Erotische Kurzgeschichten mit Orgasmusgarantie!Stockholm, Tschechien und Südamerika – die zwölf Novellen nehmen uns mit auf eine erotische Reise durch die Länder dieser Welt. Es sind Geschichten voller Gruppensex und Orgien, Leidenschaft und Liebe, Begehren und Verlangen. Für jeden Geschmack ist etwas dabei: Dreier, Trennungen, sexuelles Erwachen und One-Night-Stands. Es ist eine Vergnügungsreise, die jede Lust stillt.-
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Seitenzahl: 164
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Malva B
Übersetzt Gertrud Schwarz
Lust
Begierde 12 erotische Novellen ÜbersetztGertrud Schwarz
OriginalBegär - oanständiga berättelserCoverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 2013, 2020 Malva B. und LUST All rights reserved ISBN: 9788726454628
1. Ebook-Auflage, 2020
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von LUST gestattet.
„You guys are amazing“, sagt José, als er sich, glänzend vom Schweiß und mit stehendem Schwanz die paar Meter von Jonathans und meinem Doppelbett ins Bad schleppt.
Er kratzt sich am Sack und fragt, ob er eine Zahnbürste leihen kann. José ist ein leicht übergewichtiger Dreiunddreißigjähriger aus Madrid, dessen Haare dünn werden. Wir haben ihn auf einer Charterreise nach Ibiza im letzten Jahr kennengelernt, als er uns die Geheimnisse des Dreiers näherbrachte.
„Musst du auch zu Ericsson?“, fragt Jonathan, als wir mit dem Frühstück fertig sind und uns für den ersten Arbeitstag der Woche vorbereiten. „Dann kannst du mit Julia und mir fahren.“ Jonathans und meine kleine Höhle in der Altstadt liegt echt nicht optimal, wenn man in Kista arbeitet. Aber wir sind noch nicht bereit, die Innenstadt gegen einen Vorort im Norden einzutauschen, auch wenn wir in weniger als einem halben Jahr heiraten werden.
„Am Pfingstabend läuten die Glocken“, wie mein Vater zu sagen pflegt. „Zieht ihr dann wieder nach Hause?“
Mein Papa ist ein echter Außen-Göteborger und versteht überhaupt nicht, wie man von Schwedens schönsten Ort wegziehen kann, wo die Sonne im Meer versinkt und die Fische sieben Tage pro Woche taufrisch sind.
„Vielleicht, wenn wir eine Familie gründen“, antworte ich ausweichend und frage mich, wie es wohl wäre, nicht nur mit seinem Mann und Liebhaber zu arbeiten, sondern dem eigenen Vater auch noch auf Geschäftsmeetings zu begegnen.
Ich lache auf. „Was ist so lustig?“, fragt Jonathan, als wir José rausgelassen haben und zum Parkplatz weiterfahren.
„Ich habe heute Morgen ein Meeting mit meiner Chefin. Ich hoffe, ich kann mich darauf konzentrieren, was sie sagt und denke nicht die ganze Zeit an unsere nächtlichen Eskapaden.“
„So lange du nicht anfängst zu stöhnen und zu wiehern wie gestern, wird dir wohl nichts passieren“, antwortet Jonathan und lächelt.
„Was finden die Frauen eigentlich an ihm?“, fahre ich fort und gestikuliere in Richtung José, der zum Haupteingang schlendert.
Seine sackartige Altherrenhose betont seinen Hängehintern. Echt jetzt, wer trägt denn heutzutage noch solche Hosen? Sein Hemd ist ungebügelt. Und ich dachte immer, die Kleiderordnung in Spanien sei strenger! Obwohl – vielleicht haben sie ihn ja deshalb nach Schweden geschickt? Er sieht wie jemand aus, der alles zu gewissenhaft betreibt: arbeiten, rauchen, trinken und ficken. Ein Genussmensch, wie er selber sagen würde.
„Das Gleiche wie du, scheint mir“, antwortet Jonathan und kichert. „Er scheint einfach gut ficken zu können.“
„Das funktioniert ja nur, weil ich die Augen zumache und deine Hand halte“, antworte ich und tätschle ihm freundlich den Arm.
Im Aufzug zum vierten Stock frage ich mich, ob ich wirklich so äußerlich bin. Wie sonst kann dieser furchtbar gekleidete Controller mit der geilen Frau zwischen zwei Männern verschmelzen? Die Frau, die ich vor ein paar Stunden noch war? Genauso natürlich, wie ich mich einem zum großen Teil unbekannten Mann hinter runtergelassenen Jalousien im Morgengrauen hingegeben habe, so natürlich gleite ich jetzt in den Konferenzraum im vierten Stock. Platziere mein iPad vor mir auf dem großen, ovalen Holztisch. Sehe hoch, als meine Chefin in den Raum geeilt kommt. Sie wirft sich auf ihren Stuhl und wischt sich drei Schweißperlen von der Stirn, wie sie es immer tut.
Ich höre mit einem halben Ohr zu, als sie von ihrem Vierjährigen erzählt, der mit Grippe aufgewacht ist und der Einjährigen, die nicht in die Kita will. Sie holt tief Luft und legt beide Hände auf den Tisch. Sieht mich auffordernd an und fragt:
„Bereit, die Herausforderungen der Woche durchzugehen?“
„Absolut“, antworte ich.
Am Ende des Arbeitstags diskutieren Jonathan und ich, ob man mal eine After-Work-Party in Kista ausprobieren sollte oder nicht. Obwohl wir seit drei Jahren täglich hierher pendeln, ist uns noch nie die Idee gekommen, den Stadtteil abends mal genauer zu betrachten.
„Kann man nicht“, stellt José fest, als er mit achtundzwanzig Minuten Verspätung auftaucht und wir uns noch immer nicht entschieden haben. „Let’s go to Riche and have dinner“, fährt er fort. „Dann könnt ihr da das Auto stehen lassen. Es kostet ein Vermögen, mit dem Taxi von Kista zur Altstadt zu fahren.“
„Was ist mit der U-Bahn?“, frage ich rhetorisch, obwohl ich ihm zustimme, dass Östermalm sehr viel gemütlicher klingt als dieses Glas- und Betonghetto.
„Wir möchten Champagner“, sagt José ein Weilchen später, noch ehe wir uns die Jacken ausgezogen haben.
„Ich empfehle eine Flasche Charles Lafitte, Jahrgang 1999“, antwortet der Kellner.
„Was kostet die?“, fragt Jonathan. „Viertausend Kronen“, sagt der Kellner und lächelt, als er Jonathans erschrockenes Gesicht sieht. „Ich mache nur Spaß. Wollt ihr auch was essen?“
„Natürlich. Ich zahle“, antwortet José und beugt sich über die Speisekarte. „Wir brauchen noch ein paar Minuten, bitte“, fährt er fort.
„Im Riche muss man Toast Skagen essen“, sage ich und deute auf die englische Beschreibung in Josés Karte. „Die Vorspeise hat ein Gardemanger von hier in den Fünfzigerjahren kreiert.“
„Wird man davon satt?“
„Vielleicht nicht, aber ich werde trotzdem damit anfangen.“
„Okay, klingt gut“, sagt José, wirft die Speisekarte von sich und winkt dem Kellner zu. „Wir sind dann so weit.“
Kurze Zeit später steht die Geschmackssensation hübsch angerichtet auf weißen Tellern vor uns.
„Was habt ihr für Urlaubspläne für den Sommer?“, fragt José.
„Wir heiraten ja Ende Mai, dann fahren wir irgendwohin in die Flitterwochen. Aber wir wissen noch nicht, wohin“, antwortet Jonathan.
„Kommt mit mir zur Cap d’Agde für eine Woche“, sagt José.
„Was ist das?“, fragen Jonathan und ich gleichzeitig.
„Und ihr nennt euch Swinger?“, murmelt José und schüttelt den Kopf. „Cap d’Agde ist die Hochburg des Hedonismus. Guckt euch mal die Website an und ruft mich an, wenn ihr euch entschieden habt. You won’t regret it. It’s an experience of a lifetime.“
An einem frühen Samstagmorgen sieben Monate später holt José uns mit seiner neuen Freundin in einem großen, schwarzen BMW vor unserem Hotel in Barcelona ab. Laut José ist sie Amerikanerin mit pakistanischen Wurzeln und hat einen ungewöhnlichen Namen. Weder Jonathan noch ich können uns an den Namen erinnern.
„Wie spricht man deinen Namen aus?“, fragt Jonathan, als wir uns alle begrüßt haben und eingestiegen sind.
„Diana“, antwortet Diana und sieht ihn verwirrt an. Wir verstehen sofort, dass dies nicht die Frau ist, mit der wir eigentlich hatten verreisen sollen. José hat einen Ersatz gefunden.
„Wo kommst du her?“, frage ich.
„Von den Kanaren“, antwortet Diana.
„Wie spannend!“, sage ich und meine es auch so.
José lächelt mich im Rückspiegel an. Er ist dankbar, dass ich uns alle aus der peinlichen Situation gerettet habe, die beinah entstanden wäre.
Während der vier Stunden Smalltalk und erwartungsvollem Lachen überqueren wir die Pyrenäen und die spanisch-französische Grenze. Nach dem Mittagessen und der Pinkelpause kommen wir endlich in der sechshundert Jahre alten französischen Stadt am Mittelmeer an, in der knapp zwanzigtausend Menschen wohnen. Eine Bevölkerung, die sich in den Sommermonaten vervielfacht. Allein in dem Nudistendorf direkt vor den Toren von Cap d’Agde, wohin wir unterwegs sind, wächst die Bevölkerung auf vierzigtausend.
Wir fahren zu einem hohen, hellblauen Metalltor. In dem runden Gebäude dahinter drückt jemand auf einen Knopf. Die Farbe blättert vom Tor ab, das sich unter lautem Quietschen langsam öffnet. José parkt das Auto und steigt aus.
„Kommt, wir müssen uns registrieren“, sagt er und nimmt Dianas Hand.
Jonathan und ich trotten ein paar Meter hinter ihnen drein. Als ob wir unbewusst versuchen, nicht auf den Filmen der Überwachungskameras zu landen. Dann schubst uns ein uniformierter Mann brüsk in einen Raum, der an einen überdimensionierten Wartesaal oder eine Liftstation in den Alpen erinnert.
„Alle Besucher müssen sich registrieren“, erklärt José und teilt weiße Formulare aus, die wie ein amerikanischer Visumsantrag aussehen.
Wir stellen uns an einen pultartigen Tresen, der an der Wand befestigt ist, und füllen unsere Personalien aus. Nachdem wir die Parkgebühr bezahlt haben, bekommen wir einen Passierschein für die Anzahl der Tage, die wir bleiben möchten. Dann fahren wir in ein Paralleluniversum.
„Oh my God“, sage ich und drücke die Nase ans Autofenster. Wir fahren langsam zwischen den Dorfbewohnern entlang: Große und Kleine. Dicke und Dünne. Alte und Junge. Sie sind überall: am Strand, am Pool, auf den Straßen, auf dem Weg in Läden und auf dem Weg hinaus. Vierzigtausend Menschen auf einer kleinen Oberfläche sind ziemlich viele Menschen. Besonders, wenn sie alle nackt sind. Selbst bei den Straßenschildern sind Verbotsschilder für bekleidete Menschen.
„Kannst du aufhören, dich zu benehmen, als wären wir im Tierpark?“, zischt Jonathan.
„Faszinierend, nicht?“, grinst José. „Nur schade, dass wir keine eigene Wohnung mieten konnten. Ihr habt euch zu spät entschieden. Da war schon alles ausgebucht. Nun müssen wir mit Europas schlampigstem Hotel Vorlieb nehmen.“
José übertreibt nicht. Trotz des Preises hat das Hotel seine besten Tage hinter sich. Anscheinend war es eins der ersten Hotels, die in den Siebzigern gebaut wurden, als das Nudistendorf gegründet wurde. Es scheint seitdem nicht renoviert worden zu sein. Wie überall in Frankreich sind die Zimmer klein. Jonathan, der in einer palastartigen Villa im Saltsjöbad aufwachsen ist, bekommt seine Klaustrophobie zu spüren und stöhnt.
„Don’t be mad, man“, sagt José und klopft Jonathan auf die Schultern. „Wenn ich dir erzählt hätte, wo wir wohnen werden, wärst du doch nie mitgekommen, oder? Aber mach dir keine Sorgen, in Cap d’Agde verbringt man kaum Zeit im Hotelzimmer. Wir holen euch in zwanzig Minuten, okay?“
Grummelnd packt Jonathan aus und legt seine frisch gebügelten Kleider in ordentlichen Haufen auf den synthetischen, kackbraunen Bettüberwurf. Ich öffne das Fenster am einen Ende des Zimmers und die Balkontür am anderen, in einem verzweifelten Versuch, einen Luftzug herzustellen und die abgestandene Mischung aus verwurzeltem Dreck, Rauch und billigem Parfüm loszuwerden. Jonathan reicht mir den Föhn.
„Au!“, schreien wir beide gleichzeitig, als sich unsere Hände berühren und wir beide einen Schlag bekommen.
Der Föhn landet auf dem einen Quadratmeter des Hotelbodens, auf dem kein Teppich mit Blumenmuster liegt. Seine Plastikhülle zerspringt. Das Geräusch klingelt in den Ohren.
„Wo sind wir hier verdammt noch mal gelandet, Julia?“, seufzt Jonathan. Wir sinken beide auf die Bettkante. Es ist so weich, dass wir beinah zu Boden fallen.
„Ich kriege den Hexenschuss zuerst!“, versuche ich zu scherzen, aber eigentlich will ich weinen.
Monatelang aufgestaute Vorfreude. Die Anspannung der langen Reise. Und nun das!
Plötzlich steht José in der Tür. Er tritt über die Schwelle und kommt auf seine etwas wacklige, halbnervöse Art auf uns zu. Sein Schwanz wippt im Takt. An unserem Bett bleibt er stehen und kratzt sich am Sack.
Warum kann er nicht klopfen?, denke ich. Und warum kratzt er sich ständig am Sack?
José zeigt auf die Kleider auf dem Bett. „Ihr wisst schon, dass ihr die nicht braucht, ne? Habt ihr vergessen, dass wir auf einer Nudisteninsel sind? Jetzt kommt schon. Wir warten am Pool auf euch.“
Jonathan und ich gucken einander an und lachen los. „An experience of a lifetime ist es wirklich“, sagt Jonathan und steht auf. „Du weißt, dass ich dich mehr liebe als alles andere auf der Welt, nicht?“, fährt er fort und nimmt mein Gesicht in seine Hände. „Ich meine, falls ich dieses Abenteuer hier nicht überlebe.“
„Natürlich überleben wir. Jetzt geht der Spaß ja erst los“, antworte ich und gebe ihm ein Küsschen auf die Nase.
Jonathan und ich gehen vorsichtig die Treppe runter, ein Badehandtuch um die Hüften.
„Bonne journée“, wünscht der Rezeptionist, der erste bekleidete Mensch, den wir seit der unfreundlichen Security gesehen haben. Diana sitzt am Beckenrand und planscht mit den Füßen. Ich sehe erleichtert, dass sie ihr Bikinihöschen noch anhat. Ich setze mich neben sie und mache dasselbe.
„Warst du auch schon mal hier?“, frage ich. „Nein, ich kenne José erst seit vier Monaten.“
Jonathan legt sich auf eine Sonnenliege neben José und versteckt seinen Schwanz hinter einem Handtuchzipfel. Er versucht es natürlich und nonchalant aussehen zu lassen, aber José lacht los.
„Und ich dachte immer, Schweden wären so freizügig“, prustet er. „Prost!“
Etwa drei Piña Coladas später merkt niemand mehr, dass Jonathan und ich zum ersten Mal auf dieser Seite von Saint Tropez sind. Das Handtuch gleitet hinab, als wir einen Spaziergang am Strand machen. Wir gehen die Straße entlang – splitterfasernackt. José diskutiert lebhaft mit seinem Chef am Telefon. Wie immer. Unter dem Arm trägt er seinen Laptop. Wenn José nicht am Ficken ist, ist er am Arbeiten. Immer.
„Am Strand gibt es drei unsichtbare Grenzen“, erklärt José. „Wir gehen ganz nach hinten. Da sind die Swinger zugange.“
Wir verstehen, was er meint, als wir an den typischen französischen, spanischen und sogar schwedischen Familien im Adamskostüm vorbeikommen. Mama, Papa und Kind genießen das Nacktbaden. Auch der Hund darf bei einigen mit.
Nachdem wir ein paar Hundert Meter gegangen sind, kommen wir zum homosexuellen Gebiet. Schöne Männer posieren in der Gischt und bewundern die feinen Muskeln der anderen. Das Salzwasser spritzt und färbt ihre haarlosen Körper in der Sonne weiß. Es riecht nach Marmor und griechischen Göttern.
„Können wir zwei nicht hier bleiben?“, frage ich Diana und zwinkere ihr vertraut zu.
Diana sieht mich verständnislos an. „Sie ist nicht nur dumm, sondern auch total spaßbefreit“, flüstere ich Jonathan zu.
„Aber sie ist jung und schön“, tröstet mich Jonathan. „Wir sind ja nicht hier, um mit ihr zu reden.“
„Wir hätten Proviant mitnehmen sollen“, sage ich. „Meine Güte, ist das weit.“
„Es ist doch ganz schön, sich nach der langen Autofahrt mal zu bewegen. Aber mein Rücken brennt schon ein bisschen“, antwortet Jonathan.
„Sobald wir ein Plätzchen gefunden haben, schmiere ich ihn dir ein.“
„Was geht denn hier ab?“, rufe ich, als wir uns endlich am richtigen Ende vom Strand unter einem Sonnenschirm eingerichtet haben.
Ich bekomme Sand in die Augen, als etwa zwanzig moppelige nackte Männer vorbeilaufen. Sie jagen einen weiteren nackten Mann mit einer erbsengrünen Flagge und blasen in eine Trillerpfeife. Plötzlich bleibt der erste Mann vor einer Sanddüne schräg vor uns stehen.
„Kommt mit, dann könnt ihr es sehen“, sagt José und wir drei folgen ihm, als wäre er Dick aus den Fünf-Freunde-Büchern.
Das ist einfach zu viel, denke ich, als ich das fickende Pärchen in einer Kuhle sehe.
Es fällt mir sehr schwer, das Geile an zwei kopulierenden, bleichen, mittelalten Personen aus Irland zu sehen. Aber sie sind intensiv dabei und innerhalb von wenigen Minuten umringt von Typen, die sich einen runterholen. Einer nach dem anderen spritzt seinen weißen Samen auf die Frau. Die Flüssigkeit vermischt sich mit dem Sand und ich erschaudere beim Gedanken, wie sehr das reiben und schmerzen muss.
„Ich will hier weg, bevor ich kotzen muss“, sage ich schließlich.
„Sei nicht so eine Spaßbremse“, sagt José.
„José, hier ist keine Party, die man bremsen könnte“, antworte ich sauer und packe meine Sachen zusammen.
Jonathan hilft mir. „Wir sehen uns heute Abend“, sagt er zu José und Diana.
„Kommt ihr nicht mit zu Nat Hamman?“
„Was ist das?“
„Eine Saunalandschaft, aber tagsüber ist es auch ein Sexklub. Wir gehen da gleich hin.“
„Nein, wir schonen unsere Kräfte für heute Abend“, antwortet Jonathan und legt mir den Arm um den Hals.
„Au“, zische ich.
„Hast du auch einen Sonnenbrand?“
„Offenbar.“
„Wir hätten uns vorher schon an die Sonne gewöhnen sollen.“
„Mit den acht Sonnentagen in Stockholm?“
„Es gibt ja auch Solarien.“
Wir gehen schweigend zum Hotel zurück. Ich merke, dass es mir schon auffällt, wie ungewohnt angezogene Menschen aussehen. Aber auch wir tragen dünne, weiße Morgenmäntel als Schutz gegen die Hitze.
Wir machen am Laden Halt, um eine Cola und ein paar Antipasti für den Abend zu kaufen. Es riecht nach frischem Brot aus der Bäckerei daneben.
„Entschuldige, dass ich so sauer war“, sage ich zu Jonathan. „Wahrscheinlich habe ich einfach Hunger.“
„Ich fand es auch ganz schön bizarr.“
„Hast du gesehen, wie sein Arsch gewabbelt hat?“
„Ja! Und ihr Bauch hing ihr quasi über die Muschi. Man hat sie kaum gesehen.“
Wir treffen den ein oder anderen nackten Kunden zwischen den Regalen und ich frage mich, wie sich Salmonellen eigentlich verbreiten.
Nach einem Nickerchen im Hotel begeben wir uns ins Abendgetümmel in den Bars, Restaurants, Klamottenläden und Sexshops. Es gibt fünf Swingerklubs innerhalb von einem Hundert-Meter-Radius. Etwa zehn Kilometer außerhalb des Dorfs befindet sich einer der bekanntesten Swingerklubs der Welt, das l’Extasia. Auch wenn es mit einem alten Weinberg und Draußen-Tanzfläche verlockend klingt, gehen wir am ersten Abend lieber ins Le Glamour. Wir haben tagsüber schon genug im Auto gesessen und ziehen einen kurzen Spaziergang einer weiteren Autofahrt vor.
Le Glamour ist elegant. Ich fühle mich wie in einem italienischen Einrichtungshaus am Stureplan, wo die Verkäuferinnen extra eingeflogene Topmodels aus Paris und New York sind. Was ein bisschen Schminke und hübsche, schwarze Kleidung bewirken können! Kein einziger Ring unterm Auge oder eine kleine Falte, so weit das Auge reicht. Nackte Menschen müssen das Ungeilste sein, was es gibt, und ich bin sehr dankbar, dass alle Gäste bekleidet sind. Die großen Flächen schaffen einen luftigen Eindruck, obwohl über fünfhundert Gäste anwesend sein dürften. Alle sind freundlich und lächeln. Ich fühle mich wohl.
Wir holen uns unsere Willkommensdrinks an der Bar und sinken jeder in einen lila Plüschsessel. Der Drink schmeckt nach Saft. Der Bartender hat am Alkohol gespart. Aber der Saft ist lecker und der Placeboeffekt funktioniert genauso gut wie echter Alkohol.
Jonathan tanzt gut, aber nicht gern. Ich muss ihn eine Weile überreden, damit er mit mir auf die Tanzfläche kommt. Nachdem wir eine halbe Stunde getanzt haben, sind José und Diana noch immer nicht aufgetaucht. Jonathan wird ungeduldig und findet, dass wir selber unser Glück versuchen sollten. Im Kellergeschoss. Wir haben gehört, dass dort die Aktivitäten stattfinden.
Ich greife nach dem Geländer und tripple unsicher auf meinen Absätzen die Treppe hinunter. Eine Stufe nach der anderen. Es fühlt sich an, wie als ich klein war und zum ersten Mal bei meiner Freundin schlafen durfte. Es war furchtbar, als Mama mich allein ließ, aber gleichzeitig wusste ich, dass ich bleiben musste, denn irgendwann würde es lustig werden und ich würde es immer bereuen, wenn ich mich jetzt nicht traute.
Auf dem halben Weg nach unten bleibe ich stehen und sehe Jonathan an. Er sieht genauso ängstlich aus wie ich. Wir drücken einander die Hände und nach einer halben Ewigkeit treffen wir endlich auf zwei schwarzgekleidete Wachen im Untergeschoss. Sie kontrollieren, dass niemand Alkohol reinschmuggelt oder schon zu betrunken ist. Und dass die Regeln befolgt werden: Die rechte Seite ist nur für Paare. Alleinstehende Männer müssen auf die linke Seite.
Wir beschließen, erst mal nach rechts zu gehen. Es fühlt sich an, als beträten wir ein Labyrinth zwischen etwa zehn sehr hohen, breiten Betten mit dicken Matratzen. Auf jeder Matratze liegen mindestens drei oder vier Paare eng umschlungen in komplizierten Stellungen. In dem schwachen Licht kann man unmöglich erkennen, welches Körperteil zu wem gehört. Der Begriff „Orgie“ bekommt eine ganz neue Bedeutung. Es sieht aus wie ein Porno im IMAX. Nur besser. Menschlicher. Die plastikartigen Hauptpersonen, die Melodramatik und die mechanischen Wiederholungen des Pornos sind weggeschnitten worden.
Ein Mittzwanziger schlägt die Hände überm Kopf zusammen und flucht auf Französisch, als die Versagensangst zuschlägt. Seine Freundin, die gerade mit einer gleichaltrigen Frau direkt daneben beschäftigt ist, eilt zu ihm und hilft ihm, wieder in die Gänge zu kommen. Ein etwas älterer Mann klopft dem anderen freundlich auf die Schulter und flüstert ihm etwas ins Ohr. Etwa so, wie ein Fußballspieler seinen Mannschaftskameraden tröstet. Ich muss mich konzentrieren, meinen Mund geschlossen zu halten und nicht zu starren.
„Sie wollen, dass man sie anstarrt“, sagt Jonathan und versucht, weltmännisch zu klingen, als ich aus falschem Respekt weiterziehen will.