Better Hate than Never - Chloe Liese - E-Book

Better Hate than Never E-Book

Chloe Liese

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Beschreibung

Der schmale Grat zwischen Herzflattern und Abscheu Katerina und Christopher haben sich als Kinder einen Hinterhof geteilt, aber als Erwachsene teilen sie nicht einmal die gleiche Hemisphäre. Bis Kate zu einem seltenen Besuch nach Hause kommt und die beiden wieder einmal aneinandergeraten. Trotz der Bitten ihrer Familien um Frieden ist Christopher nicht davon überzeugt, dass Kate bereit ist, ihre Fehde hinter sich zu lassen. Doch dann gesteht Kate ihm betrunken, warum sie immer so feindselig war. Daraufhin schwört Christopher sich, ein für alle Mal Frieden mit Kate zu schließen. So verlockend es auch ist, sich von ihren Gefühlen mitreißen zu lassen, so unsicher ist Kate sich, ob sie seinem charmanten Auftreten als guter Kerl trauen kann … Better Hate than Never: Wenn aus Feindschaft Liebe wird - Ein Muss für alle RomCom-Liebhaber*innen: Band 2 der erfolgreichen Wilmot-Sisters-Serie von Chloe Liese. - Lieben oder hassen: Tiefgründige Liebesgeschichte für New Adult Fans ab 16 Jahren mit dem beliebten Trope "Childhood Enemies". - Mitreißende Story: Eine moderne Neuinterpretation von Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" mit einer Prise Spice. - Aufregend: New Adult Romance über die komplexe Welt des Erwachsenwerdens mit all ihren emotionalen Turbulenzen.

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Über dieses Buch

Katerina Wilmot und Christopher Petruchio waren als Kinder unzertrennlich, aber als Erwachsene trennen sie Welten. Als Kate nach langer Zeit nach Hause kommt, flammt die alte Rivalität zwischen ihnen sofort wieder auf.

Trotz der ständigen Friedensappelle ihrer Familien bleibt Christopher skeptisch. Er ist überzeugt, dass Kate die Fehde nicht begraben will. Doch als Kate ihm eines Nachts im betrunkenen Zustand gesteht, dass sie nur so feindselig war, weil sie dachte, er würde sie hassen, ändert sich alles. Christopher beschließt, endlich Frieden mit ihr zu schließen – und dieses Mal für immer. Kate ist hin- und hergerissen: Ihr einstiger Erzfeind hat sich in einen charmanten Gentleman verwandelt, und die Versuchung, sich auf ihn einzulassen, ist groß. Doch kann sie wirklich glauben, dass er es ernst meint, oder verbirgt sich hinter seiner neuen Art noch immer der alte Rivale?

 

 

Für alle unerschrockenen Frauen, die kein Blatt vor den Mund nehmen und als Widerspenstige gelten, die die Welt zu zähmen versucht.

 

Und für diejenigen, die solche Frauen kennen und sie für das lieben, was sie wirklich sind:

tapfere Menschen mit großen Herzen und dem festen Glauben, dass die Welt besser sein kann.

 

 

Und wo zwei wüt’ge Feuer sich begegnen

Vertilgen sie, was ihren Grimm genährt

William Shakespeare, Der Widerspenstigen Zähmung

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

diese Geschichte beinhaltet Figuren, deren menschliche Realitäten meiner Ansicht nach durch eine positive und authentische Darstellung in Liebesromanen mehr Beachtung verdienen. Als neurodivergenter Mensch mit (häufig) unsichtbaren chronischen Symptomen schreibe ich mit großer Leidenschaft romantische Komödien in der festen Überzeugung, dass jeder von uns, der es sich aus tiefstem Herzen wünscht, verdient, »glücklich zu sein bis ans Ende seiner Tage«.

Dieser Roman thematisiert die Probleme neurodivergenter Personen – von Menschen, die unter ADHS leiden oder mit einer chronischen Erkrankung wie Migräne leben. Eine chronische Erkrankung oder Diagnose ist für keine zwei Personen gleich, dennoch habe ich mich bemüht, basierend auf meinen persönlichen Erlebnissen sowie den Erfahrungen von Authentizitätslesern und -leserinnen, Figuren zu erschaffen, die den zahlreichen Nuancen dieser Identitäten gerecht werden. Bitte nimm zur Kenntnis, dass es in dieser Geschichte auch um die Erfahrung des Verlusts der Eltern geht und deren Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen.

Sollte dies ein sensibles Thema für dich sein, kann ich dir versichern, dass in dieser Geschichte letztendlich nur gesunde und liebevolle Beziehungen – zu sich selbst und anderen – Bestand haben werden.

 

XO

Chloé

Playlist

Kapitel 1: Beatnik Trip, Gin Wigmore

Kapitel 2: Atomized, Andrew Bird

Kapitel 3: no friends, maze

Kapitel 4: Doin’ Time, Sublime

Kapitel 5: Lonely, Mean Lady

Kapitel 6: La Cumparsita, Sabicas

Kapitel 7: Beautiful Dreamer, Sara Watkins

Kapitel 8: Mess Around, Cage The Elephant

Kapitel 9: Wishful Drinking, Tessa Violet

Kapitel 10: Hallucinogenics, Matt Maeson, Lana Del Rey

Kapitel 11: Paper Bag, Fiona Apple

Kapitel 12: Medicine, Radio Fluke

Kapitel 13: This Is Love, The Hunts

Kapitel 14: The Next Time Around, Little Joy

Kapitel 15: Between My Teeth, Orla Gartland

Kapitel 16: Punchin’ Bag – Unpeeled, Cage The Elephant

Kapitel 17: Guilt, Mountain Man

Kapitel 18: Howlin’ For You, The Black Keys

Kapitel 19: Move Me, Sara Watkins

Kapitel 20: Work Song, Hozier

Kapitel 21: My Repair (Ghost Mix), The Noises 10, Brandi Carlile

Kapitel 22: Simple Song, The Shins

Kapitel 23: White Flag, JOSEPH

Kapitel 24: Electric Love, BØRNS

Kapitel 25: I Like (the idea of) You, Tessa Violet

Kapitel 26: Painting Roses, Dresses

Kapitel 27: Mantras, Ellen Winter

Kapitel 28: Feeling Good, Muse

Kapitel 29: Hurricane, Bandits on the Run

Kapitel 30: Katie Queen of Tennessee, The Apache Relay

Kapitel 31: Baby Blue, Martina Topley-Bird

Kapitel 32: I Want You In My Dreams, Edith Whiskers

Kapitel 33: Summertime Sadness, Vitamin String Quartet

Kapitel 34: Cracking Codes, Andrew Bird

Kapitel 35: Honest, JOSEPH

Kapitel 36: Freshly Laundered Linen, Boom Forest, Phox

Kapitel 37: Things We Never Say, Bad Bad Hats

Kapitel 38: You and I, Johnnyswim

Kapitel 39: You and I, Ingrid Michaelson

1Kate

So lebe ich jetzt: Mein gesamter irdischer Besitz steckt in einem vertrauenswürdigen, wenn auch nur auf drei Rädern rollenden, wackligen Koffer; mein Kontostand beträgt haargenau sieben Dollar und fünfundsiebzig Cent; und ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll.

Das habe ich jetzt davon, dass ich mein monatliches Horoskop ernst nehme.

Die Sterne stehen günstig, und du schlägst unbekannte Pfade ein. Veränderung schafft neue Möglichkeiten. Vergangene Wunden bieten Weisheit. Die Zukunft erwartet dich. Die Frage ist: Bist du tapfer genug, dich auf sie einzulassen?

Dieses verdammte Horoskop.

Ich strecke mich wie ein Seestern auf dem Bett meiner Schwester Juliet aus, starre in mein Gesicht in dem direkt danebenstehenden Spiegel und frage es: »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?«

Mein Spiegelbild hebt eine Braue, als wolle es sagen Das fragst du mich?

Ächzend taste ich auf der Matratze herum, bis ich mein ramponiertes, aber noch funktionierendes Handy finde, über den Bildschirm wische und Musik anmache. Hier im Zimmer ist es zu still, und meine Gedanken sind zu laut.

Kurz darauf ertönt der erste Song von meiner Playlist mit dem passenden Namen Get Ur Shit 2Gether. Aber es hilft nichts, auch die kraftvollste feministische Hymne kann nichts daran ändern, dass ich immer wieder dazu neige, erst zu handeln und dann zu denken, dass ich mich so schnell von einer Herausforderung verleiten lasse, dass eine kleine Familienkrise mit einem leicht ironisch klingenden Horoskop zusammenfällt – und schaut her, wo ich gelandet bin:

Zu Hause, wo ich schon seit beinahe zwei Jahren nicht mehr war und seit meinem Abschluss nie länger als eine Woche geblieben bin. Genauer gesagt im Zimmer meiner älteren Schwester Juliet, die gerade über den Atlantik fliegt, auf dem Weg in ihren Urlaub in einer urigen Hütte in den schottischen Highlands, die ich gebucht habe. Eine Hütte, die, wie mir schnell klar wurde, nachdem ich mir die Schulter gebrochen hatte und meine üblichen fotojournalistischen Aufträge erst mal an andere abgeben musste, für mich zu teuer war (denn weder Planen noch Sparen war je meine Stärke).

Da ich mir eine Hütte gemietet hatte, die ich mir nicht leisten konnte und Juliet ganz dringend einen Tapetenwechsel brauchte, war ein Tausch natürlich die gute Lösung. Aber jetzt, allein in der Wohnung meiner Schwester und mit jeder Menge Zeit zum Nachdenken, bin ich mir nicht mehr so sicher.

Als würde sie meine Gedankengänge erahnen, leuchtet auf dem Handy eine Nachricht von Bea, meiner zweiten älteren Schwester und Juliets Zwillingsschwester, auf. In den kurzen Sätzen spüre ich, wie glücklich sie ist, und eine Welle der Gelassenheit durchströmt mich, erinnert mich beruhigend daran, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Schließlich kann Jules so ihre dringend benötigte Auszeit nehmen und Bea sich mit ihrem Freund versöhnen.

BEEBEE: Hey, KitKat. Sorry, dass ich gleich verschwunden bin, als du angekommen bist. Aber du hast ja kapiert, warum ich so dringend mit Jamie reden musste. Heute Abend bin ich zurück & dann sehen wir uns, OK?

Ich beiße mir auf die Lippen und denke über meine Antwort nach. Weder Bea noch Jules wissen nämlich, wie viel ich von ihrer misslichen Lage oder der Lösung weiß, die durch meine Rückkehr möglich wurde. Denn meine Schwestern haben keine Ahnung, dass Mom bei unserem monatlichen Telefongespräch und Update ausgepackt und mir alles erzählt hat, was ich nicht mitgekriegt habe:

Juliet und ihr Verlobter haben Bea und Jamie, den Sandkastenfreund dieses Verlobten, miteinander verkuppelt. Besagter Verlobter entpuppte sich dann jedoch als toxisches Brechmittel, und Jules beendete die Beziehung. Obwohl Jamie seinen alten Freund ebenfalls in die Wüste schickte, hat Bea ihre Beziehung zu Jamie vorübergehend auf Eis gelegt; sie wusste, dass Jamie ihre Schwester schmerzhaft daran erinnern musste, wie sehr ihr Verlobter sie verletzt hat. Solange es Jules nicht besser ging, hatte Bea das Gefühl, dass sie und Jamie getrennt bleiben sollten, selbst wenn es ihr das Herz brach.

Als ich von Mom hörte, welche Suppe sich meine Schwestern eingebrockt hatten, wobei sie schneller sprach und ihre Stimme schriller wurde, je mehr ihre Besorgnis zunahm, wurde mir zum ersten Mal klar, dass ich nach Hause kommen wollte. Den Menschen, die ich liebte, ging es schlecht, und tatsächlich hatte ich zumindest dies eine Mal das Gefühl, ich könne ihnen helfen, sei es auch nur auf unbedeutende, kleine Weise.

Sicher, meine Methode erforderte einige… äh, Unwahrheiten. Aber das war die Sache wert. Winzig kleine Halbwahrheiten. Total harmlos, eigentlich.

Harmlos, soso? Wie das Horoskop? Mein Spiegelbild mustert mich skeptisch.

Ich zeige ihm den Mittelfinger, konzentriere mich wieder auf mein Handy und tippe Bea eine Antwort.

KITKAT: Falls du es wagst, dich heute Abend hier zu zeigen, BeeBee, schick ich dich sofort dahin zurück, wo du herkommst.

BEEBEE: Ich will aber nicht, dass du an deinem ersten Abend zu Hause allein bist. :(

Ich seufze leise, obwohl ich zugleich ein warmes Gefühl der Zuneigung verspüre. Typisch ältere Schwester.

KITKAT: Newsflash, ich bin gern allein. Alles, was Mom im Kühlschrank hat, gehört jetzt mir. Und außerdem kann ich nackt zu Joan Jett durch die Wohnung tanzen.

BEEBEE: Newsflash, als ob du das nicht machen würdest, wenn ich da wäre.

Ich lache auf, rolle mich vom Bett und gehe in den Flur.

KITKAT: Mir geht’s gut. Echt.

BEEBEE: Sicher?

KITKAT: Ganz sicher. Versprochen.

BEEBEE: Du kannst jederzeit zu Mom & Dad, wenn dir die Decke auf den Kopf fällt.

Ich werfe einen finsteren Blick auf den Bildschirm, denke an den Mann, der neben dem Zuhause meiner Kindheit wohnt und der, seit ich denken kann, stets die Quelle allen Übels war.

Ich werde ganz sicher nicht zu meinen Eltern fahren und damit das Risiko eingehen, Christopher Petruchio über den Weg zu laufen – mein größter, langjährigster Feind, der Fluch meines Daseins, ein Arschloch von geradezu epischer Größe –, denn das Universum ist ein mieser Verräter und wird es, falls irgendwie möglich, immer so einrichten, dass ich das Pech habe, zufällig Christopher zu begegnen.

KITKAT: Mir geht’s gut. Hör auf zu schreiben, zieh los & treib’s mit deinem Freund, bis ihm Hören und Sehen vergeht.

BEEBEE: Wird erledigt.

BEEBEE: OH! Hab noch was vergessen. Cornelius muss gefüttert werden. Kannst du das machen? Das Futter steht in einem Container im Minikühlschrank, mit dem Datum von heute.

Ich spähe in Beas Schlafzimmer, und dort watschelt ihr Igelhaustier in seinem aufwendigen, abgeschirmten Käfig herum. Ein Lächeln zieht meine Mundwinkel nach oben, als er aufsieht und schnüffelnd mit seiner kleinen Nase wackelt. Ich bin eine erklärte Tierliebhaberin, und obwohl ich noch nie einen Igel versorgt habe, bin ich zuversichtlich, dass ich der Sache gewachsen bin.

KITKAT: Kein Problem!

BEEBEE: Vielen, vielen Dank!!

KITKAT: Immer gern. Und jetzt HÖRAUFZUTEXTEN & GEHZUDEINEMFREUND.

BEEBEE: NAGUT! WENN’S SEINMUSS!

Ich schiebe das Handy in meine Gesäßtasche, lehne mich an die Wand im Flur und reibe mir über das Gesicht. Ich habe Jetlag, bin körperlich völlig erschöpft und surre andererseits vor Energie. Ich kann es nicht ausstehen, wenn ich zeitgleich müde und aufgekratzt bin, aber so ist das Leben eben. Bloß weil ich körperlich total fertig bin, heißt das noch lange nicht, dass mein Hirn die Botschaft mitgekriegt hat.

Unter dramatischem Stöhnen schlendere ich im Wohnzimmer umher, lasse mich aufs Sofa plumpsen, und in diesem Augenblick vibriert mein Handy. Ich reiße es aus der Tasche.

BEEBEE Moment, noch eine Sache.

BEEBEE: Falls du deine Meinung änderst, kurze Erinnerung: Die Friendsgiving-Party, von der ich dir erzählt habe, geht von 16–20 Uhr. Es gibt KÜRBISKUCHEN.

Ich verdrehe die Augen, als ich über das Display wische und meine Antwort tippe. Ja, Kürbiskuchen ist eine Schwäche von mir. Aber mein Hass auf Christopher, der dort sein wird, ist erheblich größer.

KITKAT: Vergiss es, Beebee. Aber netter Versuch.

Okay, vielleicht ist meine Schwäche für Kürbiskuchen doch einen Tick größer, als ich zugeben möchte.

Sie ist allerdings nicht so stark, dass ich auf dieser Party vorbeischaue und das Risiko eingehe, Christopher zu sehen. Stattdessen gibt es Nanette’s in nächster Nähe, eine unglaublich gute Bäckerei, zu der ich jetzt unterwegs bin. Nach kurzem (genauer: dreißig Minuten langem) Scrollen durch Social Media habe ich herausgefunden, dass Nanette’s heute Abend einen Supersondersparpreis auf Kürbiskuchen anbietet: Kauf einen, bezahl beim zweiten nur die Hälfte.

Vielleicht sind auf meinem Konto im Moment nur sieben Dollar und fünfundsiebzig Cent, aber schließlich habe ich eine Kreditkarte, mit der ich Notlagen abfedern kann, und ich bin bereit, sie zu nutzen. Zum Glück ist das jedoch nicht nötig – auf der Küchentheke habe ich einen Umschlag gefunden, auf dem in Moms wirrer Schreibschrift mein Name steht und fünf Zwanzig-Dollar-Scheinen darin. Nicht einmal mein verletzter Stolz darüber, dass Mutter meine schwierige finanzielle Situation sowohl vermutet als sich auch deswegen sorgt, kann mich daran hindern, zwei Zwanziger zu schnappen und aus der Wohnung zu stürmen.

Es ist ganz offensichtlich, dass das Universum trotz allem möchte, dass ich mir Kürbiskuchen gönne.

Ich schlendere den Bürgersteig entlang meinem Ziel entgegen und genieße den starken Novemberwind, der die trockenen Blätter auf dem Beton mit kräftigen rhythmischen Wirbeln vor sich her fegt. Meine Frische-Luft-schnappen-Playlist dröhnt in den Kopfhörern, und plötzlich bin ich sehr froh. Frische Luft. Zwei Kürbiskuchen, ganz für mich allein. Keine Friendsgiving nötig. Und erspare mir den furchtbaren –

Rums.

Ich stoße mit jemandem zusammen, als ich um die Straßenecke biege, und pralle mit der Stirn an eine Art Betonleiste, bei der es sich tatsächlich um den Kiefer der anderen Person handelt, deren Brustbein anschließend an meine verletzte Schulter trifft. Ich zische vor Schmerz und taumele rückwärts.

Eine Hand umschließt meinen unverletzten Arm, stabilisiert mich, und ich fühle die Wärme durch meine Jacke hindurch. Ich blicke auf, versuche einzuschätzen, ob ich mich in Gefahr befinde, aber wir stehen auf einem schattigen Abschnitt des Bürgersteigs, und die abendliche Dämmerung schluckt unsere Gesichtszüge.

Ehe ich in Panik gerate, lockert sich der Griff um meinen Arm, als hätte der andere gespürt, dass ich sicher stehe. Als würde derjenige – wer auch immer es sein mag – intuitiv einen Zug von mir erfassen, den bisher noch nie jemand verstanden hat: dass ich zwar eine extrem unabhängige Person bin, mir aber trotzdem manchmal nichts mehr wünsche als eine fürsorgliche Hand, die mich stützt, wenn ich strauchle und die mich wieder loslässt, sobald ich mich gefangen habe.

Das Grollen einer tiefen Stimme tanzt über meine Haut, und ein Schauer überläuft mich. Ich reiße die Kopfhörer herunter, damit ich besser hören kann.

»… so leid«, schnappe ich gerade noch auf.

Zwei Wörter. Mehr ist nicht nötig. Selbst wenn es zwei Wörter sind, die ich ihn noch nie habe sagen hören, reichen sie aus, damit ich diese Stimme wiedererkenne, die ich so gut kenne wie meine eigene.

Glühende Wut flammt in mir auf. Nicht weil meine Schulter schmerzt – obwohl das der Fall ist. Und auch nicht, weil mein Kopf sich anfühlt wie eine Glocke, die man heftig geläutet hat, obwohl das ebenfalls zutrifft. Sondern weil ausgerecht die Person, mit der ich um gar keinen Preis zusammentreffen wollte, diejenige ist, mit der ich zusammengeprallt bin:

Christopher Petruchio.

»Was zur Hölle, Christopher?« Ich befreie meinen Arm ruckartig aus seinem Griff, trete zurück und stolpere in den Schein einer Straßenlaterne.

»Kate?« Er reißt die Augen auf, der Wind bläst ihm das dunkle Haar aus dem Gesicht und trägt seinen Geruch zu mir, den ich für mein Leben gern vergessen würde. Der Hauch eines kriminell teuren Duftwassers, das die Vorstellung der waldigen Wärme eines Nickerchens neben dem Kamin, den würzigen Dunst gerade ausgeblasener Kerzen heraufbeschwört. Vor lauter Groll dreht sich mir der Magen um.

Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, fühlt es sich an wie ein heftiger Tritt in den Unterleib. Alle in der Erinnerung verschwommenen Einzelheiten bilden sich wie frisch gemeißelt in der Wirklichkeit ab. Seine markanten Gesichtszüge – die kräftige Nase, das ausgeprägte Kinn, die hohen, scharfen Wangenknochen und der Mund, genetisch dazu bestimmt, dass Knie schwach werden.

Natürlich nicht meine Knie. Ich stelle das nur ganz objektiv fest, von einem rein professionellen Standpunkt aus. Als Fotografin verbringe ich viel Zeit mit der Analyse fotogener Gesichter, und Christophers Gesicht ist leider der Inbegriff von Fotogenität. Leicht asymmetrisch, die strengen Züge durch die lang bewimperten bernsteinfarbenen Augen gemildert, die träge Sinnlichkeit seines dunklen Haars, das ihm ständig ins Gesicht fällt.

O Gott. Ich brauche ihn bloß anzusehen, und schon koche ich vor Wut. »Was machst du denn hier?«, frage ich gereizt.

Er reibt sich eine Gesichtshälfte, und seine Augen werden schmal. »Wie nett, dass du fragst, Katerina, danke. Mein Kinn fühlt sich ganz gut an, trotz deines harten Schädels …«

»Na, da bin ich aber froh«, erkläre ich aufgesetzt fröhlich und schneide ihm das Wort ab. Ich bin zu müde und erschöpft, um mit ihm herumzustreiten. »Wenn du einfach da gewesen wärst, wo du hättest sein sollen, hätten wir uns diesen Zusammenstoß erspart.«

Er hebt eine Braue. »Und wo ›hätte ich sein sollen‹?«

Ich laufe rot an. Ich hasse dieses verräterische Erröten. »Auf der Friendsgiving-Party.«

Christopher spitzt spöttisch den Mund, und mein rotes Gesicht wird noch heißer. »Aha, hat mich da jemand im Auge behalten?«

»Nur, um deiner üblen Gesellschaft rechtzeitig aus dem Weg zu gehen.«

»Und da schlägt sie auch schon zu.« Er wirft einen raschen Blick auf seine Uhr. »Keine zwanzig Sekunden, und schon fährt Kate die Krallen aus.«

Unwillkürlich stoße ich ein Knurren aus. Den schmerzenden Arm an die Seite gepresst mache ich Anstalten, an ihm vorbeizugehen, denn er verfügt über diese höchst ärgerliche Fähigkeit, mich mit einigen gut platzierten Worten zur Weißglut zu bringen, ganz abgesehen von diesem aufreizenden Heben seiner verdammten Braue. Wenn ich noch länger hier stehen bleibe, werde ich womöglich wirklich so wild, wie er es mir immer vorwirft.

Plötzlich legt er die Hand auf meinen gesunden Arm und hält mich auf. Ich blitze ihn finster an, finde es abscheulich, dass ich aufsehen muss, um seinem Blick zu begegnen. Ich bin nicht klein, aber Christophers breiter, kräftiger Körper überragt mich um einiges, und seinen muskulösen Arm kann ich nur mit beiden Händen umspannen.

Nicht, dass ich daran im Augenblick denke. Wenn ich an irgendwas denke, um das ich beide Hände legen möchte, ist es sein Hals, den ich gern mal kräftig zudrücken würde …

»Was ist denn mit dir passiert?«, fragt er.

Ich blinzle verdattert, aus meinen Gedanken gerissen vom scharfen Ton seiner Frage. Ich hebe trotzig das Kinn und fordere ihn wortlos zu einem Blickduell heraus.

Aber er sieht einfach nicht weg.

Mein Atem geht irgendwie unregelmäßig, als mir klar wird, wie nah unsere Gesichter einander sind. Christopher starrt auf mich herab. Nebenbei bemerkt scheint er ebenfalls etwas unregelmäßig zu atmen. »Während ich weg war, ist einiges passiert«, presse ich schließlich zwischen den Zähnen hervor. »Wahrscheinlich ist das unvermeidlich, wenn man seiner eigenen, winzig kleinen Welt den Rücken kehrt. Neue Orte erforscht. Hindernissen begegnet.«

Wie zum Beispiel jener felsigen schottischen Landschaft, die vor zwei Monaten zu einer inzwischen beinahe geheilten gebrochenen Schulter führte.

Aber das würde ich natürlich niemals vor ihm zugeben.

Sein Kiefer zuckt immer noch. Mein Kopfstoß war gut platziert.

Trotz seiner Kultiviertheit und seines Erfolges hat Christopher, der feuchte Traum eines kapitalistischen Unternehmers, niemals die Stadt verlassen. Ohne auch nur einen Fuß aus seinem Königreich zu treten, hat er einfach den Finger gekrümmt, und der Erfolg kam zu ihm. Seine Welt ist überschaubar und kontrolliert, und er weiß, dass ich ihn dafür verurteile. Ebenso wie er mich dafür verurteilt, dass ich so sorglos bin – aus seiner Sicht grob fahrlässig – und meiner Heimatstadt und Familie den Rücken gekehrt habe, sobald ich den Abschluss in der Tasche hatte.

Nachdem Christopher seine Eltern verlor, als er zehn Jahre alt war, hatte er keine Verwandtschaft bis auf seine inzwischen verstorbene Großmutter, die sich bis zu seiner Volljährigkeit um ihn gekümmert hat. Meine Familie ist für ihn wie seine eigene, und er beschützt sie, was natürlich in Ordnung ist, aber er kann meinen Standpunkt einfach nicht verstehen. Er begreift nicht, dass ich mich in meiner eigenen Familie wie eine Fremde fühle, obwohl ich weiß, dass ich geliebt werde, aber es ist eben nur selten die Art Liebe, die ich nötig hätte. Er kapiert nicht, wie viel einfacher es für mich ist, mich denjenigen, die ich liebe, nahe zu fühlen, wenn viele Kilometer zwischen uns liegen.

Schließlich wendet er den Blick ab und mustert stirnrunzelnd meinen Arm, den ich an die Seite presse. Die Schulter ist geheilt – obwohl ich meiner Familie etwas anderes erzählt habe –, aber noch so empfindlich, dass ein Zusammenprall mit Christophers mauerartigem Brustkorb ein schmerzhaftes Pochen auslöst.

Mit zusammengeschobenen Brauen inspiziert er, wie ich meinen Arm halte.

»Dir ist schon klar«, bemerkt er dann mit leiser, etwas heiserer Stimme, »dass du keine neun Leben hast, die du verbrennen kannst.«

Ehe mir eine beißende Antwort einfällt, gleitet sein Daumen an der Innenseite meines Arms entlang, und mein Atem verheddert sich. Ich kriege kein Wort heraus.

Abrupt lässt er mich los und tritt zurück. »Ich bringe dich nach Hause.«

Ich sperre den Mund auf. Was für eine Unverschämtheit!

»Besten Dank für die tägliche Kostprobe deiner patriarchalischen Bevormundung, aber ich brauche keine Begleitung nach Hause. Außerdem will ich dorthin« – ich deute über seine Schulter hinweg zu Nanette’s – »da gibt’s Kürbiskuchen im Sonderangebot. Kauf einen, nimm den zweiten für die Hälfte mit. Nach diesem Frontalzusammenstoß lasse ich mich bestimmt nicht von dir ohne die Dinger zurück nach Hause schicken.«

Sein Kiefer zuckt erneut. »Na gut. Hol dir den Kuchen. Ich warte hier.«

»Christopher.« Ich stampfe mit dem Fuß auf. »Ich bin siebenundzwanzig Jahre alt. Ich brauche keinen Babysitter.«

»Glaub mir, ich bin wirklich froh, dass diese Phase hinter uns liegt. Auf einen Satansbraten wie dich aufzupassen war nicht die reine Freude.«

»Har-har.« Christopher ist sechs Jahre älter als ich, aber seinem herablassenden Benehmen nach könnte man meinen, ich sei erst sechzehn.

Ich lasse ihn einfach stehen und stürme in Nanette’s Bäckerei. Die freundliche Bedienung, der geradezu qualvoll leckere Duft nach Kürbis und Vanille, nach Schokolade und Buttercreme, der mich umhüllt, während ich auf die Kuchen warte, mindert meine Gereiztheit, aber das hält nicht lange vor. Als ich mit den beiden Kuchenschachteln zurückkehre, hat Christopher sich nicht vom Fleck gerührt.

Er nimmt mir die Schachteln aus den Händen, deutet mit dem Kinn in Richtung der Wohnung meiner Schwestern – und jetzt auch meiner eigenen. »Nach dir«, sagt er.

Ich will ihm die Schachteln entreißen, aber er hält sie einfach hoch.

Ich sehe ihn finster an. »Ich kann die paar Straßen bis zur Wohnung allein zurückgehen, danke sehr.«

»Das höre ich gern. Die Frau, die hier neulich abends überfallen wurde, hat das bestimmt auch gedacht.«

»Oh, wie furchtbar«, sage ich, ehrlich erschrocken. »Aber mit Angreifern werde ich schon fertig, ich weiß, wie man …«

»Du hast nur einen heilen Arm«, hält er dagegen. »Wie willst du dich verteidigen?«

Völlig irrational schwinge ich den Arm hin und her und hasse mich selbst, als mir prompt der Schmerz ins Schultergelenk fährt. Bei dem Zusammenstoß habe ich mir definitiv den Arm geprellt, wenn nicht Schlimmeres. »Mir geht’s gut, okay? Mir geht’s prima.«

Jedenfalls ging es mir bis zu dem Zusammenstoß mit Christopher gut.

Ich habe meiner Familie die Wahrheit gesagt, aber eben nicht die ganze Wahrheit: Ich habe mir tatsächlich die Schulter in Schottland gebrochen, als ich mit einer längeren Fotoserie über die Anpassungen an den Klimawandel in den Highlands beschäftigt war – aber das ist nun schon vor zwei Monaten passiert.

Während ich die Verletzung auskurierte, blieb mir nichts anderes übrig, als meine Aufträge an andere abzugeben. Und schließlich musste ich mir eingestehen, welche Erleichterung ich verspürte – gefolgt von Schuldgefühlen –, dass ich für eine Weile davon verschont blieb, die nackte Wahrheit politischer Realitäten, globaler Erwärmung, der Verletzung von Menschenrechten und aller endlosen Scheußlichkeiten, die mir ebenso am Herzen lagen, wie sie mir zusetzten, zu bezeugen und in Bildern festzuhalten.

Mein Geld schwand dahin, und als ich schließlich versuchte, wieder Aufträge anzunehmen, hatte ich kein Glück. Als mir Mom von Jules’ und Beas Notlage erzählte, hatte ich die perfekte Lösung für alle parat. Ich bot Jules an, mit ihr den Platz zu tauschen, erwähnte dabei bequemerweise nicht wann, sondern eben nur, dass ich mir den Arm gebrochen hatte, und achtete sorgfältig darauf, eine Schlinge zu tragen, als ich heute Morgen eintraf.

Ja, stimmt schon, ehrlich ist das nicht, und nein, ich belüge meine Familie nicht gern. Dennoch war mir klar, dass Jules ohne diese Verletzung, die meine überraschende Heimkehr erklärte, nie und nimmer auf meinen Vorschlag eingegangen wäre und Mom sich womöglich Hoffnung gemacht hätte, ich sei nun ein für alle Mal nach Hause zurückgekehrt. Und wohin hätte das führen sollen?

Christopher sieht mich unverwandt und mit schmalen Augen an. Misstrauisch.

Verdammt noch mal, warum musste ich ausgerechnet mit ihm zusammenstoßen, als ich keine Schlinge getragen habe, und auch noch den Arm schwingen, um ihm zu zeigen, wie gut es mir geht. Jetzt werde ich darüber nachdenken müssen, wie ich ihn dazu bringe, zu schweigen, während alle anderen Familienmitglieder glauben, ich hätte mir die Schulter erst vor Kurzem gebrochen.

Ich bin so müde, so verärgert, alles tut mir weh. Ich kann nicht mehr vernünftig denken. Dieses Dilemma wird die zukünftige Kate lösen müssen. Die jetzige Kate braucht eine warme Dusche, ein weiches Bett und einen Kürbiskuchen direkt aus der Backform.

Es gelingt mir, dem überraschten Christopher die Schachteln aus den Händen zu reißen. »Und jetzt entschuldige mich bitte. Ich werde allein zurückgehen und diese Kürbiskuchen genießen.«

Ich rausche an ihm vorbei und um die Ecke und stampfe den restlichen Weg zur Wohnung zurück. Ich sehe kein einziges Mal zurück, spüre aber die ganze Zeit über seinen Blick im Rücken.

Als die Tür zur Eingangshalle hinter mir ins Schloss fällt, mustere ich verdrossen die Kuchenschachteln. »Ich kann nur hoffen, dass ihr die besten Kürbiskuchen meines Lebens seid.« Ich reiße die Innentür auf und laufe die Treppe hoch, während ein Inferno glühend heißen Zorns in mir lodert. »Das ist schließlich das Mindeste, nach dem, was ich gerade durchgemacht habe.«

2Christopher

Donner grollt, während der Himmel sich zu einem unheilvollen Bleigrau verdunkelt. Ich laufe über den Rasen zu den Wilmots hinüber, werfe einen Blick auf die Wolkenfront. Dank des sich schnell ändernden Luftdrucks und der Angewohnheit meines Hirns, freie Tage als großartige Gelegenheit für einen Migräneanfall zu betrachten, konnte ich den sich ankündigenden Anfall durch den entschlossenen Einsatz starker Medikamente abwehren, die ich beim Anzeichen des ersten Schmerzes, der seine Krallen in meine Schläfen und meinen Schädel schlug, geschluckt habe.

Bis vor ungefähr einer halben Stunde war ich mir nicht sicher, ob die Medizin wirkt – und ob ich Thanksgiving in einem abgedunkelten Zimmer und unter einem Berg von Decken verbringen würde oder nebenan, gemeinsam mit den Wilmots.

Obwohl: Da Kate nach Hause gekommen ist, weiß ich nicht genau, ob Thanksgiving tatsächlich weniger schmerzhaft sein wird als Migräne.

Zwei Stufen auf einmal nehmend stehe ich vor dem Eingang, beiße die Zähne zusammen und bereite mich mental vor.

Ich habe alle Ferien mit den Wilmots verbracht, aber normalerweise ist Kate nicht dabei. Die jüngste Tochter der Familie, Globetrotterin und ständig unterwegs, ist so selten zu Hause, dass ich mich nicht mal mehr daran erinnern kann, wann sie seit ihrem Abschluss zum letzten Mal hier Urlaub gemacht hat. Das war eine echte Wohltat, denn seit ich Kate kenne – mit anderen Worten, seit sie als Neugeborene in meine sechs Jahre alten Arme gedrückt wurde und prompt so heftig in ihre Windel pinkelte, dass meine Kleidung durchtränkt wurde –, ist sie eine Bedrohung meines Daseins. Dieses Gefühl stellte sich auf ganz natürliche Weise während unserer Kindheit ein, und ich habe daran festgehalten, als wir erwachsen wurden.

Kate verabscheut mich, was mir, wie ich mir immer wieder sage, nur recht ist. Abscheu ist gleichbedeutend mit Distanz. Und Distanz gleichbedeutend mit Sicherheit.

Mein Gesicht spiegelt sich im Fenster der Eingangstür.

Ich sehe noch genauso angeschlagen aus wie vor einer Stunde im Badezimmerspiegel. Das liegt nicht nur an dem gerade noch verhinderten Migräneanfall – ich habe letzte Nacht beschissen geschlafen. Ich bin ohnehin ein schlechter Schläfer, aber die letzte Nacht war, wenig überraschend nach dem Zusammenstoß mit Kate, besonders übel.

Ich recke den Kopf, wende ihn seitlich, prüfe mein Gesicht und den violett-grünlichen Bluterguss an meinem Kinn, wo Kates harter Schädel mich erwischt hat. Ich habe überlegt, ob ich mich rasieren soll, die dunklen Bartstoppeln verdecken den Fleck. Ohne Rasur gäbe es keine Fragen, keine Besorgnis, vor der ich ebenso zurückschrecke, wie ich sie mir wünsche.

Wenn ich mich rasiere und der blaue Fleck zu sehen ist, wird Maureen – Mutter von Kate, Jules und Bea und auch für mich wie eine Mutter – ihn nicht nur bemerken, sondern sich auch nach der Ursache erkundigen.

Und in diesem Fall müsste ich ihr sagen, dass Kate abends allein durch die Straßen spaziert ist, die Kopfhörer auf den Ohren, unbelehrbar und eine leichte Beute, als sie direkt in mich gelaufen ist.

Natürlich habe ich beschlossen, mich zu rasieren.

Ich umfasse die Klinke und öffne die Eingangstür. Ob es mir gefällt oder nicht, ich kann Kate nicht aus dem Weg gehen. Aber diesmal bin ich zumindest vorbereitet.

»Buh!«

»Verdammt!« Ich wirble herum, mein Herz hämmert, und ich stehe Kate gegenüber. Wir mustern uns böse, ich will die Tür schließen, doch der Wind kommt mir zuvor, reißt sie aus meinem Griff und wirft sie mit einem dröhnenden Rums ins Schloss.

Auf Kates Schulter hat sich Puck, der alte Familienkater, drapiert, und sie streichelt sein langes weißes Fell wie eine hinterhältige Schurkin. Ihr mahagonifarbenes Haar ist, wie immer, unordentlich aufgetürmt. Verschlagen funkelnde blaugraue Augen mit salbeigrünen Flecken. Sie klimpert unschuldig mit den Wimpern. »Ups.«

»Von wegen Ups.« Ich ziehe die Tasche mit den Lebensmitteln und dem Wein, die ich mitgebracht habe, höher über die Schulter. »Das war Absicht, du versuchst immer, mir einen Schreck einzujagen.«

»Oh, armer Christopher. Habe ich dich etwa erschreckt?«

Ich presse die Zähne so fest zusammen, dass es knirscht. »Erschreckt hast du mich nicht unbedingt.«

Das war zu viel.

Plötzlich tritt sie einen Schritt näher. Ich gehe einen Schritt zurück. Der Sicherheitsabstand zwischen uns ist mir in Fleisch und Blut übergegangen.

Kate runzelt die Stirn. »Kannst du mal damit aufhören? Ich will dir nur was sagen, dann können wir unserer getrennten, unglücklichen Wege gehen.«

»Dann sag schon.« Mein Kiefer ist völlig verspannt. Ihr so nahe zu sein halte ich schlecht aus, ich sehe die Sommersprossen auf ihrer Nase, das feurige Blitzen in den Augen. Mein Blick macht sich selbstständig, wandert gegen meinen Willen über ihr Gesicht und zieht eine Art Bilanz. Die lange Linie ihres Halses. Die zarten Schlüsselbeine …

In diesem Augenblick fällt mir auf, dass sie den Arm in einer Schlinge trägt.

Denselben Arm, den sie gestern an ihre Seite gepresst hat.

Ich runzle die Stirn, als mir eine unerwünschte Idee kommt. Gestern Abend sind wir ziemlich heftig zusammengeprallt – wie der blaue Fleck an meinem Kinn beweist –, aber nicht so heftig, dass sie den Arm in einer Schlinge tragen müsste. Mir ist natürlich aufgefallen, dass der Zusammenprall ihr wehgetan hat, aber dann hat sie den Arm geschwungen und mir vorgeführt, dass alles in Ordnung ist …

Andererseits weiß ich genau, wie gern sie Spielchen spielt. Ich habe einen blauen Fleck am Kinn. Kate trägt diese Armschlinge. Vielleicht ist sie nicht verletzt, sondern möchte ihrer Mutter nur was vormachen und hat mich für die Rolle des Übeltäters vorgesehen?

Andererseits: Wenn sie das plant, sollte sie sich darüber im Klaren sein, dass ich ihrer Mutter haargenau schildern werde, wie es zu dem kleinen Unfall kam – Kate wandert allein in der Stadt umher, völlig ahnungslos und ganz in ihrer eigenen kleinen Welt gefangen, die Kopfhörer blenden jedes Geräusch und jede nahende Gefahr aus. Maureen würde ausrasten.

Daraus schließe ich, dass sie tatsächlich verletzt ist.

Obwohl mir das völlig egal ist.

Wäre es mir nämlich nicht so egal, welche Risiken Kate eingeht, wenn sie durch die Welt stolpert – an steilen Klippen entlangspaziert, während ihre Gedanken ganz woanders sind, sich mit Unbekannten anfreundet, die Serienmörder sein könnten, allein und unbeschützt in Hostels übernachtet, ihr Portemonnaie verliert, zu essen vergisst und ihr Handy so oft fallen lässt, dass es völlig zersprungen und unzuverlässig ist –, würde ich total durchdrehen.

Und deswegen ist es mir egal. Ich verweigere mich. So einfach ist das.

»Christopher.«

Ich blinzele. Ich habe kein Wort von dem verstanden, was sie gesagt hat. Ich habe die ganze Zeit auf diese verdammte Schlinge gestarrt, und meine Gedanken haben sich im Kreis gedreht. Meine Brust fühlt sich schmerzhaft eng an. »Sag das noch mal.«

»Und du hörst diesmal bitte zu«, gibt sie unwillig zurück. Sie tritt näher heran, vergewissert sich mit einem vorsichtigen Blick, dass niemand in der Nähe ist. Aus der Küche dringen Stimmen zu uns herüber, die Vorbereitungen für die Thanksgiving-Mahlzeit laufen auf Hochtouren. »Ich war gestern Abend nicht ganz ehrlich«, sagt sie. »Ich habe mir die Schulter verletzt.«

»Als du in mich reingelaufen bist.«

»Es war umgekehrt, Dummkopf, du hast mich umgerannt. Aber die Verletzung ist vorher passiert.«

Ich suche ihren Blick. Irgendwas stimmt hier nicht. »Warum hast du dann gestern keine Schlinge getragen?«

Sie tritt ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, seufzt. »Es ist kompliziert.«

Ich lüpfe eine Braue. »Sei doch bitte so freundlich. Ich denke, mit ›komplizierten‹ Erklärungen werde ich schon fertig.«

»Ich bin dir keine Erklärungen schuldig, weder komplizierte noch sonst welche, Petruchio.«

»O doch, falls du nicht möchtest, dass deine Eltern von deinem einsamen Abendspaziergang gestern erfahren, mit dem Noice-cancelling-Kopfhörer auf den Ohren und keiner Schlinge weit und breit.«

Sie blitzt mich an. »Soll das etwa ein Erpressungsversuch sein, du Mist…?«

»Wer ist denn gekommen?«, ruft Maureen aus der Küche und dann, es klingt lauter und näher: »Christopher?«

Ich lächele Kate gelassen an. »Wie meintest du gerade?«

»Na schön«, zischt sie und blickt hektisch zur Tür hinüber, durch die ihre Mutter jeden Moment eintreten wird. »Ich bin gestolpert und hab mir vor ein paar Monaten die Schulter gebrochen. Sie ist geheilt, aber noch etwas empfindlich, klar? Und jetzt halt gefälligst den Mund wegen gestern.«

Wir mustern uns. Ich verschränke die Arme. »In Ordnung, aber das wird dich mehr kosten als bloß eine Erklärung.«

Sie sieht aus, als wollte sie mich würgen.

Mist, ich lächele. Irgendwas stimmt nicht mit mir.

»Was willst du?«, fragt sie mit zusammengebissenen Zähnen.

Ich starre auf ihren Arm in der Schlinge und bemühe mich, nicht auf meine verworrenen Gedanken zu achten.

Ich will genau wissen, was sie getan hat und in welcher Gefahr sie sich befand, als sie ihre Schulter gebrochen hat. Aber das sollte ich nicht. So läuft das nicht zwischen uns. Ich denke niemals an Kate, wenn sie unterwegs ist. Ich mache mir keine Sorgen um sie, es kümmert mich nicht, und ich will ganz sicher nicht wissen, wie sie sich die Schulter verletzt hat.

Mit einem etwas erzwungenen lässigen Lächeln sage ich: »Ich kassiere meine Schulden ein, wenn’s mir passt.«

»Na toll«, erwidert sie sarkastisch. »Erpressung. Ich kann’s kaum erwarten.«

»Frohes Thanksgiving!«, sagt Maureen, die jetzt in den Flur hereinschlendert und mich in eine nach Lavendel duftende Umarmung schließt. Die blau-grau-grünen Augen, die sie ihrer Tochter vererbt hat, leuchten, als sie mich etwas zerstreut anlächelt, abgelenkt vom Küchengeschehen und dem piepsenden Timer des Backofens. »Warum stehst du denn im Flur herum wie irgendein Gast?«, will sie wissen.

»Jemand hat mir aufgelauert.« Ich nicke kurz zu Kate hinüber, die mich böse anblitzt.

Maureen blickt zwischen uns hin und her und stemmt die Hände in die Hüften. »Könntet ihr dieses eine Mal miteinander auskommen? Oder ist das schon zu viel verlangt?«

»Ja«, grummelt Kate, wirbelt herum und braust an uns vorbei in Richtung Küche.

»Tja.« Maureen seufzt etwas müde, als wir ihrer Tochter folgen. »An Feiertagen sind Traditionen wohl besonders wichtig.«

»Christopher hat keine Tradition nötig, um sich wie ein Mistkerl zu verhalten«, ruft Kate über die Schulter zurück. »So ist er jeden Tag.«

»Was du natürlich weißt, weil du so oft hier bist«, kommentiere ich ironisch.

Ohne sich umzudrehen, streckt mir Kate den Mittelfinger entgegen.

»Katerina!«, ruft Maureen tadelnd. »Damit hast du dich freiwillig für den Abwaschdienst gemeldet.«

Kate reißt den Kopf so schnell zu uns herum, dass sie davon ein Schleudertrauma haben muss.

»Mom! Meine Schulter ist gebrochen.«

»Und deine Hand gesund genug, um meinen Flur zu entweihen. Da ist es nur gut und heilsam, ein paar Teller abzuspülen.«

Ich lächele Kate scheinheilig an, und sie wirft mir einen wütenden Blick zu.

»Und jetzt zu dir«, sagt Maureen streng, nachdem Kate in die Küche gestapft ist.

Mein Lächeln erlischt. »Zu mir?«

»Du hast reichlich Energie, um Kate zu provozieren. Einen Teil davon kannst du nachher für den Abwasch nutzen.«

Ich blicke etwas verdutzt, als sie mich an der Küchentür stehen lässt.

»Du bist ein echter Gentleman, West.«

Beas Freund – West, wie ihn alle außer Bea nennen – steht neben mir am Spülbecken, während wir gemeinsam den Abwasch erledigen. Er wedelt lässig mit der Hand und bedeutet mir Ach, nicht der Rede wert. »Ich helfe gern beim Aufräumen. Und als ich gemeint habe, dass du Jamie zu mir sagen kannst, war das mein Ernst. Ehrlich gesagt ist es mir sogar lieber.«

Ich werfe ihm einen Seitenblick zu, stelle fest, wie viel entspannter und glücklicher er aussieht, seit wir uns im vergangenen Herbst kennengelernt und schnell angefreundet haben. »Sicher?«

Er sieht mich belustigt an. »Absolut sicher.«

Von dem Mann mit den verkniffenen Lippen, dem gestärkten Oberhemd und dem seriösen Benehmen, der sich damals als West vorstellte, ist nichts mehr zu sehen. Jetzt ist er Jamie Westenberg, der mit lässig aufgerollten Ärmeln ganz entspannt und zufrieden mit mir gemeinsam den Spüldienst am Doppelbecken erledigt.

Seine Mundwinkel zucken nach oben, als er einen sauberen Kochtopf abtrocknet und meinen prüfenden Blick bemerkt. »Was ist los?«

»Du scheinst … gut drauf zu sein. Du wirkst glücklich.«

Aus dem Schmunzeln wird ein hundertprozentiges Lächeln. »Bin ich auch. Ich freue mich, dass ich einen freien Tag mit Leuten verbringen kann, die sich mehr wie eine Familie anfühlen als meine eigene Familie. Das war auch der Grund, warum ich über meinen Namen nachgedacht und beim Nachtisch drüber gesprochen habe – ich möchte nicht mehr West genannt werden. So haben sie im Internat zu mir gesagt, und ich habe den Namen immer wie eine … wie eine Art Rüstung benutzt, um andere auf Abstand zu halten. Ich will diese Rüstung nicht mehr.«

»Jeder braucht eine Rüstung. Es ist doch nichts verkehrt daran, wenn man etwas Abstand nötig hat.«

»Das trifft für Leute zu, die unsere Nähe nicht verdienen«, erwidert er. »Ich mag Grenzen, glaub mir. Aber eben nicht bei denen, die mir wichtig sind. Darum will ich in Zukunft Jamie sein, nicht nur, was Bea betrifft, sondern für alle, die mir etwas bedeuten. Und du bist einer davon.«

»Sehr gern, ist mir eine Ehre, Wes – ich meine Jamie.« Nach einer kurzen Pause sehe ich ihn an und wackele anzüglich mit den Brauen. »Haben wir unsere Bromance etwa gerade auf ein neues Level gehoben?«

Er lacht. »Verdammt noch mal, so ist es. Es steht in den Sternen geschrieben, sagt Bea. Ich gebe zwar nicht besonders viel auf Astrologie und Sternzeichen, aber ich muss zugeben, dass ich einiges von dem, was Bea mir erzählt, doch faszinierend finde.«

»Mir sagt das gar nichts. Worum geht’s denn im Wesentlichen?«

»Na ja«, sagt er, »nehmen wir zum Beispiel uns beide. Ich bin Steinbock. Du bist Stier. Alle, die unter diesen Sternzeichen geboren sind, besitzen eine Reihe unterschiedlicher Eigenschaften, sind sich aber auch in mancher Hinsicht recht ähnlich – beide sind Erdzeichen, die in bestimmten Grundwerten übereinstimmen, etwa Verlässlichkeit, Stabilität und Pragmatismus.«

Ich lache leise vor mich hin. »Ich höre förmlich, wie die rebellische Bea dir das alles auseinandersetzt und erklärt, dass wir, kurz gesagt, die absoluten Ultralangweiler sind.«

Jamie lacht ebenfalls. »Wir neigen dazu, ich zitiere, ›beschützende, pragmatische – dennoch höchst liebenswerte – Schlaftabletten‹ zu sein.«

»Hey, irgendeiner muss doch den Überblick haben und die Sache am Laufen halten.«

Er nickt. »Du hast ja so recht. Deswegen kommst du auch nicht mehr von mir und unserer astrologisch vorherbestimmten Bromance los. Ich habe nämlich einen langen Atem.«

»Damit sind wir schon zwei.« Ohne Verwandte, die auch nur halbwegs in meiner Nähe wohnen würden, und meiner Abneigung gegenüber romantischen Verstrickungen sind Freundschaften die einzigen langfristigen Beziehungen, die ich mir zugestehe. Sie sind besonders wichtig für mich.

Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf das Geschirr, nehme den Bräter, in dem der Truthahn zubereitet wurde, und tauche ihn ins Spülwasser. »Danke, dass du mir hilfst«, erkläre ich erneut. »Das hättest du nicht tun müssen.«

»Ich helfe gern. So angespannt wie die Stimmung bei Tisch war, habe ich allerdings den leisen Verdacht, du bedankst dich weniger für meine Hilfe beim Abwasch als dafür, dass ich darauf bestanden habe, Kates Platz zu übernehmen, was ja bedeutet, dass sie draußen ist und du hier drinnen.«

Ich fixiere den fettigen, verkrusteten Topf und scheuere mit besonderer Verbissenheit daran herum. »Sie hat den Arm in der Schlinge und wäre sowieso keine große Hilfe gewesen.«

»Mmm-hmmm.« Er stellt einen abgetrockneten Topf beiseite und fischt den nächsten aus dem Becken.

Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu und erwische ihn beim Grinsen. »Was?«

»Du scheuerst diesen Topf so richtig gut, Christopher!«

»Er ist fettig!«

Er grinst noch breiter. »Mmm-hmmm.«

»Spar dir dein ›Mmm-hmmm‹.«

»Finger weg von diesem Topf, mein Freund.« Er nimmt ihn mir aus der Hand und taucht ihn in das zweite Becken ein. »Sonst schrubbst du noch die ganze Beschichtung runter.«

Ich seufze tief, nehme mir einen Servierteller, der für die Maschine zu groß ist, und zwinge mich, an nichts anderes als Geschirrspülen zu denken. Aber mein Geist gehorcht mir nicht und wandert erneut zum Essen zurück.

Ich saß neben Kate, ihre langen Beine baumelten neben meinen.

Als sie an mir vorbei zum Brotkorb griff, atmete ich ihren zarten Duft ein – wie ein Garten nach einem langen warmen Regen.

Ich denke an den Augenblick, als Maureen mich nach dem blauen Fleck am Kinn fragte und Kates knochiges Knie gegen meines stieß und dort verharrte, als staune sie darüber, dass ich Wort hielt – statt sie zu verraten, sagte ich nur, ich hätte ein bisschen herumgeboxt.

Was auch nicht ganz falsch war, denn irgendwie war es auch wie Boxen, als wir zusammenprallten. Wir tun ja nichts anderes.

Von draußen brüllt Kate: »Dreipunktelinie!«, und unser Blick wandert automatisch zur Auffahrt, wo sie mit Bea Basketball spielt.

»Bullshit!«, brüllt Bea zurück. »Du warst hinter der Linie.« Ein Sportwagen röhrt die Straße entlang, und der Lärm verschluckt den restlichen Satz.

Ich ermahne mich, wegzusehen, als Kate sich laut lachend zusammenkrümmt und die einzige freie Hand auf ein Knie stützt, während sie vor Lachen keucht. Bea wirft den Kopf zurück und gackert ebenfalls.

»Noch Stress bei der Arbeit?«, fragt Jamie, nimmt den nächsten Topf und trocknet ihn ab.

Ich reiße meinen Blick los und bearbeite den Teller. »Zu dieser Jahreszeit ist es immer stressig.«

Jamie sieht mich an. »Aber wahrscheinlich ist es noch etwas stressiger als früher, vermute ich?«, hakt er nach.

»Ja«, gebe ich zu. »Aber damit komme ich schon klar.«

Ich komme bereits seit einem Monat mit der größeren Arbeitsbelastung zurecht, seit meine Nicht-besonders-große-Investment-Firma an einem Tag zwei Mitarbeiter verloren hat – Jean-Claude, den ich gefeuert habe, und Juliet, seine Ex-Verlobte, die von allem, was zu seinem Rauswurf und ihrer Trennung von ihm führte, ziemlich aus der Bahn geworfen wurde. Sie hat für einen Monat Urlaub genommen und nimmt sich die Zeit, die sie braucht, was ich unterstütze.

Das behalte ich aber für mich, denn Jean-Claude – Jamies früherer Freund und Mitbewohner und mein Ex-Mitarbeiter – ist ein heikles Thema. Obwohl ich stumm bleibe, scheint Jamie ähnliche Gedanken zu hegen wie ich.

Er hält den Blick auf die Pfanne in seiner Hand geheftet, und eine düstere Gesprächspause entsteht.

Es führt kein Weg an der Tatsache vorbei, dass Juliet einen Monat lang Urlaub genommen hat und sich wegen Jean-Claudes emotionalen Missbrauchs auf der anderen Seite des Ozeans befindet. Seine besitzergreifende und irrationale Eifersucht aufgrund meiner vertrauten Beziehung zu Juliet artete während eines Routinemeetings mit Jules, die als PR-Fachfrau für mich arbeitet, zu einer Schlägerei zwischen Jean-Claude und mir aus.

Inzwischen ist er für immer aus unserem Leben verschwunden. Das alles liegt schon ein wenig zurück, und während Jules auf ihrem Selbstheilungsurlaub ist, hoffe ich darauf, dass die letzten noch schwelenden Erinnerungen daran bald verblassen werden.

Eine durchaus begründete Hoffnung, denn gestern auf der Friendsgiving-Party waren alle gut drauf, abgesehen von dem etwas rührseligen Gruppenfoto an Jules und dem Text, wie sehr sie uns fehlt. Auch heute Abend hat Familie Wilmot nach dem Essen ein Videogespräch hingekriegt, das ein Lächeln auf alle Gesichter gezaubert hat. Bea und Kate draußen wirken ebenfalls glücklich, nachdem sie mit ihrer Schwester telefoniert haben. Maureen und Bill sitzen mit dem Laptop auf der Veranda und sprechen noch mit Jules, während sie genüsslich ihren Kaffee schlürfen.

»Die letzten Monate waren stressig«, sage ich. Wir wissen beide, dass ich nicht nur über die Arbeit rede. »Aber wir kriegen das hin. Davon bin ich überzeugt.«

Jamie nickt, allerdings mit leicht skeptisch zusammengezogenen Brauen. Dann mustert er mich, prüfend und intensiv. »Weißt du schon, wie du deine Batterien nach diesem arbeitsreichen Jahr im Urlaub wieder aufladen willst?«

Ich zucke die Achseln. »Für Urlaub habe ich keine Zeit.«

»Hast du keine oder willst du keine haben?«, fragt er unverblümt.

»Mein Team hat die Woche vor Weihnachten und zwischen den Jahren frei. Ich nicht. Ob nun am Jahresende viel los ist oder nicht, ich persönlich kann mit Urlaub nicht viel anfangen.«

Er runzelt die Stirn. »Du kannst mit Urlaub nichts anfangen? Was ist das denn für ein blasphemischer Unsinn?«

Ich ächze. »Jamie. Erzähl mir jetzt bitte nicht, dass du ein fanatischer Urlauber bist.«

»Vielleicht nicht unbedingt fanatisch. Aber ein ruhiger Spaziergang durch den Schnee, Weihnachtslieder singen am Klavier, ein Gläschen Eierpunsch vor dem frisch geschmückten Weihnachtsbaum, aber nicht der Selbstgemachte mit Eiweiß – keine Köstlichkeit der Welt rechtfertigt eine Salmonellenvergiftung.« Er verstummt und fragt dann behutsam: »Warum kannst du nichts mit Urlaub anfangen? Hat das … mit deinen Eltern zu tun? Das muss schwer für dich sein, gerade zu dieser Zeit fehlen sie dir sicher ganz besonders.«

Ich starre auf das seifige Wasser und bin mir nicht sicher, wie viel ich teilen möchte. »Ja, um diese Zeit ist es besonders schwer, und deswegen finde ich die Aussicht auf Ferien auch nicht sehr verlockend. Aber am meisten stört mich der Heiligenschein des selbst auferlegten Stresses, der in der Weihnachtszeit alles andere ausblendet. Offenbar vergessen alle, wie viel sie bereits haben, und jeder denkt nur noch daran, was er noch alles erledigen muss, unter dem ständigen Druck immer noch mehr sein und tun zu müssen. Ich würde sie alle am liebsten bei der Schulter packen und rütteln und sagen: ›Immerhin habt ihr Geld, um Geschenke zu kaufen, Essen auf den Tisch zu stellen, euer Haus zu heizen und eure Kinder für die kalte Jahreszeit anzuziehen. Immerhin habt ihr eure Liebsten noch um euch und könnt euch den Kopf zerbrechen, was ihr ihnen schenkt. Immerhin sind sie hier, bei euch.«

Jamie legt den Kopf schräg und sagt: »Vielleicht projiziere ich ja auf meinen erbärmlichen privilegierten Vater, der genau das verkörpert, aber kommt das bei deiner Arbeit häufig vor, bei der Vermögensverwaltung? Hast du mit Leuten zu tun, die alles haben und das Wesentliche nicht mehr sehen?«

Ich schüttle den Kopf. »Überhaupt nicht. Das ist ja das Schöne an unserer Art zu arbeiten. Die meisten Hedgefonds und ihre Kunden kümmern sich nicht darum, wie sie Geld machen, aber uns ist das wichtig und unseren Kunden auch. Bei unserer Art, Geld zu verwalten und zu investieren, geht es doch gerade darum, bestimmte Ziele zu verfolgen, und wir haben erkannt, dass Reichtum ein Privileg ist, und verwenden die Gelder für aufbauende, erneuernde und faire Initiativen, Unternehmen und Organisationen.«

»Ethisches Investment.«

»Ganz genau.«

Kate und Bea, die draußen wieder in schallendes Gelächter ausbrechen, lenken unsere Aufmerksamkeit ab. Kate nimmt den Ball und dribbelt in Richtung Kreis. Bea verteidigt, ist aber vorsichtig, wegen des verletzten Arms.

Kate lässt ein kämpferisches Lächeln aufblitzen, ein Anblick, von dem ich mich kaum losreißen kann. In einer kurzen Dribbelpause pikst sie Bea in die Achselhöhle, die schreiend davonstolpert. Kate weiß die Lücke in der schwesterlichen Abwehr für sich zu nutzen und wirft einen Korbleger.

»Mieser Trick«, murmle ich.

Jamie lacht schnaubend auf. »Sie spielt mit einer Hand. Ich glaube, da darf sie ein bisschen kreativ sein.«

»Seit wann gehörst du zum Team Kate?«

Er grinst, den Blick auf Bea geheftet, während er abtrocknet. »Seit Kate zurückgekommen ist und dieses Lächeln auf das Gesicht meiner Freundin gezaubert hat.«

Jetzt ist Bea in Richtung Korb unterwegs, während Kate ein paar lächerliche Abwehrversuche unternimmt, die eher an bizarre Dance-Moves erinnern. Vor lauter Lachen kann Bea nicht mehr dribbeln, woraufhin Kate den Ball erobert, in den Wurfkreis sprintet und ihn ein zweites Mal versenkt.

Sie reißt triumphierend die Arme hoch, und wir sehen uns zufällig in die Augen. Ihr stechender Blick könnte Wände durchdringen.

»Wie ging es dir gestern Abend mit der Migräne?«, fragt Jamie.

Ich blinzle, sehe zu ihm hinüber. »Entschuldige?«

Jamie klopft sich leicht an die Schläfe. »Deine Migräne, die gestern im Anflug war.«

»Ach so. Ich hatte schon schlimmere.«

Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich Jamie überhaupt von meinen Migräneanfällen im Allgemeinen und von meiner gestrigen Migräne im Besonderen erzählt habe. Aber gerade als ich im Begriff war, von der Friendsgiving-Party aufzubrechen, trafen Jamie und Bea für ein Stück Kürbiskuchen und einen Absacker ein. Sie sahen so aus, als hätten sie ein absolut befriedigendes Wiedersehen hinter sich, und er wirkte so enttäuscht, weil ich schon gehen wollte. Daher kam die Wahrheit … einfach ans Licht. Ich erzählte ihm, dass ich kurz vor einem Migräneanfall stand, und bat ihn, es für sich zu behalten.

»Seit wann hast du chronische Migräne?«, will er jetzt wissen.

»Moment mal, so weit ist unsere Bromance noch nicht.«

Er hüstelt verlegen. »Sorry, ich schalte automatisch in den Arzt-Modus, wenn ich mir Sorgen um Leute mache, die mir wichtig sind. Eine schlechte Angewohnheit.«

»Du musst dir keine Sorgen machen«, sage ich und meine es auch so. »Ich weiß deine Fürsorge zu schätzen. Ich bin eben nicht dran gewöhnt, mit anderen darüber zu reden.«

»Na gut«, sagt er. »Verstanden. Aber ich bin da, falls du mal reden möchtest oder irgendwas brauchst. Ich verspreche, dir keine Medikamente zu verschreiben oder dir zu erzählen, dass weniger Stress und mehr Ruhe, insbesondere in hektischen Jahreszeiten rund um die Feiertage, deine chronische Erkrankung heilen. Was aber nicht heißt, dass es vielleicht keine schlechte Idee wäre, ab und zu mal freizunehmen und dich um dich selbst zu kümmern.«

»Mag sein, aber wer soll dann den lokalen Geizkragen spielen, der Geld scheffelt, während alle anderen den Baum schmücken?«

Er wirft mir einen ernüchterten Blick zu und seufzt.

»Armer Jamie«, sagt Kate. Die Tür schlägt zu, als sie, gefolgt von Bea, hereinmarschiert. Ihre Wangen sind rosig, und ein Hauch kühle Herbstluft umweht sie. »Will er dich in seine kapitalistischen Machenschaften verwickeln? Typisch Christopher.«

Ich verdrehe die Augen, während sie auf die Essensreste zusteuert. »Typisch Kate. Sie kriegt nichts mit, taucht auf und tut so, als hätte sie den Durchblick.«

Kate sieht mich wütend an und reißt den Deckel, auf dem ihr mit Filzstift geschriebener Name steht, von einem Behälter.

»Wow«, sagt Beatrice munter und versucht eindeutig, von unserer Kabbelei abzulenken. »Ihr habt das Geschirr gespült. Danke, Christopher.« Sie schlingt die Arme um Jamie, und ihre Stimme wird wärmer, als sie sagt: »Und danke dir, Jamie.«

Er beugt sich vor und streicht ihr das Haar aus dem Gesicht. »Kein Problem.«

Ich wende den Blick von den Turteltäubchen zurück ins schmutzige Abwaschwasser und taste nach übrig gebliebenem Besteck herum.

»Mist«, murmele ich und ziehe hastig die Hand aus dem Wasser. Ich habe den Daumen in ein scharfes Messer gebohrt, aber als ich die Wunde genauer inspiziere, ist zu meiner Erleichterung kaum Blut zu sehen.

»Ist die Maniküre ruiniert?«, fragt Kate.

Ich mustere sie drohend, aber entweder nimmt sie es nicht wahr oder ignoriert den Blick, während sie sich auf das Essen konzentriert und mit der Gabel hineinsticht. »Und wenn? Es ist sexistisch, zu unterstellen, dass ein Mann, der zur Maniküre geht, Anlass zu Witzen gibt.«

»Ich habe nichts unterstellt«, sagt sie. »Das war bloß eine Frage.«

Unsere Blicke kreuzen sich. Stumm gebe ich ihr zu verstehen: alles Bullshit. Kate streckt mir schweigend den Mittelfinger entgegen.

Ich umklammere das Spülbecken mit weißen Fingerknöcheln, während mich Kate, an die Küchentheke gelehnt, finster anblitzt. Die Luft zwischen uns knistert vor roher, elektrischer Aggressivität.

Warum kann ich das hier nicht kontrollieren, obwohl ich sonst alles in meinem Leben unter Kontrolle habe?

Als würde ein durchdringender Blick auf Kate diese Frage beantworten, starre ich sie an und hasse mich dafür, dass ich jede winzige dunkelrote Strähne bemerke, die sich an ihren Nacken schmiegt. Ich lasse den Blick nach unten wandern, über ihre abgewetzte Jeans-Latzhose und das graue langärmelige Hemd aus so dünnem Stoff, dass ich ihre Haut darunter sehen kann.

Meine ausreichend große Erfahrung mit Reichtum sagt mir, dass dies nicht der gesucht lässige Stil ist, für den Reiche gern mal drei- bis vierstellige Summen hinblättern. Ihre Klamotten sind einfach alt, ausgebleicht und abgenutzt. Ich frage mich, ob sie vielleicht Probleme hat, einen Job zu finden oder zu behalten, und ob sie deswegen so aussieht – Bohnenstange in abgetragener Kleidung. Ob sie nach Hause gekommen ist, weil sie Geldprobleme hat.

Meine Brust fühlt sich plötzlich eng an.

Ihre Augen werden schmal, sehen mich unverwandt an. »Hör auf, mich anzustarren.«

»Mach ich doch gar nicht«, lüge ich und tauche den blutenden Daumen ins Wasser. »Ich versuche bloß, ein Würgen zu unterdrücken, während du Tofu-Truthahn mit Veggiesauce isst.«

»Tja, immerhin habe ich ein ruhiges Gewissen, weil meinetwegen an einem Gedenktag, der den Massenmord an indigenen Menschen feiert, kein Tier geschlachtet werden muss.« Sie lächelt mich total aufgesetzt an. »Auch wenn du das nicht verstehst, Christopher, aber manche von uns schlafen nachts gern mit ruhigem Gewissen.«

Ich beiße die Zähne zusammen, drehe das Wasser ab und wickle ein Handtuch um den verletzten Daumen. »Nein, natürlich nicht. Ich bin moralisch einfach bankrott.«

Wieder ein böser Blick, und erneut fährt die Gabel in den Tofu-Truthahn. »Ich weiß nicht, wie man jemanden sonst bezeichnen sollte, der sein Geld damit verdient, die Kluft zwischen Arm und Reich in diesem beschissenen Land zu vergrößern, aber …«

»Wenn du nur einen blassen Schimmer davon hättest, womit ich mein Geld verdiene, Katerina, dann wäre dir klar, dass ich versuche, diese Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen. Ich versuche, Kapital in Investitionen und Organisationen zu lenken, die etwas gegen soziale Ungleichheit unternehmen …«

»Ach so, ja, stimmt.« Sie wirft die Gabel in den mittlerweile geleerten Behälter zurück. »Wie konnte ich das nur vergessen? ›Ethisches Investment‹.« Die in die Luft gesetzten Gänsefüßchen sehen einhändig ausgeführt nicht sehr eindrucksvoll aus, aber ich werde trotzdem sauer. »Behauptest du jedenfalls.«

Die Tür zum Esszimmer geht auf, als Bill und Maureen in die Küche kommen; nach ihrem Gespräch mit Jules hat Bill den Laptop noch unter den Arm geklemmt, und Maureen trägt zwei kleine Kaffeetassen. Ich bin zu gereizt, um auf die beiden zu achten.

»Behaupte ich?«, frage ich Kate. »Du hast ja keine Ahnung, wovon du redest, aber wie solltest du auch? Du weißt nichts von meinem Leben. Nichts von all unseren Leben hier. Denn rate mal, was passiert, wenn du wieder abreist, Kate?« Ich trete einen Schritt auf sie zu, meine Stimme hört sich gepresst und wütend an. »Du verpasst alles. Die Abschiedsfeier für deinen Dad, als er in Rente gegangen ist, zum Beispiel. Beas letzte Ausstellung. Jules’ Feier als vielversprechendste Kandidatin der unter Dreißigjährigen.«

»Und der Sinn deines Lebens besteht darin, mir das immer wieder unter die Nase zu reiben, richtig?«, knurrt sie und tritt mir trotzig entgegen. »Der perfekte Christopher. Der Allwissende. Christopher, der immer da ist, weil die furchtbare Kate nie da ist.«

»Das habe ich nicht …«

»War gar nicht nötig«, blafft sie. »Das unterstellst du mir mit jedem Wort aus deinem voreingenommenen Mund. Ich bin nicht gut genug. Ich mache alles falsch. Ich bin eine totale Versagerin. Aber rate mal was, Petruchio? Du wirst mir nie einreden können, dass ich der letzte Dreck bin, oder mich davon abhalten, mein Leben zu leben.« Sie reckt das Kinn, und ihre Stimme wird lauter, als sie auf ihre Familie deutet und sagt: »Sie wissen, dass ich sie liebe. Sie wissen, dass sie mir wichtig sind. Ich rufe an. Schreibe Mails. Ich schicke Päckchen. Und ich bin da, wenn sie mich brauchen.«

»Du wurdest immer gebraucht.«

»Jetzt bin ich da, okay? Ich bin hier, verdammt noch mal!«

»Na endlich!« Ich trete so dicht an sie heran, dass wir uns beinahe berühren. »Es wurde verdammt noch mal auch Zeit!«

Mein Atem geht schnell und abgerissen, Hitze durchströmt mich. Kate starrt zu mir hoch, mit weiten Augen und rotem Gesicht. Ich merke, dass ich sie an die Küchentheke gedrängt habe, sie förmlich einklammere, meine Hände rechts und links daneben. Ich befehle meinen Händen, loszulassen. Ich befehle meinem Körper, sich wegzubewegen.

Aber ich bleibe wie angewurzelt stehen, hasse Kate für ihre einzigartige Fähigkeit, mir unter die Haut zu gehen, mich die verdammte Wand hochgehen zu lassen, und ich hasse mich selbst, weil es mir trotz aller Anstrengungen nicht gelingt, nicht auf sie zu reagieren.

Und jetzt starre ich auf ihren Mund, weich, mit leicht geöffneten Lippen; auf ihre heftig schluckende Kehle. Auch Kate hat die Augen auf meinen Mund geheftet, sie atmet schwer. Dann legt sie die Hand auf meine Brust, direkt neben dem pochenden Herzen. Ich atme zischend aus.

Sie packt den Stoff meines Hemdes. Und schiebt mich mit überraschend viel Kraft von sich.

»Obwohl es mir wirklich ein großes Vergnügen war«, sagt sie mit gepresster Stimme und zornroten Wangen, »glaube ich, ich sollte jetzt das tun, was ich laut Christopher am besten kann.«

Ohne ein weiteres Wort stürmt sie aus der Küche in die Eingangshalle, wo sie sich, den Geräuschen nach zu urteilen, einhändig in den Mantel kämpft und sich ihre Tasche schnappt.

Die Tür fällt so lautstark hinter ihr ins Schloss, dass die Fensterscheiben wackeln.