Der schwarze Schwan - Tanja Kaiser - E-Book

Der schwarze Schwan E-Book

Tanja Kaiser

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Beschreibung

Das Wissen kriecht durch deine Glieder. Erst im Hintergrund, dann drängt es sich nach vorne. Eine Ahnung, ein paar Hinweise, nichts Greifbares. Und doch weißt du, dass die Dinge sich ändern und du nur dabei zusehen kannst. Nichts gehört dir ganz, selbst wenn du das glaubst. Und ist es verloren, gibt es keinen Weg mehr zurück. Die Geschichte einer Trennung, wie sie jeden Tag tausendfach passiert.

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Seitenzahl: 35

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Das winzige Glitzern in seinen Augen, dass er selbst mit größter Mühe wohl kaum zu verstecken vermochte.

Ich erkannte es an diesem Abend sofort, genau wie in den ganzen Wochen davor, und hatte so unauffällig wie möglich nach irgendeinem weiteren Hinweis gesucht.

Es war zu einer Obsession geworden, wie eine dieser merkwürdigen Angewohnheiten, die einen selbst verrückt machten, aber gegen die man einfach nichts tun konnte.

War sein Hemd verknittert? Der Kragen beschmutzt oder die Krawatte weniger sorgfältig gebunden?

Meine Augen scannten ihn, fanden jedoch nichts.

Kein fehlender Manschettenknopf, der in Eile vergessen wurde. Nicht mal eine weniger perfekt frisierte Locke seiner dunklen Haare, die an den Schläfen bereits grau geworden waren.

An jedem Abend mit neuerlichem Glanz hatte ich ihn analysiert.

Was auch immer er sagte oder tat, selbst jede Regung seines Gesichtes, hatte ich tief in mir abgespeichert.

Ich hatte geglaubt, ihn zu kennen, aber diese Tage hatten mich eines Besseren belehrt. Ich kannte diesen Mann nicht, jetzt vielleicht, nachdem ich akribisch jede seiner Regungen analysiert und kategorisiert hatte, aber am Ende hatte es mir nur gezeigt, dass mir nichts davon bekannt vorgekommen war.

Obwohl jede seiner Handlungen so banal und alltäglich ausgesehen hatten, war es keine mehr davon, und auch heute schien es mir, als spielte er vor mir ein gut einstudiertes Theater.

Seit vier Wochen ging das nun schon so, und schon eine halbe Stunde vor seiner Ankunft platzierte ich mich auf meinem gewohnten Platz, um bloß keine der ersten Sekunden zu verpassen.

Die Sekunden, in der er von seiner Welt in unsere trat, und meiner Meinung nach den Übergang dazwischen immer schlechter zu schaffen schien.

Er hatte getan, was er immer tat, und tat es auch heute.

Legte sein Jackett über die Lehne des Stuhles, ging zum Kaffeeautomaten, drückte die Taste.

Ich hörte das Klappern der Tasse, selbst das Rieseln der immer gleichen Menge Zucker, die sich vermutlich gerade auf dem Boden der Tasse sammelte.

Bekannte Bewegungen und Handlungen, die ich tausendfach gesehen, gehört und niemals wirklich wahrgenommen hatte.

Ich hatte das Rauschen und Klappern der Maschine gehört, auch dieses schien mir vertraut, aber der Mann davor, von dem ich geglaubt hatte ihn zu kennen, war mir unbekannt.

So viele Jahre gemeinsam, und doch wusste ich ihm Grunde nichts über ihn.

Außer das Glitzern, diesen Glanz, den ich vorher nie gesehen hatte, den kannte ich nun mehr als gut.

Das Glück, von dem ich nicht mal gewusste hatte, dass er es empfinden konnte.

Anfangs hatte ich meine Zweifel, ich war sicher, mein Geist würde mir damit einen bösartigen Streich spielen, aber heute wusste ich es besser.

Ich erinnerte mich mehr als gut an das erste Mal, als ich dieses Strahlen so überraschend entdeckt hatte.

Er war durch die Türe gekommen, zur gleichen Zeit wie an jedem anderen Abend auch, aber ihn umgab eine Aura, die mich sofort hatte aufhorchen lassen.

Der Mann, mit dem ich Jahre Tisch und Bett geteilt hatte, schien aufrechter.

Seine Haltung war eine andere, das Strahlen so hell, dass es den Flur erleuchten zu schien.

Kurz war ich irritiert, schob es aber auf einen besonders guten Tag auf der Arbeit.

Ich fragte nicht danach, freute mich einfach innerlich darüber, und freute mich noch mehr darüber, dass er sich an diesem Abend sogar zu einem längeren Gespräch mit mir hatte hinreißen lassen.

Nur selten passierte das, er schien ständig und immerzu erschöpft von seinen langen Tagen, und wenn ich etwas ganz sicher nicht sein wollte, war es eine weitere Verpflichtung in seinem ohnehin völlig überladenen Alltag.

Ich fragte vielleicht auch nicht danach, weil was auch immer der Grund seines Glückes war, mir an diesem Abend in die Karten gespielt hatte.

Zuwendung, egal aus welchem Grund sie auch auf mich gefallen war, war ein willkommenes Geschenk.

Der kurze Zeitraum ungewohnter Aufmerksamkeit hatte mir gefallen, es war mir egal, was genau der Grund dafür am Ende war, und ich genoss es einfach.

Ich ließ mich fallen in diese wenigen Minuten vor dem zu Bett gehen, zum ersten Mal seit Monaten nicht mit dem Rücken zu ihm, und schlief an diesem Abend mit guten Gedanken ein.

Bis ich es wieder sah.