Bergkristall - Folge 294 - Christian Seiler - E-Book

Bergkristall - Folge 294 E-Book

Christian Seiler

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Beschreibung

Ganz Hintertal nimmt großen Anteil am Schicksal der jungen Leitner-Vroni. Mei, das Madel hat es auch nicht leicht - ganz allein steht sie auf der Welt, muss ganz allein schwere Zeiten bewältigen und schon früh auf eigenen Füßen stehen. Wer gönnt ihr da nicht von Herzen den langen Urlaub in einem fernen, sonnigen Land, weit weg vom winterlichen Hintertal mit seinen schneebedeckten Bergen.
Als Vroni nach drei Wochen zurückkommt, ist sie tatsächlich wie ausgewechselt: erholt, fröhlich und - verheiratet!
Das hat’s freilich noch nie im Hintertal gegeben! Was hat sich die Vroni bloß dabei gedacht? Die Dörfler sind schockiert - und beobachten das junge Paar voller Misstrauen. Und dann steht Vronis Ehemann plötzlich unter einem schlimmen Verdacht ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Wer ist der Bursch an deiner Seite?

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag/Anne von Sarosdy

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5459-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Wer ist der Bursch an deiner Seite?

Vronis Liebe sorgt für gewaltige Aufregung im Hintertal

Von Christian Seiler

Ganz Hintertal nimmt großen Anteil am Schicksal der jungen Leitner-Vroni. Mei, das Madel hat es auch nicht leicht – ganz allein steht sie auf der Welt, muss ganz allein schwere Zeiten bewältigen und schon früh auf eigenen Füßen stehen. Wer gönnt ihr da nicht von Herzen den langen Urlaub in einem fernen, sonnigen Land, weit weg vom winterlichen Hintertal mit seinen schneebedeckten Bergen.

Als Vroni nach drei Wochen zurückkommt, ist sie tatsächlich wie ausgewechselt: erholt, fröhlich und – verheiratet!

Das hat’s freilich noch nie im Hintertal gegeben! Was hat sich die Vroni bloß dabei gedacht? Die Dörfler sind schockiert – und beobachten das junge Paar voller Misstrauen. Und dann steht Vronis Ehemann plötzlich unter einem schlimmen Verdacht …

Es war ein schönes Bild voll Glück und Harmonie, doch der Schein trog.

Der junge Bursch hatte sich fesch herausgeputzt, um mit seiner Freundin zum Tanz zu gehen. Und seine hübsche Begleiterin hatte passend zum Dirndlkleid die langen blonden Haare zum Zopf geflochten und zu einer Krone geschlungen.

Lachend eilten sie zum Dorfplatz von Hintertal, wo der hölzerne Tanzboden aufgebaut war. Blau-weiße Girlanden schlangen sich um die Pfosten, blau-weiß waren auch die Fahnen, die im Wind flatterten.

Die letzten Sonnenstrahlen fielen auf die Dächer von Hintertal in Oberbayern. Noch während Vroni Leitner und Roland Drescher die Dorfleute begrüßten, versank die Sonne hinter den kahlen Alpengipfeln, die Hintertal auf drei Seiten wie eine unüberwindliche Festungsmauer einschlossen. Nur nach Norden war das Tal offen, doch auch in dieser Richtung versperrte ein Berg die Sicht.

Er war nicht ganz so hoch wie die anderen, aber er sorgte dafür, dass das Tal abgeschirmt wirkte. Bis vor einigen Jahrzehnten hatte es nur eine schmale, kurvenreiche Schotterstraße nach draußen gegeben. Jetzt schlängelte sich eine Asphaltstraße durch den Wald. Nur wenige Fremde benützten sie. Die umliegenden Orte boten Urlaubern mehr Komfort und moderne Einrichtungen. Und die Straße endete in Hintertal.

Den älteren Dorfleuten war es nur recht, wenn sie unter sich blieben.

„Von draußen kommt nix Gescheites zu uns herein“, pflegten sie zu sagen. „Und wer gescheit ist, der geht auch net nach draußen.“

Nicht alle dachten so, vor allem die Jüngeren reisten gern und holten sich die Welt über ihre Satellitenschüsseln ins Haus. Aber beim Tanz im Dorf ging es doch sehr traditionell zu. Die örtliche Blasmusikkapelle hatte sich zusammengefunden und spielte auf. Zu den althergebrachten Klängen wirbelten Paare über die Tanzfläche.

„Das macht Spaß, gelt?“, rief Roland und drehte sich schwungvoll zu einer Polka.

Vroni nickte und lachte. So lang sie tanzte und Häuser, Bäume und Berge an ihr vorbeiflogen, konnte sie ihre Sorgen vergessen und sich in Rolands Armen wohlfühlen. Aber nur dann. Und deshalb wäre es ihr am liebsten gewesen, sie hätten nie mehr zu tanzen aufgehört …

Die Kapelle beendete das Musikstück und gab den Feiernden durch einen Tusch zu verstehen, dass die Musiker eine Pause einlegten.

Roland führte Vroni zu dem Fass, das der einzige Wirt von Hintertal vor seinem Gasthof angestochen hatte.

„Willst du auch ein Glas?“, fragte er und legte besitzergreifend den Arm um sie. Alle im Dorf sollten sehen, dass er die Vroni nicht mehr hergab.

„Ja, gern“, erwiderte sie. Jetzt, da der Tanz geendet hatte und sie die bekannten Gesichter ihrer Nachbarn sah, fiel ihr das Lächeln schon etwas schwerer.

Da war der Leiter der Sparkasse am Ort, bei der ihre Eltern hoch verschuldet waren. Dass Hintertal überhaupt eine winzige Zweigstelle hatte, verdankte das Dorf nur dem Umstand, dass es zum nächsten größeren Ort weit war und viele Kunden aus alleinstehenden Gehöften nach Hintertal in die Sparkasse kamen.

Der Leiter nickte Vroni freundlich zu, und sie erwiderte den Gruß. Trotzdem erinnerte sie sich an die fälligen Zahlungen, über die sie mit ihren Eltern erst an diesem Nachmittag gesprochen hatte und von denen sie nicht wussten, wie sie bezahlt werden sollten.

Da war der Bürgermeister, der einen Handel für Saatgut, Futtermittel und landwirtschaftliche Geräte aller Art betrieb. Auch er grüßte, wie man das unter Nachbarn eben tat, aber bei ihm stand die Familie Leitner ebenfalls hoch in der Kreide.

„Hier, Vroni, prost!“ Roland drückte ihr ein volles Glas mit kühlem, schäumendem Bier in die Hand und hob sein Glas, ehe er einen Schluck nahm.

„Prost, Roland“, murmelte sie und trank ebenfalls.

Er hatte sie daran gehindert, auch noch zum Bäcker und zum Metzger und zum Besitzer des Lebensmittelladens hinüberzusehen und daran zu denken, dass ihre Familie bei allen diesen Leuten hohe Schulden hatte.

Schulden, Schulden, Schulden …

Das Wort hallte immer wieder durch ihre Gedanken und verdarb ihr gründlich die Laune. Wie sollten ihre Eltern denn auf einen grünen Zweig kommen, wenn der Leitner-Hof zu wenig abwarf? Es lag weder an Faulheit noch an Alkohol oder anderen Problemen. Es lag nur daran, dass die Erträge des Hofes zu gering waren und zu wenig Geld hereinkam.

An die Steuern, die eigentlich schon längst überfällig waren und die das Finanzamt bereits angemahnt hatte, dachte sie erst gar nicht. Die Lage war hoffnungslos.

„Woran denkst du denn, dass du ein so finsteres Gesicht machst?“, fragte Roland.

„Ich mach kein finsteres Gesicht“, schwindelte Vroni. „Ich bin vielleicht ein wenig müde, weil ich heute viel gearbeitet hab.“

Roland gab sich mit der Antwort zufrieden, obwohl er genau wusste, dass Vroni gelogen hatte. Als unmittelbarer Nachbar der Familie Leitner wusste er über die finanziellen Sorgen auf dem Hof bestens Bescheid. In einem Dorf wie Hintertal konnte man ohnedies nichts geheimhalten.

„Sei net so niedergeschlagen.“ Er legte ihr wieder den Arm um die Schultern und führte sie ein Stück zur Seite, damit die anderen Leute auf dem Platz nicht mithören konnten. „Wir zwei heiraten bald, und dann haben eure Sorgen ein Ende. Dann bist du meine Frau und brauchst dich um nix mehr zu kümmern.“

„Ja, hast recht“, murmelte Vroni und nahm noch einen Schluck Bier. Sie machte sich nichts vor. Roland hatte sie gern, genau wie sie ihn von Herzen mochte. Dass er auf Heirat drängte, lag aber zu einem großen Teil an seinen Eltern. Die Dreschers wollten den Leitner-Hof haben, weil er unmittelbar an ihr eigenes Land angrenzte und eine schöne Vergrößerung des eigenen Besitzes bringen würde.

„Da ist der Onkel“, sagte Roland auf einmal mit einem leicht gereizten Unterton.

Vroni drehte sich nicht um. Sie wollte Ulrich Strumberger nicht sehen, einen Bruder von Rolands Mutter. Ulrich Strumberger war Großbauer und der reichste Mann im Tal. Wahrscheinlich hatte er auch mehr Geld als viele Bauern außerhalb ihres Tals. Was er anfasste, gelang ihm, und er entstammte ohnedies schon einer Familie von lauter reichen Bauern. Schwere Zeiten waren an dem Strumberger-Hof stets spurlos vorübergegangen.

„Er kommt her“, raunte Roland, ohne die Lippen zu bewegen. „Jetzt will er wieder Süßholz raspeln.“

„Natürlich. Was denn sonst?“, erwiderte Vroni bitter. Die Abneigung gegen Ulrich Strumberger hatte sie mit Roland gemeinsam – auch den Grund für diese Abneigung.

Ulrich Strumberger hatte es sich in den Kopf gesetzt, den Leitner-Hof unbedingt in seine Hände zu bekommen. Dabei ging es ihm weniger um die Erträge dieses Hofs. Er besaß auf beiden Seiten von Hintertal Land, aber keine direkte Verbindung zwischen diesen zwei Teilen. Wenn er den Leitner-Hof bekam, hatte er das fehlende Verbindungsstück. Derzeit besaß er nur ein Wegerecht, damit er mit seinen landwirtschaftlichen Maschinen über Leitner-Land fahren konnte.

„Na, ihr zwei?“, rief Ulrich Strumberger, ein stämmiger Mann Mitte Fünfzig, sehr leutselig, klopfte seinem Neffen betont freundschaftlich auf die Schulter und blinzelte Vroni zu, als wäre sie seine beste Freundin. „Wie gefällt euch denn der Tanz? Ihr steht viel zu viel herum. Junge Leute müssen sich auf der Tanzfläche austoben, sonst kommen sie auf falsche Gedanken.“ Er lachte dröhnend über seine Bemerkung, die nur er lustig fand.

Roland und Vroni verzogen keine Miene. Drüben an der Tanzfläche nahmen die Musiker wieder ihre Plätze ein.

„Es geht gleich weiter“, stellte Vroni fest, weil ihr das Schweigen unangenehm war, das zwischen ihnen dreien eingetreten war. „Ich trink nur schnell mein Bier aus, Roland. Dann können wir wieder tanzen.“

Roland leerte sein Glas mit einem langen Schluck. „Das ist eine gute Idee.“ Er lächelte seinem Onkel zurückhaltend zu. „Grüß die Tante von mir“, sagte er und führte Vroni von Ulrich Strumberger weg. „Der alte Fuchs“, knurrte er dabei leise.

„Er versteht es, wie man Geld macht“, erwiderte sie genauso leise. „Das darfst du ihm net verübeln. Du schaust schließlich auch auf den Vorteil von dir selber und von deinen Eltern.“

Roland war klug genug, nicht zu fragen, wie sie das meinte. Vor einigen Wochen hatten sie wegen irgendeiner Kleinigkeit Streit gehabt. Damals hatte Vroni ihm vorgeworfen, er würde auf den Leitner-Hof spekulieren. Er hatte es zwar abgestritten, doch sie hatte sich nicht überzeugen lassen. Seither war er vorsichtig.

Vroni war mit fünfundzwanzig um vier Jahre jünger als Roland. Außerdem war sie recht still und ein wenig schüchtern. Aber sie hatte einen klaren Durchblick, was das Leben anging, machte sich keine Illusionen und ließ sich vor allem durch Schmeicheleien nicht beeinflussen. Und sie ließ sich nichts einreden. Das hatte sie von ihren Eltern gelernt. Wenn man von etwas überzeugt war, sollte man sich zwar anhören, was andere Leute dachten, aber man brauchte niemandem nach dem Mund zu reden und durfte nichts unüberlegt nachbeten.

„Du bist heute Abend wirklich net gut aufgelegt“, stellte Roland fest, nachdem sie fast zwanzig Minuten getanzt hatten. „Willst du lieber heimgehen?“

Vroni nickte. Das kurze Zusammentreffen mit seinem Onkel hatte dafür gesorgt, dass sie ihre Probleme nicht einmal mehr auf der Tanzfläche vergessen konnte. Auch jetzt sah Ulrich Strumberger zu ihnen herüber. Es kam ihr zumindest so vor, als würde er ständig darüber nachdenken, wie er ihr und ihren Eltern den Hof abnehmen konnte.

„Ich bring dich heim“, bot Roland an.

„Danke, das ist lieb.“ Sie hakte sich bei ihm unter. „Du sollst dir meinetwegen den Abend net verderben lassen. Geh ruhig noch einmal her und unterhalt dich gut. Tanz und trink, so viel du willst.“

„Du bist mir deswegen net böse?“, vergewisserte er sich. „Das ist nett von dir.“

Sie lächelte. Roland mochte seine Fehler haben und sich auch nicht ganz uneigennützig um sie kümmern, aber er war gut zu ihr. Und er sah sehr gut aus. Blond, groß und kräftig – er war ein fescher Mann, dem so manches Madel interessiert nachblickte.

Vor dem Leitner-Hof verabschiedeten sie sich mit einem Kuss, und Vroni winkte noch einmal, als er ins Dorf zurückging. Bevor sie das Wohnhaus betrat, atmete sie tief durch. Es kam ihr so vor, als würde über diesem Haus eine schwarze Wolke schweben, die alles niederdrückte und sogar das Atmen erschwerte.

***

„Es geht nimmer so weiter.“

Vroni stellte die Kaffeetasse zurück, ohne einen Schluck genommen zu haben. Schon lange fürchtete sie diesen Satz und hatte gewusst, dass er einmal kommen würde. Als ihr Vater ihn an diesem Septembermorgen aussprach, traf es sie trotzdem wie ein Schlag.

Ihre Mutter hatte Tränen in den Augen, zeigte sich jedoch nicht überrascht. Offenbar hatte sie bereits mit ihrem Mann über dieses Thema gesprochen.

„Ist es so schlimm?“ fragte Vroni stockend.

Anton Leitner nickte bedrückt. „Die Sparkasse gibt uns keinen Überziehungskredit mehr. Wir sind mit den Raten für das Darlehen im Verzug, und wir kriegen kein Geld herein. Die Kaufleute schreiben nimmer an, und wir müssen irgendwann auch einmal die anderen Schulden zurückzahlen.“

„Es bleibt nur der Verkauf“, warf Frieda Leitner ein. „Dann können wir die Schulden bezahlen und der Bank das Geld geben, das ihr zusteht.“

Vroni griff wieder nach der Kaffeetasse, musste sie aber mit beiden Händen halten, weil sie zitterte.

„Und wie geht es weiter, wenn wir verkaufen?“, fragte sie leise, nachdem sie ihre trockene Kehle mit einem Schluck Kaffee angefeuchtet hatte. „Der neue Besitzer wird uns kaum auf dem Hof wohnen lassen, oder?“

„Nein.“ Ihr Vater schüttelte den Kopf. „Der Strumberger zahlt einen sehr guten Preis, aber er verlangt, dass wir ausziehen.“

„Der Strumberger“, wiederholte Vroni tonlos. Unwillkürlich musste sie an den Abend des Tanzes im Dorf denken. Sie und Roland hatten seinen Onkel getroffen. An jenem Abend hatte Roland noch von Hochzeit gesprochen, aber einen Termin hatte er nicht festgemacht. Und er hatte erwähnt, dass sein Onkel hinter dem Leitner-Hof her war.

Jetzt war es geschehen. Der Strumberger hatte gesiegt.

„Hat er seine Finger mit im Spiel, dass wir aufgeben müssen?“, fragte sie leise.