Bekenntnisse-Confessiones - Aurelius Augustinus - E-Book

Bekenntnisse-Confessiones E-Book

Aurelius Augustinus

4,7

Beschreibung

Durch die grundsätzlichen Erwägungen über das Wesen des Menschen sind die Bekenntnisse des heiligen Augustinus mehr als nur eine Biographie - sie gelten vielmehr als die erste Autobiographie der Literatur. Die Bekenntnisse beschreiben introspektiv die Phasen der geistigen Entwicklung Augustins. Er analysiert sein frühes Leben, seine ständige Suche nach Wahrheit und seine Bekehrung. Wie Augustinus später bemerkt, hat der Titel zwei Bedeutungen: Confession im Sinne von "Schuldbekenntnis" und Confessio im Sinne von "Glaubensbekenntnis". Neben den unmittelbar theologischen Einsichten geben die Confessiones Einblick in das menschliche Seelenleben überhaupt und offenbaren dabei eine bis heute unerreichte Tiefe und Subtilität.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 564

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,7 (18 Bewertungen)
13
5
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cover
Über den Autor

Über den Autor

AURELIUS AUGUSTINUS (354 – 430) stammt aus der nordafrikanischen Kleinstadt Thagaste, dem heutigen Souk-Ahras, und ist einer der bedeutendsten christlichen Kirchenlehrer und ein wichtiger Philosoph an der Zeitenwende zwischen Antike und Mittelalter. Er war zunächst Rhetor in Thagaste, Karthago, Rom und Mailand. Von 395 bis zu seinem Tod war er Bischof von Hippo Regius.

Zum Buch

Zum Buch

»In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst.« Die Bekenntnisse, entstanden um 400, sind Augustinus’ bekanntestes Werk. Aufgeteilt in 13 Bücher beschreiben sie in einer Art Selbstbetrachtung die Phasen der eigenen geistigen Entwicklung Augustins: Er beschreibt sein frühes Leben, die ständige Suche nach Wahrheit und seine Bekehrung. Durch seine grundsätzlichen Erwägungen über das Wesen des Menschen sind die Bekenntnisse mehr als nur eine Biografie – sie gelten auch als die erste Autobiografie der Literatur. Wie Augustinus später bemerkt, hat der Titel zwei Bedeutungen: Confession im Sinn von »Schuldbekenntnis« und Confessio im Sinn von »Glaubensbekenntnis«.

Das Werk beginnt mit der persönlichen Entwicklung Augustins hin zum christlichen Glauben und enthält gegen Schluss immer mehr philosophische Betrachtungen. Neben den theologischen Einsichten geben die Confessiones Einblick in das menschliche Seelenleben überhaupt und offenbaren dabei eine Tiefe, die derjenigen neuerer Autoren in nichts nachsteht.

»Er lebte wie alle anderen, und dennoch war in ihm etwas Besonderes: Er blieb immer ein suchender Mensch. Er gab sich nicht zufrieden mit dem Leben, wie es war und wie alle es lebten. Er war immer geplagt von der Frage nach Wahrheit. Er wollte die Wahrheit finden. Er wollte herausfinden, wer der Mensch ist, woher die Welt kommt, woher wir selbst kommen, wohin wir gehen und wo wir das wahre Leben finden können. Er wollte das rechte Leben finden und nicht blind ohne Sinn und ohne Ziel vor sich hin leben. Die Leidenschaft für die Wahrheit ist das wirkliche Schlüsselwort für sein Leben.«

(Papst Benedikt XVI. besuchte am 22. April 2007 Pavia, und predigte beim Grab des hl. Augustinus in der Augustinerkirche S. Pietro in ciel d’oro. Dies ist ein Auszug seiner Predigt aus dem Vespergottesdienst in Pavia in einer »Radio Vatikan«-Übersetzung).

Haupttitel

Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus

In der Übersetzung von Otto F. Lachmann  
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.  Alle Rechte vorbehalten  Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2011 Der Text wurde behutsam revidiert nach der Ausgabe Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus. In der Übersetzung von Otto F. Lachmann, Leipzig 1888 Covergestaltung: Nele Schütz Design, München Bildnachweis: akg-images, Berlin Einführung und Redaktion: Dr. Bruno Kern, Mainz eBook-Bearbeitung: Medienservice Feiß, Burgwitz Gesetzt in der Palatino Ind Uni – untersteht der GPL v2   ISBN: 978-3-8438-0036-5  www.marixverlag.de

Ein Dokument der Weltliteratur von bleibender Aktualität

1. Augustinus – eine prägende Gestalt des abendländischen Christentums

Wer jemals eine Barockkirche betreten hat, kennt wahrscheinlich die überwältigende Darstellung des Bischofs mit dem flammenden Herzen. Die Kunst des Barock hat die herausragende Bedeutung des antiken afrikanischen Bischofs für die Christentumsgeschichte wohl recht gut zum Ausdruck gebracht. Wilhelm Geerlings hat in Anspielung auf ein Diktum über Platon gemeint, man könne mit Recht die gesamte Geschichte der abendländischen christlichen Theologie als eine Reihe von Fußnoten zu Augustinus verstehen.1 Selbst wenn man so weit nicht gehen mag, muss man doch zugestehen, dass die Wirkungsgeschichte Augustins – auch im Verhängnisvollen – kaum zu überschätzen ist. Sein Profil und seine Konturen gewann das junge Christentum erst in Auseinandersetzung mit den philosophischen Weltdeutungen der Antike – und hier spielt Augustin eine Schlüsselrolle. Augustinus war es vor allem, der den christlichen Glauben mit Hilfe der neuplatonischen Philosophie interpretierte. Die Überwindung materialistisch-naiver bzw. anthropomorpher Gottesvorstellungen, der Aufstieg zu Gott als Weg des Geistes von Außen nach Innen, die Deutung der Schöpfung mit Hilfe der platonischen Ideenlehre – diese Grundmotive werden gerade in den »Bekenntnissen« (vgl. insbesondere das Buch 10) deutlich. Der biblische Text selber bietet Anknüpfungspunkte für diese neuplatonische Deutung des Christentums, so etwa die Rede vom »Logos« im Johannesevangelium. Allerdings sperrt sich der biblische Glaube an entscheidenden Stellen gegen neuplatonische Begrifflichkeit. Das ist etwa für die Idee einer Schöpfung aus dem Nichts der Fall, aber auch für den Gedanken der Auferstehung des Fleisches oder der Menschwerdung des göttlichen Logos. Gerade die Notwendigkeit aber, die Übereinstimmung mit den biblischen Grundüberzeugungen herzustellen, ließ das Denken Augustins so schöpferisch und auch philosophisch so fruchtbar werden. So sind zumindest zwei große Abschnitte aus den »Bekenntnissen« zu bleibenden Bezugstexten auch der modernen Philosophie geworden: die Analyse des Gedächtnisses (»memoria«) und die Herausarbeitung seiner transzendentalen Dimension im Buch 10 sowie die Betrachtungen über die Zeit im elften Buch der »Confessiones«. Auch eine von den Ergebnissen der neurologischen Forschung geprägte moderne »Philosophy of mind« und eine von den Einsichten der Relativitäts- und Quantentheorie ausgehende Zeitphilosophie kommen heute an Augustins Reflexionen nicht vorbei.

Großen Raum in den »Bekenntnissen« nimmt die Auseinandersetzung mit dem Manichäismus ein. Dieser vom Perser Mani ausgehenden Lehre fühlte sich Augustin selbst lange zugehörig. Die Widerspüche der menschlichen Existenz deutet der Manichäusmus mit Hilfe eines dualistischen Grundmythos von zwei gleichberechtigten, miteinander im Wettstreit liegenden Prinzipien – dem guten und dem bösen Prinzip. Alles Materielle, Fleischliche, wird dem bösen Prinzip zugeordnet, von dem sich die Lichtseele befreien müsse. Augustinus spricht in Auseinandersetzung mit dem Manichäismus – und damit mit seiner eigenen Biographie – dem Bösen jede eigenständige Seinsqualität ab. Die Substanzlosigkeit des Bösen, das nur in der Form der Negation des Guten, als Abwesenheit des Guten existiert, ist ein Grundgedanke, der zur entscheidenden geistesgeschichtlichen Mitgift des Christentums gehört. Bei Augustin findet er sich allererst in dieser Klarheit, und er wird im Hochmittelalter wirkmächtig von der Scholastik, vor allem von Thomas von Aquin, weitergeführt.

Allerdings setzt sich Augustin bis heute dem Verdacht aus, in seinen leibfeindlichen Tendenzen dem Manichäismus auch nach seiner Bekehrung immer noch stark verhaftet gewesen zu sein. Friedrich Nietzsche nennt ihn deshalb gar ein »Untier der Moral«.

Zu Augustins Erbe gehört auch eine durch und durch pessimistische Sicht des Menschen, dessen an sich freier Wille von Grund auf korrumpiert ist durch die Sünde Adams. Sie wird durch das fleischliche Begehren weitergegeben. Die »Erbsündenlehre« gehört wohl zu den verhängnisvollsten Traditionen, deren Ausgangspunkt Augustin ist. Die Kehrseite der Korrumpiertheit der menschlichen Natur ist der Primat der Gnade Gottes – eine theologische Position, die Augustin in seiner Auseinandersetzung mit den Pelagianern eloquent vertritt und die gerade mit der Reformation wieder in den Vordergrund rückt. Auch die extreme Form dieser Gnadenlehre, die Lehre von Gottes souveräner Gnadenwahl (Prädestination), wie sie Calvin vertrat, ist bei Augustin grundgelegt.

Die Wirkungsgeschichte des Augustinus bleibt ebenso beeindruckend wie ambivalent. So kann man nicht verschweigen, dass er sich als Bischof in seiner Auseinandersetzung mit den »häretischen« Donatisten schließlich zu einer theologischen Rechtfertigung der gewaltsamen »Bekehrung« versteigt. Seine Argumentation wirkt lange nach: Unter anderem greift die »Conquista« Lateinamerikas auf Augustins verhängnissvollen Missbrauch des neutestamentlichen Wortes »cogite intrare« (»Zwingt sie, einzutreten«) zurück.

Ein oftmals vernachlässigter Aspekt von Augustins Beitrag zur Christentumsgeschichte ist seine Bereicherung der monastischen Lebensform. Aus der nach seiner Bekehrung gewählten, ganz der Wahrheits- und Gottsuche gewidmeten gemeinschaftlichen Lebensform in Cassiciacum (vgl. das 9. Buch der »Bekenntnisse«) geht schließlich jene »Augustinerregel« hervor, die – neben Benedikt von Nursia – das abendländische Mönchtum entscheidend prägen wird. Jenseits von detaillierten Vorschriften und Reglementierungen für das Alltagsleben ist diese Mönchsregel vor allem ein äußerst inspirierender spiritueller Text. Auch Martin Luther lebte nach dieser Regel. Über die Gemeinschaften, die Augustins Namen tragen (Augustiner Chorherren bzw. Augustiner Eremiten), hinaus ist die Augustinerregel für eine wesentlich breitere Tradition monastischen Lebens zur spirituellen Grundlage geworden – so etwa für den Dominikanerorden.

2. Augustins »Bekenntnisse« – einzigartig in der Weltliteratur

Es ist kaum möglich, die wohl bekannteste Schrift des Augustinus eindeutig einer literarishen Gattung zuzuordnen. Während die »Bekenntnisse« selbst spätere Werke – etwa eines Jean Jacques Rousseau – inspiriert haben, lassen sich für sie selbst kaum Vorbilder aus früherer Zeit finden. Der größte Teil der Schrift, die Bücher 1 – 9, geht von der Reflexion des eigenen Lebensweges aus, ist aber doch weit davon entfernt, eine Autobiographie im uns geläufigen Sinne zu sein. Wer vor allem daran interessiert ist, möglichst viel von Augustins äußerem Lebensweg zu erfahren, wird zwangsläufig enttäuscht. Natürlich spiegeln sich in diesen ersten neun Büchern die wichtigsten Lebensstationen des Augustin bis zu seiner Taufe: Kindheit im nordafrikanischen Thagaste als Sohn eines städtischen Beamten und Grundbesitzers, Schulbildung und Karriere als Rhetor mit den wichtigen Stationen Karthago, Rom und schließlich Mailand, endgültige Hinwendung zum Christentum unter dem Einfluss des Mailänder Bischofs Ambrosius und das gemeinschaftliche Leben im Kreis enger Freunde nach der Taufe. Doch nicht eine möglichst detailgenaue und erschöpfende Autobiographie ist das Interesse Augustins. Für mitteilenswert hält er lediglich die Wendepunkte und subjektiven Ereignisse, die ihm Gottes Führung verdeutlichen. Scheinbar Belangloses – wie etwa der berühmte Birnendiebstahl in der Jugend – nimmt deshalb breiten Raum ein und wird sehr gründlich reflektiert, während anderes völlig ohne Erwähnung bleibt.

Die Frage der literarischen Einheit des Buches wird wohl umstritten bleiben. Man verbaut sich jedoch den Zugang zu Augustins »Bekenntnissen«, wenn man diese ersten neun »autobiographischen« Bücher aus der Gesamtschrift herauslöst (wie es manche »Volksausgaben« unternommen haben) und sie von den philosophisch-theologischen Büchern 10 – 13 abspaltet. Erst die Betrachtung der »Confessiones« als literarische Einheit macht Augustins Absicht deutlich: Die Reflexion seines eigenen Lebensweges ist für ihn bedeutsam als Beispiel eines von Gott geretteten Lebens überhaupt. Das eigene Leben ist für Augustin der vertrauteste Fall menschlicher Existenz überhaupt, die er in heilsgeschichtlicher Perspektive reflektiert. Deshalb spannt er den Bogen ausgehend von der eigenen Lebenserfahrung bis hin zur Auslegung der biblischen Schöpfungsgeschichte am Ende des Buches.

Bereits der Titel der Schrift bedarf der Deutung. »Bekenntnisse«, »Confessiones«, darf keineswegs in einem oberflächlich-voyeuristischen Sinne, etwa gar als »Enthüllung«, verstanden werden. Augustin wählt für seine Schrift die Form des Zwiegesprächs mit bzw. eines Dankeshymnus an Gott, und die Bedeutungsfülle des Titels selbst wird an mehreren Stellen des Buches klar erkennbar: Es geht zunächst um ein reumütiges Bekenntnis der eigenen Verirrungen und Schuldverstrickungen, um die vielen Umwege auf seiner Wahrheitssuche. Doch der Titel der Schrift meint unverkennbar auch den bekennenden Lobpreis und gläubige Anerkennung der Führung Gottes, die Augustin in seinem eigenen Leben und in der menschlichen Existenz überhaupt erkennt, und nicht zuletzt darf man den Ausdruck »Bekenntnisse« durchaus im Sinne einer werbenden Darstellung des Christentums für eine gebildete Leserschicht verstehen.

Der Facettenreichtum dieser wohl bekanntesten Schrift des Augustin ist unverkennbar. Es ist ein psychologisches, theologisches, philosophishes und exegetisches Buch gleichermaßen. Als Meister psychologischen Einfühlungsvermögens erweist sich Augustin vor allem im Nachdenken über die entscheidenden existentiellen Erfahrungen von Schuld und Tod. Der bereits erwähnte Birnendiebstahl ist Anlass für eine tiefgründige Motivanalyse und ein sorgfältiges Ausloten der Dimension von Schuld. Zwei Ereignisse sind es, die Augustin über den Tod nachdenken lassen: der Tod eines engen Freundes und der Tod der Mutter Monica in Ostia. Die beiden Textabschnitte von existentieller Unmittelbarkeit erreichen auch heutige Leser mühelos, und ohne Zweifel reihen sie sich ein in die großen literarischen Zeugnisse der Auseinandersetzung mit dem Tod in der Menschheitsgeschichte, die mit dem Gilgamesch-Epos ihren Anfang nahmen.

Die neuplatonische Philosophie lieferte Augustin zunächst das gedankliche Rüstzeug für eine methodische Reflexion der christlichen Glaubensinhalte, also für die Theologie im engeren Sinne. Bereits in den »Confessiones« wird aber deutlich, dass Augustin damit den christlichen Glauben nicht an eine diesem wesensfremde Philosophie preisgibt, sondern dass er an entscheidenden Stellen die Voraussetzungen des Neuplatonismus durchbricht, um dem spezifisch Christlichen Raum zu geben. Seine Auffassung von der Gnade Gottes und der Inkarnation des göttlichen Logos sind hier die klarsten Beispiele. Das Christentum passt sich so nicht einfach einer vorgegebenen Weltsicht an, sondern es wird selbst zum verändernden Ferment der Geistesgeschichte.

Die bereits erwähnten beiden großen »philosophischen« Textabschnitte über das Gedächtnis und die Zeit zeigen, dass der christliche Glaube sich nicht nur in eine vorgegebenen philosophischen Begrifflichkeit einfügt, sondern die philosophische Reflexion seinerseits befruchtet und weiterführt. In seiner Auseinandersetzung mit den »Akademikern« (die eine skeptische Weltanschauung vertraten) nimmt Augustinus auf seine Weise das philosophische Argument des »Ich denke, also bin ich« des René Descartes vorweg, der mit dieser Überwindung des methodischen Zweifels den Anfangspunkt der neuzeitlichen, vom denkenden Subjekt ausgehenden Philosophie gesetzt hat.

Und schließlich erweist sich Augustin am Ende der »Confessiones« als ein Meister der allegorischen Schriftauslegung. Für einen philosophisch Gebildeten seiner Zeit bot die Bibel der Christen – gemessen an den hochstehenden Reflexionen und der kunstvollen literarischen Darstellungsweise der einflussreichen philosophischen Werke, die zum Bildungsbestand jener Zeit gehörten – hauptsächlich Sperriges und Befremdliches. Erst die Predigten des Mailänder Bischofs Ambrosius und deren allegorische Auslegung der Schrift eröffneten Augustinus selbst den Zugang zur Bibel, und in seinem späteren Wirken als Bischof von Hippo, dem ja vor allem das Predigtamt oblag, brachte Augustin die allegorische Exegese zu neuer Blüte. In den »Bekenntnissen« widmet er sich der Auslegung der Schöpfungsgeschichte, die auch in seinem späteren Wirken ein zentrales Thema bleiben wird.

Um einen Text der Antike heute angemessen lesen zu können, ist es unabdingbar, sich zu vergegenwärtigen, in welcher Zeit er entstand. Man datiert die Entstehung der »Confessiones« allgemein in die Zeit von 397 – 401. Der Niedergang des weströmischen Reiches zeichnete sich bereits ab. Im Jahr 410 eroberten die Goten Rom, und Augustinus selbst stirbt im Jahr 430, als die Vandalen Hippo belagerten. Im »Gottesstaat« legt Augustinus nach der Eroberung Roms durch die Goten selbst eine Geschichtstheologie vor, mit Hilfe derer er dieses Ereignis verarbeitet und deutet. Die Abfassung der »Confessiones« liegt vor diesen Ereignissen. Dennoch spiegelt dieses Buch die geistige Situation einer atemberaubenden Umbruchszeit wider. Das Christentum war seit Konstantin »religio licita«, also anerkannte Religion, der Restaurationsversuch des alten Götterglaubens unter Kaiser Julian war gescheitert, aber trotz der immer stärkeren Etablierung des Christentums lebten einerseits die alten paganen Traditionen mächtig fort, andererseits traten Weltanschauungen, Mythologien und Philosophien – wie etwa der Manichäismus – auf den Plan, die für das junge Christentum zur großen Herausforderung wurden. Erst in Abgrenzung von ihnen bildete sich allmählich sein Profil heraus. Die dramatischen geistigen Auseinandersetzungen, die in Augustins eigenem Lebensweg selbst erkennbar sind, tragen wohl die typischen Zeichen einer Epoche, deren Niedergang sich klar abzeichnete. Möglicherweise ist auch dies ein Aspekt der Aktualität dieses antiken Textes.

Die Übersetzung von Otto F. Lachmann zeichnet sich vor allem durch das Bemühen um gewissenhafte Texttreue aus, die die oft verschlungenen Gedankengänge Augustins keiner falsch verstandenen Anbiederung an unsere Alltagssprache opfern. Die sprachliche Eleganz und ein flüssiger Stil machen uns Heutigen einen Text »lesbar« und zugänglich, der mit Fug und Recht als einer der Quellentexte unserer abendländischen Kultur gelten darf.

Bruno Kern

Erstes Buch

Erstes Kapitel

Groß bist du, o Herr, und deines Lobes ist kein Ende; groß ist die Fülle deiner Kraft, und deine Weisheit ist unermesslich. Und loben will dich der Mensch, ein so geringer Teil deiner Schöpfung; der Mensch, der sich unter der Last der Sterblichkeit beugt, dem Zeugnis seiner Sünde, einem Zeugnis, dass du den Hoffärtigen widerstehest; und doch will dich loben der Mensch, ein so geringer Teil deiner Schöpfung. Du schaffest, dass er mit Freuden dich preise, denn zu deinem Eigentum erschufst du uns, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir. Kläre mich auf, o Herr, und lass mich erkennen, ob wir dich zuerst anrufen oder dich preisen; ob wir dich eher erfassen als anrufen sollen. Doch wer ruft dich an, solange du ihm unbekannt bist? Könnte dich, der dich nicht erkennt, statt des einen ein anderes Wesen anrufen? Oder wirst du zuvor angerufen, auf dass du erkannt werdest? Wie sollen sie aber anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben an den, der ihnen nicht geprediget worden? Loben werden den Herrn, die ihn suchen. So ihn aber suchen, werden ihn finden, und die ihn finden, werden ihn loben. Ich will dich suchen, o Herr, im Gebet, und ich werde dich anrufen im Glauben: Denn du bist uns verkündiget worden. Mein Glaube, den du mir gegeben, o Herr, ruft dich an, mein Glaube, den du mir einhauchtest durch die Menschwerdung deines Sohnes, durch die Vermittlung deines Predigers.

Zweites Kapitel

Wie aber soll ich anrufen ihn, meinen Gott und Herrn? Denn zu mir hinein rufe ich ihn ja, wenn ich ihn anrufe. Wie heißt die Stätte, dahin mein Gott komme zu mir, wohin der Gott komme zu mir, der Himmel und Erde gemacht hat? So ist also, Herr, mein Gott, etwas in mir, das dich zu fassen vermag? Fassen dich denn Himmel und Erde, die du gemacht hast und in deren Bereich du mich geschaffen? Oder fasst dich deshalb alles, weil ohne dich nicht wäre, was ist? Da nun auch ich bin, was bitte ich dich denn, in mich zu kommen, der ich nicht wäre, wenn du nicht wärst in mir? Denn noch bin ich nicht im Reiche des Todes, und doch bist du dort. Denn bettete ich mich auch in die Hölle, siehe, so bist du auch da. Ein Nichts wäre ich, mein Gott, wäre überhaupt nicht vorhanden, wenn du nicht wärest in mir. Oder ich wäre vielmehr nicht, wenn ich nicht wäre in dir, von dem alles, durch den alles, in dem alles ist. Ja, so ist es, so ist es, o Herr. Wenn ich dich anrufe, wohin rufe ich dich, da ich ja bin in dir? Von woher sollst du kommen zu mir? Wohin sollte ich wohl gehen über Erde und Himmel hinaus, dass von da käme zu mir mein Gott, der da gesprochen: »Bin ich es nicht, der Himmel und Erde füllet?«

Drittes Kapitel

Fassen dich also Himmel und Erde, weil du sie erfüllst? Oder erfüllst du sie doch nur teilweise, da sie dich nicht völlig fassen? Und wohin ergießest du den Überfluss, wenn Himmel und Erde von dir erfüllt sind? Oder bedarfst du keines Gefäßes, das dich als Ganzes enthält, der du alles fassest? Denn alle Gefäße, die du erfüllst, erfüllst du, indem du sie zusammenhältst. Denn nicht die Gefäße, die dich beschließen, geben dir feste Selbstständigkeit; denn wenn sie auch zerbrochen würden, wirst du doch nicht ausgeschüttet. Und wenn du (im Heiligen Geiste) über uns ausgegossen wirst, so liegst du nicht darnieder, sondern richtest uns auf; du wirst nicht zerstreut, sondern sammelst uns. Aber der du alles erfüllst, erfüllst du alles in deiner Gesamtheit? Oder, weil nicht jegliches dich in deiner Gesamtheit zu fassen vermag, umfasst es nur einen Teil deines Wesens und umfasst alles zugleich denselben Teil deines Seins? Oder umfassen die einzelnen Kreaturen einzelne Teile, die größeren größere und die kleineren kleinere? Ist demnach ein Teil von dir größer oder kleiner als der andere oder bist du überall eine Ganzheit und fasst dich nichts in deiner Gesamtheit?

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!