt, z. B. verschiedene Obstbaumarten, Linden, Robinien und Rosskastanien.

Blätter können zu Tee verarbeitet werden (z. B. von Ahorn, Esche), was allerdings nur in Notzeiten Bedeutung hat(te). Kenner stellen Salate daraus her. Früher und im Gebirge z. T. auch heute wird noch Laub als Viehfutter verwendet.

Wenn man sich Mühe gibt, findet man bei fast jeder Baumart noch viele weitere spezielle Nutzungsaspekte für das menschliche Wohlbefinden und Leben in der Stadt, besonders umfangreich sind dafür die Ergebnisse bei den Linden.

2.7Nutzung von Bäumen

Hier ist als erstes der Weihnachtsbaum zu nennen, wenn es sich auf städtischen Plätzen auch meist nicht um lebende Bäume handelt (aber immerhin müssen sie bis kurz vor ihrer Nutzung für diesen Zweck gelebt haben).

Kinder bauen sich gerne Baumhäuser und verwenden Kastanien zur Figurenherstellung. Auf Spielplätzen und in Gärten stehen oft Bäume zum Klettern und für Schaukeln.

Holz dient zur Herstellung von Möbeln und Gebrauchsgegenständen oder wird einfach als Brennmaterial verwendet. Blätter und Rinde lassen sich als Farbstoff für Naturmaterialien verwenden. Der Frühjahrssaft des Ahorns (vor allem Zucker-Ahorn) kann zu Sirup verarbeitet werden (Maple Syrup) und eine wichtige Zutat für Pfannkuchen-Rezepte, Eis und Milchspeisen sein, der Frühjahrssaft der Birke kann für Haarwasser verwendet werden (‘Birkensaft’), der Kork der Kork-Eiche für Dämmmaterial und Flaschenkorken.

2.8Kultureller Wert, ökonomischer und sozialer Nutzen

Mensch und Baum sind seit den Uranfängen der Kulturgeschichte eng miteinander verknüpft. Gärten mit Bäumen hatten schon immer einen erheblichen kulturellen Wert und haben ihn bis heute erhalten, z. B. alte Obstgärten (Abb. 2.10) oder Parklandschaften. Bäume fördern die regionale Identität und sind ein Wirtschaftsfaktor, da grüne Städte und -stadtteile von den Bewohnern bevorzugt werden. Die positiven Effekte von Bäumen haben allerdings einen schwierig berechenbaren ökonomischen Nutzen bzw. monetären Wert. Für eine grobe Wertvorstellung der positiven Wirkungen von Stadtbäumen kann man sie Substituten gegenüberstellen, z. B.:

Fruchtertrag ./. Obst vom Discounter

Schatten durch Krone ./. Sonnenschirm, Jalousien

Sichtschutz durch Krone ./. Palisaden, Mauern

Kühlung durch Krone ./. Klimaanlage

Luftreinigung durch Krone ./. technische Filterung

Der ökonomische Nutzen von Stadtbäumen nur alleine durch ihre Immissionsminderung wurde z. B. für die USA mit jährlich 3,1 Mrd. Euro bewertet. Für zwei kalifornische Städte sind Aufwand und Wirkungen von Stadtbäumen berechnet worden, mit dem interessanten Ergebnis eines Nutzen/Kosten-Verhältnisses von 1,8 bzw. 1,5, also einem deutlichen Überwiegen der positiven Seite. Immobilienanzeigen werben oft mit der Nähe oder dem Vorhandensein von Grün. Bäume können zur Wertsteigerung von bebauten Grundstücken beitragen, vor allem wenn sie älter sind. Zu Villengrundstücken gehört ein älterer Baumbestand. Stadtbäume haben auch einen indirekten ökonomischen Nutzen, z. B. in Biergärten oder für den Tourismus.

Abb. 2.10. Alter Apfelbaum mit hohem ästhetischem und kulturellem Wert und Nutzen.

Der soziale Nutzen besteht zum einen in den positiven Auswirkungen auf die Gesundheit und Erholung, zum anderen als Ort des Kontaktes mit anderen Menschen: geplante Kontakte und Veranstaltungen wie z. B. ein Picknick mit Freunden, ein Parkkonzert oder Kirschblütenfest, und zufällige Bekanntschaften auf der Parkbank oder beim Kinderwagen-Ausfahren und Gassi-Gehen. Städtische Wälder und Parkanlagen haben eine sozio-kulturelle Dimension, indem sie kulturelle Prozesse und soziale Netzwerke miteinander verbinden.

2.9Probleme

Es sollen abschließend auch noch einmal schon lange bekannte und beachtete durch Bäume verursachte mögliche Probleme genannt werden, z. B. durch:

Früchte (Birke), Blätter (Birke),

Blattläuse, Harz,

Pollen (Allergien),

herabfallende Äste,

Umstürzen,

Dunkelheit im Sommer,

Leitungsschäden durch Baumwurzeln,

Gebäudeschäden durch Baumwurzeln,

Belästigung durch Vogelkot, hochgedrückte Pflastersteine,

Baumunfälle (Anfahrschäden),

Restriktionen beim Bau von Häusern durch Baumschutzvorschriften,

Kosten durch Management,

Rechtsstreitigkeiten (z. B. Nachbarrecht).

Diese und weitere kritische Aspekte sind natürlich für eine Gesamtbewertung ebenfalls zu berücksichtigen, die je nach Ansprüchen, Einschätzung und Zielstellung sehr verschieden ausfallen kann und wird. Meist dürften in der Bilanz jedoch die positiven Aspekte dominieren, und deshalb sind auch gewisse Unannehmlichkeiten durch Bäume zu tolerieren.

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3Besondere Bedingungen und Auswahlkriterien für Stadtbäume

Stadtbäume sind einer Vielzahl besonderer Belastungsfaktoren ausgesetzt, verbunden mit und daraus folgend i. d. R. deutlich extremeren Bedingungen als im Wald. Natürlich unterscheiden sich in dieser Hinsicht die Baumstandorte in der Stadt erheblich, in der Rangfolge abnehmender Naturnähe bzw. zunehmender Belastungen:

Stadtwälder/-forste,

Parkanlagen/Grünflächen,

Hausgärten,

öffentliche Plätze und Fußgängerzonen,

Straßenraum,

Gebäude-Dachflächen,

Gebäude-Innenräume.

Besondere und zu beachtende Bedingungen für Stadtbäume sind (alphabetisch):

Beschädigung (Krone, Stamm, Wurzel)

Bodenkontamination (z. B. Öle, Zementstaub

Bodenstörungen

Bodenverdichtung

Bodenversiegelung

Einzelbaum im Mittelpunkt

höhere Temperatur

Immissionen

Klima Stadt

Kunstlichtbestrahlung

Leckagen von Leitungen, z. B. für Gas

Nährstoffmangel

pH-Wert meist neutral bis alkalisch

Rückstrahlung von Gebäuden

Salzeintrag

Sauerstoffmangel im Bodenraum

Schnitt

Staubbelastung

Strahlung, Rückstrahlung

Trockenstress

Urin

Wurzelraum eingeschränkt

Daraus ergeben sich als mögliche Anforderungen und Auswahlkriterien für die Baumartenwahl (alphabetisch, mit Anspruch auf Vollständigkeit):

allergenes Potenzial (Pollen, Härchen)

ästhetische Kriterien: s. unten

Ausbreitungspotenzial groß/spärlich, schnell/langsam

Belaubung immer-/sommergrün, Blätter braun hängenbleibend

Blätter: Form, Größe, Farbe, Zeitraum Austreiben/Blattfärbung/Blattfall, immer-/sommergrün, Nutzung (Dekoration, Nahrung, Tierfutter), Belästigungen (Blattfall, Beschattung), Selbstreinigung/Akkumulation

Blüte(n): Farbe, Intensität, Geruch, Zeitraum, Belästigungen (Allergien, Staub…)

Bodenansprüche (Feuchtigkeit, Nährstoffangebot, pH-Wert…)

Bodentoleranz: Trockenheit, Kontamination, Vernässung, Überflutung, Verdichtung, pH-Wert…

Borke s. Rinde

Bruchrisiko

Dornen

Essbarkeit Blätter, Früchte, Zweige (auch Tiere)

Feinstaub-Reduktionsvermögen

Frosthärte (Winter-, Spätfrost)

Früchte: Anzahl, Größe, Farbe, Zeitraum Reife, Essbarkeit, Nährwert (auch für Tiere), Belästigungen (auch durch Tiere), Abfallen/Hängenbleiben…

Frühjahrssaft

gestalterische Kriterien: s. oben/unten

Giftigkeit (Blätter, Früchte, Zweige)

Größe Altbaum (klein bleibend, groß werdend)

Herbstfärbung: Intensität, Verlauf, Zeitraum

Holznutzung

Immissionstoleranz (SO2, NOx, O3, HF, …)

Immissionsreduktionsvermögen (Bindung/Aufnahme)

Ingenieurbiologische Eigenschaften

Invasivität/Ausbreitungspotenzial: schwierige Eindämmung

Kosten Pflanze, Pflege

Kronengröße, -form

Lärmminderungsvermögen

Langsamwüchsigkeit

Lebenserwartung

Lichtbedarf (Jugend, Alter)

Lichtdurchlässigkeit Krone

mentale Wirkung

Mykorrhiza obligat?

Nachbarsituation (Blatt-, Fruchtfall, Schatten, Überhang)

Nährstoffansprüche s. Bodenansprüche

Naturschutzaspekte (ein-/neu-/nichtheimisch, seltene Art, Brutbaum, Lebensraum…)

neue Baumarten (Wunsch nach Ausprobieren/Test)

Nutzung Holz (Möbel), Rinde (Farbstoffe), Blätter (Dekoration), Blüten (Rezepte), Früchte (Nahrung), Frühjahrssaft …

Pathogensituation s. Schädlinge

persönliche Beziehung/Erfahrung zu/mit Baumart (Kindheit, Lebensabschnitt, Haus-/Familienbaum…)

Pflegebedarf/-kosten

pH-Wert Amplitude

Pioniereigenschaften

Rinde: Farbe, Farbintensität, Struktur, Dicke, Abfallen Borkeschuppen u. Ä., Nutzung (Farbstoffe, Bast), Sonnenbrand-Empfindlichkeit

Salztoleranz

Schädlinge (derzeit, zukünftig)

Schattenwurf

Schnittverträglichkeit

Sichtschutz

Sonnenbrandempfindlichkeit Rinde, Blätter

Spätfrostempfindlichkeit

Stammdominanz (Neigung zu Stockausschlag/Wurzelbrut)

Staub s. Feinstaub

Stickstoffbindung Wurzeln (Symbiose Bakterien)

Strahlungstoleranz (Freistand)

Tierwelt (Brutplatz, Schutz, Nahrung, …) (betr. Vögel, Säugetiere, Insekten)

Toleranz höhere pH-Werte

Trockenstresstoleranz

vegetative Ausbreitung durch Wurzelbrut, Absenker

Wachstumsgeschwindigkeit Jugend/Alter

Wasserbedarf

Windschutz

Windtoleranz

Winterhärte

Wirkung auf Befinden

Wuchsform

Wurfrisiko

Wurzelbrut

Wurzelintensität

Wurzeltyp (Flach-, Herz-, Pfahlwurzler)

Es ist also sehr beeindruckend, ja vielleicht für manchen gar erschreckend, welche Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielt. Daher soll diese Aufzählung – mit dem Anspruch auf Vollständigkeit – helfen, die für die jeweilige Situation bedeutsamen auszuwählen und die Auswahl dann danach zu treffen. Hierzu ist derzeit am Institut des Autors eine Datenbank im Aufbau, die ab 2014 verfügbar sein soll, um diese Kriterienbenennung und Auswahlentscheidung auf wissenschaftlich fundierter Basis zu erleichtern und optimale Entscheidungen zu treffen. Ohne eine solche Datenbank mit den Baumeigenschaften ist dies nicht möglich. Dieses Buch kann und soll dafür nur einen Überblick verschaffen und auf weiterführende Literatur verweisen.

Die genannten Punkte lassen sich sortieren nach

ästhetischen Kriterien

gestalterischen Aspekten

positiven Wirkungen

möglichen Belästigungen

Ansprüchen der Baumart

Toleranz der Baumart

Dabei ist in einzelnen Punkten zu bedenken, dass von manchen Menschen als negativ empfundene Faktoren von anderen positiv beurteilt werden können, dass ästhetische Kriterien Geschmackssache sind und dass sich ein Faktor auch z. B. mit der Zeit verändern kann: Beschattung bzw. eine dunkle Krone wird an heißen Sommertagen als wohltuend eingestuft, in kühl-feuchten Sommern jedoch als ungünstig.

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4Verwendung von Baumarten in der Stadt

Bäume wachsen und (über)leben teilweise unter extremen Bedingungen in Städten und an Straßen – unter Bedingungen, die weit von den Verhältnissen an ihrem Naturstandort entfernt sind (Abb. 4.1). Allein das Stadtklima mit seinen Staub- und Immissionsbelastungen und dem erhöhten Trockenstress ist schon außergewöhnlich, hinzu kommen in der Stadt vielfältige Probleme des Stammumfeldes (s. Kap. 3). Trotzdem sieht man Birken in Fassadenritzen, Auenwaldbaumarten an versiegelten Plätzen und meterhohe Araukarien in Vorgärten. Daraus ergeben sich Fragen wie diese:

Woher weiß man beim Pflanzen eines Baumes, ob der neue Standort geeignet ist?

Welche allgemeinen biologischen und ökologischen Mechanismen können das teilweise beachtliche Anpassungspotenzial von Gehölzen erklären?

Was muss man bei der Auswahl der Bäume beachten, um Risiken zu minimieren?

Es gibt eine Vielzahl wertvoller Ansätze, die Amplitude der Ansprüche und Toleranzen von einzelnen Baumarten darzustellen. Jeder dieser Ansätze hat seine besonderen Gründe, Sichtweisen und Vorteile – aber auch Grenzen. Unser Wissen über Hunderte von geeigneten Gehölzarten und -sorten für die Verwendung in der Stadt ist noch längst nicht umfassend genug, hier ist noch erheblicher Forschungsbedarf vorhanden. Dies auch wegen der einerseits bewundernswerten, andererseits teilweise schwer kalkulierbaren Anpassungs- und Optimierungsfähigkeiten von Gehölzen an ihrem jeweiligen Standort, für die z. B. das Alter bei der Pflanzung, die „Vorerfahrung“ der Einzelpflanze, die Herkunft des Saatgutes und die Witterungsbedingungen nach der Pflanzung eine entscheidende Rolle spielen können.

Abb. 4. 1. Extremer naturferner Stadtstandort mit Versiegelung, Stammfußeinschnürung und eingeschränktem Wurzelraum (Winter-Linde).

4.1Physiologische(s)/ökologische(s) Amplitude und Optimum

Um einen Teil dieser Fragestellung zunächst allgemein zu beantworten, sind die Begriffe physiologische/ökologische Amplitude und physiologisches/ökologisches Optimum wichtig, wie sie verbreitet in der Ökologie verwendet werden.

Pflanzt man Bäume im Reinbestand auf verschiedene Standorte mit unterschiedlichen Bodenverhältnissen, so kann man erhebliche Abweichungen im Wuchsverhalten feststellen gegenüber ihrem natürlichen Auftreten oder einer Pflanzung in Mischung mit anderen Baumarten. In der Regel wachsen die Arten ohne Konkurrenz durch andere Baumarten mit einer viel weiteren Standortsamplitude als dies sonst in der Natur der Fall ist. Als physiologische Amplitude (= physiologische Potenz) bezeichnet man hierbei den Bereich eines Standortsfaktors (Wasserangebot, pH-Wert, Stickstoffversorgung, Licht...), in dem eine Baumart ohne Konkurrenz wachsen/überleben kann. Darin ist das physiologische Optimum der engere Bereich, in dem die größten/besten Wuchsleistungen erreicht werden. Als ökologische Amplitude (= ökologische Präsenz) bezeichnet man hingegen den i. d. R. eingeschränkten Bereich von Standortsfaktoren, in dem die Baumart von Natur aus vorkommt, also unter Konkurrenzbedingungen mit anderen Baumarten, und das ökologische Optimum ist dann der engere Bereich, in dem unter natürlichen Verhältnissen die besten Wuchsleistungen erzielt werden.

Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist die Gemeine Kiefer. Ohne Konkurrenz ist sie praktisch überall lebensfähig auf Standorten, auf denen überhaupt Bäume wachsen können – von trockenen Felskuppen bis hin zu Moorrändern, von sauren Sandböden bis hin auf Kalkkuppen. In natürlichen Wäldern trifft man sie jedoch selten an – natürliche Kiefernvorkommen konzentrieren sich vor allem auf frühe Stadien der Sukzession (z. B. Neubesiedelung von Sandböden) sowie auf Extremverhältnisse wie arme Fels- oder Sandstandorte und Moorränder. In diese „Nischen“ wird die Kiefer auf Grund ihrer Konkurrenzschwäche verdrängt. Ohne Konkurrenz würde sie wie fast alle Baumarten am besten bei mittleren Nährstoff- und Feuchtigkeitsverhältnissen wachsen, unter Konkurrenz hat sie ihren Verbreitungsschwerpunkt jedoch auf Extremstandorten. Das führt bisweilen selbst in neueren Publikationen zu der Feststellung, dass Kiefern (oder andere Baumarten) diese Extremstandorte „lieben“ – dabei wird übersehen, dass dies nur das Resultat eines ganz harten Verdrängungswettbewerbes ist.

4.2Ausgewählte Beispiele für Verwendungshilfen

Aus dem Auftreten in der Natur kann man also nur sehr eingeschränkt auf die Standortsamplitude und -präferenzen einer Baumart schließen. Im Folgenden sollen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) verschiedenartige Ansätze für eine Beurteilung von geeigneten Standorten für eine Baumart genannt werden, die als Entscheidungshilfe von Nutzen sein können:

4.2.1Zeigerwerte und Ökogramme (z. B. Ellenberg et al. 1991, Ellenberg & Leuschner 2010)

Hierfür wurden für alle heimischen Pflanzenarten, also auch heimischen Baumarten, die ökologischen Optima (also der Schwerpunkt des Auftretens in der Natur) in Ziffern von 1 bis 9 verschlüsselt, wobei der Zeigerwert von 1 immer für (wasser-, stickstoff-, licht-...)ärmste Standorte steht und die Ziffer 9 für Standorte mit höchstem (Wasser-, Stickstoff-, Licht-...)Angebot. Solche Zeigerwerte existieren für die Bodenfeuchtigkeit, die Lichtverhältnisse, den pH-Wert, die Stickstoffversorgung, die Mitteltemperatur und die Klima-Kontinentalität, sodass jeder Pflanzenart 6 Ziffern zugeordnet werden, die ihre Zeigereigenschaften sehr brauchbar wiedergeben.

Physiologische und ökologische Amplituden/Optima lassen sich für zwei Standortfaktoren gut in sog. Ökogrammen veranschaulichen, wie sie Ellenberg & Leuschner (2010) für die wichtigsten Waldbaumarten darstellen (für die Standortsfaktoren pH-Wert und Wasserangebot).

4.2.2Lebensbereiche und Frosthärtezonen der Gehölze (z. B. Kiermeier 1993, Roloff & Bärtels 2008)