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Erleben Sie die glanzvolle 7-teilige Familiensaga: Nach dem plötzlichen Tod des Familienoberhaupts herrscht Aufruhr in der Familie Lassiter. Die Erben müssen sich gegen Lügen und Intrigen wehren - und für ihre große Liebe kämpfen! Drei Millionen Dollar! Sage Lassiter ist fassungslos. Warum hat sein Vater der hübschen Krankenschwester Colleen ein Vermögen vererbt? Um sie als Betrügerin zu entlarven, beginnt Sage, sie zu verführen. Ein gewagter Plan mit ungeahnt leidenschaftlichen Folgen …
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Seitenzahl: 194
IMPRESSUM
Betört von einer Betrügerin? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2014 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „The Black Sheep’s Inheritance“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 351 - 2015 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Katrin Lechat
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733769567
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Im Anwaltsbüro der Firma Drake, Alcott und Whittaker befanden sich viel zu viele Menschen für Sage Lassiters Geschmack. Viel lieber wäre er jetzt auf seiner Ranch in Wyoming gewesen und hätte die frische kühle Frühlingsluft eingeatmet. Aber Sage hatte keine Wahl. Er musste bei der Verlesung des Testaments seines Adoptivvaters anwesend sein.
J. D. Lassiter war erst seit wenigen Wochen tot, und Sage konnte es immer noch kaum begreifen. Er hätte darauf gewettet, dass J. D. viel zu stur war, um tatsächlich zu sterben. Und jetzt hatte er die Gelegenheit verpasst, mit dem Mann, der ihn großgezogen hatte, reinen Tisch zu machen.
Sage hätte nicht sagen können, wann die Spannungen zwischen ihnen aufgetreten waren. Es hatte keinen besonderen Vorfall gegeben, nichts Greifbares. Eher war es ein schleichender Prozess gewesen, in dessen Verlauf sich ihr Verhältnis verschlechtert hatte. Aber alte Verletzungen und Vorwürfe hatten heute keinen Platz in diesem Raum, und selbst wenn Sage sie zugelassen hätte, führten sie doch zu nichts.
„Du siehst so aus, als ob du am liebsten jemandem an die Gurgel gehen würdest“, flüsterte ihm sein jüngerer Bruder Dylan zu.
Sage blickte ihn scharf an und schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann nur nicht glauben, dass wir hier sind.“
„Ja.“ Dylan strich sich das braune Haar aus der Stirn und blickte sich ihm Raum um, bevor er sich wieder Sage zuwandte. „Ich kann es auch nicht fassen, dass J. D. nicht mehr da sein soll.“
„Vor allem mache ich mir Sorgen um Marlene.“
Dylan folgte seinem Blick.
Marlene Lassiter war so etwas wie eine Ersatzmutter für Sage, Dylan und Angelica geworden, nachdem Ellie Lassiter bei der Geburt ihrer Tochter Angie gestorben war. Marlene war mit J. D.s Bruder Charles verheiratet gewesen und nach dessen Tod zu ihnen auf die Lassiter Ranch nach Wyoming gezogen. Über viele Jahre hinweg war sie die engste Vertraute und wichtigste Bezugsperson der Kinder gewesen.
Marlene hielt sich ein Taschentuch vor den Mund, als ob sie die Tränen nur mit Mühe zurückhalten konnte. An ihrer Seite saß ihr Sohn Chance Lassiter. Wie um sie zu beschützen, hatte er einen Arm um ihre Schultern gelegt. Chance trug Jeans, schwere Stiefel und unter seiner Lederjacke ein weißes Hemd. Seinen Stetson hatte er ausnahmsweise nicht auf dem Kopf, sondern ihn auf dem Schoß abgelegt. Chance war ein Cowboy durch und durch, und er war es auch, der Big Blue managte, J. D.s zwölftausend Hektar große Ranch.
„Hast du eine Ahnung, was J. D. im Testament festgelegt hat?“, fragte Dylan. „Ich konnte nichts aus Walter rauskriegen.“
„Das wundert mich nicht.“ Walter Drake war nicht nur J. D.s Anwalt, er war auch mindestens genauso eigensinnig und verschlossen wie dieser. Walter hatte alle Versammelten angerufen und sich bis auf den Ort und die Zeit des Treffens keine weiteren Informationen bezüglich des Inhalts von J. D.s Vermächtnis entlocken lassen.
Sage erwartete nicht, dass J. D. ihm etwas hinterließ. Das hatte er zum Glück auch nicht nötig. Es war ihm gelungen, sein eigenes Geld zu machen, weil er klug genug gewesen war, in die richtigen Projekte zu investieren. Bereits auf dem College hatte er damit begonnen, und über die Jahre war es ihm gelungen, ein ansehnliches Vermögen zu erwirtschaften. Er war sogar überrascht, dass man ihn überhaupt eingeladen hatte. Längst ging Sage seinen eigenen Weg und war unabhängig von den Lassiters.
„Hast du schon mit Angie gesprochen?“ Dylan runzelte die Stirn und blickte zu seiner Schwester, die neben ihrem Verlobten Evan McCain saß.
„Nur ganz kurz.“ Als Sage zu ihrer Schwester sah, zu der sie ein sehr enges Verhältnis hatten, runzelte auch er die Stirn. Angelicas lang erwartete Hochzeit war auf unbestimmte Zeit verschoben worden, als der Vater gestorben war. Ihre großen braunen Augen waren gerötet, und sie hatte tiefe Schatten unter den Augen. „Es macht mich verrückt, sie so zu sehen, aber wir können nichts für sie tun. So nah wie der alte Herr und sie sich standen, ist es kein Wunder, dass sie es so schwernimmt.“
Dylan nickte zustimmend, bevor er das Thema wechselte und über das Restaurant sprach, das er demnächst eröffnen wollte. Sage hörte ihm allerdings nicht lange zu, weil er stattdessen seine Aufmerksamkeit auf Colleen Falkner richtete, J. D.s private Krankenschwester. Leise betrat sie den Raum und ging nach vorne, um sich neben Marlene zu setzen, die sie anlächelte und ihre Hand nahm.
Sage blickte wie gebannt zu Colleen hinüber. Ein Gefühl der Erregung stieg in ihm auf. Dasselbe Gefühl wie vor einigen Wochen beim Probedinner für die Hochzeit – dem Dinner, in dessen Verlauf J. D. so plötzlich gestorben war.
An jenem Abend war Colleen ihm zum ersten Mal aufgefallen, obwohl sie sich schon früher über den Weg gelaufen waren. Sie hatte etwas Besonderes an sich. Etwas, das Sage faszinierte. Vielleicht lag es daran, dass sie ihr wunderschönes Haar offen trug, sodass es ihr in langen, schimmernden Wellen den Rücken hinunterfloss. Oder es waren das kurze rote Kleid und die schwarzen High Heels, in denen ihre Beine endlos lang wirkten. Das Einzige, was Sage mit Gewissheit sagen konnte, war, dass etwas zwischen ihnen passiert war, als sich ihre Blicke kreuzten. Sage hatte gerade zu ihr hinüberlaufen wollen, um mit ihr zu sprechen, als J. D. plötzlich einen Herzinfarkt hatte, und nichts mehr wie zuvor gewesen war.
Heute trug Colleen eine schwarze Stoffhose und einen leuchtend blauen Pullover. Ihr langes dunkelblondes Haar war zu einem Zopf geflochten, der ihr fast bis zur Taille reichte. Ihre großen blauen Augen glänzten von ungeweinten Tränen, und der sinnliche Mund mit den vollen Lippen machte Lust, sie zu küssen.
Hätte Sage sie nicht bei der Party in dem figurbetonten Kleid gesehen – ein Anblick, der bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen hatte – er hätte niemals vermutet, was für traumhafte Kurven sich unter ihrer weitgeschnittenen Kleidung verbargen.
Da Sage und J. D. nicht gerade das beste Verhältnis hatten und Sage kaum Zeit auf der Ranch verbrachte, waren er und Colleen sich selten begegnet. Am Abend der Party konnte er jedoch kaum die Augen von ihr lassen. Colleen war nicht nur schön. Auch ihre blitzschnelle Reaktion, als J. D. den Infarkt hatte, und die Art, wie sie einen kühlen Kopf bewahrte und es ihr gelang, die Situation unter Kontrolle zu behalten, bis der Krankenwagen eintraf, hatten Sage schwer beeindruckt.
Er wusste, dass Colleen J. D. treu ergeben war und die gesamte Familie sie ins Herz geschlossen hatte. Das bewies auch Marlenes Geste, als sie nach Colleens Hand griff. Dennoch war ihm vieles unklar. Woher kam Colleen? Weshalb hatte sie einen Job angenommen, der darin bestand, sich um einen grimmigen alten Mann auf einer zwar luxuriösen, aber doch weit abgelegenen Ranch zu kümmern? Und weshalb beschäftigten ihn diese Fragen so sehr?
„Hat Colleen dir was getan?“
Sage warf Dylan einen Blick zu. „Was?“
„So wie du sie anstarrst …“
„Halt die Klappe“, murrte Sage, verärgert, dass Dylan ihn ertappt hatte.
„Aha, verstehe“, antwortete Dylan lächelnd und beugte sich nach vorne, um Chance etwas zu fragen.
Möglichst unauffällig ließ Sage seinen Blick wieder zu Colleen wandern. Sie hatte ihren Kopf zu Marlene gewandt, um ihr etwas zuzuflüstern. Dabei war ihr langer Zopf über die Schulter zur Seite gefallen und ließ ihren Nacken frei. Feine blonde Locken ringelten sich an ihrem Haaransatz, und Sage spürte auf einmal das Verlangen, sie zu berühren. Ihre zarte Haut zu streicheln, ihr mit den Fingern durch das Haar zu fahren, sie … Halt! Gewaltsam unterbrach er seine Gedanken und fluchte innerlich.
Es konnte nur einen Grund dafür geben, dass sie heute hier war. J. D. musste sie in seinem Testament bedacht haben. Zugegeben, J. D. war zuletzt auf ständige medizinische Betreuung angewiesen gewesen, aber musste er ausgerechnet eine so hübsche Krankenschwester einstellen? Hatte sie den Job bei dem alten Mann deshalb angenommen? Weil sie darauf gehofft hatte, nach J. D.s Tod etwas von dem Kuchen abzubekommen? Vielleicht lohnte es sich, mehr über Colleen Falkner zu erfahren, dachte Sage. Erkundigungen einzuholen. Sicherstellen, dass …
„Du guckst schon wieder.“
Sage warf Dylan einen finsteren Blick zu. „Hast du nichts Besseres zu tun?“
„Nee, im Moment nicht.“
„Na toll.“
„Ich wusste gar nicht, dass du so fasziniert von Colleen bist.“
„Ich bin nicht fasziniert.“ Jedenfalls nicht besonders. Unbehaglich rutschte er auf seinem Stuhl hin und her. Hör auf, an sie zu denken. Wie war es ihr bloß gelungen, sich in seinen Gedanken derart breitzumachen? Verdammt noch mal, sie hatten sich schließlich noch nicht einmal unterhalten.
„Sie ist übrigens Single.“
„Und?“
„Ich mein ja nur“, fuhr sein Bruder fort. „Vielleicht könntest du deine Ranch hin und wieder mal verlassen und woanders hingehen. Zum Beispiel zu einem Date. Vielleicht mit Colleen.“ Er machte eine Pause. „Oder willst du als alter Kauz allein auf deiner Ranch enden? Ganz ehrlich, wann warst du das letzte Mal mit einer Frau zusammen?“
Sage runzelte die Stirn. „Nicht, dass es dich etwas angeht, aber ich kann mich nicht beklagen.“
„One-Night-Stands? Super.“
Da Sage kein Interesse daran hatte, sich auf irgendeine Frau näher einzulassen, zog er One-Night-Stands tatsächlich einer festen Beziehung vor. Wenn er mit Frauen schlief, die eine ähnliche Einstellung hatten, ersparte er sich eine Menge Ärger. Und wenn Dylan etwas anderes suchte, konnte er das gerne tun. Sage für seinen Teil war zufrieden mit seinem Leben.
Auf einmal öffnete sich die Tür, und Walter Drake, J. D.s Anwalt, trat ein. „Sind alle da?“ Er erfasste die Anwesenden im Raum mit einem prüfenden Blick und nickte zufrieden. „Gut, dann können wir anfangen.“
Nachdem er sich an den mächtigen Schreibtisch aus Eichenholz gesetzt hatte, schob Walter, ein makellos gekleideter, vornehmer Herr mit grauem Haar, einen Stapel Papiere ordentlich vor sich zusammen. Das Geräusch der Blätter war der einzige Laut, der im Raum zu hören war. Es schien, als hielte jeder in gespannter Erwartung den Atem an.
Walter genoss es sichtlich, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Noch einmal ließ er seinen Blick über die Anwesenden schweifen und blieb kurz bei Angelica hängen, die er mit einem mitfühlenden Lächeln bedachte. „Ich danke Ihnen allen für Ihr Kommen. Ich weiß, dass Sie alle eine schwere Zeit durchmachen, also will ich es so kurz wie möglich halten.“
Dagegen hatte Sage nichts einzuwenden.
„Wie Sie alle wissen, kannten J. D. und ich uns seit mehr als dreißig Jahren.“ Walter hielt einen Augenblick inne, lächelte und fuhr dann fort: „Er war ein sturer, aber auch stolzer Mann, und ich möchte, dass Sie alle wissen, dass er sein Testament wohlüberlegt aufgesetzt hat. Erst vor wenigen Monaten hat er noch einige Änderungen vorgenommen, um sicherzustellen, dass jeder das bekommt, was ihm zusteht. J. D. hat viele kleinere Verfügungen für verschiedene Menschen vorgesehen, denen er über die Jahre begegnet ist und die er geschätzt hat. Weder sollen diese Verfügungen heute verlesen werden, noch werde ich genauere Angaben zur Verteilung des Vermögens machen. Ich werde mit den betreffenden Personen unter vier Augen sprechen.“
Nachdenklich runzelte Sage die Stirn und blickte zu Walter. Unter vier Augen? Weshalb? Was versuchte der Anwalt vor ihnen zu verbergen? Oder eher, was hatte J. D. zu verbergen versucht? Gespannt wartete er darauf, welche weiteren Überraschungen Walter aus dem Hut zaubern würde.
„Besagter Teil des Testaments soll den Familienangehörigen im Moment nicht mitgeteilt werden.“
„Wieso?“, durchbrach Sages Stimme die Stille, die Walters seltsamer Eröffnung gefolgt war.
Streng erwiderte der ältere Mann Sages Blick. „Weil es J. D.s Wille ist.“
„Woher wissen wir das?“ Obwohl Sage wusste, wie beleidigend seine Frage war, hielt dies ihn nicht davon ab, sie zu stellen. Er verabscheute Geheimnisse.
„Weil ich es Ihnen sage.“
„Komm schon, Sage“, flüsterte Dylan ihm zu. „Lass es auf sich beruhen.“
Nur der Anblick von Marlene, die sich zu ihm umgewandt hatte und ihn besorgt ansah, hielt ihn davon ab, weiter zu fragen.
„Gut“, fuhr Walter entschlossen fort. „Nachdem das geklärt wäre, würde ich gerne fortfahren. Schließlich sind wir heute hier, um über die wichtigsten Verfügungen zu sprechen.“
Sage wusste nicht, ob Walter absichtlich versuchte, die Spannung im Raum zu steigern, oder ob es einfach in seiner Natur als Anwalt lag. Wie immer es sein mochte, es gelang ihm. Endlich fing Walter an zu lesen, und fast jeder rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. Die rechtlichen Klauseln, die den eigentlichen Verfügungen vorausgingen, schienen schier endlos zu sein.
Im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Dagegen ließ sich mit Sicherheit nichts sagen, dachte Sage. Obwohl J. D. in den letzten Monaten körperlich stark abgebaut hatte, war sein Verstand bis zu seinem Tod so scharf geblieben wie eh und je. Was bedeutete, dass J. D. einen guten Grund gehabt hatte, bestimmte Geheimnisse sogar über seinen Tod hinaus vor seiner Familie zu wahren. Sage spürte Ärger in sich aufsteigen. J. D. hätte bestimmt seinen Spaß an dieser Situation gehabt, dachte er. Sogar noch nach seinem Tod bestimmte er das Geschehen.
„Meiner lieben Schwägerin Marlene …“, Walter machte eine Pause und lächelte ihr zu, „… hinterlasse ich einen zehnprozentigen Anteil an der Big Blue Ranch sowie lebenslanges Wohnrecht im Haupthaus. Weiterhin vermache ich ihr genug Geld, mit dem sie ihren gewohnten Lebensstandard beibehalten kann.“ Walter unterbrach sich kurz und fügte hinzu: „J. D. hatte genug von dem ‚Juristengequatsche‘, wie er es nannte, und ließ mich den Rest in seinen Worten aufschreiben.“ Walter atmete einmal kurz durch und fuhr dann fort: „Marlene, ich möchte, dass es dir gutgeht. Genieß das Leben und amüsiere dich. Du bist eine schöne Frau und viel zu jung, um den Rest deines Lebens allein zu verbringen.“
Marlene schniefte und lachte dann kurz auf, bevor sie sich die Tränen von den Wangen wischte. Die anderen kicherten mit ihr, und sogar Sage musste lächeln. Es war, als ob er den alten Mann selbst sprechen hörte. J. D. und Marlene waren seit Jahren inoffiziell ein Paar gewesen.
„Meinem Neffen Chance Lassiter hinterlasse ich sechzig Prozent der Big Blue Ranch und genügend Geld, damit er sich ein schönes Leben machen kann.“ Wieder machte Walter eine Pause. „Wie hoch die Geldbeträge im Einzelnen sind, wird, wie bereits erwähnt, mit den bedachten Personen zu einem späteren Zeitpunkt unter vier Augen besprochen.“
Chance schien überrascht. Sage freute sich für ihn. Chance liebte die Ranch und kümmerte sich ebenso gewissenhaft um den Besitz, wie J. D. es getan hatte.
„Colleen Falkner …“, fuhr Walter fort, und sofort wandte ihr Sage seine gesamte Aufmerksamkeit zu, „… hinterlasse ich drei Millionen Dollar.“
Colleen schnappte nach Luft und sprang fast von ihrem Stuhl auf. Aus weit aufgerissenen blauen Augen starrte sie Walter offenen Mundes an, als ob er zwei Köpfe hätte. Entweder hatte sie sich gerade als hervorragende Schauspielerin erwiesen, die einen Oscar für ihre Darstellung verdient hätte, oder sie war tatsächlich genauso überrascht von der Eröffnung wie Sage selbst. J. D. hatte seiner Krankenschwester drei Millionen Dollar vermacht?
Walter las weiter vor. „Colleen, du bist ein gutes Mädchen, und ich möchte, dass du dieses Geld nimmst und deinen Traum verwirklichst. Warte nicht, bis es zu spät ist.“
„Oh, mein …“ Ungläubig schüttelte sie den Kopf, aber Walter war schon zum nächsten Erben übergegangen, und Sage rüstete sich innerlich für das, was noch kommen mochte.
„Meinem Sohn Dylan Lassiter hinterlasse ich die Mehrheitsbeteiligung an der Lassiter Grill Group und genügend Geld für den Weg, bis er das Unternehmen nach ganz oben gebracht hat. Und, Dylan, auch du erhältst einen Anteil von zehn Prozent an der Big Blue Ranch. Vergiss nie, dass sie dein Zuhause ist.“
Dylan sah aus, als ob er gerade von einer Bombe getroffen worden wäre, und Sage konnte ihm keinen Vorwurf daraus machen. Du liebe Güte, der Mann war gerade an die Spitze einer Restaurantkette katapultiert worden, die ein rasantes Wachstum verzeichnete, das im ganzen Land seinesgleichen suchte. Kein Wunder, dass ihm für einen kurzen Moment das Herz stillzustehen schien.
„Meinem Sohn Sage Lassiter …“
Sage fühlte, wie sich jeder Muskel seines Körpers anspannte, als ob er sich auf einen Schlag vorbereitete. Es würde ihn nicht wundern, wenn J. D. die Gelegenheit genutzt hätte, ihm noch aus dem Grab eine letzte Demütigung zu erteilen, indem er ihm vor aller Augen und Ohren noch einmal zeigte, wie sehr sie sich in den letzten Jahren voneinander entfernt hatten. J. D. und ich sind wie Öl und Wasser gewesen, dachte Sage.
„Sage …“, las Walter und schüttelte dabei den Kopf, „… du bist mein Sohn, und ich liebe dich. Mehr als einmal sind wir kräftig aneinandergeraten, aber denk nicht, dass das etwas daran ändert. Du bist ein Lassiter, durch und durch. Ich hinterlasse dir fünfundzwanzig Prozent an Lassiter Media, zehn Prozent an der Big Blue Ranch, um dich daran zu erinnern, dass sie immer dein Zuhause sein wird, und noch etwas Geld, das du nicht haben willst und nicht brauchst.“
Sage atmete tief und hörbar durch, er war überrascht und gerührt.
Gleich darauf las Walter weiter: „Du hast deine Ranch nach deinen Vorstellungen aufgebaut, genau, wie ich das auch getan habe. Ich bewundere dich dafür. Also nimm das Geld und bau damit etwas auf deiner Ranch. Irgendetwas, das dich immer daran erinnern wird, dass dein Vater dich geliebt hat. Gleichgültig, ob wir gut miteinander ausgekommen sind oder nicht.“
Verdammt, es ist ihm tatsächlich gelungen, mich noch ein letztes Mal zu überraschen, dachte Sage. Sein Hals war wie zugeschnürt, und er hatte Mühe, zu atmen. Wenn er nicht gleich hier rauskam, würde er sich noch vor allen lächerlich machen. Wie war es J. D. nur gelungen, schon Monate vor seinem Tod genau die Worte zu finden, die Sage jetzt fast zu Tränen rührten?
„Und zu guter Letzt komme ich zu meiner geliebten Tochter Angelica Lassiter. Du bist die Sonne meines Lebens gewesen.“
Sage blickte zu seiner Schwester. Ihr schönes Gesicht war tränenüberströmt.
„Und daher hinterlasse ich dir, Angelica, ebenso wie deinen Brüdern, einen Anteil von zehn Prozent an der Big Blue Ranch, das Lassiter Anwesen in Beverly Hills, ausreichend Geld, um dir einen angenehmen Lebensstandard zu ermöglichen, und schließlich noch einen Anteil von zehn Prozent an Lassiter Media.“
„Was?“ Aller Trauer und allen Anwesenden zum Trotz sprang Sage auf, außer sich vor Empörung, und auch Dylan konnte sich nicht zurückhalten. Jedes sentimentale Gefühl, das er eben noch für seinen Adoptivvater empfunden haben mochte, war auf einen Schlag wie weggeblasen. Wie konnte er Angelica das antun? Seit Jahren hatte er sie in alle Prozesse von Lassiter Media, einem großen Medienkonzern, zu dem verschiedene Radio- und Fernsehsender, Zeitungen und Internetnachrichtendienste gehörten, einbezogen und sie als seine Nachfolgerin aufgebaut. Verflucht noch mal, seitdem J. D. krank geworden war, hatte sie den Laden praktisch allein geführt. Und jetzt nahm er ihr so mir nichts, dir nichts ihren Lebensinhalt?
„Das kann nicht wahr sein“, protestierte Sage aufgebracht und warf einen Blick auf das vor Entsetzen geweitete Gesicht seiner Schwester. „Sie hat Lassiter Media für J. D. geleitet. Er hat mir einen größeren Anteil hinterlassen als Angie? Das ist doch Wahnsinn!“
„Wir fechten das verdammte Testament an“, fügte Dylan hinzu, während er zu Angie ging und ihr eine Hand auf die Schulter legte.
„Ganz genau“, stimmte Sage ihm zu und warf dem Anwalt wütende Blicke zu, als ob alles dessen Schuld sei.
„Meine Herrschaften, beruhigen Sie sich bitte wieder, es geht noch weiter“, erwiderte Walter und räusperte sich, als sei es ihm unangenehm, weiterzulesen. „Und ich warne euch, solltet ihr versuchen, das Testament anzufechten, könnte es euch allen noch leidtun. Aber dazu komme ich später. Im Augenblick bestimme ich mit einem Anteil von 41 Prozent an Lassiter Media Evan McCain zum Mehrheitseigner, Aufsichtsratsvorsitzenden und CEO.“
„Evan?“ Angelica löste sich aus der Umarmung ihres Verlobten, als dieser sich vollkommen sprachlos vor Erstaunen von seinem Stuhl erhob.
„Was soll das, Walter?“, fragte Sage und lief von seinem Platz aus zu dem Schreibtisch, um sich selbst davon zu überzeugen, dass das, was Walter gerade vorgelesen hatte, wirklich in dem Testament stand.
„J. D. wusste, was er wollte, und genau so hat er es auch festgelegt“, antwortete der Anwalt.
„Das kann unmöglich legal sein“, fügte Marlene hinzu.
„Stimmt, das kann nicht sein“, pflichtete Dylan ihr bei und lief ebenfalls zum Schreibtisch.
„Das ist alles falsch.“ Chance erhob sich langsam und schüttelte ungläubig den Kopf.
„Ich kann es nicht fassen“, murmelte Angelica und blickte zu ihrem Verlobten, als ob sie ihn nie zuvor gesehen hätte.
„Ich schwöre, ich hatte keine Ahnung davon“, sagte Evan zu Angelica und wollte sie in den Arm nehmen, aber sie wich vor ihm zurück.
„Irgendjemand weiß aber, was es damit auf sich hat, und ich werde herausfinden, was hier gespielt wird“, sagte Sage und sah dann zur Tür. Fast geräuschlos verließ Colleen Falkner in diesem Moment das Büro.
Sie hat das bekommen, was sie wollte. Was hat sie wohl getan, damit J. D. ihr drei Millionen Dollar vermacht, fragte sich Sage. Hatte sie von J. D.s Plänen gewusst, war sie vielleicht sogar eingeweiht in seine Entscheidung, Angelica das zu nehmen, was ihr am wichtigsten war?
Er sollte verdammt sein, wenn er es nicht herausfand.
Colleen lehnte sich kurz gegen die Tür, schloss die Augen und zwang sich, tief durchzuatmen. Ihr Herz schlug so heftig und schnell, dass ihr fast schwindelig wurde.
Sie hatte nichts dergleichen erwartet.
Drei Millionen Dollar?
Tränen brannten ihr in den Augen, aber sie blinzelte, um sie zurückzuhalten. Jetzt war nicht der Moment, ihren verstorbenen Freund zu betrauern … oder an die Zukunft zu denken, die er ihr ermöglichte.
Durch die geschlossene Tür hörte sie die aufgebrachte Unterhaltung der Erben. Sage Lassiters Stimme drang am klarsten zu ihr vor. Er hatte es nicht nötig zu schreien, um gehört zu werden. Der schneidende Tonfall seiner tiefen Stimme reichte vollkommen aus, die Aufmerksamkeit aller Anwesenden im Raum auf sich zu ziehen.
Weiß Gott, ihre Aufmerksamkeit hatte er jedenfalls.
Es war Colleen vorhin nicht entgangen, dass Sage sie nicht aus den Augen gelassen hatte. Ein- oder zweimal hatte sie unauffällig über die Schulter geblickt, um ihn anzusehen. Sage machte sie nervös. Hatte sie schon immer nervös gemacht. Aus genau diesem Grund hatte Colleen sich auch bei jedem seiner Besuche auf der Big Blue Ranch, die zum Glück nicht oft vorkamen, darum bemüht, ihm aus dem Weg zu gehen.
Er war so … männlich.