Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dies ist die sechste Episode der Romanserie "Beyond". Im Kampf gegen die Konzerne scheint Leander Dohlman allein zu sein. In seiner Verzweiflung wendet er sich an die, die dieser Kampf direkt betrifft: Die Spieler von Beyond, dem Spiel, in dem sich die Realität mit virtuellen Elementen vermischt. Und eine Revolution beginnt ... Über die Serie: Menschen haben in der Zukunft nur als Arbeitskräfte oder Konsumenten einen Wert. Das Spiel Beyond wird für viele eine Zuflucht vor der Realität. Man spielt es nicht daheim am Computer, sondern draußen in der echten Welt. Technische Hilfsmittel wie Glasses, Contacts und kybernetische Augen machen virtuelle Elemente sichtbar. Dann stirbt Juri Koslow, weil er einem Geheimnis auf die Spur gekommen ist, das eine Gefahr für diese letzte Zuflucht und den Rest Menschenwürde der Spieler bedeuten könnte ... Nun liegt es an Juris altem Freund Leander Dohlman und einer zusammengewürfelte Gruppe von Außenseitern, zu rekonstruieren, was Juri wusste, bevor es zu spät ist ...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 109
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Episode 6
Quit? Y/N
Andrea Bottlinger
Digitale Originalausgabe
Beyond wird herausgegeben vom Rohde Verlag
Rohde Verlag, Auf der Heide 43, 53757 Sankt Augustin
Verleger & Redaktion: Markus Rohde
Autorin: Andrea Bottlinger
Lektorat: Christian Humberg
Covermotiv & -gestaltung: Martin Frei
Copyright © 2013 by Rohde Verlag
ISBN 978-3-95662-012-6
www.traumsphaeren.de/
www.helden-in-serie.de
www.rohde-verlag.de
Kapitel 1: Gefangen
Kapitel 2: Ewige Flucht
Kapitel 3: Wollen Sie Ihre Pommes mit Ketchup oder Mayo?
Kapitel 4: Vertrau mir
Kapitel 5: Der Code
Kapitel 6: Nichts Persönliches
Kapitel 7: Wieder vereint
Kapitel 8: Verrat
Kapitel 9: Geschafft?
Kapitel 10: Inception
Kapitel 11: Lichtfest
Kapitel 12: Löffel
Kapitel 13: It’s dangerous out there, take this
Kapitel 14: Kisten
Kapitel 15: Sind Sie sicher? Y/N
Kapitel 16: Ungesichert
Kapitel 17: Rehe im Scheinwerferlicht
Kapitel 18: Chamäleon
Kapitel 19: Gute Idee, schlechte Idee
Kapitel 20: Du kannst
Kapitel 21: Y
Kapitel 22: Heldenende
Epilog
Danksagung
Die Autorin
Lesetipp des Verlags
Die Zelle war nicht groß genug, um die Beine auszustrecken. Luca stemmte die Füße gegen die Wand ihm gegenüber. Er drückte mit aller Kraft, spürte den nackten, unnachgiebigen Beton in seinem Rücken und das leichte Ziehen dort, wo ihn in England die Kugel getroffen hatte, wo eigentlich noch immer Muskeln und Sehen in Fetzen hängen müssten. Er hätte zu gern gewusst, wie die SensAdds-Leute das angestellt hatten und warum.
Er biss die Zähne zusammen, drückte so stark, bis aus dem Ziehen tatsächlich ein leichter Schmerz wurde. Es half, sich einzubilden, er könne die Barrieren verschieben, die ihn einengten, wenn er sich nur genug anstrengte.
Mit einem Seufzer gab er seine Bemühungen auf. Es half leider mit jedem Versuch weniger.
Ächzend stemmte er sich in die Höhe. Er ging einen halben Schritt, bis er fast mit der Nase an die Stahltür stieß. Dann einen ganzen Schritt in die entgegengesetzte Richtung. Dabei achtete er darauf, nicht in die Ecke zu treten. Die, in der es in der kleinen Zelle noch am ekligsten stank.
Das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass er sie sich selbst eingebrockt hatte. »Wie kann man nur so dumm sein?«, murmelte er auf Italienisch.
»Wenn du dir gerade wieder Vorwürfe machst, Luca: Lass es!« Charlys Stimme sickerte durch das schmale Oberlicht hoch über seinem Kopf. Wahrscheinlich alles genau kalkuliert. Sicher wollte die Jerik, dass sie sich unterhielten, damit sie dabei irgendwelche Informationen preisgaben. Über Leanders nächstes Ziel oder was auch immer. Als ob einer von ihnen darüber irgendetwas wüsste. Leander hatte sich in der Hinsicht konsequent ausgeschwiegen. Gut für ihn und für die ganze Unternehmung, dass jetzt nicht er in dieser Zelle saß.
»Was soll ich’n sonst machen?«, murrte Luca. »Hier kann man ja nicht mal schlafen!« Die Tatsache auszusprechen, schnürte ihm die Kehle zu. Scheiße, wie lange wollte die Jerik sie hier drin schmachten lassen? Vielleicht schickte sie Leander gerade Fotos oder Videos von den im wahrsten Sinne des Wortes beschissenen Zuständen, in denen sie hausten. Vielleicht hoffte sie, ihn damit weich zu kochen.
Aber er würde nicht aufgeben, oder? Nicht so kurz vor dem Ziel; nicht wenn diese verfluchte Tussi mit ihrem verfluchten Stock im Arsch ja schon bewiesen hatte, dass sie Abmachungen nur dann einhielt, wenn sie ihr passten.
Luca schlug mit der Faust gegen die Stahltür. Es hallte.
»Luca! Denk an was anderes.«
»Woran denn?«
»Keine Ahnung. Was glaubst du, wo wir sind?«
»Was weiß ich. Lisa Jeriks personen… persönlicher Folterkeller?« Luca ließ sich gegen die Wand fallen. Dann musterte er den ihn umgebenden Beton nachdenklich.
Wenn er im Stehen die Füße gegen die Wand stemmte, vielleicht jeden auf eine Seite … Er richtete sich wieder auf und versuchte es. Kurz darauf klemmte er zwischen Wand und Wand einen halben Meter über dem Boden. Kleine Unebenheiten im Beton drückten in seine Handflächen, als er sie abstützte. Und nun hochschieben. In Filmen machten Leute so was doch ständig, teilweise hingen sie da sogar von der Decke. Sah immer total einfach aus.
»Die Fahrt war ziemlich lang«, ließ Charly sich wieder vernehmen.
»Woher willst’n das wissen? Du warst genauso betäubt wie ich.« Lucas Sohlen kratzten über den Beton. Es war deutlich schwerer, als es aussah, aber Zentimeter für Zentimeter blieb der Boden unter ihm zurück. Wo er hinwollte? Gute Frage. Aber immerhin tat er irgendwas.
»Mein Magen knurrt«, gab Charly zurück. »Und zwar ziemlich. Also war’s ne lange Fahrt.«
Luca schluckte und versuchte das Grummeln in seiner eigenen Bauchgegend zu ignorieren. Noch ein Stück. Fast wäre er abgerutscht. Der Beton scheuerte ihm die Handflächen auf, als er den Fall bremste.
»Vielleicht sind wir im Gebäude von SensAdds.« Nun regte sich auch Charly. Schuhe scharrten über den Boden. »Fragt sich nur, warum die in ihrem Keller so eine Art Dungeon gebaut haben.«
Schweigend schob sich Luca weiter, sparte seinen Atem für die nächsten paar Zentimeter.
Charly schien sowieso keine Antwort zu erwarten. »Vielleicht für Tierversuche.«
Ein weiterer Zentimeter, dann stieß Luca den Atem schnaubend aus. »Ne Werbefirma? Bestimmen die die neuste Mode, indem sie schauen, was Schimpansen am liebsten kaufen?«
Ein heiseres Geräusch drang aus der Nachbarzelle. Er brauchte einen Moment, um es als Lachen zu identifizieren. Unglaublich, diese Frau. Saß in einer der beschissensten Zellen, die man sich vorstellen konnte, und gluckste leise in sich hinein.
Luca legte den Kopf in den Nacken. Da war sie, die Kante des Oberlichts. Nicht mehr weit. Er drückte sich noch ein Stück in die Höhe. Dann streckte er die Hand aus. Seine Fingerspitzen bekamen den Sims zu fassen. Sofort schwang er auch die andere Hand herum, klammerte sich fest. Er ächzte, als er einen Klimmzug versuchte, doch schließlich brachte er auch das Kinn über die Kante. Seine Schuhe scharrten an der Wand entlang auf der Suche nach Halt. Dann hatte er einen Ellenbogen auf dem schmalen Betonsims, zog sich weiter hoch.
»Luca, was machst du da?«
»Siehst du gleich«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Werde ich nicht, Luca«, widersprach sie leise.
Oh, verdammt, das war so ziemlich das ekligste Fettnäpfchen, in das er hatte treten können. Sie mochten seine Wunde geheilt haben, aber neue Eyes hatte die Jerik-Tussi Charlotte nicht gegeben, und ihre alten hatte der Arschloch-Hacker Hans in England zerstört.
Das Oberlicht stand offen. Luca schob den Kopf hindurch. Dann hing er mit dem Oberkörper auf der Wand, die ihn von Charly trennte. Vor ihm erstreckte sich eine lange Reihe aus Oberlichtern, alle geschlossen. Sie gehörten zu einer langen Reihe aus Zellen, und an ihrem Ende starrte ihm eine weitere Betonwand entgegen. Wie er sie hasste – Betonwände. Ihm war nie aufgefallen, wie beschissen hässlich und trostlos diese Dinger waren.
Unter ihm lehnte Charlys Haarschopf an der Wand, den sie in Italien schwarz gefärbt hatte.
Insgesamt hatte er nicht gerade umwerfend viel erreicht.
Da wurde die Tür zu Charlys Zelle aufgerissen. Sie zuckte zusammen, wandte sich in die Richtung des Geräuschs. Luca wäre beinahe abgerutscht. Er klammerte sie fest, reckte den Hals, sah aber nur Militärstiefel und schwarze Hosen.
»Mitkommen«, schnarrte eine Stimme. Charly machte einen vorsichtigen Schritt Richtung Tür.
Nein, wollte Luca rufen, aber das Wort blieb ihm im Halse stecken, seine Kehle war wir zugeschnürt. Wo brachten sie sie hin? Sie würden ihr doch nicht irgendwas antun, um Leander weiter unter Druck zu setzen?
Zwei Paar Hände packten Charly und zogen sie hinaus. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss.
Dabei hatte er schon gedacht, der Tag könne nicht noch beschissener werden.
Aber Moment … Lucas Herz schlug schneller. Er hatte keinen Riegel klacken hören.
So schnell er konnte, zog er sich durch das Oberlicht. Eine Weile hing er Gesicht nach unten hoch über dem Boden. Er versuchte die Beine durch das flache Fenster zu ziehen, ohne den Halt zu verlieren. Warum genau hatte er das noch mal für eine gute Idee gehalten? Doch schließlich gelang es ihm, eines seiner Beine durch das Oberlicht zu bugsieren. Damit wurde alles einfacher. Sofort folgte das nächste, dann war er durch.
Recht wackelig saß er auf dem schmalen Sims und beäugte die gegenüberliegende Wand. Sollte er sich einfach abstoßen und hoffen, dass er irgendwie richtig zwischen den beiden Wänden landete? Dass er seinen Sturz wirklich mit Händen und Füßen bremsen konnte? In Filmen funktionierte das immer. Aber das waren meistens auch die Filme, in denen die Leute mit einer Schusswunde im Bein immer noch tapfer weiter humpelten. Er hatte es versucht. Es funktionierte nicht, und es tat so weh, dass sicher selbst dem großen Action-Star Taylor Lautner die Tränen in die Augen gestiegen wären.
Schließlich ließ sich Luca langsam hinab, bis er ausgestreckt an der Kante hing. Er atmete noch einmal tief durch – dann ließ er los.
Der Aufprall sorgte dafür, dass seine Zähne mit lautem Klacken aufeinander schlugen und neuer Schmerz durch sein Bein schoss. Er stolperte, fing sich an einer der Wände ab. Im nächsten Moment stürzte er zur Tür.
Sie hatte innen keine Klinke. Er drückte, dann warf er sich mit seinem vollen Gewicht dagegen. Noch einmal und noch einmal. Sie rührte sich nicht. Luca trommelte mit den Fäusten gegen das Metall, brüllte seine ganze Wut hinaus. Schließlich sank er erschöpft zu Boden.
Nun war er also allein in Lisa Jeriks persönlichem Folterkeller. Und er würde wohl oder übel in seine eigene Zelle zurückklettern müssen, wenn er sich keinen Ärger einhandeln wollte. Auch wenn er sicher sein konnte, dass die Jerik seinen kleinen Ausflug so oder so als hübsch verpackte Filmdatei überreicht bekam.
Der Code zog an Leander vorbei, ohne dass er die einzelnen Befehlszeilen noch genau wahrnahm. Er sah nur die großen Strukturen. Langsam kristallisierten sie sich heraus, langsam ergab dieser ganze Haufen Buchstaben und Zahlen und Sonderzeichen einen Sinn.
Ein Geräusch an der Tür des Apartments, das Viktor ihm besorgt hatte, ließ ihn aufsehen; ein leises Klopfen. Eilig richtete Leander sich auf der Couch auf. Er tastete nach seinem Mantel, der über der Lehne hing, schob die Hand in die Tasche und schloss die Finger um den Griff der Pistole. Er zog die Waffe heraus, während die Tür sich öffnete, richtete sie aus.
Prinz Viktor Mlynar hielt auf der Türschwelle abrupt inne. Er hob beide Hände, lächelte aber dabei. »Immer noch nervös?«
Leander ließ die Pistole sinken. »Ich werde nervöser, je besser ich dieses Programm verstehe.«
»So schlimm?«, fragte Viktor.
Mit der freien Hand fuhr sich Leander über das Gesicht. »Wenn ich das richtig durchblicke, gibt es einem nicht nur Wünsche ein. Es platziert die Wünsche so, dass man sie in seine eigene Persönlichkeit integriert. Wenn sie nicht passen, krempelt das eigene Unterbewusstsein alles um, was einen ausmacht, bis man den Wunsch vor sich selbst rechtfertigen kann. Es kann wohl nur mit dem arbeiten, was latent schon da war, aber jeder hat Teile seiner selbst, die er unterdrückt.«
Mit gerunzelter Stirn trat Viktor näher. »Wie meinst du das?«
»Sie haben da einen Test gemacht.« Eine Handbewegung rief die Datei auf, die all die Berichte zu dem Programm enthielt. »Haben einem Menschen den Wunsch eingegeben, einen anderen zu töten. Nur um zu sehen, ob sie es konnten.«
»Normalerweise immer ein guter Grund, etwas zu tun«, kommentierte Viktor. »Normalerweise.«
»In dem Fall haben sie damit eine bisher gut verborgene Persönlichkeitsstörung ihres Testsubjets zum Vorschein gebracht. Sie haben ihn den Mord in einer AR-Simulation durchführen lassen. Danach haben sie ihn einfach wieder in sein Leben zurückgeschickt, als wäre nichts geschehen. Aber er konnte nicht aufhören. Sie hatten diesen Teil seiner Persönlichkeit sozusagen befreit, nachdem er ihn jahrelang erfolgreich weggeschlossen hatte. Es gab eine Mordserie, alle Opfer vom Typ her genau dieselben wie das virtuelle erste.«
Leise pfiff Viktor durch die Zähne. »Große Scheiße. Kaum zu glauben, was diesen Konzernleuten alles einfällt, wenn ihnen langweilig ist. Aber auch beeindruckend. Jetzt können die schon Leute umprogrammieren.«
»Findest du das immer noch spannend?« Warum musste er eigentlich immer an Leute geraten, die sich zu einer Art Abenteuer berufen fühlten? Wahrscheinlich, weil normale Leute schreiend reißausnehmen würden, sobald sie erfuhren, in was für Schwierigkeiten er steckte.
»Klar ist das spannend.« Viktor hob die Schultern. »Okay, ein bisschen gruselig ist es auch. Ziemlich gruselig. Aber das macht es nicht weniger spannend. Verstehst du?«
Hoffnungsvoll blickte er Leander an. Der schüttelte den Kopf.
Mit einem Seufzen winkte Viktor ab. »Was machen die Gegenmaßnahmen?«
Leander lehnte sich auf der Couch zurück. Die Pistole lag schwer in seiner Hand, und er schob sie endlich wieder in die Tasche seines Mantels. »Ich arbeite an Updates für alle gängigen Virenprogramme, damit die dieses Inception-Programm erkennen und vernichten können. Das ist der einfache Teil.«
Viktor zog eine Augenbraue hoch. »Klingt gar nicht so einfach.«
»Ist es aber. Die Virenscanner müssen nur wissen, wie genau das Programm aussieht, um es zu erkennen. Ich gebe ihnen so eine Art Steckbrief, das ist alles.«
Viktor grinste. »Wanted – dead or alive.«
Nun zuckte Leander mit den Schultern. »So in der Art.«
»Und was ist dann der schwere Teil?«