Sozialkompetenz und Teamentwicklung bei Einsatzkräften - Michael Lülf - E-Book

Sozialkompetenz und Teamentwicklung bei Einsatzkräften E-Book

Michael Lülf

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Beschreibung

Teamfähigkeit und Sozialkompetenz sind grundlegende Werte, die Einsatzkräfte von Feuerwehren und anderen Hilfsorganisationen erfüllen sollten. Leider können diese Kompetenzen heute nicht mehr als selbstverständliches Ergebnis von Erziehungs- und Sozialisierungsprozessen vorausgesetzt werden. Und auch in der Aus- und Fortbildung spielen sie eher eine untergeordnete Rolle. Das Buch dient als Unterstützung für Führungskräfte von Feuerwehren und anderen Hilfsorganisationen, um die Werte Teamfähigkeit und Sozialkompetenz erfolgreich innerhalb der eigenen Mannschaft zu vermitteln.

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Michael Lülf

[3] Sozialkompetenz und Teamentwicklung bei Einsatzkräften

1. Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Alle abgebildeten Grafiken sind, sofern keine gesonderte Quellenhinweise angegeben wurden, Eigendarstellungen des Verfassers. Alle Fotos sind zur Verwendung mit der Genehmigung der Berufsfeuerwehr Mülheim an der Ruhr sowie mit der Genehmigung von den Fotografen Herrn Ewald Koschut (Bottrop), Herrn Marc Stier (Mülheim an der Ruhr), Herrn Guido Bludau und Herrn Henning Gros (Dorsten) freigegeben worden.

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-033303-1

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-033305-5

epub: ISBN 978-3-17-033306-2

mobi: ISBN 978-3-17-033307-9

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

[5]Geleitwort

Ohne gelingende Kooperation und Kommunikation ist effektive Gefahrenabwehr nicht möglich. Maßnahmen zur Brandbekämpfung, die Durchführung technischer Hilfeleistungen sowie die Versorgung von schwer verletzten oder akut erkrankten Notfallpatienten setzt immer voraus, dass mehrere Menschen z. B. Absprachen treffen, eine gemeinsame Strategie verfolgen und einander sinnvoll ergänzend tätig werden. Einzelkämpfer sind in den Einsatzorganisationen, d. h. bei Feuerwehren, Rettungsdiensten und dem Technischen Hilfswerk, definitiv fehl am Platz.

Erstaunt und verwundert muss man allerdings zur Kenntnis nehmen, dass die Förderung der Sozialkompetenz von Feuerwehrleuten, Rettungsdienstmitarbeitern und anderen Einsatzkräften in den üblichen Ausbildungen – wenn überhaupt – allenfalls »nebenbei« bzw. indirekt erfolgt. Im Vordergrund stehen fast ausschließlich fachliche Aspekte.

Sich in ein Team integrieren zu können, ein Team mit aufzubauen, als Team zusammenzuwachsen und als Mitglied eines Teams zu funktionieren, aber auch vorgegebenen Rollenerwartungen gerecht zu werden und Spielräume zur Ausgestaltung der eigenen Rolle in einer angemessenen Weise nutzen zu können, wird mehr oder weniger vorausgesetzt. Einem umfassenden Verständnis beruflicher Handlungskompetenz wird dies jedoch längst nicht mehr gerecht: Neben der Fach- und Methodenkompetenz ist Personal- und Sozialkompetenz aller Beteiligten – gerade im Einsatzwesen – unabdingbar geworden: Wie viele schwelende Konflikte in Wachabteilungen, aber auch suboptimale Einsatzverläufe mit den vielfältigsten Komplikationen resultieren z. B. daraus, dass eben nie ein wirkliches Team entstanden ist?

Michael Lülf hat diese Problematik bereits vor vielen Jahren erkannt. In seiner damaligen Funktion als Leiter einer Feuerwehr- und Rettungsdienstschule hat er damit begonnen, ein intensives Trainingskonzept zu entwickeln, das einerseits sozialwissenschaftlich fundiert begründet, andererseits aber auch mit den bislang üblichen Ausbildungsstrategien kompatibel ist. Dieses, aufgrund umfangreicher Praxiserfahrung immer weiter entwickelte, in vielen Arbeitskreisen diskutierte und inzwischen auch durchaus bewährte und viel beachtete Konzept, wird mit diesem Buch erstmals einer breiten Fachöffentlichkeit vorgestellt.

Im verfügbaren Angebot der Fachliteratur für die Ausbildung von Einsatzkräften wird auf diese Weise eine bislang unübersehbar bestehende Lücke geschlossen. Die nachfolgenden Ausführungen geben wertvolle Anregungen, um dem Training der [6]Sozialkompetenz eben die Bedeutung zukommen zu lassen, die dieses wichtige Thema ganz zweifellos verdient. Zu hoffen bleibt, dass diese Anregungen nicht nur engagiert, sondern auch stets verantwortungsbewusst und sorgfältig reflektiert in die Praxis umgesetzt werden!

Prof. Dr. phil. Harald KarutzDipl.-Pädagoge

[7]Vorwort

Einsatzkräfte aller Organisationsformen verkörpern einen hohen gesellschaftlichen Anspruch. Nicht nur deshalb belohnt die Gesellschaft die Einsatzkräfte von Feuerwehren sowie Hilfs- und Rettungsorganisationen mit dem höchsten Vetrauenszuspruch den es gibt (Readers-Digest, 2014). Spricht man von Einsatzkräften, so spricht man in der Regel immer von mehreren Personen. Eine gute Einsatzkraft macht Teamfähigkeit und ein hoher Faktor an Sozialkompetenz aus und kein »Einzelkämpfertum«.

Seit 1994 bin ich selbst aktive Einsatzkraft in der Freiwilligen Feuerwehr Dorsten, der Berufsfeuerwehr Mülheim an der Ruhr und der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Aus allen dort gemachten Erfahrungswerten kann ich bestätigen: Nichts geht ohne Teamarbeit und Sozialkompetenz! Durch die eigene Erfahrung und den Austausch mit vielen Einsatzkräften anderer Organisationen kann ich allerdings auch bestätigen, dass für diese so wichtigen Faktoren im Bereich der Ausbildung zu Einsatzkräften leider gar nichts oder viel zu wenig getan wird. Aus diesem Grund beschäftige ich mich seit 2006 mit der Thematik »Teamentwicklung und Sozialkompetenz bei Einsatzkräften« und habe mit Unterstützung der Berufsfeuerwehr Mülheim an der Ruhr diverse Feldversuche, Studien und Projekte zur Teamentwicklung und Förderung von Sozialkompetenz durchgeführt.

Von allen Einsatzkräften, die diese Maßnahmen aktiv als Teilnehmer oder passiv als Ausbilder und Beobachter durchlaufen und begleitet haben, kam durchweg die positive Rückmeldung, wie wertvoll die gewonnenen Erfahrungswerte und wie wichtig und erforderlich Entwicklungsmaßnahmen als Teil der Fachausbildung zu Einsatzkräften sind. Aufgrund dieses großen positiven Zuspruchs und meiner Motivation in diesem Bereich weiter zu forschen und die dortigen Erkenntnisse als eine realistisch umsetzbare Ausbildungseinheit näher zu bringen, entstand dieses Buch in seiner ersten Auflage.

Das Buch soll die Grundzüge der Teamentwicklung und Sozialkompetenz vermitteln und anhand von praktischen Beispielen zeigen, wie verantwortliche Ausbilder zielführend und überzeugend Teamentwicklungsmaßnahmen in die Ausbildung integrieren können. Darüber hinaus soll dieser leider bisher vernachlässigten Thematik in der Ausbildung von Einsatzkräften von der Mannschafts- bis zur Führungsebene mehr Gewicht verliehen werden.

Ich möchte mit diesem Buch zur Nachahmung unter Berücksichtigung der Sicherheitsfaktoren animieren und somit zur Weiterentwicklung dieses Feldes moti[8]vieren. Gerade unter der Thematik »Motivation für das Ehrenamt und dem Berufsfeld der Einsatzkraft« nimmt die Rolle der Teamentwicklung und Sozialkompetenz einen größeren Stellenwert ein als manch einer vielleicht vermutet.

Deshalb meine Bitte an die Leserschaft: Setzten Sie sich selbstkritisch mit dieser Thematik und der Frage auseinander: »Was wird aus Ihrer Sicht derzeit für die Teamentwicklung und die Förderung der Sozialkompetenz für Einsatzkräfte getan?« Vielleicht haben Sie ja die Möglichkeit eigene Maßnahmen zur Entwicklung und Förderung in diesem Bereich durchzuführen oder können Erfahrungswerte beitragen. Ich würde mich freuen, mich mit Ihnen auszutauschen, um somit dieses Feld in der Ausbildung von Einsatzkräften weiter zu entwickeln und zu fördern!

Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich bei der Berufsfeuerwehr Mülheim an der Ruhr für die Möglichkeit und das entgegengebrachte Vertrauen zur Durchführung meiner Projekte in diesem Bereich und Herrn Prof. Dr. phil. Harald Karutz (Dipl.-Pädagoge) für den fachlichen Austausch, den wertvollen Diskussionen und der Erstellung des Geleitwortes! Ich bitte auch um Beachtung der Danksagung am Ende dieses Buches, da ohne die Unterstützung der genannten Personen die Erstellung des vorliegenden Werkes nicht möglich gewesen wäre.

Mülheim an der Ruhr im März 2018,Michael Lülf

[9]Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

Vorwort

Einleitung

1 Die Bedeutung von Teamfähigkeit

1.1   Team als Trendsetter und Notwendigkeit

1.2   Der Begriff »Team«

1.3   Voraussetzungen für die Bildung eines Teams

1.4   Vorteile und Nachteile des Teams

1.5   Teaminterne Einflussfaktoren

1.6   Gleichgewichtsstreben eines Teams

2 Entwicklungsphasen und Kompetenzfelder bei Teamprozessen

2.1   Entwicklungsphasen eines Teams

2.2   Schlüsselkompetenzen

2.2.1   Sozialkompetenz

2.2.1.1   Einflussfaktoren der Sozialkompetenz

2.2.1.2   Lernbarkeit von sozialer Kompetenz

2.2.1.3   Förderungsbedarf von Sozialkompetenz

2.2.1.4   Grundregeln der Förderung von Sozialkompetenz

2.2.2   Kompetenzfelder neben der Sozialkompetenz

3 Konzept und Voraussetzungen für das Teamtraining

3.1   Erlebnispädagogischer Ansatz

3.2   Das Konzept »Outward-Bound«

3.3   Ziele und Eigenschaften der Ausbildungsübungen

3.4   Anforderungen an die Ausbilder

3.5   Anforderungen an die Teammitglieder

4 Methoden des Teamtrainings

4.1   Gruppendynamisches Teamtraining

4.2   Projektorientiertes Teamtraining (off-, near- und on-the-job)

5 Durchführung der Feldstudie

5.1   Feldstudie: »Das Einführungscamp« – Die Einführungsphase (off-the-job) in der Praxis

5.2   Feldstudie:»Das Übungscamp« – Die Lernphase (near-the-job) in der Praxis

5.3   Feldstudie: »Das Wachpraktikum« – Die Umsetzungsphase (on-the-job) in der Praxis

6 Erweiterung des 5-Phasenmodells – Die sechste Parallelphase

7 Ergebnisse und Erfahrungswerte für die Anwender

7.1   Motivieren

7.2   Ausbilderqualifikationen und Verhaltenshinweise für Ausbilder

7.3   Sicherheitsstandards und Risikomanagement

7.4   Beobachtungshilfen für Ausbilder

Beobachtungsbogen für Ausbilder

7.5   Empirische Überprüfung und Evaluierung

Fragebogen für Teilnehmer vor der Ausbildungsmaßnahme

Fragebogen für Teilnehmer nach der Ausbildungsmaßnahme

7.6   Reflexion und Transfer von Erlebnissen und Erfahrungen

7.7   Distanzaufbau zu Ausbildern

7.8   Distanzabbau zu Ausbildern

7.9   Kosten

7.10  Distanzierung von Bootcamp-Einrichtungen

7.11  Das Ausbildungsskript für das »Off-the-job-Event«

8 Exemplarische Beschreibung von Übungen (Off-the-job-Event)

8.1   Die Marschübung

8.2   Der Quadratliegestütz

8.3   Das Förderband

8.4   Die Holzbrücke

8.5   Das Pendel

8.6   Die Wippe

8.7   Die Flussüberquerung

8.8   Die Schlucht

8.9   Das Netz

8.10  Die Mauer

8.11  Das Labyrinthspiel

8.12  Der Flaschenzug

8.13  Die Blinde Schlange

8.14  Die Menschenrettung

8.15  Die Gleichgewichtsübung

8.16  Die Gruppenkniebeuge

8.17  Die Anlegeübung

8.18  Die Abseilübung

8.19  Die Nachtübung

Ablauf im Detail:

8.20  Denksportaufgaben

9 Zusammenfassung, Schlussfolgerung und Ausblick

Danksagung

Literaturverzeichnis

[13]Einleitung

Die Ausbildung von Feuerwehrangehörigen, Angehörigen von Hilfsorganisationen oder dem Technischen Hilfswerk – zusammengefasst: von allen Einsatzkräften – gliedert sich in der Regel in unterschiedliche Lehrgänge und Laufbahnen auf. Dies ist unter anderem auch abhängig davon, ob es sich um eine ehrenamtliche Ausbildung (Ausschuss Feuerwehrangelegenheiten, 2012) oder um eine berufliche Ausbildungsmaßnahme (Kommunales, 2015, 2016a und 2016b) handelt und welche Schwerpunkttätigkeit die Einsatzkraft später übernehmen möchte.

Als Gemeinsamkeit lässt sich feststellen, dass Einsatzkräfte unterschiedlicher Rettungsbranchen sogenannte Grund- oder Basislehrgänge durchlaufen. Sie dienen dazu, das erforderliche Grundwissen über die Organisationsform und das Aufgabenfeld zu erlernen. Danach folgen in der Regel Aufbau- und Speziallehrgänge in unterschiedlichen Ausprägungen und Prüfungsformen.

Im Bereich von Feuerwehren gibt es beispielsweise aufgrund der unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche in den einzelnen Laufbahnen drei unterschiedliche Ausbildungen, um dem jeweiligen Anforderungsprofil gerecht zu werden. Trotzdem haben alle drei Laufbahnausbildungen eine gemeinsame Basis: die feuerwehrtechnische Grundausbildung. Sie dauert fünf Monate und wird von allen Laufbahnbewerbern durchlaufen. Erst danach folgen funktions- bzw. laufbahnspezifische Ausbildungsabschnitte.

Die feuerwehrtechnische Grundausbildung, unabhängig davon ob sie hauptberuflich ausgeführt oder ehrenamtlich absolviert wird, ist somit der Einstieg in die professionelle Feuerwehrausbildung. Sie hat in der Regel eine Teilnehmerzahl von 10–20 Personen (Stallmeyer, 2007).

Die Grundausbildung wird nach entsprechenden Rahmenvorschriften durchgeführt und gibt den Ausbildungsstellen und deren Ausbildungsleitern einen gesetzlich bindenden Rahmen, in dem mittels eines Stoffplanes Themengebiete festgesetzt werden. Die Ausbildungsleiter können sich in diesem Rahmen frei bewegen und die Ausbildung standortspezifisch definieren. Ihnen bleibt also ein gewisser Handlungsspielraum auf Basis eines Stoffverteilungsplanes, um die erforderlichen Inhalte aus Normen, Gesetzen und Vorschriften in die Ausbildungspraxis umzusetzen. Dieser Sachverhalt lässt sich nahezu analog auf die Ausbildung im Rettungsdienst oder dem Technischen Hilfswerk übertragen. Somit ist die Vermittlung von Fachkompetenzen für Einsatzkräfte in allen Bereichen geregelt. Wie sieht es aber mit der Vermittlung der sozialen Kompetenz aus?

[14]Sozialkompetenz wird einerseits immer gefragter und somit immer mehr gefordert, andererseits kann sie nicht als selbstverständliches Ergebnis gesellschaftlicher Erziehungs- und Sozialisationsprozesse vorausgesetzt werden – das Vertrauen auf eine gelungene Sozialisation wird daher ersetzt durch die Erwartung an die Wirksamkeit organisierter Lehr- und Lernprozesse (Euler, 2001).

Leider werden zur Förderung von sozialer Kompetenz und Teamentwicklung keine oder nur marginale Hinweise in den einschlägigen Rahmenvorschriften, egal welcher Rettungsbranche, gegeben. Die Mehrzahl der Ausbilder wird sich mit dieser Thematik kaum beschäftigt haben, weil es der Ausbildungsplan nicht vorsieht, sie es nicht anders kennen oder der Spielraum für ergänzende Ausbildungsthemen in der Regel aufgrund der Fülle des zu vermittelnden Stoffes nicht gegeben ist. Indes: Alle Einsatzkräfte ärgern sich darüber, wenn sich andere Einsatzkräfte in Situationen sozial inkompetent oder teamunfähig verhalten und dies im schlimmsten Fall öffentlich gemacht wird!

Eine der meist gestellten Fragen in Personalauswahlgesprächen bei Feuerwehren, im Rettungsdienst bei Hilfsorganisationen oder dem Technischen Hilfswerk lautet: »Sind Sie teamfähig?« Die Bedeutung des Teams lässt sich alleine schon daran erkennen, dass die kleinste taktische Einheit der Feuerwehr einen Trupp darstellt, der aus zwei oder ggf. auch aus drei Personen besteht. Ein »Einzelkämpfertum« ist ausgeschlossen. Gerade im Feuerwehr-, aber auch im Rettungsdienstbereich ist es unerlässlich, dass sich Kollegen im Einsatz »blind« aufeinander verlassen können. Schließlich begeben sie sich gemeinsam in Situationen, die für sie selbst und andere unter Umständen lebensbedrohlich sind. Folgerichtig wird besonderer Wert darauf gelegt, dass Einsatzkräfte teamfähig sind und in extremen Stresssituationen zusammenarbeiten können.

Mit der Einführung des Notfallsanitäters sind mit der Thematik »Kommunikation, Kooperation und Interaktion« erstmalig Ausbildungsinhalte in eine Ausbildungsverordnung aufgenommen worden, die der Vermittlung und Förderung von sozialer Kompetenz und Teamentwicklung Rechnung tragen (Ministerium für Gesundheit, 2016).

Wie aber wird herausgefunden, ob Einsatzkräfte teamfähig oder sozial kompetent sind und wie kann ihnen ggf. Teamfähigkeit und soziale Kompetenz vermittelt werden?

Dieses Buch soll genau diese Frage und die Thematik der Teamentwicklung sowie der sozialen Kompetenz im Bereich der Ausbildung von Einsatzkräften beleuchten und erklären. Es stellt Methoden und Konzepte zur Vermittlung und Förderung von Teamfähigkeiten und sozialer Kompetenz vor, die speziell auf die Bedürfnisse von Einsatzkräften abgestimmt sind. Theoretische Ansätze werden erklärt und die [15]praktische Umsetzung gezeigt. Dabei basieren die Ausführungen auf Erkenntnissen und Erfahrungswerten aus Teamentwicklungsstudien mit entsprechenden Evaluationen, die über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren in diesem Bereich geführt wurden. Der Autor nimmt einen Ausbildungsbereich in den Fokus, der leider bisher nicht die Aufmerksamkeit erhält, die er aufgrund des Anforderungsprofils an Einsatzkräfte erhalten sollte. Das Buch kann somit als Basisleitfaden für Einsatzkräfte und insbesondere Führungskräfte gesehen werden, um Teamentwicklung und soziale Kompetenz bewusst in die Ausbildung zu integrieren.

[17]1    Die Bedeutung von Teamfähigkeit

1.1   Team als Trendsetter und Notwendigkeit

Es ist ohne relevante Bedeutung, welche Berufssparte betrachtet wird. Die Forderung nach Teamfähigkeit oder dem Arbeiten mit Teams ist in den meisten Berufszweigen vertreten und wird auch nahezu in jeder Stellenausschreibung oder Mitgliederwerbung bzw. Tätigkeitsbeschreibungen als Forderung formuliert.

Dies ist auch gängige Praxis in Tätigkeitsbereichen von Feuerwehren, den Hilfsorganisationen und dem Technischen Hilfswerk. Aber nicht, weil es ausschließlich um ein Trendsetting geht, sondern vielmehr weil es notwendig und begründbar ist.

Sowohl durch die Struktur des Berufsstandes als auch durch das Berufsethos ist die Teamarbeit bereits tief im Kern der Feuerwehr, des Rettungsdienstes und des Technischen Hilfswerks impliziert. Es wird von allen Seiten, seien es Berufskollegen, Dienstvorgesetzte bis hin zum Dienstleistungsempfänger – dem Bürger – erwartet, dass alle Mitarbeiter dieser Institutionen miteinander handeln und somit zusammen als Team ihre Funktion erfüllen können. Diese Tatsache erzeugt einen subjektiv sehr großen Druck auf die Ausbilder und Personalentwickler.

Das Vorweisen von Fach- und Sachkunde bedarf ein hohes Maß an Spezialwissen, welches den Mitarbeitern und auch Ehrenamtlern in Form von Ausbildung und Lehrgängen vermittelt werden muss. Selten werden Probleme von hoher Komplexität jedoch alleine durch Individualisten gelöst. Viel häufiger können komplexe Probleme nur durch das gemeinsame Überlegen mehrerer Personen überblickt und mithilfe von Fachgesprächen und Diskussionen gelöst werden.

Die rasante Entwicklung der Informationstechnik hat auch eine Verhaltensänderung des Menschen bewirkt. Aufgrund der vielfältigen Nutzungsmöglichkeit sogenannter »Sozialer Netzwerke« findet auch eine Abnahme der direkten persönlichen Kontakte statt. Direkte Face-to-Face-Konversation wird immer seltener praktiziert. Dies führt auch dazu, dass das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Beziehung steigt (Keppler, 2016). Dieser Umstand spiegelt sich auch darin wieder, dass die Anbieter von »Sozialen Netzwerken« entsprechend reagieren und Funktionen wie »Gruppe« oder »teilen mit…« in ihren Medien integriert haben.

Werden zum heutigen Zeitpunkt Pausenzeiträume zwischen zwei Unterrichtsstunden, Seminar- oder Vorlesungseinheiten betrachtet, so werden immer weniger Konversationen zwischen Menschen beobachtet und stattdessen immer mehr Aktionen mit dem Smartphone registriert.

[18]Auch aus diesem Grund, weil sie alles andere als selbstverständlich geworden ist, ist Teamarbeit und Teamfähigkeit heute mehr denn je eine Eigenschaft, die es im Rahmen von Einstellungsverfahren und Eigenschaftsbeschreibungen hervorzuheben und zu fördern gilt.

1.2   Der Begriff »Team«

Auch wenn es unbestreitbar scheint, dass Teamarbeit eine zentrale Bedeutung in der Tätigkeit von Einsatzkräften einnimmt, ist der Begriff selbst nicht so einfach zu definieren. Es stellen sich die Fragen, was ein Team ausmacht und ab wann man von einem Team sprechen kann? Eine allgemein gültige und abschließende Definition des Begriffes ist jedoch nicht möglich, da der Begriff immer in einem bestimmten Kontext zu sehen ist und sich stetig weiterentwickelt. Für die Teambeschreibung aus Sicht der Einsatzkräfte kann folgende Umschreibung hilfreich sein:

Ein Team ist ein Zusammenschluss von Menschen, die nach (Bender, 2015):

aufgrund ihrer möglichst effizienten Zusammenstellung extrem leistungsfähig sind,

zielorientiert agieren und sinnvoll koordinieren

verantwortungsbewusst sind,

einen partnerschaftlichen Umgang miteinander pflegen,

aufgrund ihrer individuellen Stärken die Schwächen innerhalb ihres Zusammenschlusses kompensieren und somit Synergieeffekte nutzen,

aufrichtig diskutieren und dabei respektvoll miteinander umgehen,

sich als »Wir« verstehen und nicht als »Ich«,

und ihre eigenen Verhaltensregeln für den Zusammenschluss im Team festlegen.

Ein Team versteht sich als »Wir« und nicht als »Ich«!

1.3   Voraussetzungen für die Bildung eines Teams

Die Teamentwicklung wurde in der Vergangenheit häufig untersucht und mit diversen Experimenten beobachtet. Dabei wurden Eigenschaften und Verhaltens[19]weisen beobachtet, die sich ähnelten und die mittlerweile als Merkmale eines Teams angesehen werden können (Rosini, 1996). Somit können die wichtigsten Bedingungen und Merkmale wie folgt beschrieben werden.

Kommunikation und Interaktion

Teammitglieder müssen die Möglichkeit haben, einen direkten Kontakt aufzubauen. Sie müssen Face-to-Face-Kommunikation betreiben können. Nur so können partnerschaftliche bzw. freundschaftliche Beziehungen entstehen, die auch auf der Sachebene zu einem effektiven Ergebnis führen. Allerdings sei angemerkt, dass nicht allein die direkte Kommunikation auch dem Erfüllen eines Teammerkmales entspricht. Vielmehr stellt die Kommunikationsfähigkeit und die Kommunikationsmethode in Verbindung mit der Face-to-Face-Kommunikation eine Voraussetzung für die Teambildung dar. Daher muss auch gewährleistet sein, sofern es im Einzelfall erforderlich ist, die Kommunikationsfähigkeit zu schulen.

Persönliche Motivation

Der Mensch hat das Grundbedürfnis, sich zu entwickeln und zu lernen. Dieses Bedürfnis endet erst mit dem Tod. Aus diesem Grund strebt der Mensch immer neue Ziele an, um sein eigenes Wesen und seine Wertvorstellungen zu erfüllen. Natürlich gibt es hier individuelle Unterschiede und alle Menschen haben eine eigene Auffassung von Selbsterfüllung. Trotzdem will im Grunde jeder Mensch etwas erschaffen und vollbringen (Buller, 1986). Demotivation lässt sich tendenziell eher auf die Sache und die Aufgabe selbst zurückführen als auf die Grundeinstellung der Teilnehmer.

Struktur

Ein Team braucht eine deutlich formulierte Teamstruktur. Also eine Zuweisung von Aufgaben und Rollen auf die einzelnen Teammitglieder. Der Mann fürs Grobe, der Mann fürs Feine, der Mann, der reden kann usw. Diese Aufteilung ist entscheidend für die Sinnhaftigkeit der persönlichen Aufgabe eines jeden einzelnen im Team selbst (Bender, 2015).

Gefühl

Die Menschen innerhalb eines Teams müssen ein gesundes und positives Grundgefühl gegenüber sich selbst, gegenüber der Sache und gegenüber ihren Gefährten haben. Nur so lassen sich Probleme und aufkommende Differenzen schnell und ohne Folgen für den emotionalen Bereich lösen.

[20]Umgebungsverhältnis

Ein Team benötigt eine klare Abgrenzung zu seiner Umwelt und somit auch zu anderen Teams. Dieser Schritt ist für die spätere Identifikation wichtig.

Akzeptanz

Die Teammitglieder werden erst dann zu einer Einheit, wenn sie sich gegenseitig respektieren und somit akzeptieren. Die Akzeptanz ist Grundlage für die Identifikation mit dem Team (Forster, 1978).

Gemeinsames Ziel