Beschaffungswesen und Vergabepraxis für Feuerwehr und Rettungsdienst - Michael Lülf - E-Book

Beschaffungswesen und Vergabepraxis für Feuerwehr und Rettungsdienst E-Book

Michael Lülf

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Beschreibung

Feuerwehren und Rettungsdienste haben häufig öffentliche Träger und unterliegen daher bei Beschaffungsmaßnahmen dem deutschen und europäischen Vergaberecht mit seinen Bedingungen und Vorgaben für Auftraggeber wie für Auftragnehmer. Das Buch stellt die Vergabeprozesse der öffentlichen Hand für Feuerwehren und Rettungsdienste systematisch und anwenderbezogen dar. Die Autoren gehen auf die verschiedenen Vergabearten und Schwellenwerte ein und liefern Begründungsstrategien und Lösungsansätze, um Vergaben nach geltendem Recht zielsicher durchzuführen. Praktische Beispiele aus echten Leistungsverzeichnissen und Vergaben veranschaulichen die schrittweisen Abläufe.

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Michael LülfAlexa Jentges

Beschaffungswesen und Vergabepraxis für Feuerwehr und Rettungsdienst

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Die Abbildungen stammen – soweit nicht anders angegeben – von den Autoren.

1. Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagbild: Feuerwehr Mülheim an der Ruhr und Marc Stier

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-034918-6

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-034920-9

epub:     ISBN 978-3-17-034921-6

mobi:     ISBN 978-3-17-034922-3

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Vorwort

 

 

 

Das Vergaberecht ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten zunehmend komplexer geworden. Neben den vergaberechtlichen Vorschriften sind bei Beschaffungen das Haushaltsrecht und mitunter auch europarechtliche Regelungen zu berücksichtigen. Hinzu kommen unterschiedliche Vergabegesetze in den einzelnen Bundesländern. Dies stellt alle Beteiligten eines Beschaffungsverfahrens in Bereichen der Feuerwehr und des Rettungsdienstes sowie in den Verwaltungen vor enorme Problemstellungen. Die vergaberechtskonforme Formulierung von Leistungsverzeichnissen und Ausschreibungskriterienbedarf der Kenntnis des Vergaberechts, um rechtssichere Ausschreibungsunterlagen erstellen und das Vergabeverfahren sicher durchführen zu können.

Mit diesem Buch wird die Struktur des Vergaberechts erläutert und durch zahlreiche Fallbeispiele der Bezug zur Praxis hergestellt. Es werden Bewertungsmethoden zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes vorgestellt und insbesondere in diesem Bereich auf Fallstricke hingewiesen, die dem Anwender schnell zum Verhängnis werden können. Muster für Vergabevermerke und Verfügungen dienen der Erleichterung in der vergaberechtlichen Anwendung, da die Dokumentation von Vergabeverfahren in der Praxis gerade technische Mitarbeiter einer Kommunalverwaltung oft vor erhebliche Herausforderungen stellt.

Das vorliegende Buch soll ein Grundlagen- und Nachschlagewerk darstellen, das als Hilfestellung im komplexen Beschaffungsvorgang jederzeit herangezogen werden kann.

Die Autoren

Alexa Jentges und Michael Lülf

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

Vorwort

I.   Grundlagen und Aufbau des Vergaberechts

1   Einführung

1.1   Der Ursprung des Vergaberechts: Das Haushaltsrecht

1.2   Die Zweiteilung des Vergaberechts

1.3   Trennlinie zwischen Oberschwellen- und Unterschwellenrecht: Der EU-Schwellenwert

1.4   Unterschiede zwischen dem Haushaltsvergaberecht und dem GWB-Vergaberecht

1.5   Das EU-Primärrecht

1.6   Übersicht über Grundlagen und Aufbau des Vergaberechts

1.7   Schnellcheck

2   Vergaberecht oberhalb des EU-Schwellenwertes

2.1   Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

2.2   Schnellcheck

3   Vergaberecht unterhalb des EU-Schwellenwertes

3.1   Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)

3.2   Vergabegesetze der Länder

3.3   Schnellcheck

II.   Vorbereitung des Vergabeerfahrens

1   Allgemeine Vorbereitungen

1.1   Bedarfsermittlung

1.2   Markterkundung

1.3   Projekt- und Zeitplanung

1.4   Schnellcheck

2   Leistungsarten: Einordnung des Beschaffungsgegenstandes

2.1   Abgrenzung der Leistungsarten

2.2   Gemischte Beschaffungsgegenstände

2.3   Schnellcheck

3   Losbildung

3.1   Teillose

3.2   Fachlose

3.3   Loslimitierung

3.4   Verzicht auf die Losvergabe

3.5   Dokumentation

3.6   Losbildung oder Gesamtvergabe bei der Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen

3.7   Schnellcheck

4   Erstellen der Leistungsbeschreibung

4.1   Anforderungen an die Leistungsbeschreibung

4.2   Das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers

4.3   Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung

4.4   Die Produktvorgabe ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt

4.5   Der Auftragsgegenstand lässt sich nicht hinreichend genau oder allgemein verständlich beschreiben

4.6   Verdeckte Produktvorgaben

4.7   Verhältnismäßigkeit

4.8   Bedarfs- und Alternativpositionen

4.9   Anforderungen an die Kennzeichnung

4.10   Aufbau der Vergabeunterlagen

4.11   Leistungsbeschreibung mit nur einem Wertungskriterium

4.12   Leistungsbeschreibung mit mehreren Wertungskriterien

4.13   Schnellcheck

5   Schätzung des Auftragswertes

5.1   Sinn und Zweck der Schätzung des Auftragswertes

5.2   Grundlagen der Schätzung

5.3   Optionen und Vertragsverlängerungen

5.4   Bedarfs-/Eventualpositionen und Alternativ-/Wahlpositionen

5.5   Prämien und Zahlungen

5.6   Schätzmethoden

5.7   Dokumentation der Schätzung

5.8   Zeitpunkt der Schätzung, § 3 Abs. 3 VgV

5.9   Schätzung des Auftragswertes bei losweiser Vergabe, § 3 Abs. 7 und 8 VgV

5.10   Losweise Vergabe von Lieferleistungen, § 3 Abs. 8 VgV

5.11   Losweise Vergabe von Dienstleistungen, § 3 Abs. 7 VgV

5.12   Losweise Vergabe von Planungsleistungen, § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV

5.13   Sonderregelung bei losweiser Vergabe: Die 80/20-Regel, § 3 Abs. 9 VgV

5.14   Regelmäßig wiederkehrende Aufträge und Daueraufträge, § 3 Abs. 10 VgV

5.15   Folgen fehlerhaften Schätzung

5.16   Schnellcheck

6   Die Verfahrensarten

6.1   Nationale Verfahren (unterhalb des EU-Schwellenwertes) nach der UVgO

6.2   Europaweite Verfahren (oberhalb des EU-Schwellenwertes)

7   Die Eignung (Kriterien und Nachweise)

7.1   Die Eignungskriterien

7.2   Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung

7.3   Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit

7.4   Technische und berufliche Leistungsfähigkeit

7.5   Einheitliche Europäische Eigenerklärung

7.6   Verhältnismäßigkeit von Eignungskriterien

7.7   Die Ausschlussgründe

7.8   Zwingende Ausschlussgründe

7.9   Fakultative Ausschlussgründe

7.10   Selbstreinigung

7.11   Kein Mehr an Eignung?

7.12   Schnellcheck

8   Zuschlagskriterien

8.1   Unterscheidung und Abgrenzung von Eignungs- und Zuschlagskriterien

8.2   Ausschlusskriterien

8.3   Formbeispiele für Ausschlusskriterien

8.4   Wertungskriterien

8.5   Allgemeine Kriterien

8.6   Bestimmung von Zuschlagskriterien

8.7   Qualität

8.8   Preis

8.9   technische Spezifikation oder technischer Wert

8.10   Lebenszyklus- und Betriebskosten

8.11   Umwelteigenschaften,

8.12   Kundendienst und Service

8.13   Lieferzeitpunkt und Lieferungs- oder Ausführungsfrist.

8.14   Schnellcheck

9   Nebenangebote

9.1   Zulassung von Nebenangeboten

9.2   Schnellcheck

10   Dokumentation zum Verfahrensbeginn

10.1   Allgemeine Angaben

10.2   Angaben nach Haushaltsrecht

10.3   Angaben zu Kosten

10.4   Wahl der Vergabeart

10.5   Angaben zu Leitfabrikaten

10.6   Finanz- und Haushaltsangeben

10.7   Maßnahmen nach geltenden Länderrechten

10.8   Einbindung anderer Ämter und Stellen

10.9   Angaben zum Verfasser und Verantwortlichen

11    Vergabeunterlagen

11.1   Anschreiben

11.2   Bewerbungsbedingungen

11.3   Vertragsunterlagen

11.4   Schnellcheck

III.   Durchführung des Vergabeverfahrens

1   Beginn des Vergabeverfahrens – Veröffentlichen der Beschaffungsabsicht (Auftragsbekanntmachung)

1.1   Nationale Vergabeverfahren: öffentliche Ausschreibung, beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb, Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb, §§ 30 ff UVgO

1.2   Vergabeverfahren oberhalb des EU-Schwellenwertes: Offenes Verfahren, nicht offenes Verfahren, Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb

1.3   Schnellcheck

2   Angebotsphase

2.1   Unklarheiten in den Vergabeunterlagen

2.2   Fehler in den Vergabeunterlagen

2.3   Bieterfragen und Antworten

2.4   Form der Bieterfragen

2.5   Frist für Bieterfragen

2.6   Inhalt der Bieterfragen

2.7   Antworten zu Bieterfragen

2.8   Bestandteil der Vergabeunterlagen

2.9   Die Bieterrüge

2.10   Verlängerung der Angebotsfrist

2.11   Übermittlung der Angebote

2.12   Anwendung auf den Teilnahmewettbewerb

2.13   Schnellcheck

3   Aufbewahrung der Angebote und Teilnahmeanträge, § 39 UVgO und § 54 VgV

3.1   Zweck der Vorschriften zur Aufbewahrung

3.2   Schnellcheck

4   Öffnung der Teilnahmeanträge und Angebote

4.1   Vier-Augen-Prinzip

4.2   Unverzügliche Öffnung und Kennzeichnung der Angebote

4.3   Dokumentation

4.4   Aufbewahrung der Angebote

4.5   Besondere Regelung für Sektorenauftraggeber

4.6   Schnellcheck

5   Prüfung und Wertung von Angeboten und Teilnahmeanträgen

5.1   Die 1. Stufe: Formale Prüfung

5.2   Die 2. Stufe: Eignungsprüfung

5.3   Die 3. Stufe: Angemessenheit der Preise (§ 44 Abs. 3 UVgO und § 60 Abs. 3 VgV)

5.4   Die 4. Stufe: Wirtschaftlichkeitsprüfung

5.5   Prüfung und Wertung von Teilnahmeanträgen

5.6   Schnellcheck

IV.   Wertungsmethoden und Bewertungsmatrix

1   Wertungsmethoden

1.1   Einfache Wertungsmethoden

1.2   Multikriterielle Wertungsmethoden

1.3   Sonstige Methoden

1.4   Übersicht aller Methoden

1.5   Entscheidungshilfe zur Methodenauswahl

1.6   Ein Methodenausblick

1.7   Der Analytische-Hierarchie-Prozess (AHP)

1.8   Fazit zu den Methoden

1.9   Schnellcheck

2   Spektrum der Messskalen

2.1   Norminalskala

2.2   Ordinalskala

2.3   Intervalskala

2.4   Ratioskala

2.5   Absolutskala

2.6   Schnellcheck

3   Kriterienhierarchien und -gewichtung

3.1   Kriterienhierarchie

3.2   Kriteriengewichtung:

3.3   Schnellcheck

4   Bewertungsmatrix

4.1   Struktur der Bewertungsmatrix

4.2   Die Auswertung

4.3   Schnellcheck

V.   Die Beendigung des Vergabeverfahrens: Zuschlag oder Aufhebung

1   Der Zuschlag

1.1   Die Zuschlagserteilung bei Vergabeverfahren unterhalb des EU-Schwellenwertes

1.2   Zuschlagserteilung bei Verfahren oberhalb des EU-Schwellenwertes

1.3   Schnellcheck

2   Die Aufhebung

2.1   Aufhebung eines Verfahrens unterhalb des EU-Schwellenwertes

2.2   Aufhebung eines Verfahrens oberhalb des EU-Schwellenwertes

2.3   Alternativen zur Aufhebung

2.4   Schnellcheck

4   Abschließende Dokumentation

Danksagung

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Anhang

Ablaufschema eines Vergabeverfahrens unterhalb des EU-Schwellenwertes

Ablaufschema eines Vergabeverfahrens oberhalb des EU-Schwellenwertes

Auflistung von CPV-Codes (Auszug)

I.          Grundlagen und Aufbau des Vergaberechts

1           Einführung

Aufträge über die Beschaffungen von Feuerwehren und Rettungsdiensten sind, wenn diese in öffentlicher Trägerschaft stehen, nach besonderen Vorschriften zu vergeben. Diese Vorschriften sind erforderlich, weil öffentliche Aufträge einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellen, um eine effiziente und wirtschaftliche Auftragsvergabe sicherzustellen. Die Vorschriften werden unter dem Begriff »Vergaberecht« zusammengefasst.

Als Vergaberecht wird die Gesamtheit der Normen bezeichnet, die ein Träger öffentlicher Verwaltung bei der Beschaffung von sachlichen Mitteln und Leistungen, die er zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigt, zu beachten hat (BVerfG 1 BvR 1160/03). Dabei ist das Vergaberecht in Deutschland nicht einheitlich, sondern in verschiedenen Gesetzen, Vergabeverordnungen und Verfahrensordnungen geregelt. Es wird daher in der Praxis zu Recht als unübersichtlich und komplex bewertet.

1.1        Der Ursprung des Vergaberechts: Das Haushaltsrecht

Ursprünglich war das Vergaberecht ausschließlich im Haushaltsrecht beheimatet; die Vergabevorschriften waren Verwaltungsvorschriften, die sich an die Vergabestellen der öffentlichen Auftraggeber wandten, um die sparsame und wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel zu sichern. Das Vergaberecht diente damit allein dem wirtschaftlichen Einkauf der öffentlichen Hand und der sparsamen Verwendung von Steuergeldern.

Unter dem Einfluss des europäischen Gemeinschaftsrechts musste dieser haushaltsrechtliche Ansatz des Vergaberechtes teilweise aufgegeben werden: Die europäischen Vergaberichtlinien verfolgten das Ziel, das öffentliche Auftragswesen für einen gemeinschaftsweiten Wettbewerb zu öffnen. Die Interessen der Bieter sollten durch eine schnelle und wirksame Nachprüfung vor Verletzungen der Vergabevorschriften geschützt werden (Bundestag Drucksache 13/9340). Zur Umsetzung dieser europäischen Vergaberichtlinien hatte der deutsche Gesetzgeber in den Jahren 1993 und 1994 zunächst eine »haushaltsrechtliche Lösung« gewählt und für Vergabeverfahren, deren Beschaffungsgegenstände einen bestimmten Auftragswert überschritten, im Haushaltsrecht (§ § 57 b und 57 c HGrG in der damaligen Fassung für die Jahre 1993 und 1994) ein zweistufiges Nachprüfungsverfahren vorgesehen, das aber keine einklagbaren subjektiven Rechte potentieller Auftragnehmer vorsah.

1.2        Die Zweiteilung des Vergaberechts

Die haushaltsrechtliche Umsetzung der europäischen Vergaberichtlinien wurde von der damaligen EG-Kommission beanstandet und führte schließlich im Jahr 1999 dazu, dass der Bundesgesetzgeber die haushaltsrechtliche Lösung aufgab und das Vergaberecht für Verfahren, deren Beschaffungsgegenstände einen bestimmten Auftragswert erreichten oder überschritten, im sogenannten Kartellvergaberecht umsetzte. Diese »kartellrechtliche Lösung«, die im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) umgesetzt wurde, führte zu einer Zweiteilung des Vergaberechts in Deutschland: Das Haushaltsvergaberecht (Unterschwellenrecht) und das Kartell- oder GWB-Vergaberecht (Oberschwellenrecht) (zu den Begrifflichkeiten vgl. Burgi, 2016).

Merke:

Das Vergaberecht in Deutschland ist zweigeteilt.

Eine letzte große Änderung des Vergaberechts fand 2016 durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz statt. Begründet war die Änderung durch neue EU-Vergaberichtlinien:

  Richtlinie für die klassische Auftragsvergabe (Richtlinie 2014/24/EU)

  Richtlinie für die Auftragsvergabe in den Bereichen der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Richtlinie 2014/25/EU)

  Richtlinie über die Konzessionsvergabe (Richtlinie 2014/23/EU)

  Richtlinie zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (Richtlinie 2009/81/EG)

Im Zuge der Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien wurde die Struktur des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen überarbeitet und eine grundlegend geänderte Vergabeverordnung erlassen. Die Änderungen betrafen damit nur den Oberschwellenbereich.

Einen unmittelbaren Einfluss auf die Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich hatte die Vergabemodernisierung nicht. Sie wurde aber zum Anlass genommen, auch die Vergabe öffentlicher Aufträge auf nationaler Ebene unterhalb der EU-Schwellenwerte zu reformieren. Dies erfolgte durch die neue Unterschwellenvergabeordnung, die im Februar 2017 im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde. Das neue Regelwerk ersetzt die bisher geltende Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A Abschnitt 1).1

1.3        Trennlinie zwischen Oberschwellen- und Unterschwellenrecht: Der EU-Schwellenwert

Die Trennlinie zwischen dem Haushaltsvergaberecht und dem GWB-Vergaberecht ist der EU-Schwellenwert. Wird er unterschritten, ist das Haushaltsvergaberecht anwendbar, wird er erreicht oder überschritten, gilt das GWB-Vergaberecht.

Bild 1: Zweiteilung des Vergaberechts

Der Ursprung des EU-Schwellenwertes liegt in einer internationalen Vereinbarung, dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (»Government Procurement Agreement«, kurz GPA). Ziel des GPA ist es, einen multilateralen Rahmen ausgewogener Rechte und Pflichten in Bezug auf öffentliche Aufträge zu schaffen, um den Welthandel zu liberalisieren und auszuweiten. Das GPA findet Anwendung auf Aufträge oberhalb bestimmter Schwellenwerte, die im GPA festgelegt sind (EU Richtlinie 2014/24/EU, Erwägungsgrund 18). Entsprechend gilt auch das GWB-Vergaberecht erst, wenn der geschätzte Auftragswert der zu beschaffenden Lieferung oder Leistung den aus dem GPA resultierenden und in Euro umgerechneten EU-Schwellenwert erreicht oder übersteigt.

1.4        Unterschiede zwischen dem Haushaltsvergaberecht und dem GWB-Vergaberecht

Aus der Zweiteilung des Vergaberechts ergeben sich einige Unterschiede zwischen dem Haushaltsrecht als Unterschwellenvergabe- und dem GWB-Vergaberecht als Oberschwellenvergaberecht. Der bedeutendste Unterschied liegt in den Rechtsschutzmöglichkeiten der an Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen:

Das GWB-Vergaberecht ist als Eintrag im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Wettbewerbsrecht. Aus dem Schutz des Wettbewerbs folgt ein Rechtsschutz der auf dem Wettbewerbsmarkt tätigen Unternehmen:

»Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.«, § 97 Abs. 4 GWB.

Werden vergaberechtliche Vorschriften verletzt, haben die beteiligten Unternehmen einen umfassenden Primärrechtsschutz, der in den § § 155 ff. GWB geregelt ist. Nachprüfende Instanz sind die Vergabekammern und als Zweitinstanz die Oberlandesgerichte.

Im Gegensatz dazu bietet das Unterschwellenvergaberecht, das im Haushaltsrecht beheimatet ist, nur eingeschränkte Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Unternehmen haben lediglich die Möglichkeit, Zivilgerichte anzurufen, um im Eilverfahren Zuschlagserteilungen zu verhindern oder Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

1.5        Das EU-Primärrecht

Auch das EU-Primärrecht, das keine spezifischen vergaberechtlichen Vorschriften enthält, hat Einfluss auf das Vergaberecht. Das Primärrecht ist das ranghöchste Recht der Europäischen Union (EU). Es stammt im Wesentlichen aus den Gründungsverträgen, insbesondere dem Vertrag von Rom und dem Vertrag über die Europäische Union. Aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), vor allem aus seinen Artikeln 49 und 56 folgen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz.

Diese Grundsätze gelten nicht nur für Vergaben oberhalb des EU-Schwellenwertes, sondern auch für Vergaben, deren Auftragswerte die EU-Schwellenwerte nicht erreichen, sofern an diesen ein grenzüberschreitendes Interesse besteht. Ein grenzüberschreitendes Interesse kann angesichts eines gewissen Volumens des Auftrags in Verbindung mit dessen technischen Merkmalen oder dem Leistungsort vorliegen. Es kann auch das Interesse von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Wirtschaftsteilnehmern an der Teilnahme am Verfahren zur Vergabe dieses Auftrags berücksichtigt werden, sofern sich erweist, dass dieses Interesse real und nicht fiktiv ist (EuGH C-278/14).

Merke:

Aufträge, deren Werte den EU-Schwelllenwert nicht erreichen, sind unter Beachtung der EU-primärrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu vergeben, wenn an den Aufträgen ein grenzüberschreitendes Interesse besteht.

Die Pflicht zur Beachtung der genannten europarechtlichen Grundprinzipien für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte kann sich auch aus den Vergabevorschriften der Länder ergeben. So heißt es in den kommunalen Vergabegrundsätzen des Landes NRW (Ziffer 3.1): »Auch unterhalb der EU-Schwellenwerte sind die europarechtlichen Grundprinzipien der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz zu beachten. Die Auftragsvergabe muss im Einklang mit den Vorschriften und Grundsätzen des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfolgen.«

1.6        Übersicht über Grundlagen und Aufbau des Vergaberechts

Die nachfolgende Übersicht gibt schemenhaft den Aufbau des Vergaberechts oberhalb und unterhalb des EU-Schwellenwertes wieder:

Bild 2: Aufbau des Vergaberechts oberhalb und unterhalb des EU-Schwellenwertes

1.7        Schnellcheck

Zusammenfassung Grundlagen des Vergaberechts:

  Das Vergaberecht in Deutschland ist zweigeteilt.

  Die Zweiteilung erfolgt durch den EU-Schwellenwert.

  Vergaben über dem EU-Schwellenwert werden nach dem GWB-Vergaberecht durchgeführt.

  Das GWB-Vergaberecht ist Wettbewerbsrecht.

  Vergaben unterhalb des Schwellenwertes werden nach haushaltsrechtlichen Regelungen in Verbindung mit der Unterschwellenvergabeordnung (oder VOL/A) durchgeführt.

  Bei Vergaben unterhalb des EU-Schwellenwertes sind die europarechtlichen Grundprinzipien der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz zu beachten.

2           Vergaberecht oberhalb des EU-Schwellenwertes

Oberhalb der EU-Schwellenwerte gilt das europäische Vergaberecht (Richtlinie 2014/24/EU), das in Deutschland durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die Vergabeverordnung umgesetzt wurde.

2.1        Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Vergaberechtliche Regelungen für die Beschaffung von Lieferungen und Leistungen, deren Auftragswerte den EU-Schwellenwert erreichen oder übersteigen, finden sich zunächst im 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Aufträge, die in den Anwendungsbereich des GWB fallen, sind europaweit auszuschreiben.

Der 4. Teil des GWB ist in zwei Kapitel aufgeteilt:

  Das 1. Kapitel, das in drei Abschnitte und in weitere Unterabschnitte aufgeteilt ist, befasst sich mit den Vergabeverfahren.

  Im 2. Kapitel finden sich Regelungen zum Nachprüfungsverfahren, einem vergaberechtlichen Rechtsschutzverfahren. Auch dieses Kapitel ist in drei Abschnitte unterteilt.

2.1.1        Anwendungsbereich

Der 4. Teil des GWB gilt gemäß § 106 GWB für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen – bei diesen besteht die Gegenleistung nicht in Geld, sondern in dem Recht zur Verwertung der erbrachten Leistungen- deren geschätzte Auftrags- oder Vertragswerte ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreichen oder überschreiten.

Ein Auftrag ist unter Beachtung des GWB und damit europaweit ausschreibungspflichtig, wenn

  der Auftraggeber ein öffentlicher Auftraggeber ist (99 GWB),

  der Auftrag ein öffentlicher Auftrag ist (§ 103 GWB),

  der Auftrag entgeltlich ist,

  der Auftragswert den einschlägigen Schwellenwert erreicht oder übersteigt (§ 106 Abs. 1 GWB) und

  kein Ausnahmetatbestand einschlägig ist, der die Nichtanwendung der Vergabevorschriften erlaubt.

Bild 3: Unterteilung des 4. Teils des GWB, 1. Kapitel

Bild 4: Unterteilung des 4. Teils des GWB, 2. Kapitel

Öffentlicher Auftraggeber

Wann ein Auftraggeber ein öffentlicher Auftraggeber ist, ist in § 99 GWB geregelt. Zu den öffentlichen Auftraggebern gehören auch Sektorenauftraggeber, § 100 GWB und Konzessionsgeber, § 101 GWB.

Zu den öffentlichen Auftraggebern nach § 99 GWB gehören:

  Gebietskörperschaften sowie derenSondervermögen, § 99 Nr. 1 GWB. Zu den Gebietskörperschaften gehören die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesländer, Stadtstaaten, die Kreise, Städte und Gemeinden. Zu den Sondervermögen der Gebietskörperschaften gehören zum Beispiel die Vermögensmassen unselbständiger Stiftungen oder der Eigenbetriebe.

  Juristische Person des öffentlichen und des privaten Rechts, die gegründet worden sind, um im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, und die eine besondere Staatsnähe aufweisen, § 99 Nr. 2 GWB. Für die Staatsnähe bedarf es einer überwiegenden Finanzierung seitens der öffentlichen Hand oder der Leitung oder Aufsicht des Staates bzw. seiner nachgeordneten Stellen (OLG Düsseldorf, VII-Verg 22/05.).

  Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen, § 99 Nr. 3 GWB. Zu den Verbänden im Sinne der Vorschrift gehören alle Kooperationen von öffentlichen Auftraggebern mit der gemeinsamen Zwecksetzung der Deckung eines Beschaffungsbedarfs. Hierbei kann es sich auch um privatrechtliche Zusammenschlüsse handeln, etwa in Form von Einkaufskooperationen oder um einen Zusammenschluss mehrerer Gebietskörperschaften im Rahmen einer Beschaffung. Auch ein als Verein eingetragener Bezirksfeuerwehrverband ist öffentlicher Auftraggeber (OLG München, Verg 17/13).

  Natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, die von öffentlichen Auftraggebern nach den Nrn. 1-3 bei bestimmten Vorhaben subventioniert werden.

Feuerwehr und Rettungsdienst als öffentliche Auftraggeber

a)            Feuerwehren

Gesetzliche Regelungen zu Feuerwehren unterliegen der Gesetzgebungskompetenz der einzelnen Bundesländer. Insofern finden sich unterschiedliche Regelung in den Ländern und Stadtstaaten zu Organisation und Aufbau der Feuerwehren. Allen Regelungen ist aber gemein, dass zwischen Berufs-, Freiwilligen- und Pflichtfeuerwehren als öffentliche Feuerwehren und den Werk- und Betriebsfeuerwehren als betriebliche Feuerwehren unterschieden wird.

Eine Feuerwehr als solche kann nur dann selbst Auftraggeber sein, wenn sie über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt. Das ist in der Regel nicht der Fall.2 Die »Auftraggebereigenschaft« von Feuerwehren richtet sich deshalb nach deren jeweiligem Träger bzw. dem hinter der Feuerwehr stehenden Unternehmen.

aa)           Berufsfeuerwehren, Freiwillige Feuerwehren und Pflichtfeuerwehren

Berufsfeuerwehren, Freiwillige Feuerwehren und Pflichtfeuerwehren als öffentliche Feuerwehren sind nach den jeweiligen Ländergesetzen hauptsächlich gemeindliche Einrichtungen. Träger dieser Feuerwehren sind die jeweiligen Gebietskörperschaften. Die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber folgt damit aus 99 Abs. 1 GWB.

Merke:

Berufsfeuerwehren, Freiwillige Feuerwehren und Pflichtfeuerwehren sind mit der sie tragenden Gebietskörperschaft öffentliche Auftraggeber.

bb)           Werkfeuerwehren

Betriebe oder Einrichtungen, bei denen die Gefahr eines Brandes oder einer Explosion besonders groß ist oder bei denen in einem Schadenfall eine große Anzahl von Personen gefährdet wird, müssen eine Werkfeuerwehr aufzustellen und unterhalten; die Werkfeuerwehr wird staatlich angeordnet. Werkfeuerwehren sind auch staatlich anerkannte Feuerwehren, die freiwillig gebildet wurden.

Fällt der Betrieb oder die Einrichtung, die die Feuerwehr aufgestellt hat und unterhält, unter den öffentlichen Auftraggeberbegriff, umfasst dieser ebenfalls die Werkfeuerwehr.

Beispiel Werkfeuerwehren können von öffentlichen Einrichtungen aufgestellt werden:

Die Planck GmbH betreibt ein Forschungszentrum mit Werkfeuerwehr. Einziger Gesellschafter der GmbH ist die Stadt Thalburg an der Ohm. Die GmbH ist nach § 99 Nr. 2 GWB öffentlicher Auftraggeber; Beschaffungen der Werkfeuerwehr sind vergabepflichtig.

Merke:

Werkfeuerwehren können Teil eines öffentlichen Auftraggebers sein.

Werkfeuerwehren können aber auch von privaten Unternehmen aufgestellt sein.

Beispiel:

Die Firma Rakete GmbH, die Feuerwerkskörper produziert, unterhält eine staatlich angeordnete Werkfeuerwehr. Alleiniger Gesellschafter der GmbH ist Herr Müller. Herr Müller fällt nicht unter die in § 99 GWB genannten öffentlichen Auftraggeber. Vergaberechtliche Bestimmungen muss die Rakete GmbH bei Beschaffungen ihrer Werkfeuerwehr nicht beachten.

cc)           Betriebsfeuerwehren

Betriebsfeuerwehren sind im Gegensatz zu Werkfeuerwehren weder staatlich angeordnet noch staatlich anerkannt. Auch hier richtet sich die Auftraggebereigenschaft nach dem die Feuerwehr aufstellenden Betrieb.

b)            Rettungsdienste

Ebenso wie die Feuerwehren wird die Organisation und Bereitstellung der Rettungsdienste durch Gesetze der Bundesländer und Stadtstaaten geregelt. Träger des Rettungsdienstes sind die Kommunen oder auch Landkreise. Als Gebietskörperschaften sind die Träger des Rettungsdienstes öffentliche Auftraggeber.

Sektorenauftraggeber

Sektorenauftraggeber sind öffentliche Auftraggeber, die eine Sektorentätigkeit ausüben, § 100 GWB. Was eine Sektorentätigkeit ist, ergibt sich aus § 102 GWB: So sind zum Beispiel das Bereitstellen von Trinkwasser-, Elektrizitäts-, Gas- und Wärmenetzen und die Einspeisung von Trinkwasser, Elektrizität-, Gas und Wärme Sektorentätigkeiten. Auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung eines Flughafens sind Sektorentätigkeiten, § 102 Abs. 5 GWB.

Übt ein Unternehmen, das nach § 99 GWB als öffentlicher Auftraggeber zu qualifizieren ist, Tätigkeiten im Bereich eines Flughafens aus, ist es Sektorenauftraggeber.

Beispiel:

Die Stadt Thalburg an der Ohm betreibt ihren Flughafen über die »Airport Thalburg an der Ohm GmbH«; alleiniger Gesellschafter ist die Stadt. Die Airport Thalburg an der Ohm GmbH unterhält eine Flughafenfeuerwehr. Die GmbH und damit eingeschlossen die Werkfeuerwehr ist nach § 99 Nr. 2 GWB öffentlicher Auftraggeber. Bei Beschaffungen der Werkfeuerwehr ist das Sektorenvergaberecht zu beachten.

Für Sektorenauftraggeber gilt die Sektorenverordnung (SektVO). Sie enthält wie auch das GWB einige Erleichterungen für die Beschaffungen von Sektorenauftraggebern. So können diese zwischen den Verfahrensarten freier wählen, vgl. § 141 GWB.

Merke:

Bei einem eine Werkfeuerwehr haltenden Unternehmen kann es sich um einen Sektorenauftraggeber handeln.

Konzessionsgeber

Konzessionsgeber sind öffentliche Auftraggeber, die eine Konzession vergeben, § 101 GWB. Eine Dienstleistungskonzession ist gegenüber einem Dienstleistungsauftrag dadurch gekennzeichnet, dass die Gegenleistung des Auftraggebers nicht in einem geldwerten Vorteil, also weder in Geld noch in Sachleistungen, sondern nur in dem Recht zur wirtschaftlichen Verwertung der erbrachten Leistung besteht, wobei der Leistungserbringer ganz oder überwiegend das Nutzungsrisiko übernimmt (OLG Düsseldorf, VII-Verg 34/15.).

Beispiel:

Die Feuerwehr der Stadt Thalburg an der Ohm will ihre Betriebskantine bewirtschaften lassen. Sie vergibt eine Dienstleistungskonzession: Der Kantinenbetreiber erhält keine Vergütung von der Stadt, sondern erhält das Recht, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Essen und Getränke in der Kantine zu verkaufen. Das wirtschaftliche Risiko trägt der Kantinenbetreiber. Verkauft er zu wenig, muss er den Verlust selbst tragen.

Für Konzessionsgeber gilt die Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV).

Öffentlicher Auftrag

Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben, § 103 GWB.

Tabelle 1: Übersicht über die öffentlichen Auftraggeber

NormBeispieleZu beachtende Vorschriften

Wesensmerkmal eines öffentlichen Auftrags ist die Teilnahme des öffentlichen Auftraggebers am Markt; das ist dann der Fall, wenn er seine interne Aufgabenorganisation verlässt, um Verträge mit außenstehenden Dritten abzuschließen (1 Verg. 4/01).

Öffentliche Aufträge lassen sich in folgende Kategorien unterteilen:

  Lieferaufträge: Verträge zur Beschaffung von Waren durch Kauf, Leasing, Miete oder Pacht.

Beispiele: Kauf eines Krankentransportwagens, Leasing eines Drehleiterfahrzeugs

  Bauaufträge: Verträge über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung von Bauleistungen.

  Dienstleistungsaufträge: Verträge über die Erbringung von Leistungen, die nicht Lieferleistung und nicht Bauleistung sind.

Beispiele: Beschaffung von Beratungsleistungen, Reinigungsleistungen

  Rahmenvereinbarungen: Vereinbarungen zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und einem oder mehreren Unternehmen, die dazu dienen, die Bedingungen für die öffentlichen Aufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis.

Beispiel: Rahmenvereinbarungen über die Lieferung von Büromöbeln

  Wettbewerbe: Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber aufgrund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu einem Plan oder einer Planung verhelfen sollen.

Beispiel: Architektenwettbewerbe

Kein öffentlicher Auftrag liegt vor, wenn der öffentliche Auftraggeber nicht als Nachfrager, sondern als Anbieter von Leistungen auftritt, also nichts beschafft, sondern Leistungen für Dritte erbringt.

Beispiel:

Die Feuerwehr der Stadt Thalburg an der Ohm hat ein EDV-Programm für die Archivierung von Einsatzdaten entwickelt. Dieses Programm bietet sie auf dem Markt zum Kauf an. Da keine Leistung beschafft wird, ist kein Vergaberecht zu beachten.3

Entgelt

Der Auftrag muss entgeltlich sein. Das Wort »entgeltlich« bezeichnet nach der gewöhnlichen rechtlichen Bedeutung einen Vertrag, mit dem sich jede Partei verpflichtet, eine Leistung im Gegenzug für eine andere zu erbringen (EuGH, C-606/17).

Der Entgeltbegriff im Vergaberecht ist möglichst weit zu fassen. Er bezieht sich nicht nur auf die Zahlung von Geld als Gegenleistung, sondern umfasst jede Art von Vergütung, die einen geldwerten Vorteil bedeutet (OLG Düsseldorf, VII-Verg 71/03; OLG Frankfurt am Main, 11 Verg 11/04). Das weite Verständnis von der Entgeltlichkeit soll die vergaberechtspflichtigen öffentlichen Aufträge von den vergabefreien Gefälligkeitsverhältnissen oder außerrechtlichen Beziehungen abgrenzen (OLG Naumburg, 1 Verg 9/05).

Daher fällt ein Vertrag, der einen Leistungsaustausch vorsieht, auch dann unter den Begriff »öffentlicher Auftrag«, wenn sich die vorgesehene Vergütung auf den teilweisen Ersatz der Kosten beschränkt, die durch die Erbringung der vereinbarten Dienstleistung entstehen (EuGH, C-606/17).

Beispiel:

Das Unternehmen U bietet der Feuerwehr der Stadt Thalburg an der Ohm an, einen gebrauchten Krankentransportwagen, den die Feuerwehr nicht mehr benötigt, gegen ein neues Einsatzleiterfahrzeug zu tauschen. Die Werte der Fahrzeuge sind ungefähr gleich. Es handelt sich um einen öffentlichen Auftrag, weil ein Entgelt in Form eines gebrauchten Fahrzeugs geleistet wird. Das Angebot von U kann daher nicht angenommen werden, weil es sich sonst um einen, in diesem Fall unzulässigen, Direktauftrag handeln würde.

Auftragswert erreicht oder übersteigt den Schwellenwert

Die Anwendbarkeit des GWB-Vergaberechts setzt außerdem voraus, dass der geschätzte Auftragswert den jeweiligen EU-Schwellenwert erreicht oder übersteigt.

Die Schwellenwerte sind nicht im GWB festgeschrieben, sondern ändern sich alle zwei Jahre. § 106 GWB nennt daher keinen festen Betrag als Schwellenwert, sondern verweist auf Artikel 4 der Richtlinie 2014/24/EU bzw. Artikel 15 der Richtlinie 2014/25/EU (für Sektorentätigkeiten) und Artikel 8 der Richtlinie 2014/23/EU (für Konzessionsvergaben) in der jeweils geltenden Fassung.

Grund für die alle zwei Jahre erfolgende Änderung des Schwellenwertes sind Wechselkursentwicklungen: Die Schwellenwerte sind im Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement, kurz »GPA«)4 vorgesehen und werden in Sonderziehungsrechten (SZR) ausgedrückt. Sonderziehungsrechte sind eine weltweite künstliche Währung, die vom Internationalen Währungsfonds eingeführt wurde und denen ein Währungskorb aus den Währungen US-Dollar, japanischer Yen, Euro, britisches Pfund, chinesischer Renminbi mit unterschiedlichen Anteilen zugrunde liegt.

Der Gegenwert der Schwellenwerte in den europäischen Währungen Euro, Pfund, Kronen usw. wird alle zwei Jahre von der EU-Kommission entsprechend den Wechselkursschwankungen zu den Sonderziehungsrechten neu berechnet und veröffentlicht. Die Schwellenwerte sind Netto-Werte ohne Umsatzsteuer.

Merke:

Die Schwellenwerte ergeben sich aus der Anpassung von europäischen Währungen an die im GPA festgelegten Sonderziehungsrechte.

Beispiel:

Der Schwellenwert für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen »subzentraler Regierungsstellen« beträgt 200.000 SZR. Diese 200.000 SZR werden alle 2 Jahre unter Berücksichtigung von Wechselkursschwankungen neu in Euro umgerechnet.

Die Schwellenwerte wurden in den letzten Jahren wie folgt angeglichen:

Schwellenwerte für die Jahre 2012 und 2013 (EU-Verordnung Nr. 1251/2011)

  für Bauaufträge: 5.000.000 EUR

  für Verträge über Lieferungen und Leistungen: 200.000 EUR

  für Sektorenauftraggeber bei Verträgen über Lieferungen und Leistungen: 400.000 EUR

Schwellenwerte für die Jahre 2014 und 2015 (EU-Verordnung Nr. 1336/2013)

  für Bauaufträge: 5.186.000 Euro

  für Verträge über Lieferungen und Leistungen: 207.000 Euro

  für Sektorenauftraggeber bei Verträgen über Lieferungen und Leistungen: 414.000 Euro

Schwellenwerte für die Jahre 2016 und 2017 (Delegierte Verordnung (EU) 2015/2170)

  für Bauaufträge: 5.225.000 Euro

  für Verträge über Lieferungen und Leistungen: 209.000 Euro

  für Sektorenauftraggeber bei Verträgen über Lieferungen und Leistungen: 418.000 Euro

Schwellenwerte für die Jahre 2018 und 2019 (Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365)

  für Bauaufträge: 5.548.000 Euro

  für Verträge über Lieferungen und Leistungen: 221.000 Euro

  für Sektorenauftraggeber bei Verträgen über Lieferungen und Leistungen: 443.000 Euro

Aus der Übersicht ergibt sich, dass die Schwellenwerte regelmäßig gestiegen sind. Bei Erreichen oder Überschreiten dieser Schwellenwerte durch den geschätzten Auftragswert (siehe Kapitel II.5) ist das GWB-Vergaberecht zu beachten.

Sonderfall: Schwellenwert für Soziale und andere besondere Dienstleistungen

Für »soziale und andere besondere Dienstleistungen« gilt seit der Vergaberechtsmodernisierung im Jahr 2016 ein eigener Schwellenwert. Während früher die sozialen und besonderen Dienstleistungen bei Erreichen oder Überschreiten des allgemeinen Schwellenwertes für Liefer- und Dienstleistungen als nachrangige Dienstleistungen nur sehr begrenzt den Vergabebestimmungen des Oberschwellenrechtes unterworfen waren, ist nunmehr das GWB-Vergaberecht für diese Leistungen erst ab einem Schwellenwert von 750.000 Euro zu beachten (Artikel 4 Buchstabe d) der Richtlinie 2014/24/EU). Vergeben Sektorenauftraggeber soziale oder andere soziale Dienstleistungen, gilt ein Schwellenwert von 1.000.000 Euro (Artikel 15 Buchstabe c) der Richtlinie 2014/25/EU).

Was soziale und andere besondere Dienstleistungen sind, ergibt sich aus dem Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU, dort werden folgende Leistungen aufgeführt:

  Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens und zugehörige Dienstleistungen

  Administrative Dienstleistungen im Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und kulturellen Bereich

  Dienstleistungen im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung

  Beihilfen, Unterstützungsleistungen und Zuwendungen

  Sonstige gemeinschaftliche, soziale und persönliche Dienstleistungen, einschließlich Dienstleistungen von Gewerkschaften, von politischen Organisationen, von Jugendverbänden und von sonstigen Organisationen und Vereinen

  Dienstleistungen von religiösen Vereinigungen

  Gaststätten und Beherbergungsgewerbe

  Dienstleistungen im juristischen Bereich, sofern sie nicht nach Artikel 10 Buchstabe d ausgeschlossen sind; dazu gehören Schieds- und Gerichtsverfahren und diese vorbereitende Beratungsleistungen sowie notarielle Beurkundungsleistungen

  Sonstige Dienstleistungen der Verwaltung und für die öffentliche Verwaltung

  Kommunale Dienstleistungen

  Dienstleistungen für Haftanstalten, Dienstleistungen im Bereich öffentliche Sicherheit und Rettungsdienste, sofern sie nicht nach Artikel 10 Buchstabe h ausgeschlossen sind, also Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden (siehe Kapitel I, 2.1.3)

  Dienstleistungen von Detekteien und Sicherheitsdiensten

  Internationale Dienstleistungen

  Postdienste

  Verschiedene Dienstleistungen (Reifenrunderneuerung, Schmiedearbeiten)

Im GWB finden sich einige Erleichterungen für die Vergabe von sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen. So kann zwischen den Verfahrensarten freier gewählt werden, Rahmenverträge können eine längere Laufzeit haben und der Auftraggeber kann kürzere Teilnahme- und Angebotsfristen festsetzen.

Sonderfall: Schwellenwert für Konzessionen

Die Vergabe von Konzessionen ist erst seit der Vergaberechtsmodernisierung im Jahr 2016 vergaberechtlich geregelt. Regelungen finden sich im GWB und in der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV).

Dieses Konzessionsvergaberecht ist aber nur dann anzuwenden, wenn der geschätzte Auftragswert den Schwellenwert von 5.350.000 Euro erreicht oder überschreitet, § 106 GWB. Dieser Schwellenwert gilt sowohl für Dienstleistungskonzessionen als auch für Baukonzessionen.

Für Konzessionsgeber gilt nach § 151 GWB, dass sie Vergabeverfahren im Rahmen der KonzVgV frei gestalten dürfen. Auch andere Erleichterungen sind für Konzessionsvergaben vorgesehen; sie finden sich in der KonzVgV.

2.1.2        Ausnahmetatbestände

Das GWB-Vergaberecht gilt nicht für alle Vergaben öffentlicher Aufträge durch öffentliche Auftraggeber, deren geschätzte Auftragswerte den EU-Schwellenwert erreichen oder übersteigen. Neben allgemeinen Ausnahmen, die für alle öffentlichen Aufträge gelten, finden sich besondere Ausnahmen und zwar jeweils für die »klassischen« öffentlichen Aufträge, die Sektorenaufträge und die Konzessionsaufträge.

Tabelle 2: Schwellenwerte für 2020 und 2021

Art der Beschaffung Art des AuftraggbersLieferleistungenDienstleistungenSoziale und andere besondere Dienstleistungen 5BauleistungenKonzessionen

Tabelle 3:

Allgemeine AusnahmenBesondere Ausnahmen

2.1.3        Bereichsausnahme Rettungsdienst

Die Organisation des Rettungsdienstes ist Sache der Bundesländer und wird in den Rettungsdienstgesetzen der Länder unterschiedlich ausgestaltet. Entsprechend gibt es für die Organisation des Rettungsdienstes unterschiedliche Modelle:

  Eigenerbringung: Der Träger des Rettungsdienstes erbringt die Rettungsdienstleistungen selbst.

  Submissionsmodell: Der Träger des Rettungsdienstes beauftragt Dritte, wie Hilfsorganisationen oder private Unternehmen mit der Erbringung der Rettungsdienstleistungen. Der Träger vergütet die Leistungen unmittelbar an den Dritten und refinanziert die Kosten bei den zuständigen Versicherungsträgern.

  Konzessionsmodell: Der Träger des Rettungsdienstes beauftragt Dritte mit der Erbringung der Rettungsdienstleistungen. Der Dritte erhält als Gegenleistung keine Vergütung vom Träger des Rettungsdienstes, sondern rechnet die erbrachten Leistungen direkt mit den zuständigen Sozialversicherungsträgern ab.

Das Submissionsmodell stellt einen öffentlichen Auftrag dar: Ein öffentlicher Auftraggeber schließt einen entgeltlichen Vertrag mit einem Dritten über die Erbringung von Leistungen.

Auch das Konzessionsmodell unterliegt im Grundsatz dem GWB-Vergaberecht in Verbindung mit der Konzessionsvergabeverordnung, sofern der entsprechende Schwellenwert erreicht ist (siehe Kapitel II, 2.1.1).

Ausnahmetatbestand § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB

Nun sieht aber § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB, mit dem Art. 10 Buchstabe h der Richtlinie 2014/14/EU in deutsches Recht umgesetzt wurde, vor, dass Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden, mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung, vom Vergaberecht ausgenommen sind.

Im Hinblick darauf, dass es im Rettungsdienst unterschiedliche Formen von Krankentransporten gibt, herrschte Unsicherheit darüber, welche konkreten Leistungen unter die Bereichsausnahme in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB fallen.

Der Rettungsdienst umfasst:

  Die Notfallrettung: Die Notfallrettung hat die Aufgabe, bei Notfallpatientinnen und Notfallpatienten lebensrettende Maßnahmen am Notfallort durchzuführen, deren Transportfähigkeit herzustellen und sie unter Aufrechterhaltung der Transportfähigkeit und Vermeidung weiterer Schäden mit Notarzt- oder Rettungswagen oder Luftfahrzeugen in ein für die weitere Versorgung geeignetes Krankenhaus zu befördern (vgl. bspw. § 2 RettG NRW).

  Den qualifizierten Krankentransport: Der Krankentransport hat die Aufgabe, Kranken oder Verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen, die keine Notfallpatienten sind, fachgerechte Hilfe zu leisten und sie unter Betreuung durch qualifiziertes Personal mit Krankenkraftwagen oder mit Luftfahrzeugen zu befördern.

Daneben gibt es außerdem den »nichtqualifizierten Krankentransport« oder die »Krankenfahrten«. Dabei handelt es sich um die Beförderung von kranken, verletzen oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen, die während der Fahrt nicht der medizinisch fachlichen Betreuung durch medizinisches Fachpersonal oder besonderer Einrichtungen des Krankenkraftwagens bedürfen und bei denen solches aufgrund ihres Zustandes nicht zu erwarten ist (vgl. Art. 3 Nr. 6 BayRDG.).

Zu der Frage, welche der genannten Rettungsdienstleistungen unter die Bereichsausnahme fallen, hat der Europäische Gerichtshof im März 2019 einige klarstellende Aussagen getroffen; der Entscheidung lag der folgende Fall zugrunde:

Fall: Welche Rettungsdienstleistungen fallen unter die Bereichsausnahme?

Die Stadt S vergab einen Auftrag über die Durchführung der Notfallrettung und den qualifizierten Krankentransport in zwei Losen. Eine Auftragsbekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union erfolgte nicht. Stattdessen forderte S vier Hilfsorganisationen unmittelbar zur Angebotsabgabe auf und vergab an zwei von ihnen den jeweiligen Auftrag.

Ein privates Rettungs- und Krankendienstunternehmen warf der Stadt S daraufhin vor, den Auftrag ohne vorherige Auftragsbekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben zu haben. Daher beantragte das Unternehmen eine Nachprüfung mit dem Ziel, festzustellen, dass es durch die De-facto-Vergabe in seinen Rechten verletzt sei. Nachdem die Vergabekammer den Antrag als unzulässig verworfen hatte, rief das Unternehmen das OLG Düsseldorf an. Es trug vor, die vergebenen Rettungsdienstleistungen seien keine Dienstleistungen der Gefahrenabwehr. Der Begriff der »Gefahrenabwehr« erfasse nur die Abwehr von Gefahren für große Menschenmengen in Extremsituationen und nicht die Abwehr von Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit einzelner Personen. Daraus folge, dass der qualifizierte Krankentransport, der neben der Transportleistung die Betreuung und Versorgung durch einen Rettungssanitäter, unterstützt durch einen Rettungshelfer, enthalte (qualifizierter Krankentransport), nicht unter die Ausnahme nach Art. 10 Buchstabe h der Richtlinie 2014/24 falle, da es sich nur um einen Einsatz von Krankenwagen zur Patientenbeförderung handele. Außerdem seien die beteiligten Organisationen nicht als gemeinnützige Organisation oder Vereinigung im Sinne von Art. 10 lit. h) der Richtlinie 2014/14/EU anzusehen.

Das OLG legte dem Europäischen Gerichtshof daraufhin vier Fragen zur Auslegung der des Artikel 10 Buchstabe h der Richtlinie 2014/24/EU vor (EuGH, C-465/17).

Der Europäische Gerichtshof stellte zu den Fragen des OLG folgendes fest:

  Die Notfallrettung unterfällt als Dienstleistung der Gefahrenabwehr der Bereichsausnahme des Artikel 10 Buchstabe h der Richtlinie 2014/24/EU und damit des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB.

  Der qualifizierte Krankentransport unterfällt der Bereichsausnahme, wenn ein Patient befördert werden muss, bei dem das Risiko besteht, dass sich sein Gesundheitszustand während des Transports verschlechtert.

  Die nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB erforderliche Gemeinnützigkeit ist im Einzelfall zu prüfen und wird nicht durch die nationale Anerkennung als Hilfsorganisation ersetzt.

Merke:

Rettungsdienstleistungen der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes mit Verschlechterungsrisiko unterliegen nicht dem GWB-Vergaberecht.

Diese Rettungsdienstleistungen können also ohne förmliches Ausschreibungsverfahren an gemeinnützige Hilfsorganisationen vergeben werden.

Wie eine solche Vergabe ausgestaltet sein muss, ob also ein wettbewerbliches Verfahren durchzuführen ist oder Aufträge direkt vergeben werden können, hat der Europäische Gerichtshof allerdings offengelassen. In der Literatur werden unterschiedliche Modelle diskutiert (vgl. Kieselmann und Friton, 2019); eine abschließende Klärung muss aber noch erfolgen.

Tipp:

Bis zu einer abschließenden Klärung sollten Auftraggeber bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen, die der Bereichsausnahme unterfallen, transparente und wettbewerbliche Verfahren durchführen.

Die dargestellten Bereichsausnahmen gelten gemäß § 1 Abs. 2 UVgO auch für die Vergabe von Rettungsdienstleistungen, die den EU-Schwellenwert nicht erreichen.

Merke:

Beabsichtigt der Auftraggeber einen Wettbewerb durchzuführen, um Leistungen des Rettungsdienstes auch für gewerblich tätige Unternehmen zu öffnen – also nicht nur gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen zu beteiligen –, gilt die Bereichsausnahme nicht (OLG Celle, 13 Verg 4/19).

Rettungsdienstleistungen, die nicht unter die Bereichsausnahme fallen

Leistungen des Rettungsdienstes, die sich nicht auf die Notfallrettung oder den qualifizierten Krankentransport mit Notfallrisiko beziehen, unterfallen nicht der Bereichsausnahme. Diese Leistungen sind unter Beachtung des GWB-Vergaberechts zu vergeben, sofern der entsprechende Schwellenwert überschritten ist. Diese Dienstleistungen unterfallen als soziale und andere besondere Dienstleistungen einem erleichterten Vergaberechtsregime (siehe Kapitel II, 2.1.1).

Merke:

Rettungsdienstleistungen außerhalb der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes mit Verschlechterungsrisiko unterfallen dem Vergaberechtsregime der sozialen und besonderen Dienstleistungen.

2.1.4        Übersicht Anwendungsbereich GWB

Tabelle 4:

Voraussetzungen GWBerfüllt (✓)/nicht erfüllt (✗)

2.1.5        Die Vergabeverordnungen

Neben dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sind im Bereich oberhalb des EU-Schwellenwertes weitere Vergabeverordnungen zu beachten, vgl. § 113 GWB:

  Die Vergabeverordnung – VgV

  Die Sektorenverordnung – SektVO

  Die Konzessionsvergabeverordnung – KonzVgV

  Die Vergabestatistikverordnung – VergStatVO

  Die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit, VSVgV

Die genannten Verordnungen konkretisieren die im GWB nur angelegten Verfahrensschritte und präzisieren die Möglichkeiten, die das neue europäische Vergaberecht für die Durchführung von Vergabeverfahren bieten. Die Verordnungen ergänzen zudem die bereits im GWB getroffenen Erleichterungen für die Vergabe sozialer und anderer besonderer Dienstleistungen und regeln schließlich die Rahmenbedingungen für die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel (Bundesrat Drucksache 87/16, S. 2).

Die Vergabeverordnung, VgV

Die Vergabeverordnung folgt mit ihrer Struktur dem Ablauf eines Vergabeverfahrens und integriert dabei die bisherigen Regelungen des 2. Abschnitts der VOL/A und der VOF.

Die Vergabeverordnung ist in sieben Abschnitte unterteilt:

1.  Der 1. Abschnitt betrifft allgemeine Bestimmungen und Querschnittsregelungen zur Kommunikation, insbesondere zur elektronischen Kommunikation.

2.  Der 2. Abschnitt regelt das Vergabeverfahren. Er umfasst die Zulassungsvoraussetzungen für die Wahl einer Verfahrensart und darüber hinaus Regeln zum genauen Ablauf der einzelnen Verfahrensarten. Er umfasst auch die Vorbereitung des Vergabeverfahrens einschließlich einer Regelung zur Unterauftragsvergabe sowie Regelungen zur Veröffentlichung und Transparenz. Ein besonderer Schwerpunkt des Abschnitts liegt auf der Eignung und auf sonstigen Anforderungen an Unternehmen. Schließlich finden sich in dem Abschnitt Regelungen zur Einreichung und zur Form von sowie zum Umgang mit Angeboten, Teilnahmeanträgen, Interessenbekundungen und Interessenbestätigungen sowie zur Prüfung und Wertung der Angebote.

3.  Der 3. Abschnitt enthält besondere Vorschriften für die Vergabe sozialer und anderer besonderer Dienstleistungen. Neben den Erleichterungen, die bereits im GWB geregelt sind (insbesondere die freie Wahl der Verfahrensart), treten weitere Erleichterungen etwa im Hinblick auf die Dauer von Rahmenvereinbarungen, die Zuschlagskriterien und die Mindestfristen hinzu.

4.  Der 4. Abschnitt geht auf die besonderen Vorschriften zur Beschaffung von energieverbrauchsrelevanten Leistungen und Straßenfahrzeugen ein.

5.  Abschnitt 5 enthält grundlegende Vorschriften zur Durchführung von Planungswettbewerben.

6.  Abschnitt 6 trägt den Besonderheiten der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen Rechnung. Der Abschnitt nennt insbesondere das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb und den wettbewerblichen Dialog als Regelverfahren. Der Abschnitt geht zudem auf Besonderheiten bei Bauplanungswettbewerben ein.

7.  Abschnitt 7 trifft Übergangs- und Schlussbestimmungen.

Die Sektorenverordnung, SektVO

Die Anwendung der Sektorenverordnung knüpft in Abgrenzung zur Vergabeverordnung an die Ausübung von Tätigkeiten in den Versorgungsbereichen Verkehr, Trinkwasser oder Energie an.

Die Sektorenverordnung gliedert sich in fünf Abschnitte:

1.  Allgemeine Bestimmungen und Kommunikation

2.  Vergabeverfahren

3.  Besondere Vorschriften für die Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Leistungen und von Straßenfahrzeugen

4.  Planungswettbewerbe

5.  Übergangs- und Schlussbestimmungen

Die Sektorenverordnung enthält zum Teil Regelungen, die identisch mit denen der Vergabeverordnung sind; das gilt insbesondere für die Regelungen zur elektronischen Kommunikation sowie zur Zuschlagserteilung. Andere Regelungsbereiche unterscheiden sich aber deutlich. So regelt die Sektorenverordnung z. B. auch die Antragsverfahren für Tätigkeiten, die unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt sind. Die Regelungen zur Wahl der Verfahrensarten unterscheiden sich ebenfalls. Weitere Unterschiede bestehen bei den Anforderungen an die Unternehmen; das gilt insbesondere für die Qualifizierungssysteme (Bundesrat Drucksache 87/16, S. 150).

Die Konzessionsvergabeverordnung, KonzVgV

Die Konzessionsverordnung gilt für die Vergabe von Konzessionen durch einen Konzessionsgeber. Die Vorschriften der Konzessionsvergabeverordnung konkretisieren die in den § § 97 bis 114 und 148 bis 154 GWB festgelegten wesentlichen Vorgaben für das Vergabeverfahren.

Die Konzessionsverordnung gliedert sich in vier Abschnitte:

1.  Allgemeine Bestimmungen und Kommunikation

2.  Vergabeverfahren

3.  Ausführung der Konzession

4.  Übergangs- und Schlussbestimmungen

Im Vergleich zur Vergabeverordnung sieht die Konzessionsvergabeverordnung vor, dass Konzessionsgeber nicht auf bestimmte Verfahrensarten festgelegt sind, sondern das Vergabeverfahren im Rahmen der Vorgaben der Richtlinie 2014/23/EU frei ausgestalten dürfen. Anders als bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind Verhandlungen mit Bietern sowohl im einstufigen als auch zweistufigen Verfahren zulässig, soweit der Konzessionsgegenstand und die Mindestanforderungen an das Angebot und die Zuschlagskriterien nicht geändert werden (Bundesrat Drucksache 87/16, S. 151).

Die Vergabestatistikverordnung, VergStatVO

Durch die Vergabestatistikverordnung werden alle Auftraggeber für den Ober- und sehr eingeschränkt für den Unterschwellenbereich verpflichtet, bestimmte Daten zu Beschaffungsvorgängen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zur Verfügung zu stellen

Die in der Vergabestatistikverordnung enumerativ aufgezählten Daten zu oberschwelligen Vergaben werden den Formularen zur Bekanntmachung vergebener Aufträge, die von jedem Auftraggeber auszufüllen und an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union elektronisch zu übermitteln sind, entnommen und automatisch in die Vergabestatistik eingespeist. Die übermittelten Daten werden bei der statistikführenden Stelle gesammelt und gespeichert.

Die Vergabestatistikverordnung besteht aus acht Paragrafen und ist nicht in Abschnitte untergliedert.

Die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit, VSVgV

Die Verordnung gilt für die Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen im Sinne des § 104 Absatz 1 GWB.

Sie besteht aus fünf Teilen:

1.  Teil 1 enthält allgemeine Bestimmungen

2.  Teil 2 regelt die Vergabeverfahren

3.  Teil 3 befasst sich mit Unterauftragsvergaben

4.  Teil 4 enthält besondere und

5.  Teil 5 Übergangs- und Schlussbestimmungen.

2.2        Schnellcheck

Zusammenfassung Vergaberecht oberhalb des EU-Schwellenwertes:

  Eine Pflicht zur Anwendung des GWB-Vergaberechts entsteht, wenn ein

–  Öffentlicher Auftraggeber einen öffentlichen entgeltlichen Auftrag vergibt, dessen geschätzter Auftragswert den EU-Schwellenwert erreicht oder übersteigt und kein Ausnahmetatbestand vorliegt.

  Rettungsdienstleistungen unterfallen nicht dem Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts, wenn es sich um Notfallrettung oder qualifizierten Krankentransport mit Verschlechterungsrisiko handelt.

  Rettungsdienstleistungen außerhalb der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes sind soziale und andere besondere Dienstleistungen, für die ein höherer Schwellenwert gilt.

3           Vergaberecht unterhalb des EU-Schwellenwertes

Wenn der geschätzte Auftragswert niedriger ist als der EU-Schwellenwert, ist das GWB-Vergaberecht nicht anzuwenden. Es gilt stattdessen das sog. Haushaltsvergaberecht:

Ausgangsnorm ist § 30 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), wonach dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen eine öffentliche Ausschreibung oder eine beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb vorausgehen muss, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Bund und Länder werden durch § 1 HGrG verpflichtet, ihr Haushaltsrecht nach diesen Grundsätzen zu regeln.

Entsprechend greifen die Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder diesen Grundsatz auf und schreiben vor, dass beim Abschluss von Verträgen nach einheitlichen Richtlinien zu verfahren sei. In den Haushaltsordnungen der Kommunen6 wird zum Teil auf die Grundsätze und Richtlinien verwiesen, die das fachlich zuständige Ministerium durch Verwaltungsvorschrift bestimmt, zum Teil auf verbindlich bekannt gegebene Vergabegrundsätze. In anderen Bundesländern ergeben sich weitere Bestimmungen aus Vergabegesetzen. In den jeweiligen Richtlinien, Erlassen oder Vergabegesetzen finden sich weitere Vorgaben, welche vergaberechtlichen Regelungen zu beachten sind; dies sind entweder die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) oder in den Ländern, in denen die Unterschwellenvergabeordnung noch nicht für anwendbar erklärt wurde, die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A (VOL/A)7.

Tabelle 5:

BundeslandVergabegrundsätze

Die Unterschwellenvergabeordnung und auch die VOL treten also nicht schon mit ihrer Bekanntgabe in Kraft, sondern bedürfen eines Anwendungsbefehls.

Bild 5: Haushaltsvergaberecht

Die Einführung der Unterschwellenvergabeordnung ist in einigen Bundesländern durch Anwendungsbefehl bereits erfolgt, in anderen Bundesländern ist sie geplant oder steht kurz bevor. Die Regelungen der VOL/A werden deshalb nicht weiter thematisiert.

3.1        Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)

Die UVgO ist keine Rechtsverordnung und entfaltet aus sich heraus keine Rechtsverbindlichkeit. Sie stellt eine Verfahrensordnung dar, die durch Anwendungsbefehle in den haushaltsrechtlichen Vorschriften des Bundes und der Länder in Kraft gesetzt wird (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2017, zu § 1 UVgO).

3.1.1        Aufbau

Die UVgO orientiert sich in ihrer Struktur an der für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen oberhalb der EU-Schwellenwerte geltenden Vergabeverordnung (VgV). Die UVgO ist in vier Abschnitte aufteilt, die jeweils Unterabschnitte bilden.

3.1.2        Anwendungsbereich

§ 1 Absatz 1 UVgO definiert den Anwendungsbereich der UVgO als Regelwerk für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte nach § 106 GWB.

Persönlicher Anwendungsbereich

Anders als das GWB, das den »öffentlichen Auftraggeber« anspricht, adressiert die UVgO durchgängig den »Auftraggeber«. Wer mit »Auftraggeber« im Sinne der UVgO gemeint ist, wird über den Anwendungsbefehl von Bund und Ländern gesondert festgelegt. Grund hierfür sind divergierende Traditionen in den Ländern, welche staatlichen und halbstaatlichen Institutionen das Unterschwellenvergaberecht anzuwenden haben (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2017, zu § 1 UVgO).

Auftraggeber im Sinne der UVgO sind aber hauptsächlich die klassischen öffentlichen Auftraggeber, also die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden. Man fasst diese auch unter dem »institutionellen Auftraggeberbegriff« zusammen. Werden, wie im GWB, auch juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts als öffentliche Auftraggeber definiert, wird von einem »funktionalen Auftraggeberbegriff« gesprochen.

Merke:

Der Auftraggeberbegriff der UVgO ist nicht identisch mit dem Begriff des »öffentlichen Auftraggebers« des GWB.

Bild 6: Aufbau der UVgO

Sofern in den einzelnen Anwendungsbefehlen nichts anderes geregelt ist, fallen privatisierte kommunale Unternehmen oder andere Personen des öffentlichen oder privaten Rechts nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der UVgO.9

Sachlicher Anwendungsbereich

Die UVgO gilt für die Vergabe von öffentlichen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen und Rahmenvereinbarungen, deren geschätzter Auftragswert unter den EU- Schwellenwerten liegt.

Nicht vom Anwendungsbereich erfasst sind Vergabesachverhalte, die unter die Ausnahmetatbestände der § § 107 bis 109, 116, 117 und 145 GWB fallen (siehe Kapitel II, 2.1.4). Dies sind die allgemeinen Ausnahmen für alle öffentlichen Aufträge und die besonderen Ausnahmen für die klassischen öffentlichen Aufträge sowie für Aufträge im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich. Hierunter fällt auch die Bereichsausnahme für Rettungsdienstleistungen, § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB (siehe Kapitel II, 2.1.3).

Merke:

Rettungsdienstleistungen der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes mit Verschlechterungsrisiko unterfallen nicht dem Haushaltsvergaberecht und der UVgO.

Anders als im GWB-Vergaberecht finden sich in der UVgO keine Regelungen zur Vergabe von Konzessionen und Aufträgen von Sektorenauftraggebern. Die Vergaberegelungen der Konzessionsvergabeverordnung und der Sektorenverordnung sind erst ab Erreichen des jeweiligen Schwellenwertes anzuwenden.

Aus dem Fehlen von Regelungen zur Vergabe von Konzessionen in der UVgO kann allerdings nicht der Schluss gezogen werden, dass keinerlei Verfahrensvorschriften zu beachten sind. Vielmehr erfordert der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 Grundgesetz, dass auch unterhalb der Schwellenwerte und unterhalb einer Binnenmarkrelevanz, Konzessionen in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren zu vergeben sind (OLG Düsseldorf, I-27 U 25/17).

Merke:

Bei der Vergabe von Konzessionen im Unterschwellenbereich sind die Grundsätze der Transparenz und Diskriminierungsfreiheit zu beachten.

Das OLG Düsseldorf ging in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2017 sogar noch einen Schritt weiter und stellte in einem obiter dictum10 fest: »Es sprechen gewichtige Gründe dafür, auch im Unterschwellenbereich die Einhaltung einer Informations- und Wartepflicht durch den öffentlichen Auftraggeber zu verlangen. Nach der Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union fordern die gemeinsamen Verfassungen der Mitgliedsstaaten und die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten einen effektiven und vollständigen Schutz gegen Willkür des öffentlichen Auftraggebers. Dieser vollständige Rechtsschutz verlangt, sämtliche Bieter vor Abschluss eines Vertrages von der Zuschlagsentscheidung zu unterrichten.« (OLG Düsseldorf, I-27 U 25/179)

Das OLG Düsseldorf äußert damit die Ansicht, dass auch unterhalb der EU-Schwellenwerte ein Vertrag erst geschlossen werden darf, nachdem die unterlegenen Bieter vorab informiert wurden. Eine Informations- und Wartepflicht sieht die UVgO allerdings nicht vor, so dass hier nur eine analoge Anwendung des § 134 GWB in Betracht kommt.

Tabelle 6: Ausnahmetatbestände nach § 1 UVgO i. V. m. GWB

Allgemeine AusnahmenBesondere Ausnahmen

3.2        Vergabegesetze der Länder

Neben den haushaltsrechtlichen Regelungen und der UVgO gibt es in den einzelnen Bundesländern – mit Ausnahme von Bayern – Landesvergabegesetze. Die darin enthaltenen Vorschriften sind von den öffentlichen Auftraggebern mit Sitz in den jeweiligen Bundesländern zu beachten.

Die Vorschrifteninhalte der Landesvergabegesetze sind sehr unterschiedlich und reichen von Regelungen zu Tariftreue und Mindestlohn über die Anwendung sogenannter vergabefremder Kriterien wie ökologische und soziale Aspekte zu Rechtsschutz vor den Vergabekammern.

Tabelle 7:

BundeslandVergabegesetz

Die Ermächtigung der Bundesländer zum Erlass von Vergabegesetzen ergibt sich aus § 129 GWB.

3.3        Schnellcheck

Zusammenfassung Vergaberecht unterhalb der EU-Schwellenwerte:

  Unterhalb der Schwellenwerte ergeben sich vergaberechtliche Regelungen aus dem Haushaltsrecht.

  Die Unterschwellenvergabeordnung ist eine Verfahrensordnung, die durch Anwendungsbefehl in den einzelnen Bundesländern in Kraft gesetzt werden muss.

  Der Auftraggeberbegriff der UVgO ist nicht dem Auftraggeberbegriff des GWB-Vergaberechts identisch und umfasst grundsätzlich nur die klassischen öffentlichen Auftraggeber (Gebietskörperschaften).

  Die Vergabegesetze der einzelnen Bundesländer enthalten weitere Regelungen zu Tariftreue, Mindestlohn und Berücksichtigung sozialer Kriterien in einem Vergabeverfahren.

1     Nicht in allen Bundesländern wird die UVgO angewendet; in einigen Ländern erfolgen Vergaben noch nach der VOL/A.

2     Eine Ausnahme könnte nur eine Privatfeuerwehr bilden, die bspw. in Form einer GmbH gebildet wurde.

3     Gleichwohl sind die Regelungen zu einer wirtschaftlichen Betätigung einer Gemeinde einzuhalten.

4     Bei dem Übereinkommen handelt es sich um ein plurilaterales Rechtsinstrument, mit dem die gegenseitige Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte der Vertragsparteien bezweckt wird. Es wird auf alle Aufträge angewandt, deren Wert die darin festgelegten, in Sonderziehungsrechten ausgedrückten Beträge (»Schwellenwerte«) erreicht oder übersteigt.

5     Die sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen sind nicht im GPA enthalten; es besteht deshalb kein regelmäßiger Anpassungsbedarf

6     Der Grundsatz, dass öffentliche und beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb gleichrangig sind, ist noch nicht in allen Ländern und Kommunen umgesetzt. In einigen Ländern ist noch der Vorrang der öffentlichen vor der beschränkten Ausschreibung vorgesehen.

7     Betrachtet werden nur die Bestimmungen für die Vergabe von Aufträgen über Lieferungen und Leistungen. Bauleistungen werden ausgenommen.

8     VOL/A und VOL/Bh

9     S. bspw. Ziffer 1.2 der Vergabegrundsätze für Gemeinden nach § 26 Kommunalhaushaltsverordnung NRW (Kommunale Vergabegrundsätze).

10  Ein obiter dictum ist eine Äußerung des Gerichts, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entscheidung steht, sondern nebenher geäußert wird.

II.         Vorbereitung des Vergabeverfahrens

1           Allgemeine Vorbereitungen

Die Einleitung eines Vergabeverfahrens geschieht bei öffentlichen Auftraggebern nicht willkürlich. Im Vorfeld ist erstens eine Ermittlung des Bedarfes sowie zweitens eine Markterkundung durchzuführen. Auf dessen Grundlage wird drittens eine Projekt- und Zeitplanung erstellt, die sicherstellen soll, dass der Bedarf auch dann gedeckt wird, wenn es erforderlich ist. Diese drei Faktoren (Bedarfsermittlung, Markterkundung, und Projektplanung) bilden die Vorbereitung und Grundlage des Vergabeverfahrens.

1.1        Bedarfsermittlung

Die Vorbereitungsmaßnahmen zu einem Vergabeverfahren beginnen mit der Ermittlung des Bedarfes. Das bedeutet, der öffentliche Auftraggeber prüft, ob zur Erfüllung seiner ihm auferlegten Aufgaben und Pflichten ein Bedarf für die Vergabe von Liefer-, Bau und/oder Dienstleistungen besteht. Ist dies der Fall, wird geprüft, über welchen Zeitraum welcher Bedarf existiert und welche Auswirkungen eine nicht Erfüllung des Bedarfes für den Aufgabenträger und die auferlegten Pflichten haben kann. Der allgemeine Bedarf für Feuerwehren und Rettungsdienste kann sich z. B. aus Gesetzestexten ergeben, wie z. B. das BHKG NRW.

»Für den Brandschutz und die Hilfeleistung unterhalten die Gemeinden den örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige Feuerwehren als gemeindliche Einrichtungen. (…) Die Gemeinden haben unter Beteiligung ihrer Feuerwehr Brandschutzbedarfspläne und Pläne für den Einsatz der öffentlichen Feuerwehr aufzustellen, umzusetzen und spätestens alle fünf Jahre fortzuschreiben.« (BHKG (SGV NRW), § 3)

Aus diesen auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen lassen sich wiederum diverse Bedarfe ableiten, die eine wesentliche Begründung für die Durchführung von Vergabeverfahren darstellen. So können z. B. eine bestimmte Art und Anzahl von Fahrzeugtypen oder ein ausgewählter Fortbildungsbedarf definiert sein.

Allerdings ist auch eine Bedarfsermittlung ohne diese Grundlage möglich, etwa zur Wahrnehmung anlassbezogener oder neuer Aufgaben zur Gefahrenabwehr und Wahrnehmung des öffentlichen Auftrages. So können Veränderungen in der Gefahrenlage, wie z. B. abstrakte, terroristische Gefahren die öffentlichen Auftraggeber dazu veranlassen, einen neuen Bedarf zu definieren. Dies können in diesem Fall z. B. spezielle rettungsdienstliche Ausrüstungen für Schussverletzungen sein oder besondere Sicherheitsmaßnahmen für das Einsatzpersonal (Sicherheitswesten, Personenalarmsender etc.). Die Feststellung des Bedarfes kann sich somit aus mannigfaltigen Quellen ergeben.

1.2        Markterkundung

Vor Beginn einer Vergabe sollte eine Markterkundung durchgeführt werden. Eine Markterkundung ist eine gelegentliche, nicht systematische Untersuchung des Marktes (vgl. »Markterkundung« in: Gabler Wirtschaftslexikon). Diese ist im Regelfall bereits zu Beginn der Planung der Haushaltsmittel erforderlich um eine valide Kostenkalkulation und somit Mittelanmeldung durchführen zu können. Dies hat auch der Gesetzgeber in seiner Begründung zur VgV § 28 erkannt:

»(…) In vielen Fällen erscheint eine vorherige Markterkundung auch sinnvoll, um eine fundierte Leistungsbeschreibung auf einer realistischen Kalkulationsgrundlage erstellen zu können. Zur Markterkundung kann der öffentliche Auftraggeber nach Artikel 40 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU beispielsweise den Rat von unabhängigen Sachverständigen oder Behörden oder von Marktteilnehmern einholen oder annehmen. Der Rat darf dabei nicht wettbewerbsverzerrend sein und nicht zu einem Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Transparenz führen.«

Zu Beginn der Beschaffung sollte eben diese Markterkundung aktualisiert werden, da zwischen Mittelanmeldung und endgültiger Beschaffung einige Zeit liegen kann. In dieser Zeit verändert sich der Markt und ggf. die zu beschaffende Leistung oder Technologie. Teilweise ändern sich auch gesetzliche Rahmenbedingungen, wie z. B. Euro-Abgaswerte. Diese gesetzlichen Änderungen können finanzielle Auswirkungen auf den Beschaffungsvorgang haben. Allein aus diesem Grund ist eine Markterkundung sinnvoll und notwendig. Nicht zuletzt kann diese auch für die Schätzung des Auftragswerts und somit zur Bestimmung der Vergabeart hilfreich sein.

Die Markterkundung oder auch Marktrecherche genannt dient aber auch dazu, die gewünschte Leistung genauer zu verifizieren und insbesondere zu prüfen, ob der Markt die zu beschaffende Leistung überhaupt erbringen kann. Im Wesentlichen kann der Auftraggeber dazu zwar sein Leistungsbestimmungsrecht nutzen, in dem er die Art der zu vergebenden Leistung und des Auftragsgegenstandes selbstständig bestimmt, jedoch sollte er nur Leistungen ausschreiben, die der Markt auch leisten kann.

Die Markterkundung als Werkzeug im Beschaffungsvorgang darf ausgiebig genutzt werden. Nicht zulässig ist jedoch die Durchführung von Vergabeverfahren zum Zweck der Markterkundung und somit zur Preisermittlung. (vgl. § 28 Abs. 2 VgV, § 20 UVgO). Ebenfalls ist die Nutzung von Eventualpositionen im Leistungsverzeichnis eines Vergabeverfahrens zur Preisermittlung und Markterkundung zu vermeiden. Die Markterkundung ist als Vorbereitung der Auftragsvergabe zu verstehen.

»Vor der Einleitung eines Vergabeverfahrens darf der öffentliche Auftraggeber Markterkundungen ausschließlich zur Vorbereitung der Auftragsvergabe und zur Unterrichtung der Unternehmen über ihre Auftragsvergabepläne und -anforderungen durchführen.« (§ 28 Abs. 1 VgV, § 20 UVgO)

Die Markterkundung kann dabei Informationen auf unterschiedlichen Wegen erbringen. So können folgende Informationsmöglichkeiten zum Tragen kommen (BMI: UfAB, 2018, S. 52):

  Informationsanfragen bei Unternehmen

  Auswertungen aus eigenem Lieferantenmanagementsystem

  Gremienarbeiten, Fachzeitschriften, Veröffentlichungen

  Besuch von Messen oder Ausstellungen

  Besuch Fachforen und Präsentationen auf Tagungen

  Besuch von Fach- und Fortbildungsseminaren zur Vergabepraxis und Auftragsgegenständen

  Eigene Teststellungen oder Testergebnisse Dritter

  Auskunft von Verbänden oder Auftragsberatungsstellen

  Internetrecherchen

  Auskünfte beziehungsweise Gutachten von Sachverständigen

  Markterkundung von Dritten (unter anderem Markterkundungsdienstleistungen, Datenbanken etc.)

  Eigene Erfahrungswerte aus bisherigen Projekten oder Ausschreibungen

  Erfahrungen des Referates auf diesem Fachgebiet

  Auskünfte anderer öffentlicher Auftraggeber

  Lieferantenworkshops mit einzelnen Lieferanten zu ausgewählten Themen

  Lieferantentage mit mehreren Lieferanten zu speziellen Themen

  Individuelle Gespräche oder auch Round-Table-Gespräche

  Besuch von Fachseminaren

Eine Richtlinie oder ein Regelwerk zur Durchführung einer Markterkundung ist explizit nicht gegeben. Es gelten die allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätze, dass eine Markterkundung somit nicht wettbewerbsverzerrend sein darf, sondern die Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz zu beachten sind.

Somit sind im Rahmen der Markterkundung immer mehrere Unternehmen anzusprechen oder anzuschreiben. Dabei sind bei allen Unternehmen die gleichen Informationen abzufragen. Nur so sind die Ergebnisse vergleichbar. Die Ergebnisse und Antworten auf die Markterkundungsfragen sind im Rahmen der Dokumentationspflicht Teil des Vergabevorgangs. Das bedeutet aber nicht, dass für die Durchführung einer Markterkundung bereits die Informationspflicht gilt.11 Bei der Durchführung der Markterkundung ist der Auftragnehmer zur Objektivität verpflichtet. Aktivitäten die darüber hinausgehen können bereits als Maßnahmen zur Vertragsschließung gewertet werden und solche sind im Rahmen der Markterkundung wiederum unzulässig (OLG München, Verg 8/12).

1.3        Projekt- und Zeitplanung

Ist der Bedarf festgestellt worden und liegen die ersten Informationen aus der Markterkundung vor, die in der Frühphase lediglich als Planungsgrundlage für die Anmeldung und Einstellung von Haushaltsmittel dienen sollen, ist es erforderlich eine valide Projekt- und Zeitplanung zu erstellen. Diese ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die zu beschaffende Liefer- oder Dienstleistung auch zum entsprechenden Zeitpunkt vorliegt, zu dem der Bedarf besteht.

Die Projektplanung kann ggf. sogar rückwirkende Ergebnisse erzielen, die den Planer veranlassen können, z. B. bei der Feststellung von einem entsprechend langen Projektplanungszeitraum, die Haushaltsmittel für ein Vergabeverfahren deutlich früher in den Haushalt einzustellen als zunächst vermutet. Projekt- und Zeitplanung sowie Bedarfsermittlung und Markterkundung sind somit eng miteinander verknüpft und können sich in Teilbereichen gegenseitig beeinflussen.

Die Faktoren, die Gegenstand einer Projekt- und Zeitplanung sein können, hängen stark von dem zu beschaffenden Auftragsgegenstand ab. Beispielhaft sind zu nennen:

  Freigabezeiträume von Haushaltsmitteln

  Interne Zeiträume zur Mitzeichnung von Verfügungen

  Ausschreibungszeiträume (Fristen für Bekanntgaben, Einspruchszeiträume etc.)

  Lieferzeit

  Schulungszeit und Einweisungszeiten von Multiplikatoren

  Schulungszeit und Einweisungszeiten von Anwendern

  Schulungszeit und Einweisungszeiten von Administratoren

  Schulungszeit und Einweisungszeiten von Werkstattpersonal

  Erstellungszeiträume von Handlungsanweisungen für den Einsatzdienst

  Erstellungszeiträume von anwenderspezifischen Bedienungsanleitungen (z. B. bebilderten Kurzbedienungsanleitungen)

  Inventarisierungszeiträume

  Zeiträume zur erweiterten betriebsinternen Dokumentation (ergänzende Beschriftungen von Einsatzgeräten etc.)

  Anpassung von Subsystemen z. B. ggf. baulichen Maßnahmen bei Einsatzfahrzeugen (ändern der Energieeinspeiseversorgung von Einsatzfahrzeugen etc.) oder Software und Wachalarmsystemen bei Leitstellen

  Zeiträume zur Datenpflege und Datenübernahme bei der Beschaffung von Software

  Zeiträume für akute Mangelbehebungen vor Indienstnahme des Auftragsgegenstandes

Einfache Projektplanungen können anhand eines Zeitstrahls dargestellt werden. Anbei das Beispiel eines Zeitstrahls für die Beschaffung eines Einsatzfahrzeuges. Der Zeitstrahl verdeutlicht, wie lange eine Beschaffungsmaßnahme von der ersten Planungsidee bis zu Indienstnahme dauern kann:

  Der Zeitraum vor Beginn der Maßnahme dauert in diesem Beispiel 11 Monate

  Der Zeitraum für die Beschaffung selbst ca. 22 Monate

  Der Zeitraum für die Schulung und Indienstnahme ca. 7 Monate

Bild 7: Beispiel Zeitstrahl für die Beschaffung eines Einsatzfahrzeuges (Angabe in Wochen)

Der Gesamtzeitraum beträgt somit 40 Monate oder 3 Jahre und 4 Monate. Diese Größenordnungen hängen natürlich von der Art des Auftragsgegenstandes und der Situation am Markt ab.

Neben rudimentären Grobplanungen mittels eines einfachen Zeitstrahls können auch entsprechende Softwarelösungen zur Planung herangezogen werden. Hier gibt es diverse Fabrikate am Markt, wie z. B. Microsoft Project Professional, Open Workbench, Smart Tools projektplan, Rillsoft Projekt u. a. (Aufzählung ohne Wertung). Projektpläne lassen sich auch in Excel erstellen. Teilweise sind hierfür kostenlose Vorlagen im Internet zu finden.

Eine Darstellung für einen Projektplan kann wie folgt aussehen. Hier dargestellt an der Ausschreibung von Leitstellensoftware:

Bild 8: Auszug Projektplan

1.4        Schnellcheck

Zusammenfassung

Die Vorbereitenden Maßnahmen bestehen aus

  Bedarfsermittlung:

Sie dient der Ermittlung des Bedarfs und bildet die Argumentationsgrundlage. Hier können insbesondere Bedarfspläne (z. B. Brandschutz oder Rettungsdienstbedarfspläne), die durch politische Gremien beschlossen und mitgetragen werden, eine wichtige Grundlage bilden.

  Markterkundung:

Die Markterkundung verschafft einen Überblick und eine Machbarkeitsstudie zur Konkretisierung des Bedarfs. Sie ist Grundlage für die Erstellung der Leistungsbeschreibung und dient der Einhaltung der Grundthese, dass nur Leistungen ausgeschrieben werden, die der Markt auch erbringen kann.

  Projekt- undZeitplanung:

Die Projekt- und Zeitplanung stellt den wesentlichen Kern der Vorbereitung dar. Bei korrekter Ausführung stellt sie sicher, dass der Bedarf zum richtigen Zeitpunkt gedeckt wird und kein Überbedarf entsteht.

2           Leistungsarten: Einordnung des Beschaffungsgegenstandes

Ist der Bedarf ermittelt und steht fest, welche Leistung beschafft werden soll, ist für das weitere Verfahren zu klären, um welche Leistungsart es sich handelt. Dies ist wesentlich, um später den einschlägigen EU-Schwellenwert bestimmen zu können und für die Frage, welche Vergabeordnung einschlägig ist.

Es kommen unterschiedliche Leistungskategorien in Betracht: Lieferleistungen, Dienstleistungen, Soziale und andere besondere Dienstleistungen, freiberufliche Leistungen, Bauleistungen und Konzessionen sowie Beschaffungsgegenstände, die mehrere Leistungsarten beinhalten.

Bild 9: Übersicht der Leistungskategorien

Lieferleistungen

§ 103 Abs. 2 GWB definiert Lieferaufträge als Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing, Mietverhältnisse oder Pachtverhältnisse mit oder ohne Kaufoption betreffen. Die Verträge können auch Nebenleistungen umfassen. Klassische Lieferaufträge sind zum Beispiel der Kauf von Fahrzeugen.

Dienstleistungen

Nach § 103 Abs. 4 GWB sind Dienstleistungsaufträge Verträge über die Erbringung von Leistungen, die weder Lieferleistungen noch Bauleistungen zum Gegenstand haben.

Mögliche Dienstleistungsaufträge im Bereich von Feuerwehr und Rettungsdienst sind Lehrgänge und Ausbildungsleistungen, Wartung und Instandhaltung von Leitstellentechnik.

Soziale und andere besondere Dienstleistungen

Soziale und andere besondere Dienstleistungen werden in § 130 GWB genannt und zu ihren Inhalten auf den Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU verwiesen. Für diese Dienstleistungen, zu denen auch Rettungsdienste und Feuerwehrdienste gehören, gelten einige Erleichterungen bei der Durchführung eines Vergabeverfahrens und auch ein höherer Schwellenwert, weil sie in der Regel nur dann ein grenzüberschreitendes Interesse bieten, wenn sie aufgrund eines relativ hohen Auftragswerts eine ausreichend große kritische Masse erreichen.

Welche Dienstleistungen zu den sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen gehören, ergibt sich aus dem »Gemeinsamen Vokabular für öffentliche Aufträge« (CPV). Hierbei handelt es sich um eine hierarchisch strukturierte Nomenklatur, die in Abteilungen, Gruppen, Klassen, Kategorien und Unterkategorien eingeteilt ist. Die einschlägigen CPV-Codes und die dazu gehörenden Dienstleistungen sind in Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU aufgeführt (siehe Anhang).

Freiberufliche Leistungen

Freiberufliche Leistungen werden in § 29 VgV und § 50 UVgO erwähnt. Es handelt sich bei diesen Leistungen um solche, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden. In einer amtlichen Anmerkung zu § 50 UVgO wird auf § 18 Absatz 1 Nummer 1 EStG verwiesen; in dieser Vorschrift sind freie Berufe aufgeführt: