Blackwell Lessons - Endlose Liebe - S. Quinn - E-Book

Blackwell Lessons - Endlose Liebe E-Book

S. Quinn

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Beschreibung

Die junge Schauspielerin Sophia kann ihr Glück kaum fassen: Sie hat den begehrten Hollywoodstar Marc Blackwell geheiratet. Doch kaum ist ihre kleine Tochter auf der Welt, will er Sophia wohlbehütet zu Hause wissen, fernab der aufregenden Filmwelt. Gegen Marcs Willen nimmt Sophia die Einladung zu einem glamourösen Filmfestival an – und eine Hauptrolle an der Seite des attraktiven Frauenhelden Benjamin van Rosen. Plötzlich kommen Marcs dunkle Obsessionen wieder zum Vorschein, seine Eifersucht, sein Kontrollzwang. Wird ihre Liebe eine Chance haben, auf Dauer zu bestehen? Oder daran zerbrechen?

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Buch

Aus der verbotenen Affäre zwischen der jungen Schauspielerin Sophia und ihrem Lehrer, dem begehrten Hollywoodstar Marc Blackwell, ist eine erfüllte, leidenschaftliche Beziehung geworden. Sophia kann ihr Glück kaum fassen: Sie und Marc haben geheiratet, und auch ihre Filmkarriere ist erfolgreich gestartet. Doch kaum ist ihre kleine Tochter Ivy auf der Welt, will Marc Sophia wohlbehütet zu Hause wissen, fern von der aufregenden Glitzerwelt des Filmbiz und den Paparazzi. Sophia fühlt sich bald allein gelassen und sehnt sich danach, ihrer Leidenschaft, der Schauspielerei, wieder nachzugehen. Gegen Marcs Wunsch nimmt sie die Einladung zu einem glamourösen Filmfestival in Südfrankreich an – und eine Hauptrolle an der Seite des attraktiven Filmstars und Frauenhelden Benjamin van Rosen. Plötzlich kommt Marcs dunkle Seite wieder zum Vorschein: Er rast vor Eifersucht, versucht, Sophia zu dominieren, und lässt sie während der Reise und der Dreharbeiten keine Sekunde aus den Augen. Sophia weiß: Auch wenn es sie verletzt, muss sie endlich alles über Marcs undurchsichtige Vergangenheit wissen. Denn nur so hat ihre Liebe eine Chance, auf Dauer zu bestehen …

Weitere Informationen zu S. Quinn

sowie zu lieferbaren Titeln der Autorin

finden Sie am Ende des Buches.

S. QUINN

BLACKWELL LESSONS

Endlose Liebe

Band 3

Erotischer Roman

Aus dem Englischen

von Angela Schumitz

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die englische Originalausgabe erschien 2016unter dem Titel »Ivy and Roses«.
Copyright © der Originalausgabe by S. QuinnCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017by Wilhelm Goldmann Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenCovergestaltung: UNO Werbeagentur, MünchenCovermotiv: FinePic®, MünchenRedaktion: Susanne BartelKS · Herstellung: Str.Satz: omnisatz GmbH, BerlinISBN: 978-3-641-18969-3V002www.goldmann-verlag.de
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Für meine beiden Engel,

Lexi und Laya

1

Das silberne Päckchen glitzert auf dem Kaminsims.

Es ist groß, etwa so groß wie ein dicker Bildband, und ebenso schwer.

Ich habe es seit Tagen ignoriert.

Irgendwann musst du es aufmachen, flüstert eine leise Stimme in mir.

Ich weiß.

Durch die Fenster des Landsitzes fällt mein Blick auf Rosenknospen an dornigen Stängeln. Das Gras ist ziemlich hoch, weiße und rosafarbene Blüten zieren die Obstbäume.

Frühling.

Die Zeit des Neubeginns.

Ich blicke auf Ivy, die in ihrem Stubenwagen mit Weidenkorb schläft.

Sie ist schon fast zu groß dafür, aber ich habe sie gern in meiner Nähe, egal wo ich mich aufhalte.

Manchmal fühlt sich mein Leben so perfekt an, dass ich mein Glück kaum fassen kann.

Ich bin mit einem der tollsten Schauspieler Hollywoods verheiratet, meinem ehemaligen Lehrer, einem Mann, den ich unendlich, ja fast besessen liebe.

Marc Blackwell betet mich an und ist unserem bildschönen Töchterchen Ivy ein wunderbarer Vater.

Unser imposantes Anwesen mit seinen zwei Hektar Land liegt eingebettet in Wiesen und hübschen Blumenrabatten.

Wenn Ivy größer ist, können wir an einem der größeren Obstbäume eine Schaukel aufhängen. Und natürlich halten wir auch Pferde, auf denen sie dann reiten kann.

Das Gelände ist bestens gesichert. Kein Fotograf und auch kein Journalist können sich unerwünscht Zutritt verschaffen.

Alles in allem sollte also alles bestens sein. Und das ist es auch. Die meiste Zeit über. Aber manchmal fühle ich mich – ach, aber das ist albern. Alles ist bestens.

Und doch glitzert der silberne Karton noch immer im Licht der letzten Sonnenstrahlen.

Ich sehe zu, wie die Sonne den Himmel über unserem Land rosa färbt und langsam untergeht.

Marc wird bald nach Hause kommen.

Ich sehne mich nach ihm, wenn er in der Stadt ist, und warte oft am Fenster. Dann beobachte ich den Himmel, der langsam dunkel wird, und spitze die Ohren, um das Knirschen auf dem Kies zu hören, wenn Marcs Auto auf die Zufahrt einbiegt.

Schließlich schlendere ich in die Küche und nehme eine Schüssel mit Nudelteig aus dem Kühlschrank. Der Teig ist überzogen von einer dünnen Schicht Olivenöl, perfekt, um ihn zu verarbeiten.

Vor dem Ausrollen muss er immer ein bisschen ruhen; eines der vielen Geheimnisse meiner Mutter für perfekte Pasta.

Ich habe heute so viel Essen vorbereitet, dass ich mir fast schon ein bisschen verrückt vorkomme.

An den Regalen, den Geschirrtuchhaken und über den Nudelhölzern, die ich auf Tomatendosen gelegt habe, hängen Spaghetti.

Außerdem habe ich noch Teigplatten gemacht, die ich später für Ravioli oder Lasagne verwenden kann. Ich habe noch nicht entschieden, was ich schlussendlich aus ihnen machen werde.

Die Pasta allein müsste für etwa zwanzig Leute reichen, aber das ist noch nicht alles.

In meinem neuen Holzofen backt eine Pizza, der Teig wirft schon Blasen, und im Kühlschrank wartet ein gigantisches Tiramisu, bedeckt mit einer Schicht aus selbst geraspelter Schokolade.

Ich rede mir ständig ein, dass ich meine neue Hausfrauenrolle liebe. Dass meine übertriebene Bemühung bei der Nudelherstellung nur bedeutet, dass wir eben für die nahe Zukunft Nudeln vorrätig haben werden.

Aber in Wahrheit langweile ich mich ein wenig.

Rodney übernimmt die Putzarbeiten. Das ganze Haus ist stets blitzsauber und verströmt einen verhaltenen Zitronengeruch.

Eine teure Wäscherei kümmert sich um die Schmutzwäsche und bringt sie uns sauber und gebügelt in leicht nach Lavendel duftendes Wachspapier eingeschlagen zurück.

Mutter zu sein ist sehr erfüllend, aber …

Nein.

Ich liebe Ivy über alle Maßen und möchte immer bei ihr sein. Jede Minute. Mein früheres Leben kommt mir vor, als wäre es Lichtjahre entfernt.

Ich werfe einen Blick auf die Pizza, als ich das tiefe Brummen von Marcs Wagen höre.

Marc.

Auf dem glänzenden neuen Holzofen entdecke ich mein Spiegelbild. Ein Lächeln erhellt mein Gesicht und meine Augen.

»Du kommst genau richtig!«, rufe ich, als die Haustür aufgeht.

Marcs Schritte ertönen, und ich öffne die Ofentür und hole die Pizza mit einer langen hölzernen Schaufel heraus.

Ich habe Marcs Lieblingspizza gebacken – mit Kräuteroliven, Spinat und Feta-Käse.

Vorfreude durchflutet mich, als Marc in die Küche kommt.

Mein Mann.

2

Er trägt einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug und ein weißes, am Kragen offenes Hemd. Er hat die Hände in den Taschen vergraben und verzieht das Gesicht. Seine Kinnpartie ist angespannt.

Einen Moment lang mustert er die vielen Nudeln, die überall in der Küche zum Trocknen hängen.

Sein dichtes braunes Haar ist zerzaust, seine dunklen Brauen ziehen sich über die sehr ernst wirkenden blauen Augen zusammen.

»Stimmt etwas nicht?« Ich lege die Pizza auf ein langes Olivenholzbrett und wische mir die bemehlten Hände an meiner gestreiften Kochschürze ab.

Marcs Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. »Sophia, dein Restaurant wird mit jedem Tag produktiver. Wie viele Gäste erwartest du heute Abend?«

»Nur dich. Rodney kümmert sich ums Auto.«

Sein Lächeln wird breiter. »Zwanzig Portionen Pasta für uns zwei? Und außerdem noch eine Pizza? Es freut mich, dass du nach wie vor bemüht bist, unsere Gefriertruhe aufzufüllen.«

»Ich koche gern. Ivy schläft im Wohnzimmer. Möchtest du sie sehen?«

»Unbedingt.«

Ich lege den Finger an die Lippen, führe Marc ins Wohnzimmer und deute auf unser wunderschönes Baby, das in dem Stubenwagen schlummert.

Ivys winziges Gesichtchen wirkt ruhig und friedlich.

Wir betrachten sie beide einen Moment lang, dann beugt sich Marc über sie und legt das Ohr auf ihre Brust.

Er geht in die Hocke und sieht sie bewundernd an.

Ich lächle. Natürlich ist es verrückt, Ivys Atem zu überprüfen. Sie ist kerngesund, das wissen wir beide. Aber trotzdem müssen wir uns immer wieder versichern, dass sie ruhig atmet.

»Sie schläft jetzt sicher für ein paar Stunden«, flüstere ich, »und das Abendessen ist fertig.«

»Ach ja«, sagt Marc und steht auf, »fast hätte ich es vergessen: Im Restaurant Sophia wird das Essen gern heiß serviert.«

»So schmeckt es einfach besser.«

»Hast du den Karton immer noch nicht geöffnet?«, fragt Marc stirnrunzelnd, als wir am Kamin vorbeigehen.

»Das mache ich schon noch.«

»Gibt es für dein Zögern einen besonderen Grund?«

»Es ist nur … was soll die Eile? Es wird sich nur um etwas handeln, was ich nicht tun kann. Oder nicht tun werde. Warum mich also foltern? Mein Leben spielt sich hier ab, mit Ivy. Mit der richtigen Welt kann ich im Moment nichts anfangen.«

»Die richtige Welt?« Marc hebt eine Braue. »Und dabei dachte ich immer, du lebst in der richtigen Welt. Mit mir und Ivy zusammen.«

»Du weißt, was ich damit sagen will. Du gehst in die Arbeit, ich bleibe hier. So ist es eben.«

Zurück in der Küche beobachtet mich Marc, den Unterarm auf den Küchentresen gestützt. Seine Finger trommeln auf das glänzende Eichenholz. »Du weißt, dass ich es mag, wenn du hier bist. Zu Hause.«

»Ich bin auch gern zu Hause«, sage ich abwesend und zerteile die Pizza mit einem Teigrad, bevor ich das Holzbrett zum Küchentisch hinübertrage.

Wir haben zwar auch ein Esszimmer, aber wir essen meistens in der Küche. Der Tisch ist groß genug für sechs Personen. Alles in diesem Haus ist groß.

»Du klingst nicht gerade überzeugend«, erwidert Marc mit zusammengezogenen Augenbrauen und kommt zu mir an den Tisch.

Ich zucke mit den Schultern. »Tagsüber fühle ich mich manchmal einsam.«

Er zieht einen der Massivholzstühle unter dem Tisch hervor, während er mich weiter mit seinen tiefblauen Augen ansieht. »Vielleicht solltest du dir ein paar Freundinnen einladen.«

»Alle sind mit ihrem eigenen Leben beschäftigt. Tom und Tanya studieren, Jen hat viel in London zu tun. Ich möchte sie nicht von ihren Angelegenheiten abhalten.«

Natürlich freue ich mich sehr für Jen, meine langjährige beste Freundin. Ihr Unternehmen brummt. Tom und Tanya habe ich erst letztes Jahr am Ivy College kennengelernt. Auch sie zählen zu meinen besten Freunden, weshalb ich nicht möchte, dass sie meinetwegen Veranstaltungen ihres Studiums verpassen.

Ich setze mich, und Marc drückt mir einen Kuss auf den Scheitel. »Wie wär’s, wenn ich eine kleine Reise arrangiere?«, flüstert er in meinem Haar. »Nur wir zwei. Um deine Einsamkeit zu vertreiben.«

»Du meinst wohl, wir drei.«

»Nein, ich meinte nur dich und mich. Seit du dieses Päckchen bekommen hast, stehst du völlig neben dir. Es würde dir guttun, dich ein paar Tage mal nicht um Ivy kümmern zu müssen. Du kämest dabei auf andere Gedanken.«

»Ich könnte Ivy niemals allein zurücklassen.«

»Viele Leute haben ein Kindermädchen, Sophia; eigentlich alle aus meinem Bekanntenkreis, die Kinder haben.«

»Ich kann das einfach nicht. Noch nicht.«

Marc runzelt die Stirn, dann fällt sein Blick auf den Tisch. »Du hast wieder Servietten gefaltet.«

Ich betrachte die zu Schwänen gefalteten Servietten auf den Tischsets. Obwohl nur Marc und ich essen, habe ich für alle sechs potenziellen Esser einen gemacht, damit der Tisch hübsch aussieht.

Außerdem habe ich Narzissen aus unserem Garten in drei Vasen verteilt. Es sind die letzten in diesem Jahr, und ich wollte, dass sie die größtmögliche Aufmerksamkeit bekommen.

»Sophia …«

Ich setze mich, entfalte einen Schwan und lege die Serviette auf meinen Schoß. »Ja, ich habe Schwäne gefaltet, und?«

Marc nimmt mir gegenüber Platz. In seinen Augen blitzt der Schalk. »Ich glaube, du bist wirklich einsam und brauchst dringend eine Beschäftigung. Ich habe da ein paar Ideen.«

»Nein. Ich … ich spiele einfach nur gern die fürsorgliche Hausfrau. Im Grunde wollte ich schon immer nichts anderes tun, als für dich und unser Baby ein hübsches Zuhause zu gestalten.«

»Und das tust du auch wunderbar.« Marc legt ein Stück Pizza auf meinen Teller.

»Ach, warte – es gibt noch Salat dazu.« Ich springe auf.

»Setz dich. Du hast heute schon genug getan. Ich hole ihn.« Marc geht zum Kühlschrank.

»So viel nun auch wieder nicht«, erwidere ich und lasse mich zurück auf den Stuhl fallen. »Rodney kümmert sich hervorragend um das Haus, sodass ich eigentlich nur auf Ivy aufpassen muss.«

»Auch das ist anstrengend. Außerdem bist du häufig nachts auf den Beinen.« Marc öffnet die Kühlschranktür und lacht. »Sophia, wann fängt die Party an?«

»Welche Party?«

»Hier steht eine riesige Schüssel mit Nachtisch.« Er nickt mit dem Kopf Richtung Kühlschrank.

»Ich war einfach …«

»Auf der Suche nach einer Beschäftigung?«, beendet Marc meinen Satz.

»Wie gesagt, ich bin tagsüber wahrscheinlich nur ein bisschen einsam.« Ich schneide geschäftig mein Pizzastück in kleine Bissen. »Du fehlst mir. Das ist alles.«

»Das ist alles?«, fragt Marc mit durchdringendem Blick.

»Das ist alles«, antworte ich, ohne ihm in die Augen zu sehen.

3

Ich fühle Marcs Aufmerksamkeit auf mir, aber ich bringe es nicht über mich, ihn anzusehen.

Es stimmt. Ich vermisse dich. Aber das ist nicht alles, was ich vermisse. Ich will wieder als Schauspielerin arbeiten. Und ich kann den dicken silbernen Karton auf dem Kaminsims einfach nicht öffnen, weil ich glaube, dass mir die Nachricht, die er enthält, das Herz brechen wird – dass man mir eine Rolle anbietet, die ich nicht annehmen kann.

»Und da ist wirklich nichts anderes, was du mir sagen willst?«, fragt Marc, als er die Kühlschranktür schließt.

»Nein.«

Wahrscheinlich bin ich tatsächlich einfach einsam. Da Ivy noch so klein ist und mich rund um die Uhr braucht, fällt es mir schwer, meine vielen Gefühle zu verstehen.

Marc stellt eine Schüssel mit grünem Salat auf den Tisch. »Müssen wir uns wieder mal übers Schwindeln unterhalten, Sophia? Oder wäre es dir lieber, wenn ich dich übers Knie lege?«

Ich hätte gern gelacht, aber ich weiß, dass er seine Worte ernst meint.

»Ehrlich, Marc, ich fühle mich einfach sehr oft allein. Bestimmt ist es nur das. Jen hat mit ihrer neuen Firma viel zu tun, und Tom und Tanya – ihr Studium fordert sie in diesem Jahr ziemlich. Sie nehmen sie hart ran, Mr Blackwell. Ich sehe die beiden kaum noch.«

»Von nichts kommt nichts. Aber im Sommer werden die beiden zu den gefragtesten jungen Schauspielern Londons gehören. Also, Mrs Blackwell …«, Marc nimmt eine Flasche Rotwein aus dem Regal und ritzt die Metallumhüllung mit dem Korkenzieher auf, »was sollen wir gegen Ihre Einsamkeit tun?«

Ich liebe es, seine Finger bei der Arbeit zu beobachten.

»Es wird ja nicht für immer so bleiben«, erwidere ich, während Marc den Korkenzieher eindreht. »Ivy wird eines Tages groß genug sein.«

Plopp.

Die Flasche ist geöffnet. Marc schenkt erst mir und dann sich selbst ein Glas ein.

»Und was ist, wenn ihre Geschwister auf der Welt sind?«

»Du denkst jetzt schon an weitere Kinder?«, frage ich mit großen Augen.

Marc setzt sich und nimmt einen Schluck Wein. »Na klar. Du etwa nicht?«

»Eigentlich noch nicht.«

»Wenn du deine Freunde vermisst, könnten wir eine Weile in unser Stadthaus ziehen«, schlägt Marc vor. »Dann würdest du sie öfter zu sehen bekommen.«

»Vielleicht.«

Er mustert mich über sein Weinglas hinweg. »Das ist nicht gerade die Begeisterung, die ich mir erhofft hatte. Was sollen wir mit Ihnen nur anstellen, Mrs Blackwell?«

Mein Blick wandert Richtung Wohnzimmer. »Ich … vermisse das Schauspielen.«

Marc knallt sein Glas auf den Tisch. »Du solltest nichts überstürzen, Sophia. Du musst noch eine Menge lernen. Der Hörsaal steht dir wieder offen, wenn Ivy so alt ist, dass du sie länger allein lassen kannst. Aber bis dahin ist dein Platz hier.«

Ich blicke auf mein Pizzastück.

Ich dachte mir schon, dass du genau das sagen würdest.

Ich weiß, dass Marc nicht will, dass ich wieder schauspiele. Er möchte nicht, dass ich irgendetwas tue, was außerhalb seines Kontrollbereichs liegt. Er wäre zufrieden, wenn ich jeden Tag zu Hause säße, jeden einzelnen Tag, ein kleiner Vogel in einem Käfig.

»Sophia, sieh mich an«, befiehlt Marc streng. »Sieh mir in die Augen. Ich kann es nicht ertragen, wenn du traurig bist.«

Ich weiß, dass mein Blick bekümmert wirkt.

Mein perfektes Baby, mein perfektes Haus, mein perfekter Ehemann – was könnte ich mir mehr wünschen?

Ich ringe mir ein Lächeln ab. »Ich hätte das mit der Schauspielerei nicht sagen sollen. Und eigentlich bin ich auch nie richtig einsam. Es ist schon alles gut.«

»Jetzt reicht’s aber.« Marc steht auf und schließt die Küchentür. »Mrs Blackwell, es ist eine sehr ernste Angelegenheit, wenn Sie Ihren Ehemann belügen.«

»Wer sagt denn, dass ich lüge?«

»Ich. Du weißt es, ich weiß es, die Pasta weiß es. Etwas stimmt nicht. Es muss etwas geschehen.«

»Marc …«

»Komm her, und zwar sofort.« Er winkt mich zu sich.

Ich schüttle jetzt wirklich lächelnd den Kopf, stehe aber auf und gehe zu ihm.

Wir grinsen uns an, während er mich auf seinen Schoß zieht.

»Nun, Sophia …« Er streift mein langes, gewelltes braunes Haar zurück. »Wie du sicher weißt, muss ein Mann seine Frau von Zeit zu Zeit disziplinieren.«

»Muss er das wirklich?«

»Jawohl. Und ich nehme meine Pflichten als Ehemann sehr ernst.«

»Gott sei Dank.« Ich lächle. »Was würde ich bloß ohne dich tun?«

»Ich denke, du hättest keinerlei Kontrolle über dein Leben«, erwidert er.

Ich schließe die Augen.

»Leg dich auf meine Knie«, bestimmt er mit fester, leiser Stimme.

O mein Gott.

Nach all der Zeit, die wir uns kennen, bin ich immer noch wie Wachs in Marcs Händen. Manchmal denke ich, dass ich wirklich alles tun würde, was er mir befiehlt.

Vielleicht sollte mich dieser Gedanke erschrecken. Aber ich weiß, dass er sterben würde, um mich zu beschützen. Und ich liebe ihn genauso leidenschaftlich wie er mich.

Diese Art von Liebe, die Besessenheit, die wir beide verspüren, und die Dunkelheit, die wir gemeinsam erforschen – das alles ist unbeschreiblich. Ohne Marc bin ich unvollständig, ohne mich ist er es.

Mehr als je zuvor sehne ich mich nach seinen Anweisungen.

Ich befolge seinen Befehl, und meine Finger berühren den Küchenfußboden.

»Sehr gut, Mrs Blackwell.«

Ich kann das Lächeln in Marcs Stimme spüren.

O mein Gott!

Er schafft es nach wie vor mit ein paar sorgfältig gewählten Worten, meinen Körper vor Begierde erzittern zu lassen.

Ich sehe nicht, wie er die Hand hebt. Ich spüre nur einen scharfen Schmerz und höre das Geräusch, als seine flache Hand auf meinem Hinterteil landet.

Klatsch.

Klatsch.

Klatsch.

Seine Hand ist fest und schlägt ungebremst zu. Schmerz durchzuckt meine Pobacken und schießt mir bis in die Beine.

Mein ganzer Körper brennt.

Klatsch.

Klatsch.

Klatsch.

Ich bin schon so auf ihn eingestellt, ahne, was mich erwartet. Jeder meiner Sinne ist wach. Das Geräusch seiner mich schlagenden Hand elektrisiert mich, meine Haut brennt unter jeder seiner Berührungen.

Marc schlägt mich rhythmisch und präzise, mit genau der richtigen Stärke, dass ich vor Schmerz zusammenzucke.

Ich genieße seine immer intensiver werdenden Schläge und denke mit Wonne daran, wie Marc die Kontrolle liebt, die er über mich ausübt, und wie sich sein attraktives Gesicht dann vor Konzentration verzieht.

Plötzlich hält er inne.

»Steh auf.«

Ich folge dem Befehl mit zitternden Beinen. Mein Gesicht ist knallrot, mein Hintern brennt.

Marc streicht mir über die Haare. »Du wirst von Tag zu Tag schöner. Weißt du das? Und jetzt setz dich hin und iss.«

»Das war alles?« Ich lache.

»Vorläufig schon«, erwidert er. »Muss ich dir wieder mal einen Vortrag über Vorfreude halten?«

Ich nehme vorsichtig auf meinem Stuhl Platz. Mein Hintern schmerzt.

Atemlos beobachte ich Marc und sehne mich nach mehr.

»Geduld, Sophia. Geduld wird meistens belohnt. Und jetzt iss.«

»Ich habe auf einmal gar keinen Hunger mehr.«

»Ach ja, Mrs Blackwell? Und woher kommt das? Was lenkt Sie denn vom Essen ab?«

4

Du weißt ganz genau, woran ich denke.«

Marc schneidet ein Stück Pizza ab, beugt sich zu mir und hält es mir vor die Nase. »Du solltest wirklich etwas essen.«

Gehorsam nehme ich einen Bissen.

»Ich weiß jetzt, wie wir dich von deiner Einsamkeit kurieren können«, sagt er.

»Ach ja?«

»Ja. Ich denke da an eine kurze Reise.«

»Was für eine Reise?«

»Eine Reise, auf der ich dich mit Aufmerksamkeit überschütten werde. Im Ausland hat sich eine dringende Geschäftsangelegenheit ergeben, um die ich mich kümmern muss. Du begleitest mich, und ich werde dich daran erinnern, wie es sich anfühlt, Privatunterricht bei mir zu nehmen – jeden einzelnen Tag vierundzwanzig Stunden lang.«

»Was ist das für eine Geschäftsangelegenheit?«, frage ich und nehme einen weiteres Stück der Pizza, das Marc mir entgegenstreckt.

»Wir brechen morgen auf. Dann erkläre ich dir alles Weitere.«

»Morgen? Aber Marc, wir können morgen nicht ins Ausland reisen. Was machen wir mit Ivy? Sie ist noch nie geflogen, vielleicht mag sie das Fliegen nicht. Außerdem braucht sie einen Pass und Medikamente für die Reise, für alle Fälle. Und noch dazu ein Bettchen, in dem sie schlafen kann …«

»Rodney wird sich um alles kümmern.«

»Aber wirklich schon morgen? Wir sind mit Ivy ja noch nicht einmal nach London gefahren.«

»Du bist nicht glücklich, Sophia. Eine Reise ist genau das Richtige für dich. Unterwegs kannst du anfangen, über die sogenannte richtige Welt und darüber nachzudenken, wo dein Platz in ihr ist. Nämlich zu Hause bei Ivy. Wenn du erst einmal zur Ruhe gekommen bist und die Dinge klarer siehst, wirst du sicher meiner Meinung sein.«

Das ist genau das, wovor ich Angst habe. »Marc …«

»Und noch etwas. Ich denke, du solltest nächstes Jahr dein Studium am Ivy College wieder aufnehmen.«

»Zurück an die Schauspielschule, nachdem ich in einem Film mitgespielt habe? Was soll ich denn noch lernen?«

»Sehr viel. Ich habe es dir schon einmal gesagt – du hast es mit dem Film überstürzt. Du solltest wieder ans Ivy College gehen, um dir eine gute Basis aufzubauen.«

»Selbst wenn du recht haben solltest, wissen doch alle über uns Bescheid. Wäre das nicht etwas seltsam?«

»Liegt dir so viel an der Meinung anderer Leute?«

»Nein. Aber was würden die anderen Studenten denken, wenn sie wüssten, dass eine Kommilitonin mit dem Dozenten verheiratet ist? Es würde uns beiden ziemlich große Mühe kosten, allen zu zeigen, dass ich nicht dein Liebling bin.«

»Das bist du aber – und wirst es immer sein.«

»Du weißt, was ich damit meine.«

Marc steht auf und wischt sich die Hände mit der Serviette ab. »Glaub mir, Sophia, es wird dir guttun, wieder die Schauspielschule zu besuchen. Natürlich erst, wenn Ivy alt genug ist. Jetzt aber was anderes – dieses Päckchen liegt schon lange genug auf dem Kaminsims. Es wird Zeit, dass du es öffnest.«

Marc geht ins Wohnzimmer und kehrt mit der silbernen Schachtel zurück. Er schiebt meinen Teller beiseite und stellt sie auf mein Platzset aus Schilf, sodass sie im hellen Licht der Küche schimmert.

»Würdest du mir bitte erklären, warum du wochenlang daran vorbeigeschlichen bist und offenbar zu viel Angst hattest, sie zu öffnen?«

»Ich hatte keine Angst.«

»Hast du denn irgendeine Vorstellung, was darin sein könnte?«

»Oben auf der Schachtel ist eine Lotosblüte eingeprägt.« Ich streiche über den kurzen silbernen Stängel und die Blütenblätter, die auf dem Karton etwas hervorgehoben sind. »Hat der Inhalt – hat er vielleicht etwas mit dem Riviera-Filmfestival zu tun?«

»Das würde ich ebenfalls vermuten.« Marc runzelt die Stirn. »Allerdings wirkt die Schachtel wesentlich schwerer als meine.«

»Hast du eine Einladung bekommen?«

»Natürlich. Ich bekomme jedes Jahr eine.«

Ich stelle die Schachtel vom Platzset auf den Tisch und wische mir die Hände an der Serviette ab. »Warum soll ich mich quälen? Filmfestivals, Preisverleihungen – zu solchen Events kann ich momentan sowieso nicht gehen.«

»Aber du solltest wenigstens darauf reagieren«, meint Marc. »Das gebührt schon allein der Anstand. Wer auch immer dir eine Einladung geschickt hat, wird wissen wollen, ob du kommst. Je eher du Bescheid gibst, desto besser.«

»Na gut.« Ich öffne den Deckel und runzle angesichts der Karte und des Papierbündels darin verständnislos die Stirn.

Plötzlich weiß ich, worum es sich handelt.

Rasch schließe ich den Deckel wieder, mein Herz pocht.

Marc sieht mich fragend an. »Sophia?«

Ich schüttle den Kopf. »Es ist nichts Besonderes, nur … nur eine Einladung, wie du bereits vermutet hast.«

»Und was noch?«, will er wissen.

Ich blinzle. »Ist das denn wichtig?«

»Ich finde schon«, beharrt er.

»Ein Drehbuch.«

»Ein Drehbuch? Von wem?«

»Das ist doch völlig egal«, winke ich ab. »Ich werde so schnell ohnehin keine Rolle mehr annehmen.«

»Es freut mich, dass du so vernünftig bist.«

»Vernünftig?«

»Gott, Sophia, du warst ja kaum für Rapunzel bereit, und jetzt haben wir ein Baby. Filme sind das Letzte, woran du deine Gedanken verschwenden solltest.«

»Kaum bereit? Rapunzel ist fantastisch geworden, das höre ich von allen Seiten.«

»Und trotzdem musst du noch eine Menge lernen. Vor Ivys Geburt ging alles viel zu schnell. Es ist vernünftig, jetzt einen Gang runterzuschalten. Und wenn die Zeit reif ist, nimmst du erst einmal wieder dein Studium auf.«

»Und was ist, wenn ich in einem Film mitspielen möchte?«

»Aber du hast doch gerade erst behauptet, dass du nicht von Ivy getrennt sein willst und ein Kindermädchen nicht infrage kommt.«

»Ich weiß, ich weiß. Es ist nur so, dass …«

»Dass du die Schauspielerei liebst«, beendet Marc den Satz für mich.

Ich nicke stumm.

»Aber Sophia, wenn Ivy größer ist, kannst du wieder am Ivy College schauspielen. In einer behüteten, für dich förderlichen Umgebung. Und wenn du dann reif genug bist, kannst du natürlich auch Filmrollen annehmen. Vielleicht wenn Ivy in die Schule kommt. Du hast noch so viel Zeit.«

»Geht es dir nur um das? Nur darum, mich in Sicherheit zu wissen?«

»Teilweise. Außerdem will ich nicht, dass du dir zu viel zumutest, indem du dir Dinge aufhalst, für die du momentan nicht bereit bist.«

Ich seufze. »Dieses Gespräch führt doch zu nichts. Ivy ist zu klein, um sie einem Kindermädchen anzuvertrauen. Also kann ich keine Rolle annehmen. Du bekommst deinen Willen.«

»Aber ich will doch gar nicht, dass du nicht schauspielst. Und ich teile auch nicht deine Meinung, dass Ivy noch zu jung für ein Kindermädchen ist. Eine Nanny könnte sogar dein Einsamkeitsproblem lösen. Würde sie auf Ivy aufpassen, hättest du mehr Zeit für deine Freunde.«

»Ich will aber kein Kindermädchen.«

Ein kaum wahrzunehmendes Geräusch lässt mich aufhorchen. Ivy ist aufgewacht.

»Die Ohren einer Mutter«, erkläre ich Marc und stehe auf. »Kein Kindermädchen, egal wie gut, hat so ein feines Gehör.«

5

Sophia!«, ruft Marc und folgt mir. »Wir müssen noch weiter reden.«

Ich knie mich neben den Stubenwagen und lächle wie eine Schwachsinnige, als Ivy schläfrig ihre großen blauen Augen aufschlägt. »Hallo, meine Hübsche. Mummy ist da.«

Marc hockt sich neben mich und legt seine große Hand sanft auf Ivys Kopf. »Wir sollten dieses Gespräch wohl lieber später fortsetzen.«

»Es gibt nichts mehr zu bereden«, widerspreche ich. »Okay, ich gebe es zu: Ich vermisse die Bühne. Aber damit muss ich wohl einfach leben.«

Ich hebe Ivy aus dem Korb und drücke sie sanft an meine Brust.

»Du bist müde und kannst nicht klar denken. Wir reden morgen auf unserer Reise weiter.«

»Ich habe dir doch schon gesagt, dass es nichts mehr zu reden gibt.« Ich streichle Ivys flaumiges Köpfchen.

»Du bist kindisch, Sophia.«

Ich erhebe mich und laufe ein wenig auf und ab, wobei ich Ivy sanft schaukle. Trotzdem weint sie weiter.

»Ich nehme sie«, meint Marc und tritt zu uns. »Du bist erschöpft.«

»So erschöpft nun auch wieder nicht.«

»Du hast seit Monaten keine Nacht durchgeschlafen.«

»Ich bin ihre Mutter, Marc. Ich bin den ganzen Tag bei ihr. Ich weiß besser als jeder andere, was sie braucht.«

Marc berührt mit seiner Hand meine Schulter. »Lass es mich wenigstens kurz probieren. Ich habe eine jüngere Schwester, auch wenn es lange her ist, dass sie so klein war wie Ivy. Aber ich kann wirklich ganz gut mit Babys umgehen.«

Ivy weint lauter. Ich laufe ein wenig schneller und wiege sie weiter in meinen Armen. »Irgendetwas stimmt nicht mit ihr«, beschließe ich. »Normalerweise weint sie nicht, wenn sie aufwacht. Vielleicht sollten wir einen Arzt rufen.«

»Bevor wir das tun, kann ihr Vater doch wenigstens mal versuchen, sie zu beruhigen, oder?«

Zögernd lege ich ihm Ivy in die Arme. Sie weint heftiger.

»Siehst du?«, sage ich und strecke die Hände schon aus, um sie ihm wieder abzunehmen.

»Einen Moment noch.« Marc geht mit Ivy ans Fenster und zeigt ihr den Sonnenuntergang.

Sofort verstummt sie.

»Siehst du?«, sagt er. »Sie war einfach nur gelangweilt. Genau wie ihre Mutter. Rodney wird die Koffer für unsere morgige Reise packen. Wir brechen um neun Uhr auf.«

»Aber Ivy macht kurz nach neun immer ein Nickerchen …«

»Ich weiß. Sie wird in ihrem Autositz einschlafen und am Flughafen aufwachen.«

In der Nacht schreit Ivy mehrmals. Beim dritten Mal lässt sie sich nicht mehr beruhigen. Den Tränen nahe laufe ich mit ihr im Kinderzimmer auf und ab.

Bei meinem kleinen Bruder Sammy war das nie so.

Erschrocken zucke ich zusammen, als ich Marcs Schatten sehe. Das Licht aus dem Flur fällt auf seinen muskulösen Körper. Er trägt eine weite schwarze Pyjamahose, sonst nichts.

»Sophia …«

»Ich weiß nicht, was sie hat«, schluchze ich. »Sie hat getrunken. Ich …« Ich fange an zu weinen.

Marc umarmt uns und übernimmt Ivy. Er hebt sie hoch in die Luft, und sofort entspannt sie sich, und ihr Weinen hört auf. Dann legt er sie sich an die Schulter und läuft durchs Zimmer. Innerhalb kürzester Zeit ist sie eingeschlafen.

»Wie hast du das geschafft?«

»Ich bin weder übermüdet noch wütend. Sophia, es ist albern, dass du meinst, immer alles alleine machen zu müssen. Es erschöpft dich unendlich. Dieses ganze Gerede über die Schauspielerei – dabei brauchst du Ruhe. Es ist Zeit, eine Hilfe für dich einzustellen. Und jetzt geh ins Bett, du bist fix und fertig.«

»Aber …«

»Keine Widerrede.« Er legt Ivy sanft in ihr Bettchen zurück, und sie dreht den Kopf zur Seite. »So kann das nicht weitergehen.«

Meine Tochter ist ergreifend schön, wenn sie schläft. Ich könnte ihr ewig dabei zusehen.

»Ab ins Bett!«, befiehlt Marc mir. »Und morgen werden wir noch einmal das Thema Kindermädchen erörtern.«

Ich reibe mir die Augen und spüre Tränen auf meinen Fingerknöcheln.

Marc führt mich aus dem Kinderzimmer. »Ivy ist bei ihrem Vater gut aufgehoben.« Seine Stimme klingt etwas sanfter. »Morgen ist ein aufregender Tag für dich, du solltest wirklich schlafen.«

»Sagst du mir endlich, wohin die Reise geht?«

»Nein. Du musst dich noch etwas gedulden.«

6

In den frühen Morgenstunden wacht Ivy wieder auf.

Ich schiebe die Decke zur Seite und will zu ihr eilen, doch Marc packt mich am Handgelenk.

»Wohin willst du?«

»Ivy braucht ihre Milch.«

»Ich hole sie ihr. Du hast deinen Schlaf nötig.«

»Den brauchst du aber auch.«

»Mach dir keine Sorgen um mich.«

Als ich Stunden später aufwache, gerate ich sogleich in Panik.

Ivy.

Ich blinzle Richtung Wecker, und mein Herzschlag setzt kurz aus.

Acht Uhr. O mein Gott!

Ivy sollte eigentlich schon wach sein. Ich hätte sie weinen hören müssen. Etwas ist passiert. Marc liegt nicht neben mir …

Ich stürze ins Kinderzimmer.

Das Bettchen ist leer. Ich stolpere ins Erdgeschoss. Marc sitzt im Wohnzimmer auf unserem großen, gemütlichen Sofa. Ivy liegt auf seiner nackten Brust und schläft friedlich, während er Zeitung liest und einen schwarzen Kaffee trinkt.

Ich werde ruhiger.

»Du hast mich nicht aufgeweckt«, stelle ich fest, als ich barfuß auf dem polierten Holzfußboden stehe.

Marc hebt den Blick von der Zeitung. »Du hast deinen Schlaf gebraucht. Rodney hat Frühstück gemacht, es steht in der Küche.«

»Geht es Ivy gut?«

Marc neigt den Kopf, um das schlafende Baby auf seiner Brust zu betrachten. »Es geht ihr bestens.«

Ich setze mich neben die beiden. »Das mit gestern Nacht tut mir leid. Ich war wirklich ziemlich müde.«

»Ich weiß. Deshalb möchte ich dir ja eine Hilfe besorgen.«

»Hör mal, Marc, vielleicht ist es ja nur so, dass ich dich tagsüber vermisse. Wenn du ein bisschen früher heimkämst …«

»Würde das das Problem nur zur Hälfte lösen«, unterbricht mich Marc. »Du bist übermüdet, Sophia, du brauchst jemanden, der dir hilft, mit der Belastung fertigzuwerden.«

»Ivy ist keine Belastung.« Ich lasse mich gegen die Rückenlehne des Sofas fallen.

»Nein, natürlich ist sie das nicht. Aber sie ist anstrengend. Und wenn du so erschöpft bist, kannst du nicht klar denken. Dann stellst du dir vor, wieder zu schauspielen, obwohl eigentlich alles, was du willst, nur eine durchschlafene Nacht ist.«

Vielleicht hat Marc recht, aber …

»Ich sehe, wie es in deinem Kopf arbeitet, Mrs Blackwell«, sagt Marc und streichelt mir mit dem Finger über die Stirn. »Was geht da drinnen vor sich?«

»Ich denke an die Schauspielerei«, gebe ich zu.

»Lass es.«

»Sei nicht so herablassend.«

»Aber ich habe doch recht.« Marc stellt seine Kaffeetasse ab. »Jetzt hör mir mal gut zu: Ich habe arrangiert, dass uns ein Kindermädchen auf der Reise begleiten wird. Nur bis wir wieder zurück sind, damit du dich an die Idee, kontinuierliche Hilfe anzunehmen, gewöhnen kannst.«

»Marc …«

»Sophia, du bist fertig mit den Nerven. Es ist einfach nicht gesund, alles alleine zu machen.«

»Millionen Frauen …«

»Millionen Frauen haben Mütter oder Schwestern«, unterbricht mich Marc, »die ihnen zur Seite stehen. Du hast das nicht. Aber das wird sich von heute an ändern. Unser neues Kindermädchen wird uns auf dem Flug begleiten, und wenn wir unser Ziel erreicht haben, kümmert sie sich um Ivy, während wir unsere Termine wahrnehmen.«

»Erwartest du allen Ernstes von mir, dass ich jemandem, den ich nicht kenne, Ivy überlasse?«

»Glaubst du vielleicht, dass ich eine Person in die Nähe unserer Tochter lassen würde, die vorher nicht auf Herz und Nieren geprüft wurde?«

»Ich bin ihre Mutter, Marc. Die wichtigste Prüfung werde ich vornehmen.«

Er faltet die Zeitung zusammen. »Mittlerweile solltest du wissen, dass du mir vertrauen kannst.«

»Es ist viel zu früh, Ivy einer Fremden zu überlassen.«

»Nein, das ist es nicht.«

Ich spüre, wie mir Tränen in die Augen steigen, und wische sie weg. Warum bin ich in letzter Zeit nur so nah am Wasser gebaut?

Marc legt Ivy in meinen Arm und zieht mich an seine Brust. »Du bist eine gute Mutter, Sophia. Eine wunderbare Mutter. Aber es ist Zeit, etwas loszulassen.«

»Und mir von jemandem helfen zu lassen, den ich noch nie gesehen habe?«

»Das neue Kindermädchen ist mir wärmstens empfohlen worden. Ich verspreche dir, sie ist die Beste. Außerdem wird sie vorerst nur auf der Reise dabei sein, okay? Und jetzt frühstücke. Der Wagen wird bald hier sein.«

7

Dann erzähl mir wenigstens etwas über dieses Kindermädchen«, sage ich auf dem Weg zum Flughafen. »Hast du sie persönlich getroffen?«

»Nein«, antwortet Marc, »aber ich kenne ihren Mann, und Denise hat sie mir wärmstens empfohlen. Ihrem Urteil vertraue ich voll und ganz. Die Nanny hat schon für eine Reihe bekannter Familien in London gearbeitet.«

Wahrscheinlich ist sie ziemlich eingebildet, beschließe ich. Nun gut, wenn sie mir nicht liegt, werde ich das sofort sagen. Ich werde es nicht zulassen, dass sich jemand um mein Baby kümmert, der mir nicht gefällt.

»Sie tut uns einen Gefallen«, fährt Marc fort. »Eigentlich arbeitet sie gar nicht mehr, seit sie verheiratet ist. Aber ihr Mann lässt sie für unsere Reise von der Leine.«

»Er lässt sie von der Leine?«

»Das sagt man eben so«, erwidert Marc mit zuckenden Mundwinkeln. »Solltest du natürlich an Leinen interessiert sein …«

Unwillkürlich muss ich lächeln. »Hör auf damit.«

»Ich habe das Gefühl, dass dir unsere Reise gefallen wird. Gestern in der Küche haben wir etwas angefangen, das wir noch nicht zu Ende gebracht haben, richtig?«

Ich erröte. »Nicht mit Ivy in der Nähe.«

»Ein weiterer Grund, ein Kindermädchen einzustellen.«

Der Privatjet ist so schön, wie ich ihn in Erinnerung hatte – mit weichen weißen Ledersitzen und vielen beigen Kissen.

An Bord duftet es nach Kaffee und frischem Gebäck.

Marc hat dafür gesorgt, dass eine Babyschale zum Schlafen für unsere Tochter neben unseren Sitzen steht. Aber als die Motoren angehen, ist an Schlaf nicht zu denken. Ivy ist hellwach und betrachtet ihre Umgebung.

Ich halte sie in den Armen, damit sie aus dem Fenster sehen kann.

Während das Bodenpersonal das Flugzeug belädt, rollt eine Limousine heran.

»Komisch.« Ich runzle die Stirn. »Wie kommt es, dass die Motoren schon gestartet sind, wenn der Pilot noch nicht da ist?«

Aber es ist nicht der Pilot.

Aus der Limousine steigt eine junge rothaarige Frau. Sie reicht einem Mann in neongelber Weste ihre Reisetasche, um dann die Leiter zum Flugzeug hinaufzusteigen.

»Ah, da kommt sie ja«, sagt Marc und steht auf. »Das Kindermädchen.

Mein Herz pocht.

»Willkommen an Bord!«, ruft Marc. »Sophia kann es kaum erwarten, Sie kennenzulernen. Treten Sie ruhig näher.«

Ich drücke Ivy fest an meine Brust.

»Das ist sie«, flüstere ich. »Das neue Kindermädchen. Wenn sie dir nicht gefällt, fängst du einfach an zu weinen, okay? Dann weiß Mummy Bescheid.«

Ich mustere die junge Frau von oben bis unten, während sie auf uns zugeht.

Sie ist jünger als erwartet. Vermutlich habe ich mir Kindermädchen als alte Drachen vorgestellt. Und sie hat ein hübsches Gesicht mit heller Haut und Sommersprossen.

Sie ist kaum älter als ich, schießt es mir sofort durch den Kopf. Wie soll sie dann besonders erfahren sein?

Aber ihr Outfit gefällt mir. Sie trägt eine mit schwarzen Pailletten bestickte Jeans und ein weites Sweatshirt, das an einer Schulter etwas hinabgerutscht ist und auf dessen Vorderseite ein Druck der schottischen Flagge prangt.

Ich bin froh, dass sie keine Berufskleidung trägt. Das hätte ihr sofort einen Punkteabzug eingebracht.

Das Mädchen kommt lächelnd auf mich zu.

»Hallo.« Sie reicht mir die Hand. »Sie sind bestimmt Sophia. Ich bin Seraphina. Seraphina Mansfield.«

8

Äh … hallo.« Ich schüttle ihr die Hand.

Seraphina wirkt eigentlich ziemlich nett. Sehr natürlich. Überhaupt nicht steif oder eingebildet.

Das rote Haar reicht ihr bis zu den Schultern. Ivy greift danach und erwischt eine Strähne.

»Das machen Babys immer.« Seraphina lacht. »Hat wohl was mit der Farbe zu tun. Das ist also Ivy, richtig? Wunderschön, die Kleine.«

Seraphina setzt sich auf die Armlehne und streichelt Ivys Kopf. »Wirklich umwerfend. Sie sieht Ihnen sehr ähnlich. Und Sie sind Schauspielerin?«

»Das war ich.« Ich sehe aus dem Fenster.

»Ich kann nachvollziehen, dass die Vorstellung, dass sich jemand anderes um Ihr Baby kümmert, schwer für Sie ist.« Seraphina nimmt neben mir Platz. »Aber ich bin nicht hier, um alles an mich zu reißen. Ich bin nur ziemlich gut darin, müden Müttern ein paar freie Nächte zu bescheren. Es macht mir nichts aus, wenn ich aufwache. Überhaupt nichts.«

Ivy starrt Seraphina an und lächelt.

Mit einem dumpfen Knall fällt die Tür ins Schloss, und unser Steward verriegelt sie ordnungsgemäß.

Marc steht mit verschränkten Armen im vorderen Bereich des Jets und beobachtet mich. Auf seinen Lippen liegt ein kleines Lächeln.

»Ich lasse euch drei jetzt mal allein, damit ihr euch besser kennenlernen könnt.« Er setzt sich neben das Cockpit.

»Wissen Sie, was?« Seraphina streichelt Ivys Wange. »Wann immer Ihnen etwas nicht passt, sagen Sie es mir sofort, okay? Irgendwie habe ich nämlich das Gefühl, dass diese Sache über Ihren Kopf hinweg arrangiert wurde.«

Ich lache. Sie ist wirklich sympathisch. Und Ivy scheint sie zu mögen.

»Das war Marcs Idee«, gebe ich zu. »Er ist felsenfest davon überzeugt, dass mir eine Pause guttun wird. Deshalb die Reise.«

»Und was meinen Sie?«

Ich stelle fest, dass ich an meinem Daumennagel kaue. »Marc hat häufig recht.«

»Wirklich? Oder glaubt er nur, dass er recht hat?«

Wieder muss ich lachen. »Nein, er hat wirklich sehr oft recht. Lassen Sie es uns einfach mal versuchen. Vielleicht bin ich ja nach ein paar Nächten Schlaf wieder so, wie ich eigentlich bin.«

»Momentan sind Sie das nicht?«

»Na ja … Ich bin gern Mutter«, sage ich, »und ich liebe Ivy.«

»Aber?«

Plötzlich gestehe ich einer völlig fremden Person die Wahrheit.

»Ich vermisse das Schauspielen.«

»Aber das ist doch verständlich«, erwidert Seraphina. »Wenn man eine Leidenschaft hat, dann schmerzt es, wenn man sie nicht ausleben kann.«

»Wie lange machen Sie ihren Job schon?«, frage ich.

»Seit meinem sechzehnten Lebensjahr. Na ja …« Sie senkt die Stimme, »offiziell erst seit dem achtzehnten. Ich habe ziemlich früh begonnen.«

»Marc hat mir gesagt, dass Sie eigentlich nicht mehr arbeiten.«

»Das stimmt ganz und gar nicht.« Sie lacht. »Aber momentan nehme ich immer nur vorübergehende Jobs an. Zu Hause gibt es einen kleinen Jungen, den ich über alles liebe und den ich nicht lange allein lassen kann. Hat Patrick gesagt, ich würde nicht mehr arbeiten? Dann bringe ich ihn um.«

»Wer ist Patrick?«, frage ich.

»Mein Mann. Er ist eher der traditionelle Typ. Wenn es nach ihm ginge, dürfte ich keinen Finger krumm machen.«

»Das kommt mir irgendwie bekannt vor.« Mein Blick schweift zu Marc.

»Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, nicht zu arbeiten«, fährt Seraphina fort. »So bin ich eben. Wissen Sie, was ich meine?«

»Sehr gut sogar.«

Ivy ist ein mustergültiges Baby. Eine Welle aus Schuldgefühlen begräbt mich unter sich. Wie kann ich nur daran denken, als Schauspielerin zu arbeiten, wenn ich so ein wundervolles Baby habe?

»Möchten Sie sie mal halten?«, frage ich Seraphina.

»Sehr gern.« Sie übernimmt Ivy und schneidet ein paar Grimassen für sie.

Ivy gluckst leise, und mein Herz schmilzt.

»Sie mag Sie«, sage ich. »Vermutlich geht es allen Kindern so.«

»Früher oder später«, erklärt Seraphina. »Anfangs nicht immer. Ivy ist ein sehr freundliches Baby. Bestimmt weil sie eine sehr gute Mutter hat.« Sie zwinkert mir zu.

»Ach, ich glaube nicht …«

»Natürlich sind Sie eine gute Mutter«, beharrt Seraphina. »Hören Sie mir gut zu: Sie brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn Ihnen jemand bei der Betreuung Ihrer Tochter hilft. Wissen Sie, dass überall auf der Welt Babys herumgereicht werden? Mütter sind nicht dafür geschaffen, sich ganz allein um sie zu kümmern.«

Ich seufze. »Aber ich bekomme schon sehr viel Hilfe im Haushalt.«

»Ein Baby ist gerade in der ersten Zeit sehr anstrengend«, erklärt Seraphina. »Egal wie viel Hilfe jemand hat. Wann haben Sie zum letzten Mal eine Nacht durchgeschlafen?«

»Vor Ivys Geburt«, gebe ich zu.

»Sehen Sie? Ihre Schicht hat nie ein Ende.«

»Aber ich mache es gern«, beharre ich.

»Natürlich tun Sie das. Aber das heißt nicht, dass Sie nicht auch andere Dinge gern machen dürfen. Etwa als Schauspielerin zu arbeiten. Wie auch immer – ich bin hier, um Ihnen auf Ihrer Reise beizustehen. Also lassen Sie sich wenigstens in dieser Zeit von mir helfen, okay?«

9

Das Flugzeug setzt zum Landeanflug an, und ich erkenne Nadelbäume, schneebedeckte Berge und blaue Seen, so weit mein Blick reicht.

Wo sind wir?

Ivy schläft in ihrer Babyschale.

Hinten im Flugzeug döst Seraphina auf dem Tagesbett.

Ich löse meinen Sitzgurt und wanke durch den Gang zu Marc.

»Wo landen wir?«, frage ich ihn.

Marc zieht mich auf seinen Schoß. »Schön, dass du deine Neugierde nicht ganz verloren hast.«

»Wer wäre in so einem Moment nicht neugierig?«, gebe ich zurück.

Er streift mir das Haar aus dem Gesicht. »Du erinnerst dich daran, dass wir noch etwas erledigen müssen, was wir gestern Abend am Küchentisch nicht zu Ende gebracht haben. Ich hoffe sehr, dass wir heute noch dazu Gelegenheit haben. Nach der Landung.«

»Und wo landen wir?«, will ich erneut wissen.

»In der Schweiz«, erklärt er lächelnd.

»Wow.« Ich drücke die Nase ans Fenster. »Das ist ja toll. Aber warum hast du mir das nicht gleich gesagt?«

Marcs Lippen zucken. »Damit hätte ich dir deine Vorfreude verdorben. Und du kennst ja meine Einstellung zu diesem Thema.«

»Du kannst ganz schön nerven, weißt du das?« Ich lehne meinen Kopf an seine muskulöse Brust, und er umarmt mich fest.

»Deshalb passen wir ja auch so gut zusammen, findest du nicht?«, flüstert er an meinen Haaren.

»Meistens schon.«

»Meistens?« Marc zwingt mich, ihn anzusehen. »Pass auf, was du sagst, Sophia, sonst fällt deine Bestrafung noch härter aus als geplant.«

Ich bedenke ihn mit einem warnenden Blick in der Art von: »Hier nicht!«, dann reiße ich mich von ihm los. »Ich muss wieder nach Ivy sehen.«

Ein glänzender schwarzer Geländewagen mit überdimensionalen Reifen holt uns am Flughafen ab. In ihm sitzen wir ziemlich hoch.

Wir fahren auf einer kurvenreichen Straße, die von Fichten und grauen Felsen gesäumt wird, durch die Berge.

Ab und zu erhasche ich einen Blick auf einen glitzernden blauen See unter uns.

Ich lehne mich ans Fenster und lächle beim Anblick des vielen Grüns.

»Es ist wirklich sehr schön hier«, flüstere ich Marc andächtig zu, dessen Hand fest auf meinem Oberschenkel ruht.

Seraphina sitzt neben Ivys Babyschale. Die bisherige Fahrt hat sie damit verbracht, mit unserer Tochter zu reden und sie zum Lächeln zu bringen.

Die junge Frau gefällt mir immer besser. Sie ist unbeschwert und geht mit Ivy völlig ungekünstelt um. Wäre ich ein Baby, würde ich sie auch mögen.

Ein paar hübsche Holzhäuser tauchen in der Landschaft auf, und ich entdecke mehrsprachige Wegweiser zu Geschäften und Restaurants – auf Französisch, Deutsch und Italienisch.

Bald nehmen die Häuser, Läden und Restaurants in ihrer Anzahl zu. Der Ort zieht sich an einem kristallklaren See entlang und wirkt wie aus einem Märchen.

»Wo sind wir?«, frage ich.

»In Montreux«, erwidert Marc und drückt meinen Oberschenkel. »Am Genfer See.«

»Sind wir zum Skifahren hier?«

Marcs Lippen zucken. »Eigentlich nicht.«

Der Geländewagen fährt die Uferstraße entlang, und ich entdecke ein wunderschönes gelbes mehrstöckiges Gebäude direkt am Wasser. Es ist riesig und besitzt Hunderte von in der Sonne blitzenden Fenstern.

»Hier werden wir übernachten«, sagt Marc, als der Wagen anhält.

»Hier?« Ich kann es kaum fassen. »Das ist ja ein richtiges Schloss.«

Marcs Lippen kräuseln sich zu einem Lächeln. »Das passt doch wunderbar, findest du nicht auch? Genau das Richtige für eine Prinzessin.«

»Und warum genau sind wir jetzt hier?«, frage ich.

10

Marc löst seinen Sitzgurt. »Das wirst du später erfahren.«

Ich verdrehe die Augen, muss jedoch unwillkürlich grinsen.

»Sieh mal, Ivy«, sage ich und lehne mich nach vorn, um den Gurt ihrer Babyschale zu lösen. »Hier werden wir heute nächtigen.«

Der Chauffeur öffnet die Tür.

Seraphina streckt die Arme aus. »Geben Sie mir das Baby, dann können Sie besser aussteigen.«

»Danke«, sage ich und wundere mich, wie bereitwillig ich ihr Ivy überlasse.

Ja, ich mag sie, merke ich. Vielleicht ist ein Kindermädchen doch gar nicht so verkehrt.

Die Lobby des Hotels ist beeindruckend – eine weitläufige, mit Marmor ausgekleidete Halle führt zu einer geschwungenen Treppe mit goldfarbenem Geländer.

Pagen in gelben Livreen eilen mit einem Wagen für unser Gepäck herbei, die Räder gleiten lautlos über den glatten Boden.

»Mr und Mrs Blackwell.« Ein Herr in schwarzem Anzug tritt hinter der Empfangstheke hervor. »Herzlich willkommen in unserem Hotel. Ich bin Ihr persönlicher Butler und Concierge. Ihr Wunsch ist mir Befehl.«

Der Mann trägt eine runde gelbe Kappe, das weiß melierte Haar ist um seine Ohren herum akkurat geschnitten.

Ich höre aus seinen Worten einen italienischen Akzent heraus und erwidere spontan: »Molte grazie.«

Das Gesicht des Mannes hellt sich auf. »Sie sprechen Italienisch?«

»Ein bisschen«, erkläre ich. »Meine Mutter hat es mir beigebracht. Vor langer Zeit.«

Er nimmt meine Hand und schüttelt sie herzlich. »Benvenuto! Benvenuto! Es ist mir wirklich ein großes Vergnügen, Sie als unsere Gäste begrüßen zu dürfen. Bitte, lassen Sie sich von mir Ihre Suite zeigen. Die schönste unseres Hotels.« Er legt die Finger aneinander und drückt einen extravaganten italienischen Kuss darauf. »Bellissimo! Folgen Sie mir bitte, Mrs Blackwell. Ich heiße Philippe. Sie können sich mit jedem Wunsch an mich wenden.«

Ich bemerke, wie Marc mich anlächelt.

»Was ist denn?«, frage ich.

»Sieht so aus, als wäre dir jemand verfallen.« Marc streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Philippe führt uns zu der Treppe, deren Stufen mit schwarzem Teppich bedeckt sind.

Marc und ich folgen ihm.

»Die Räume Ihrer Nanny befinden sich auf demselben Flur«, erklärt Philippe.

»Sehr schön«, sagt Seraphina. »Ich packe dann gleich mal meine Sachen aus.«

»Das müssen Sie nicht, Madame.« Philippe lächelt sie an. »Darum wird sich gleich ein Zimmermädchen kümmern.«

»Dann genieße ich eben den Ausblick oder sehe mich ein bisschen um.« Seraphina zwinkert mir zu. »Und ich kümmere mich um Ivy, dann können Sie es sich schon mal gemütlich machen.«

»Ach, Ivy kann bei uns bleiben«, antworte ich. »Ganz ehrlich, das geht völlig in Ordnung.«

»Sophia!«, entgegnet Marc mit warnender Stimme. »Du musst üben, Ivy gelegentlich loszulassen. Und zwar ab sofort.«

»Er hat recht.« Seraphina nimmt Ivy und wiegt sie ein wenig. »Aber wenn Ihnen etwas nicht recht ist, sagen Sie mir bitte gleich Bescheid, okay? Ich bin ja nicht weit weg.«

Ich nicke, auch wenn ich einen kleinen Stich im Herzen verspüre.

»Es wird alles gut werden«, lächelt Seraphina freundlich.

Der Schmerz verfliegt.

»Mr und Mrs Blackwell?« Philippe steht vor einer mit Seide bespannten Doppeltür und winkt uns zu. »Hier ist Ihre Suite.«

Ich trete zu ihm, während er die Türflügel öffnet.

Wow!

Unsere Suite ist riesig.

Sie ist mit weichen weißen Polstermöbeln und einem Himmelbett ausgestattet. Ich bemerke Schüsseln mit Schokolade und zähle sechs Balkontüren.

O mein Gott – dieser Blick! Unter uns liegt der blau glitzernde See, umringt von schneebedeckten Bergen.