Beschädigte Ware - Tanja Kaiser - E-Book

Beschädigte Ware E-Book

Tanja Kaiser

0,0

Beschreibung

Lottchen hat die Schnauze voll. Mit über dreißig, immer noch Single und genervt von Männern, die bei ihrem Namen in Lachkrämpfe ausbrechen, reicht's ihr endgültig. Sie hat keine Lust mehr auf blöde Sprüche, mitleidige Blicke und Dating-Desaster. Warum also weiter auf den "Richtigen" warten, wenn man das Schicksal selbst in die Hand nehmen kann? Lottchen plant das Undenkbare: eine arrangierte Hochzeit mit einem völlig Fremden. Keine Flirts, keine Kompromisse – und vor allem keine Chance für den Kerl, sich aus dem Staub zu machen. Doch was als Trotzreaktion beginnt, entwickelt sich zu einem gewagten Spiel mit ungewissem Ausgang. Wird Lottchen den Spieß wirklich umdrehen oder rennt sie kopfüber in die größte Katastrophe ihres Lebens? Eine bissige und erfrischend unkonventionelle Geschichte über die Macht der Entscheidung und die Frage, was am Ende wirklich zählt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 387

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kapitel 1:
Kapitel 2:
Kapitel 3:
Kapitel 4:
Kapitel 5:
Kapitel 6:
Kapitel 7:
Kapitel 8:
Kapitel 9:
Kapitel 10:
Kapitel 11:
Kapitel 12:
Kapitel 13:
Kapitel 14:
Kapitel 15:
Kapitel 16:
Kapitel 18:
Kapitel 19:
Kapitel 20:
Kapitel 21:
Kapitel 22:
Kapitel 23:
Kapitel 24:
Kapitel 25:
Kapitel 26:
Kapitel 27:
Kapitel 28:
Kapitel 29:
Kapitel 30:
Kapitel 31:
Kapitel 32:
Kapitel 33:
Nachwort:

Kapitel 1:

„Nicht wirklich, oder?!“

Ich schloss die Augen und dachte darüber nach, ob das Verschwinden im nächsten Mülleimer nicht doch eine überlegenswerte Option sein würde.

„Doch, ist leider so.“

Der gutaussehende Mann mir gegenüber prustete auf der Stelle los und ich fühlte, wie rote Hitze in meine Wangen schoss. Bis vor dreißig Sekunden hatte ich, wie so viele Male vorher, eigentlich ein gutes Gefühl bei diesem Date gehabt. Bis die unweigerliche Frage kam, nach der dann alles den Bach herunter ging.

Selbst mit über dreißig, als erwachsene, erfolgreiche Frau, wurde diese ewig wiederkehrende Situation einfach nicht weniger unangenehm. Und natürlich auch nicht das kleinste Bisschen weniger peinlich.

Nervös rieb ich meine Hände über die Außenseite meiner Schenkel, aber natürlich half auch das nichts.

„Das ist... irgendwie niedlich!?“

Er sah mich mit großen Augen an und ich spürte sofort, dass er jeden Respekt vor mir verloren hatte. So war das immer.

Männer sprachen mich an, sie interessierten sich für mich, und sobald sie mich nach meinem Namen fragten, nahm das Unglück seinen Lauf.

Die noch eben existierende Spannung löste sich sofort auf, jede Anziehung schien verpufft und verflogen, und praktisch immer begann dann der Teil des Gespräches, in dem ich mich fühlte, als würde der Mann gegenüber mit einer Kleinkindversion von mir sprechen.

Manchmal hatte ich sie meinen Namen raten lassen, um die unangenehme Situation hinauszuzögern, aber nie hatte das wirklich lange funktioniert.

Ich hatte versucht, mit meinem Namen zu kokettieren, hatte ihnen sogar erlaubt, mir jeden Namen zu geben, der ihnen in der Situation angemessen erschien. Für einen Abend war ich dann Greta gewesen, Susanne oder Isabell.

Für einen Abend hatte ich getan, als sei das Erraten meines Namens ein Spiel oder eben ein Geheimnis, welches es zu lüften galt.

Auf Dauer hatte das natürlich nie gegriffen, nicht mal für eine zweite Verabredung, und jedes Mal wurde es dann erst richtig peinlich.

All die guten Männer, die vielleicht tatsächlich die Richtigen gewesen wären, verwandelten sich in panisch flüchtende Gestalten. Der ein oder andere war sogar sauer, er fühlte sich um seinen Sieg betrogen, und irgendwie verstand ich es auch.

Die Welt in der ich mich bewegte, erforderte Perfektion. Man suchte nach einer perfekten Frau, mit gut sitzenden Haaren und einer guten Figur, die man stolz neben sich präsentieren konnte.

Ein Lottchen, gehörte nicht in diese Kategorie.

Wann immer ich also einen Mann getroffen, und man sich gegenseitig als gut befunden hatte, hatte ich augenblicklich begonnen, alles zu geben.

Besonders aufmerksam, übermäßig bemüht, verständnisvoll, interessant zu sein, alles.

Alles, damit mein Name am Ende nicht der entscheidende Punkt war.

Früher oder später musste ich ihn jedoch aussprechen, und praktisch immer war die Situation danach gekippt. Wo vor Sekunden noch ein Hauch von Spannung gewesen war, wo vielleicht sogar echte Anziehung zu fühlen war, tötete mein Vorname jede auch noch so kleine Empfindung. Er überlagerte jede erotische Anziehung, jedes vorher klug gesprochene Wort, jeden vorher erreichten Sieg.

Es kam mir vor, als würde das Aussprechen meines Namens die Situation sofort an ihren Nullpunkt zurücksetzen, und als hätte ich keine Chance dazu, dagegen irgendetwas zu tun.

„Niedlich“ war dabei noch eine der netteren Bezeichnungen, viel öfter hörte ich Worte wie „bescheuert“, „furchtbar“, oder auch ein mitleidiges „du Arme...“.

Ja, ich war arm. Ich tat mir selbst leid, weil dieser Vorname eine echte Strafe war.

Noch immer konnte ich einfach nicht verstehen, was meine Eltern sich dabei gedacht hatten.

„Nicht niedlich, aber steht so in meinem Personalausweis.“

Ich versuchte, stark zu bleiben, nicht wieder in die übliche Panik zu verfallen, und dabei irgendwie noch so eloquent zu wirken, wie ich im realen Leben eigentlich war.

„Ich dachte im ersten Moment, es sei vielleicht ein Spitzname, eine Verniedlichung, aber da steht wirklich Lottchen?“

Der Mann legte den Kopf schief, als könne er noch immer nicht fassen, dass ich tatsächlich eine solche Niederlage sein könnte.

„Ja, wirklich. Nicht Charlotte, nicht Lotte, dort steht Lottchen.“

Automatisch griff ich nach meiner Tasche, aber stoppte die Bewegung nach der Hälfte des Weges.

Warum tat ich das bloß immer? Warum zückte ich jedes Mal sofort meine Geldbörse, und hielt den Menschen meinen Ausweis unter die Nase? Es gab absolut keinen Grund, warum ich immer sofort in Erklärungshaltung ging, und einen Beweis musste ich im Grunde wirklich nicht dafür antreten.

Der Name war doof, keine Frage.

Vermutlich war auch meine Reaktion auf die immer gleiche Überraschung meines Gegenübers doof, aber die vielen Niederlagen und mein lebenslanges Laster mit dem Namen, hatten mich einfach total unsicher gemacht.

Aber er war meiner, und ich konnte nichts daran ändern. Trotzdem fühlte ich mich irgendwie gezwungen, den Beweis für die reale Existenz auf Papier vorzuweisen, denn immerhin glaubte eine nicht kleine Menge von Männern, an einem dummen Scherz.

Sie glaubten, ich würde sie nicht ernst nehmen, und mir deshalb einen dummen Namen geben, was natürlich nie der Fall war.

„Lottchen... Was haben deine Eltern sich dabei bloß gedacht?“

Er schüttelte noch immer grinsend den Kopf, und in meinem eigenen formten sich die schon tausendfach gedachten Gedanken.

Nichts. Sie haben sich absolut nichts dabei gedacht.

Vermutlich hatten sie das winzige rosa Baby nach meiner Geburt in dem kleinen Bettchen liegen sehen, und dabei gedacht: „Da ist sie, unser kleines Lottchen.“

Zu einem pummeligen rosa Baby passte das ja auch irgendwie.

Dass Lottchen jedoch irgendwann erwachsen werden, studieren und einen guten Job erhalten würde, darüber wohl nicht.

Warum sie nicht wenigstens in meiner Geburtsurkunde etwas Anständiges hatten eintragen lassen, hatten sie mir nie wirklich erklären können. Ich hätte ja ihr Lottchen sein können, das wäre doch gar nicht das Problem gewesen, aber nur zu gerne, wäre ich in meinem erwachsenen Leben eine Charlotte gewesen.

Als eine Charlotte hätte ich leben und arbeiten können, niemand hätte es hinterfragt oder dumm gefunden, und für meine Eltern hätte ich für immer ihr Lottchen sein können.

Aber nein, sie hatten es anderes gehandhabt, ohne zu ahnen, was dieser bescheuerte Name für mich bedeuten würde.

Ein Lottchen zu sein, war in meiner Kindheit völlig in Ordnung gewesen. Ein Lottchen kam überall gut an, alle fanden das kleine blonde Mädchen zuckersüß, und niemand hinterfragte es.

Später, zu Schulzeiten, änderte sich das. Spätestens mit vierzehn hatte ich angefangen, den Namen zutiefst zu hassen.

Die anderen Jugendlichen zogen mich auf, machten sich über mich lustig, und ich hatte begonnen, mich als „Lotte“ vorzustellen. Lotte war auch nicht gerade toll, aber immer noch besser als das kleinkindliche Lottchen.

Funktioniert hat das nur so mittelgut, meine Eltern weigerten sich strickt, die selbstgewählte Namensänderung zu akzeptieren.

Für meine Eltern grenze das an Verleumdung, etwas, dass man einfach nicht tat, und bei jeder Gelegenheit betonten sie, dass sie eine Umformung meines Namens auf keinen Fall akzeptieren würden.

Als Erwachsene dann, also nach meinem Studium und meinem Eintritt in die Arbeitswelt, wurde es dann so richtig schlimm. Selbst bei Bewerbungen hatte ich das Gefühl, dass die Menschen mich als grenzdebil einstuften.

Mehr als einmal hatte ich sogar den Eindruck, dass meine Bewerbung auf den „Absagen“ Stapel gelegt worden war, ohne das jemand sie im ganzen gelesen hatte.

An meinen Qualifikationen konnte es unmöglich liegen, aber ich verstand es. Der Name war eine Strafe, eine von der ganz bösartigen Art, und ich hatte sie zu tragen.

Auch ich hätte über ein Lottchen gelacht, wenn ich eine solche Bewerbung in der Hand gehalten hätte, und auch ich konnte mir nicht vorstellen, wie sich ein Lottchen in der harten Welt der Medienbranche würde durchsetzten wollen.

Während andere neben mir davon träumten, dass ihr Name irgendwann in eleganten Lettern auf der Glastüre eines Büros glänzten, war das mein größter Alptraum.

Sicherlich sahen auch Firmenchefs das so, alleine schon die Vorstellung diesen Namen als Aushängeschild zu nennen, kam selbst mir äußerst dämlich vor.

Erfolgreiche Frauen hatten andere Namen, sie hießen Susanne oder Maria, Namen die eloquent und edel klangen.

Jede Situation, in der mein Name irgendwo stand oder prangte, war für mich der Inbegriff von Peinlichkeit.

Am Telefon wurde er hinterfragt, potenzielle Arbeitgeber fragten bei Gesprächen als erstes nach dem ungewöhnlichen Namen, und später stolperte ich immer wieder über andere Mitmenschen, die meinen Vornamen für einen schlechten Witz hielten.

Und dann noch die Männer.

Wann immer ich Männer traf, die eventuell für mich in Frage kamen, scheiterte es an diesem Namen.

Aber wer wollte schon in einer erotischen Situation etwas hauchen wie: „Oh, Lottchen...“?

„Ich glaube, meine Eltern waren sich der Tragweite dieser Entscheidung damals nicht bewusst.“

Ich sah auf den schicken Mann im grauen Anzug, und wusste schon jetzt: Er wollte kein Lottchen in seinem Leben.

Keiner von ihnen wollte das. Männer wie er kalkulierten Dinge, sie dachten darüber nach, wie die Frau an ihrer Seite auf andere wirkte.

Vermutlich tat er es auch gerade, auch wenn wir uns erst vor weniger als einer halben Stunde kennengelernt hatten. Er dachte darüber nach, wie er mich seinen Freunden oder Geschäftspartnern vorstellen würde, und dass „Lottchen“ dabei keinen besonders guten Eindruck machen würde.

Nach dieser Formel hatte er mich ausgesucht, darüber war ich mir im Klaren. Er hatte den Raum gescannt, aus der Masse der anwesenden Frauen mich gewählt, weil mein dunkelblauer Rock und die weiße Bluse edel und chic wirkten. Weil meine Haare perfekte Locken bildeten, und mein Make-up unaufdringlich elegant wirkte.

Deshalb hatte er mich gewählt, obwohl auf dieser Fortbildung der Frauenanteil bei 60% lag. Sicherlich hatte er darüber nachgedacht, dass ich mich gut neben ihm machen würde. Dass meine schlichte Eleganz die perfekte Fortsetzung zu seiner war, und dass ich mich perfekt neben ihm einfügen würde.

„Das ist... ausgesprochen ungewöhnlich.“

Er blickte über meine Schulter hinweg in die Menge, und ich sah wie die Möglichkeit tanzend in einem Samba-Röckchen aus der Türe verschwand. So war es immer, oder zumindest immer wieder.

Ab jetzt würde er höflich bleiben, vielleicht sogar mit mir Lachen, aber mehr nicht. Wenn ich es darauf anlegte, würde er sicher auch die Nacht mit mir verbringen, und sich am nächsten Morgen unauffällig aus dem Hotelzimmer verkrümeln, nur um einer peinlichen Situation aus dem Weg zu gehen.

Auch das kannte ich, so manches Mal hatte ich auf diese Art versucht, die Männer doch noch von meinen Qualitäten zu überzeugen, aber funktioniert hatte es nie.

In dem Moment, wo sie mich wie ein neues Puzzleteil versucht hatten, in das unvollständige Puzzle ihres Lebens zu legen, und feststellten, dass ich dort nirgends so wirklich reinpasste, war es vorbei.

Auch bei dem Mann im Anzug war es so, er hatte seine Entscheidung getroffen, und ich würde nichts daran ändern können.

Er hatte mich aussortiert, wie man ein schlecht sitzendes Hemd zurück an den Ständer hing, und keinesfalls würde er ein zweites Mal danach greifen.

Kapitel 2:

Das Erlebnis mit dem Mann im Anzug hatte mich tief getroffen. Wieder einmal.

Es gab sie vielleicht, die Frauen und Männer, die über diesen Dingen standen, aber ich gehörte eindeutig nicht dazu.

Abgewiesen zu werden war immer schlimm, aber abgewiesen zu werden, ohne tatsächlich etwas dafür zu können, schien mir mit zunehmendem Alter immer unerträglicher.

Mit jedem Witz, jeder Lächerlichkeit, jedem dummen Spruch über meinen Namen, wurde es schlimmer. Ich merkte selbst, dass ich mich mehr und mehr zurückzog, immer mehr an mir selbst zweifelte.

Auch wenn ich mich lange Zeit bemüht hatte, gelang es mir immer weniger, die Fassade von Gleichgültigkeit aufrecht zu erhalten.

Viele Jahre hatte ich versucht, die Reaktionen zu ignorieren, mir einfach nichts anmerken zu lassen, aber es gelang mir einfach nicht mehr.

Schon vor Jahren hatte ich aufgehört, von mir aus Männer anzusprechen, und jedes Mal, wenn ein Mann mich ansprach, verfiel ich sofort in Panik.

Da man seinen Namen im Allgemeinen ziemlich früh preisgab, hatte ich bei kaum einer Begegnung überhaupt die Chance, mit meinen sonstigen Qualitäten zu punkten. Bevor überhaupt einer merkte, dass ich vielleicht ansonsten ein ganz passabler Fang sein könnte, hatte mein Name ihre Meinung über mich schon in ihr Gehirn eingebrannt.

Auch bei dem Mann im Anzug war es so gewesen, denn er hatte sich nur Minuten nach meiner Offenbarung aus meinem Leben komplementiert. Nachdem er sich in der Menge umgesehen, und sich ein neues Opfer ausgesucht hatte, hatte ich mich für ihn in Rauch aufgelöst.

Er hatte zwar mit mir gesprochen, aber seine Augen hatten auf einer Frau am anderen Ende des Raums gehaftet. In dem Moment, in dem sie seinen Blick aufgefangen und diesen erwidert hatte, war ich raus aus der Sache gewesen.

Mister Anzug hatte sich entschuldigt, sein leeres Glas neben mir abgestellt, und war fluchtartig zu ihr gestapft.

Ich blieb zurück, wie so viele Male zuvor, und hatte meine Eltern in jeder mir bekannten Sprache verflucht.

Wie also sollte jemand wie ich, den passenden Mann für eine längerfristige Beziehung treffen? Wenn ich doch gar nicht die Chance hatte, überhaupt bis zu einem echten Kennenlernen zu kommen?

Mein ganzes Leben lang schon war das die Krux, deren Lösung ich einfach nicht kannte.

Natürlich hatte es Männer gegeben, manche sogar etwas länger, aber immer hatte Lottchen mir im Weg gestanden.

Lottchen war Lottchen, eher mehr als weniger und egal, wie sehr ich mich auch bemühte, immer war ich es, die am Ende dem Spot sämtlicher Menschen ausgesetzt war.

Ich hatte so manchen Mann aus meinem Freundeskreis probiert, was nicht immer die beste Idee gewesen war, denn eigentlich wollte ich einen Ehemann und keinen guten Freund.

Ich sehnte mich nach Romantik, jemanden, den man traf und in den man sich verliebte, nicht jemanden, der schon lange einfach nur in meinem Leben war, und dann zu einer Beziehung wurde.

Es sollte niemand sein, den ich schon ewig kannte. Ich wollte den perfekten Mann, der zu mir in und in mein Leben passte, und für den mein Name kein Problem darstellte.

Weil er, verdammt nochmal mal, über diesem Namen stand.

All diese Freunde-Männer waren in Ordnung gewesen, sie waren Etappen in meinem Leben gewesen, aber für die große Liebe reichten sie einfach nicht.

Aber es hatte keinen Knall, kein großes rosa Herz, keine große Liebe gegeben.

All diese Freunde-Männer, hatten sich aus meinem Namen nichts gemacht, weil sie wussten, dass ich trotzdem ein guter Mensch war. Sie hatten darüber hinweggeblickt, aber immer hatte ich gemerkt, dass selbst sie sich in manchen Situationen für mich mit schämten.

Sie sagten es nicht, jedenfalls nicht in meiner Anwesenheit, aber keiner von ihnen, hatte mich je vor seinen Freunden mit meinem Namen vorgestellt. Dieser besondere Moment war immer mir vorbehalten, inklusive der Lacher, oder der peinlichen Stille, die darauf folgte.

Warum kein fremder Mann dazu in der Lage war, einfach den bescheuerten Namen auszublenden, verstand ich einfach nicht. Was sagte ein Name schon über einen Menschen aus?

Konnte man jemanden wirklich, aufgrund eines Vornamens, in eine Schublade stecken, und traf diese auch zwangsläufig auf ihn zu?

Waren Kevin und Chantal immer Menschen zweiter Klasse?

Und was war dann ich? In welche Schublade steckten sie dann mich?

Noch vor Jahren hatte ich versucht, die Schublade meines Namens selbst zu finden. War Lottchen die ewige Kindfrau, deren naive Kindlichkeit vielleicht am Ende jemanden ansprach?

Ich hatte versucht, diese Frau zu sein, hatte mich selbst zurückgenommen, weniger geredet, öfter gekichert. Gefühlt hatte ich mich damit schlecht, denn die Gespräche langweilten mich zu Tode. Ich wollte nicht naiv sein, das wurde mir schnell klar, und ein ewiges Kind zu sein, hatte mich auf Dauer angestrengt, woraufhin ich den Plan schnell verworfen hatte.

Auch alle anderen Versuche, herauszufinden wer Lottchen wirklich war, scheiterten schon nach kurzer Zeit, denn immer wieder stellte ich fest, dass es zwischen mir und dem Namen, einfach keine Parallelen gab.

Ich war weder kindlich, jedenfalls hoffte ich das, noch der minderjährige Traum irgendwelcher alternder Playboys, und eigentlich wollte ich ja auch etwas ganz Anderes. Ich wollte einen normalen Mann, jemandem der mit mir auf einer Stufe der Entwicklung stand, und der seine Lebensziele ebenso ehrgeizig verfolgte wie ich.

Immer wieder sprach ich mit meiner Mutter darüber, die für all das wenig Verständnis hatte.

„Wenn dich einer wirklich mag, dann macht er sich aus solchen Dingen wie Namen nichts“, pflegte sie dann zu sagen.

Leider sagte den Männern das nur niemand, und genau deshalb war ich noch immer alleine.

Was mir dabei am meisten Sorgen machte, war die Tatsache, dass auch ich nicht jünger wurde. Jeder Tag mehr in meinem Leben, in dem ich eigentlich hätte schon längst verheiratet sein sollen, war eine echte Qual.

Es war noch nicht einmal so, dass meine biologische Uhr mir die Hölle heiß machte, vielmehr sah ich all die anderen Paare um mich, und sorgte mich um meinen Lebensabend.

Was, wenn ich einfach niemanden fand? Würde ich dann alt und einsam sterben?

Würde ich als ewige Junggesellin sterben, nur weil meine Eltern einen Fehler gemacht hatten?

Ich hatte vieles ausprobiert, von Internet bis zu Singlebörsen, aber nichts hatte so richtig funktioniert.

Natürlich konnte man im Internet seinen echten Namen verschweigen, Männer bis zu einem gewissen Grad kennenlernen, aber irgendwann folgte dann immer die Frage nach dem ersten Treffen. Sofort geriet ich erneut in Panik, suchte Ausflüchte und Ausreden, und meistens gaben die Männer dann irgendwann auf.

Viele der Männer waren auch Schall und Rauch, gaben vor, jemand anderer zu sein, und so jemanden wollte ich natürlich auch nicht.

Bei den öffentlichen Singe-Veranstaltungen hatte es nur Trottel gegeben, und praktisch nie war ich dort einem Mann begegnet, der auch nur halbwegs in für mich in Frage kommen würde.

Auf manchen dieser Veranstaltungen war ich mir vorgekommen, wie Ware über dem Verfallsdatum, auf anderen, wie Frischfleisch in der Auslage eines Geschäftes.

Beides hatte sich nicht gut angefühlt, beides hatte mich runtergezogen, woraufhin ich meine Suche einfach komplett eingestellt hatte.

Bei genauerer Betrachtung war meine Hürde vielleicht nicht nur mein Name, sondern auch die Tatsache, dass ich jemanden wollte, der den gleichen Weg ging.

Vielleicht hätte sich ein Dachdecker oder Klempner aus einem Lottchen nichts gemacht, vielleicht hätte so jemand nicht mal mit der Wimper gezuckt, aber diese Sorte Mann kam für mich nicht Frage.

Erfolgreich sollte er sein, vielleicht auch etwas überheblich, und auf jeden Fall musste er finanziell mit mir auf einer Ebene sein.

Auch dass hatten meine Eltern bei meiner Geburt nicht bedacht, da war ich mir sicher. Meine Eltern, beide einfache Arbeiter, hatten vermutlich geglaubt, ich würde enden wie sie.

Dass ich irgendwann in der Nahrungskette über ihnen, und vermutlich auch dem Durchschnitt, enden würde, hatten sie vermutlich nie in Betracht gezogen.

Auf dem Dorf war Lottchen eben Lottchen, sie hätte beim Bäcker arbeiten können, oder vielleicht als Arzthelferin, aber das war einfach nicht ich.

Früh schon hatte ich Erfolg gewollt, und jedes andere Bedürfnis dahinter zurückgestellt. Ich hatte mich angestrengt, sehr viel mehr als alle meine Kindheitsfreunde, aber anstatt sich darüber zu freuen, hatten meine Eltern meinen Weg mehr als misstrauisch und besorgt beäugt.

Für sie waren es fremde Welten, und für meine Mutter ergab es absolut keinen Sinn, in der Woche 60 Stunden zu arbeiten, um dann am Wochenende todmüde auf der Couch zu liegen.

In der Welt meiner Mutter, und vermutlich auch in der Welt der anderen Dorfbewohner, war ich nicht ganz bei Trost.

Für sie galt noch immer: Frauen gehörten an den Herd, zu ihrem Mann und ihren Kindern.

Lange hatten diese Dinge für mich keine Rolle gespielt, Kinder waren Lichtjahre weit entfernt gewesen, und an heiraten hatte ich ebenfalls keinen Gedanken verschwendet.

Erst ab dreißig, als alle Menschen um mich begannen, Zukunftspläne zu verwirklichen, wurde auch mir klar, dass ich irgendetwas falsch gemacht hatte.

Ich hatte alles erreicht, was es aktuell zu erreichen gab, und war trotzdem einsam.

Immer hatte ich geglaubt, irgendwann würde einer kommen, der sich auf der Stelle und den ersten Blick verlieben, und der mich gar nicht erst nach meinem Namen fragen würde.

Passiert war das allerdings nie, und auch mir war das einfach nie passiert.

Ich verliebte mich nicht Hals über Kopf, ich war misstrauisch und vorsichtig, und auch das machte es nicht einfacher.

In den Märchen meiner Kindheit hatte es anders ausgesehen, ich war sicher gewesen, dass ich mit Ende zwanzig all diese Dinge schon längst erreicht haben würde, aber immer mehr kristallisierte sich heraus, dass es das alles für mich vielleicht nie geben würde.

Als Kind glaubte man, dass diese Dinge einfach passierten. Das der Mann, das Haus, das Kind, der Hund, einfach irgendwann automatisch kommen. Wie kompliziert es tatsächlich war, jemanden zu finden, der auch wirklich zu einem passte, konnte man einfach nicht wissen.

Jetzt, in meinem Alter, sah man die Sache klarer. Wann immer ein Mann zu passen schien, passte irgendwas an ihm dann doch nicht. Sie schleppten Altlasten, Probleme und Vorurteile mit sich, und man hatte einfach keine Chance, diesen entgegenzutreten. Schon gar nicht wenn man Lottchen war, die man einfach nicht ernstnehmen konnte.

Kapitel 3:

„... und dann ist er zu ihr gegangen!“

Empört schlug ich mit der Hand auf den Holztisch vor mir, und die Kellnerin sah alarmiert zu mir. Sofort hörte ich auf, und sah in Sarahs große Augen.

„Schon wieder?“

Sie klimperte zwei Mal, und ich sah, dass sie ein Lachen nur mühsam unterdrückte.

„Das ist nicht witzig! Überhaupt nicht!“

Sie hielt sich die Hand vor den Mund, und bemühte sich ernst zu bleiben, was ihr nur mäßig gelang.

„Doch, irgendwie schon. Hast du jemals darüber nachgedacht, dass es vielleicht gar nicht dein Name ist, sondern das Theater, was du darum machst?“

Sie klimperte erneut, und ich fühlte die Wut heiß und stechend in mir aufsteigen. Sie nahm mich und meine Probleme nicht ernst, was mich jedes Mal aufs Neue auf die Palme brachte. Niemand verstand mich, keiner steckte in meiner Haut!

Sarah, deren Name verheißungsvoll und sexy war, konnte meine Probleme einfach nicht verstehen.

Sie, über die man als „die Sarah“ sprach, während mir nur „das Lottchen“ blieb, weil man mir noch nicht mal einen vernünftigen Artikel gönnte.

„Ich mache überhaupt kein Drama draus! Die Männer machen sich über mich lustig!“

Meine Hand war in Versuchung erneut auf die Tischplatte zu hauen, aber ich hielt sie zurück. Stattdessen hob ich die Tasse heißen Kaffees an meine Lippen und sog zur Beruhigung den Duft ein.

Kaffee war mein Freund, er tröstete, und wertete einfach nicht.

„Kein Drama? Das sehe ich anders. Jedes Mal wirst du rot, fängst an zu stottern, und machst einen Tanz darum. Das ist nicht sexy, Lottchen. Wenn du ihn einfach genannt hättest, und danach normal weitergesprochen hättest, wäre ihm das vielleicht gar nicht so aufgefallen. Wenn er für dich normal wäre, wäre er es auch für alle anderen.“

Ich hob eine Augenbraue und überlegte ob vielleicht in Funken Wahrheit in ihren Worten lag. Sicherlich reagierte ich nicht gerade entspannt auf die Frage nach meinem Namen, aber war die Lösung tatsächlich so einfach? Reichte es tatsächlich, das Problem einfach nur zu übergehen?

Natürlich hatte ich auch das in der Vergangenheit schon versucht, hatte krampfhaft versucht, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, aber auch das hatte nicht funktioniert. Die Menschen hakten nach, ließen mich einfach nicht damit in Ruhe, egal wie sehr ich mich bemühte.

Ich musste allerdings zugeben, dass all meine Versuche panischer Natur gewesen waren, und daher auch alles andere als unauffällig. Es war mir in all den Jahren nicht gelungen, die Aufregung so zu unterdrücken, dass mein Gegenüber sie nicht wahrnahm.

„Ich weiß nicht. Ehrlichgesagt glaube ich nicht, dass ich einfach so tun kann, als wäre das normal.“

„Das ist dein Problem, meine Liebe. Du bist das Problem, nicht die Männer. Wenn du so souverän in solchen Gesprächen wärst, wie du es bei deiner Arbeit bist, dann würden wir dieses Gespräch gar nicht führen.“

Auch das konnte stimmen. Änderte aber am Problem recht wenig.

Ich konnte einfach nicht darüber hinwegsehen, und der passende Mann begegnete mir ja auch nicht wirklich. Dass ich jemals gelassen reagieren konnte, wenn wieder Mal jemand sich vor Lachen fast auf den Boden warf, lag außerhalb meiner Vorstellungskraft.

„Wie findet man den bloß jemanden, der zu einem passt? Trotz allem?“

Tatsächlich war die Partnersuche ohnehin schon eine komplizierte Sache, auch ohne ein Lottchen zu sein, und für mich eine absolut unüberwindbare Hürde.

Die guten Männer waren meist weg vom Markt, der Rest hatte selbst eine Wagenladung Probleme, und was danach noch übrig blieb, war selbst für jemandem mit meinem Verzweiflungsgrad indiskutabel. Auch hatten sie Altlasten, Exfrauen und Kinder, und auch das stellte ich mir äußerst kompliziert vor.

„Hast du mal darüber nachgedacht, dass in die Hände von Profis zu legen?“

Sie knabberte an dem winzigen Keks, der eben noch auf dem Unterteller vor ihr gelegen hatte. Dass sie das tat, wunderte mich. Sarah aß praktisch nie Zucker, sie lebte nach einem strickten Diätplan, und konnte daher mit einem traumhaften Körper punkten.

Wir waren seit Jahren befreundet, arbeiteten in der gleichen Firma, und ich bewunderte sie für ihre Disziplin. Im Gegensatz zu mir, hatte sie jede Kontrolle über sich selbst und ihr Leben. Ich hingegen kontrollierte nur meine Arbeit, und war in meinen Privatleben ein praktisch hoffnungsloser Fall.

Alles was nicht direkt mit meiner Arbeit in Verbindung stand, vernachlässigte ich. Sport war mir ein graus, viel lieber arbeitete ich, und auch gesunde Ernährung, gehörte sicher nicht zu meinen Stärken.

Mein Sportprogramm sah mager aus, auch wenn ich immer wieder versuchte, mich selbst dazu zu zwingen, während Sarah jeden Morgen Kilometer weit joggte. Vor der Arbeit, während ich mich gerade in meinem Bett von der einen auf die andere Seite rollte.

„Was meinst du damit?“

„Es gibt doch solche Agenturen, die sich für dich auf die Suche machen. Sie suchen für dich den perfekten Mann, aufgrund der Angaben, die du dort machst.“

Eine Partnervermittlung? Ich grübelte darüber nach, ob das tatsächlich ihr ernst war. Partnervermittlungen schienen mir angestaubt, irgendwie unseriös und keinesfalls eine echte Option zu sein.

Partneragenturen waren etwas für wirklich hoffnungslose Fälle, und vermutlich würde man dabei an einen ebenso hoffnungslosen Fall geraten.

„Das ist doch... irgendwie armselig?“

„Wieso? Anstatt selbst zu suchen, übernehmen das die Profis. Du musst dich nicht fragen, ob der Mann dir etwas vormacht, oder ob eure Interessen sich decken. Das übernehmen dann andere für dich. Und der potentielle Mann wird sich aus deinem Namen vielleicht viel weniger machen, weil er ebenfalls weiß, dass ihr im Grunde sehr gut zusammenpasst. Es werden einfach zwei Menschen zusammengebracht, deren Ziel das Gleiche ist. Was soll daran schlimm sein?“

Da war was dran. Irgendwie.

Eigentlich beschrieb das alles, was auch ich mir wünschte, und vielleicht würden auch andere Menschen das so sehen.

„Meinst du wirklich? Kennst du jemanden, der sowas schon mal ausprobiert hat?“

Sie schüttelte die dunklen Locken und legte den Keks zurück auf den Teller. Tatsächlich hatte sie nur die Hälfte des ohnehin kaum münzgroßen Teils gegessen, und mein Innerstes applaudierte ihr für diese Selbstdisziplin. Ich an ihrer Stelle hätte das Ding sofort im Ganzen in den Mund gesteckt, und keine Sekunde über die damit verbundenen Kalorien nachgedacht.

In solchen Dingen war ich einfach schlecht, und ich quälte mich stattdessen in meiner wenigen Freizeit mit Sport, um dieses Defizit wieder auszugleichen, obwohl ich es hasste.

„Nein, nicht wirklich. Aber ich hab eine Doku darüber im Fernsehen gesehen. Da hat es funktioniert, zumindest in den meisten Fällen.“

„Wirklich? Was waren das für Leute?“

Sie zuckte mit den Schultern und die Vorstellung kam mir selbst nicht mehr so absurd vor.

„Ganz Normale, wie du und ich. Leute mit wenig Zeit, die einfach die Schnauze voll hatten, jedes Wochenende auf die Suche zu gehen. Es waren auch ein paar komische dabei, so Freaks und so, aber die meisten schienen mir völlig normal.“

Option. Es war eine Option. Der Gedanke war nicht unangenehm, und tatsächlich konnte so eine Lösung aussehen. Man würde sich keine Gedanken darum machen müssen, ob der Gegenüber andere Ziele verfolgte als man selbst, und man sparrte sich das Abklopfen von gemeinsamen Interessen.

Tatsächlich hatte mich die Suche nach einem Partner viel Zeit gekostet, die ich eigentlich nicht mehr hatte. Andere in meinem Alter waren verheiratet, hatten ihre Ziele schon fast erreicht, und ich war weit entfernt davon.

„Vielleicht versuche ich das wirklich mal...“

Ich fuhr mit dem Finger über den Rand der fast leeren Tasse und hatte innerlich den Entschluss schon gefasst. Es konnte eine Lösung sein, Fachleute mit dem Thema zu betrauen. Wenn der Wasserhahn oder das Auto kaputt waren, tat man das ja auch, und fand das keinesfalls komisch.

Warum also nicht auch die Suche nach dem perfekten Partner, auf diese Art angehen? Was sollte schon passieren? Im Job tat ich ja nichts anderes, ich plante und verglich, und rannte niemals unvorbereitet oder planlos in eine Situation. Was also, wenn ich es auch in dieser Sache nicht tat?

Was also, wenn ich es jemand anderem übergab, den perfekten Partner für mich zu finden, der allen meinen Vorstellungen entsprach?

Der Gedanke war verlockend, das Ganze schien zu einfach, um tatsächlich zu funktionieren.

„Schau doch mal im Internet, du kannst es dir ja mal ansehen, und dann entscheiden.“

Dass Sarah diese Sache so völlig ohne Vorurteile sah, gab mir Mut. Wenn sie es nicht schlimm fand, warum sollte ich es dann?

Auch wenn Sarah eine solche Agentur nicht nötig hatte, weil sie sowohl verheiratet als auch unverschämt glücklich war, sah auch sie den Nutzen darin.

„Weißt du was, dass mache ich auch.“

Zwei Stunden. Ganze zwei Stunden hatte Google mich durch eine endlose Anzahl von Agenturen geschleust, und meine Augen brannten.

Ich hatte die sauteuren Wildleder-Pumps unter den Couchtisch gekickt, die Füße auf das helle Ledersofa gezogen, und ernsthaft versucht, mich auf jede einzelne Seite einzulassen.

Einige kamen mir unseriös vor, andere sprachen mich sofort an. Viele vermittelten Frauen aus dem Ausland, weit mehr, als ich es mir jemals vorgestellt hatte, und mir wurde endgültig klar, dass Einsamkeit in unserer Gesellschaft anscheinend ein riesiges Problem war.

Nicht nur ich war alleine, viele andere waren es auch, aber anstatt mich damit gut zu fühlen, fand ich es eher verstörend.

Woran lag es, dass so viele dort draußen anscheinend einfach niemanden fanden?

Waren die Menschen zu anspruchsvoll? Oder hatten mittlerweile einfach zu viele Leute einfach keine Zeit mehr, sich auf normalen Kanälen jemanden zu suchen?

All die vielen Agenturen und Plattformen konnten einen das Glauben machen, und so langsam bekam ich Angst.

Was, wenn ich selbst hier niemanden finden würde?

Zu den gefühlt 10000 Agenturen, kamen mindestens doppelt so viele Foren und Single-Börsen, die horrende Preise für eine Mitgliedschaft aufriefen, ohne einen wirklichen Erfolg zu garantieren.

Für mich kam das nicht in Frage, mich durch endlose Nachrichten zu kämpfen, darauf war ich nun wirklich nicht aus.

Auch selbst von einem zum anderen Profil zu wandern, um selbst nach dem perfekten Mann zu suchen, war nichts, worauf ich wirklich scharf war. Meine Erfahrungen diesbezüglich waren allesamt ernüchternd gewesen, und daher kam ein erneuter Versuch einfach nicht in Frage.

Also kamen Singlebörsen und dergleichen ganz klar nicht in die engere Auswahl, und es blieben nur die Agenturen.

Ich hatte natürlich als Erstes nach Agenturen in meiner Nähe geforscht, aber nichts wirklich Vertrauenserweckendes gefunden. Alles was ich fand, überzeugte mich nicht wirklich, und auch die Seiten sahen allesamt billig und merkwürdig aus.

Ein wenig kam es mir vor, als würden alle möglichen Leute solche Agenturen gründen, und die meisten sahen aus, als hätte sie jemand an einem einzigen Mittag mit Hilfe von vorgefertigten Texten aus dem Boden gestampft, um am Ende das große Geld zu verdienen.

In der weiteren Suche hatte ich zwei in die engere Wahl genommen, wovon eine tatsächlich ausgesprochen ansprechend war.

Die Betreiber warben mit verschiedenen Konzepten, und tatsächlich kehrte ich am Ende meiner Suche zu einer dieser zurück. Die Seite war in gedeckten Farben gehalten, die Schrift elegant und unaufdringlich, genau so, wie ich selbst mich empfand. Hätte ich so eine Seite gestaltet, hätte sie genau so ausgesehen.

Es gab einige Optionen, begonnen mit arrangierten Dates, Urlauben mit einem Fremden, und endend mit der Ehe.

Wie das funktionieren sollte, hatte ich allerdings nicht verstanden. Hieß das, dass die Ehe am Ende garantiert war?

Ich las den gesamten Text, und verstand erst dann, dass man tatsächlich buchte, einen völlig Fremden zu heiraten.

In blumigen und etwas kitschigen Worten wurde beschrieben, dass ein Team von Fachleuten, den perfekten Partner für einen suchte. Dieser würde alle nur möglichen Kriterien erfüllen, und am Ende die perfekte Ergänzung zu einem selbst sein.

Ja, das klang gut. Auch wenn ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie das aussehen sollte. Ging man zum Standesamt, und sagte einfach zu einer Person „Ja“, die man nie vorher getroffen hatte?

Anscheinend schon.

Ich las weiter, klickte mich von Link zu Link, und las auch alle Berichte von Leuten, die diesen Schritt schon gegangen waren.

Natürlich lobten alle das Prinzip in höchsten Tönen, und auch wenn einige von Anfangsschwierigkeiten berichteten, so waren sie am Ende wohl glücklich geworden.

Einige wenige schrieben so überschwänglich, dass ich kaum glauben konnte, dass die Berichte echt waren. Andere hingegen schienen ehrlicher, und ich las genau diese besonders aufmerksam.

Eine Frau unbekannten Alterns, berichtete von der Begegnung im Standesamt, bei der sie zuerst geschockt von dem für sie ausgesuchten Mann gewesen war. Trotzdem hatte sie beschlossen, es mit ihm zu versuchen, und anscheinend hatte sich das Blatt dann gewandelt. Sie schrieb von tiefer Verbundenheit mit der anderen Person, von gemeinsamen Interessen und davon, dass sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen konnte.

Gab es so etwas auch für mich? Bestand tatsächlich die Chance, dass ich über diesen Weg den perfekten Partner finden konnte?

Erst als ich auch den letzten Bericht bis zum Ende gelesen hatte, wurde mir klar, dass weitere zwei Stunden vergangen waren.

Mehr und mehr fand ich die Idee besser, und klickte daher auf den „Buchen“ Link, gleich neben dem Bericht.

Wow. Ich sah auf die vierstellige Zahl hinter dem Buchungspaket und schluckte. 3000 Euro waren eine Menge Geld, und auch wenn ich es hatte, kam mir die Summe doch unverschämt vor.

3000 Euro für ein glückliches Restleben war allerdings dann nicht mehr ganz so viel, aber würde sich eine solche Investition wirklich lohnen? Und mal ganz abgesehen davon, was würde mein Umfeld sagen, wenn ich einen Fremden heiratete?

Auch darüber hatten Leute in den Berichten geschrieben, und bei den meisten hatte ihr Vorhaben in den Familien und im Freundeskreis Unverständnis verursacht.

Es wunderte mich nicht, auch ich hätte sicherlich so reagiert, wenn irgendjemand aus meinem Umfeld mir eine so verrückte Geschichte erzählt hätte.

Gekaufte Ehen, und um nichts anderes handelte es sich hier, schienen auch für mich absolut unvorstellbar.

Meine Eltern würden ganz sicher keinerlei Verständnis haben, und auch die meisten meiner Freunde nicht.

Wie sollte ich meinen einfachen, eher altbackenen Eltern erklären, dass ich einen völlig Fremden heiratete, den ebenfalls völlig fremde Menschen für mich ausgesucht hatten?

Ich schloss das Fenster und kehrte zurück zur Hauptseite, auf die ich danach minutenlang starrte.

War ich wirklich schon so verzweifelt? Verzweifelt genug, um eine so hohe Summe auszugeben, nur um danach vielleicht einen Idioten zu heiraten?

Wer überhaupt garantierte mir, dass der Mann den ich bekam, auch optisch meinen Ansprüchen entsprach?

Sicherlich konnte man Vorlieben und Parameter angeben, aber würde er dann trotzdem gut aussehen?

Ein großer dunkelhaariger Mann war nicht unbedingt immer ansprechend, ein blonder Surfertyp, nicht zwangsläufig der Traummann. Woran also machten diese Leute das fest?

Woran machten sie fest, dass man sich am Ende auch verliebte?

Wenn ich die Männer meines Lebens im Kopfe durchging, konnte zumindest ich kein festes Muster erkennen, und war daher nicht mal sicher, ob ich so etwas wie einen festen Männertyp überhaupt hatte.

Natürlich konnte man versuchen, völlig offen und ohne Anforderungen an die Optik an diese Sache zu gehen, aber würde das überhaupt funktionieren? Was, wenn der Mann mich so gar nicht anmachte? Was, wenn ich ihn schrecklich fand?

Auch über den Ausweg aus der arrangierten Ehe gab es Informationen, aber wirklich überzeugend waren diese nicht.

Dort stand, dass man frühestens nach drei Monaten das Experiment beenden konnte, und sich verpflichtete, diese Zeit gemeinsam zu verbringen. Nach den ebenfalls arrangierten Flitterwochen auf irgendeiner der warmen Inseln in maximal 4 Stunden Flugnähe, sollte man sofort zusammen in einer Wohnung leben und das Eheleben proben. Das allein machte mir schon angst, denn ich liebte meine eigenen vier Wände über alles.

Auch von Entscheidungen, die am Ende jeder Woche standen, war die Rede, und auch das machte mir Panik. Wenn ich mich jede Woche erneut für oder gegen den Mann entscheiden musste, wie würde das aussehen? Und was war, wenn ich mich für ihn, und er sich gegen mich entschied?

Ich überlegte vielleicht ein Date über die Agentur zu buchen, was deutlich günstiger war, verwarf den Gedanken aber wieder. Dates hatte ich genug gehabt in der Vergangenheit, und was ich wollte, war etwas Anderes.

Ich wollte zu jemandem gehören, endgültig, und einfach nicht weiter suchen.

Auf der rechten Seite sah ich ein Kästchen, in dem für Infomaterial geworben wurde und klickte darauf.

In eleganten Lettern stand dort: „Überzeugen sie sich von unserem Konzept, und fordern sie umfangreiches Informationsmaterial an. Die Anforderung ist ohne Verpflichtungen und ihre Daten werden nicht gespeichert.“

Ja, das klang doch gut.

Ich forderte die Unterlagen an, und nahm mir selbst vor, das Ganze noch nicht völlig abzuschreiben. Wenn die Unterlagen mich überzeugen würden, dann konnte ich noch immer darüber nachdenken.

Wie schon viele Male zuvor in meinem Leben, fragte ich mich auch jetzt, wie die Menschen das früher geregelt hatten.

Heute hatte man die ganze Welt zur Verfügung, und trotzdem fanden so viele kein passendes Gegenstück, obwohl sie so intensiv danach zu suchen schienen.

Noch vor hundert Jahren, wo die Menschen kaum über die Grenzen der eigenen Stadt hinaus gekommen waren, schien dieses Problem nicht existiert zu haben.

Trotzdem wurden Ehen geschlossen, Kinder gezeugt, der Fortbestand der Menschheit gesichert.

Was also hatte sich geändert? Waren die Menschen anspruchsvoller geworden, oder vielleicht auch einfach unzufriedener?

Ich zumindest fand meine Ansprüche nicht überzogen, lediglich nachvollziehbar, und verstand das alles daher überhaupt nicht.

Wo war es, das perfekte Gegenstück? Wenn es einen Plan für diesen Planeten gab, und davon ging ich aus, dann musste es irgendwo dort draußen existieren.

Es musste eben nur ein Weg gefunden werden, um es zu finden.

Kapitel 4:

Der dicke Umschlag lag auf dem Boden vor meiner Wohnungstüre und sofort stellten sich die Haare in meinem Nacken unaufgefordert auf.

Das war es also?

Ich hob ihn auf, er war schwer, und ich wog das dicke Bündel in meiner Hand. In diesem Umschlag sollten sich also die Geheimnisse zum Finden der großen Liebe befinden.

Irgendwie hatte ich mir das alles spektakulärer vorgestellt, zumindest aufwendiger, und keinesfalls hatte ich dabei an einen kotzbraunen Umschlag gedacht.

Aber so sah er eben aus, und darin fühlte ich den Berg an Blättern, der schwer in meiner Hand lag.

Als ich Sarah davon erzählt hatte, konnte sie nicht einmal verstehen, warum ich überhaupt gezögert hatte. Sie fand das ganze Konzept nicht nur plausibel, sondern betonte auch erneut, dass es in einem Fall wie meinem, keinen Weg an Fachleuten vorbei gab.

Natürlich hatte ein Teil von mir sofort verletzt reagiert, weil es sich anhörte, als wäre ich ein hoffnungsloser Fall.

Ich musste allerdings zugeben, dass ich vermutlich in den nächsten Jahren zu einem werden würde, und das galt es auf jeden Fall zu verhindern. Umso älter ich wurde, umso mehr ich mich von meinen Zielen entfernte, umso schlimmer würde es werden.

Jedes Jahr länger alleine würde es schwerer machen, und irgendwann wäre der Zug für die Gründung einer Familie endgültig abgefahren.

Vorbei an mir, die vermutlich einfach auf dem falschen Gleis wartete, und sich darüber einfach nicht im Klaren war.

War also die Agentur tatsächlich die einzige Lösung, um nicht als alte Jungfer zu enden?

Mir selbst einzugestehen, dass ich das Problem alleine ganz sicher nicht lösen würde, tat irgendwie weh. Ich, die ansonsten so patent und lebensfähig war, hatte in Sachen stabiler Beziehung einfach versagt, und brauchte wohl tatsächlich Hilfe.

Allerdings legte ich auch ansonsten meine Belange in die Hände von Fachleuten, begonnen beim Zahnarzt und endend beim Luxus-Frisör, weil ich einfach wert auf Qualität legte. Ich wollte das Beste, also warum nicht auch in dieser Sache?

Sarah hätte, so hatte sie mir äußerst überzeugend klar gemacht, an meiner Stelle, sofort den Al-Inclusive-Vertrag angefordert.

Schon alleine aus lauter Neugier, welchen Mann man wohl für sie aussuchen würde, und um sich jede weitere Verzögerung im Ablauf zu sparen.

Tatsächlich war auch ich darauf neugierig, ich konnte mir so gar nicht vorstellen, wie dieser ausgewählte Jemand denn aussehen und sein sollte. Selbst wenn ich alles angab, was ich unbedingt bei einem Mann suchte, wer wusste schon, ob die Agentur gerade so jemanden auch in ihrer Kartei hatte?

Was, wenn es dort hundert Männer gab, und keiner davon erfüllte all meine Kriterien? Würde ich dann statt der 100% die 60% Lösung bekommen, weil es eben nichts anderes gab?

Und selbst wenn es so war, waren dann nicht die 60% besser, als das Nichts, was ich aktuell vorzuweisen hatte?

Waren dann nicht 60% schon verdammt nah an perfekt?

Was aber, wenn sie die 100% tatsächlich hatten, und für mich reservierten? Was, wenn ich den 100% Mann dann heiratete, und gar nicht damit klar kam?

Sicherlich hatte ich einen Haufen Anforderungen und Wünsche, aber konnte ich diese auch verkraften? Die Wahrscheinlichkeit, dass mich ein so perfekter Mann einschüchtern würde, lag ebenfalls wohl bei 100%.

Und dann noch die Möglichkeit, dass Mister 100% mich nicht mochte. Was, wenn er für mich 100% war, und ich für ihn nur die 60% Lösung, weil es seine 100% nicht gegeben hatten?

War das wirklich, was ich wollte?

Ich drückte das Bündel an meine Brust und öffnete die Türe, denn ich hörte das Klicken im Hausflur über mir.

Keinesfalls wollte ich in diesem besonderen Moment einem meiner nervtötenden Nachbarn begegnen.

Sie alle waren neugierig und einfach ganz anders als ich, und ich ging ihnen, so weit es mir möglich war, aus dem Weg.

Überhaupt vermied ich Kontakte, den diese bedeuteten Verpflichtungen. Jeder Mensch mehr in meinem Leben, hielt mich von der Arbeit ab und kostete Zeit, die ich nicht wirklich hatte. Das Letzte was ich wollte, waren Flurgespräche, Einladungen zu Grillabenden oder Kaffeklatschen, und schon gar nicht wollte ich Teil einer Hausgemeinschaft sein.

Während der Rest der Wohnungseigentümer das eindeutig anders sahen, und jede Gelegenheit von gemeinschaftlichem Leben ergriffen, tat ich das nicht.

Ich beteiligte mich nicht an deren Leben, ich wollte meine Ruhe, und vermutlich fanden alle anderen im Haus mich mehr als grenzwertig.

Auch das war mir egal, ich legte einfach keinen Wert auf Kommunikation zwischen Treppenstufen, beteiligte mich allerdings auch nicht an den Diskussionen über das Laub auf dem Gehweg, oder der nicht abgeschlossenen Kellertür.

Von all diesen Dingen wollte ich weder wissen noch hören, und tatsächlich ließen die anderen mich in Ruhe. Man nickte mir zu, was für mich im Bereich des noch Ertragbaren lag, und ignorierte ansonsten.

Eigentlich mochte ich die Wohnung, sie war riesig groß und hell, und auch das Haus entsprach meinen Ansprüchen im Detail. Flammneu, weiß bis in die letzte Ecke, makellos, genau wie ich es mochte.

Für diese perfekte Wohnung hatte ich die nervigen Nachbarn dann doch in Kauf genommen, und sofort meinen Standpunkt klar gemacht. Nicht mehr Kontakt als unbedingt nötig, keine lächerlich dämlichen Flurgespräche, und schon gar keine Hilfestellung bei irgendetwas meinerseits.

Ich wollte meine Ruhe, mein ruhiges Reich genießen, und alle anderen sollten das akzeptieren.

Kaum hatte ich die Türe geschlossen, hörte ich die Schritte davor.

Sie entfernten sich sofort wieder, was hieß, dass der Verursacher nicht stehen geblieben war. Sehr schön.

Ich trug das dicke Bündel in die Küche und stellte die Kaffeemaschine an, um mich angemessen darauf vorzubereiten. All das Material durchzuarbeiten würde sicher Stunden dauern, aber ich freute mich darauf.

Etwas anzupacken und auf den Weg zu bringen, das lag mir. Es gab mir ein Gefühl von Genugtuung, wenn Dinge endlich angestoßen wurden.

Wenn alles gut lief, und ich ein gutes Gefühl dabei haben würde, dann würde ich eines der Angebote nutzen.

Ein Urlaub kam allerdings nicht in Frage, denn ich verabscheute Urlaub. Nichts zu tun, an irgendeinem Strand herum zu liegen, und dass auch noch mit einem Fremden, hörte sich alles andere als verlockend an.

Schon alleine machte mir das überhaupt keinen Spaß, viel lieber kümmerte ich mich um meinen Erfolg und mein Leben, und auch die Aussicht auf die große Liebe, ließ die Vorstellung nicht deutlich ansprechender aussehen.

Jede Art von Zeitverschwendung war einfach nichts für mich, und Urlaub gehörte eindeutig dazu.

Wann immer ich welchen hatte, wusste ich schon an Tag zwei nichts mehr mit mir anzufangen, und meiste begann ich dann, einfach sinnlos Geld zu verprassen.

Ich ging shoppen, kaufte ein neues Sofa oder eine neue Küche, und wenn es ganz dicke kam, kaufte ich die Wohnung, in der ich gerade wohnte.

So war es zumindest beim letzten Mal gewesen, und so wirklich glücklich war ich im Nachhinein nicht darüber.

Auch wenn ich die Wohnung mochte, so war der Kauf doch unnütz gewesen, und ich ärgerte mich danach, weil ich nicht gleich ein Haus in einer der besseren Gegenden gekauft hatte.

Ein Haus, ja, das wäre die bessere Entscheidung gewesen. Ein Haus war größer und hatte einen Garten, beides Dinge, die mir ganz gut stehen würden.

Stattdessen hatte ich jetzt die Wohnung im Mittelfeld der Wohngegenden, und würde diese früher oder später verkaufen müssen.

Meine zukünftige Familie konnte und sollte nicht in einer Wohnung wachsen, ein Haus musste es schon sein, und ganz sicher sollte es in einer Gegend sein, in der die Menschen waren wie ich.

Die Wohnung zu vermieten kam nicht in Frage, dass Letzte, was ich wollte, war mich um Mieter zu kümmern, also kam nur ein Verkauf in Frage.

Dass ich dabei vermutlich keinen sonderlichen Gewinn machen würde, war selbst mir klar.

Ich hatte weder gehandelt noch über den Preis nachgedacht, und die Bank hatte mir die Finanzierung ohne auch nur eine Frage ermöglicht.

Genau an diesem Punkt war mir klar geworden, dass ich angekommen war. Ich hatte die Art von finanzieller Unabhängigkeit erreicht, auf die ich all die Jahre hingearbeitet hatte. Ohne mir selbst darüber bewusst zu sein, und vor allem, ohne sie wirklich genutzt zu haben. All die Jahre davor hatte ich gearbeitet, vielleicht auch Geld ausgegeben, aber trotzdem immer das Gefühl gehabt, noch nicht angekommen zu sein.