Blaulichtgschichten - Gerhard Gruber - E-Book

Blaulichtgschichten E-Book

Gerhard Gruber

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Beschreibung

Der Autor beschreibt in diesem Buch ausschließlich humorvolle und kuriose Erlebnisse seiner beruflichen Laufbahn im Zeitraum von 1977 bis 1994. Er verzichtete bewusst auf die Darstellung der dunklen Seiten des Polizeiberufes.

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VORWORT

Autor:

Gerhard Gruber

Beruf:

von 01.03.1977 bis 01.10.2019 Polizeibeamter

Aktuell:

Im „verdienten“ Ruhestand

Der Autor beschreibt in diesem Buch ausschließlich humorvolle und kuriose Erlebnisse seiner beruflichen Laufbahn im Zeitraum von 1977 bis 1994.

Er verzichtete bewusst auf die Darstellung der dunklen Seiten des Polizeiberufes.

Und jetzt geht`s los……

©2021

Autor: Gerhard Gruber

Verlag & Druck: Tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

Paperback

ISBN: 978-3-347-27836-3

Hardcover

ISBN: 978-3-347-27837-0

E-book

ISBN: 978-3-347-27838-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

INHALTSVERZEICHNISS

Episoden:

1. Wie alles begann

2. 01.03.1977, 08.00 Uhr, Dienstbeginn

3. 1. Ausbildungsstufe

4. Funkausbildung

5. Waffen und Gelände

6. Mittwoch

7. Handgranate

8. Orientierungsmarsch

9. Schreibmaschinenausbildung

10. Rigan Club – der Anfang

11. Ende der Grundausbildung

12. Die Vereidigung

13. 2. Ausbildungsstufe

14. Polizeiführerschein der Kl. III

15. Eine Episode aus dem Dienstsport

16. Die Sache mit dem Autoreifen

17. Wachgeschichten

18. Wochenendbereitschaft

19. Willi`s Welt

20. Münchner Oktoberfest

21. Krankenabteilung

22. „Schwer krank“ Silvester im Rigan Club

23. Manfred Derringer

24. 3. Ausbildungsstufe, Lehrgang

25. Ein Ausflug in die große Stadt

26. Prüfung

27. Ende der Ausbildung am Standort Dachau

28. 4. Ausbildungsstufe in München

29. Flughafen München-Riem

30. Ein besonderes Wiegenfest

31. Weiter ging`s am Flughafen

32. Autogrammjäger

33. Bald ist Schluss

34. Das Ende bei der Bayer. Bereitschaftspolizei

35. Stark – Sheriff in München

36. Marianne in der Fußgängerzone

37. Bunnies im Altbau

38. Schwabing

39. Großveranstaltung

40. Die nächsten sechs Monate

41. Ende

42. Polizei Haar, Grüß Gott

43. Geschichtliches

44. Der Start

45. Streifenbeginn bei der „ richtigen “ Polizei

46. Der Preindler Sepp

47. Die Südtiroler Angelegenheit

48. Alfred Bergerl – eins und zwei

49. Betonmischer-Fahrer Max

50. Und der nächste folgt sogleich…

51. Vögel

52. Fußstreife in Haar

53. Eine weitere Fußstreife in Haar

54. Der neue Chef

55. Stuntmen

56. Personalwechsel

57. Die Liebe ist ein seltsames Spiel

58. Der Neue

59. Hans Hauptmann, Polizeihauptmeister

60. Die Nase

61. Klaus Feilmeier, Polizeihauptmeister

62. Hotelwache

63. Betriebsausflug ins Ausland

64. Polizeisportverein Haar

65. Die erste offizielle Weihnachtsfeier

66. Autogeschichten

67. Die Sache mit dem Flugzeug

68. Dienstliche Veränderung

69. Die Rückkehr

70. ZEG`ler

71. Eine explosive Bedrohung

72. Drogen Drogen Drogen

73. Zwei alte Schulkameraden unterwegs

74. Momente des falschen Glücks

75. Ein freundlicher Bauarbeiter

76. Ein geradezu krachender Jahreswechsel

77. Schwitzen im Schnee

78. Karriere oder nicht?

79. Und wieder einmal Schwabing

80. Vom „Inges“ zum „Beverly“

81. Platzhirsch Willi aus Hausham heiratet

82. Mein Lieblingswitz

83. Umstrukturierung

84. Eine Flucht aus Haar

85. Der Defekt

86. Eine wilde Jagd

87. Kalorien

88. Eine höhere Macht?

89. Die Pflichtversicherung

90. Der „Bunzkartler“

91. Ein komisches Geräusch

92. Ein Abendmahl

93. Der lachende Staatsanwalt

94. Der Kampf um die Dienststelle

95. Ein weiterer Betriebsausflug

96. Ein spontaner Krankenbesuch

97. Eine kleine Verwechslung

98. Ein Spielchen

99. Kaffee am Morgen bringt…

100. Gladiatoren der Halle

101. Ein mitfühlender Familienvater

102. Personalkarussell

103. Eine peinliche Geschichte

104. Dienstfahrzeug in Not

105. Schlussakkord

106. Doch noch ein Polizeiwitz

107. Zugabe

„BLAULICHTGSCHICHTEN“

Februar 2015 -- Großeinsatz der Polizei im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz.

Ich war dienstlich mit der Betreuung eines amerikanischen Staatsgastes beauftragt.

Im Rahmen seines Aufenthalts stand die Besichtigung der KZ-Gedenkstätte in Dachau auf dem Programm.

Dadurch ergab sich die Gelegenheit, meiner ehemaligen Ausbildungsstätte, der 21. Hundertschaft in der VI. Abteilung der Bayerischen Bereitschaftspolizei, einen Besuch ab zu statten.

Nachdem ich, überwältigt von Gefühlen, vor dem Gebäude stand, begann die Zeit plötzlich Rückwärts zu laufen und alles ging zurück auf Anfang…

1. WIE ALLES BEGANN

Ich war der 16-jährige Sohn des Ehepaares Karl und Elisabeth Gruber aus München. Mein Vater seines Zeichens Polizeibeamter, meine Mutter Verkäuferin in einem Supermarkt. Wohl behütet aufgewachsen und ausnahmslos Interesse am Fußballsport als aktiver Jugendspieler des FC Bayern München.

Meinen Schulabschluss absolvierte ich Anfang August 1976.

Die Schule hast du lang besucht, hast dich gequält und oft geflucht, doch dieses Leiden ist vorbei, vom Schulstress bist du endlich frei!!

Weise Worte! Doch wie sollte es nun weitergehen? Nicht die geringste Ahnung!

Ich genoss jetzt erst einmal die erlangte „Freiheit“, fühlte mich pudelwohl in meiner neuen Rolle und dachte zunächst nicht im Traum daran, diesen Zustand zu ändern.

Im Lauf der Zeit begann ich aber, meinen Eltern als arbeitsloser Schulabgänger langsam auf die Nerven zu gehen und finanziell auf der Tasche zu liegen. Mein Vater meinte diesbezüglich, ob ich mir eigentlich schon irgendwann einmal Gedanken hinsichtlich einer Berufsausbildung gemacht hätte.

Da mir so etwas Ungeheuerliches bis dato überhaupt nicht in den Sinn gekommen war, musste ich seine Anfrage vehement verneinen.

Er begann daraufhin eigenmächtig, freie Ausbildungsplätze zu sondieren, wo der „Möchtegernfußballprofi“ außerhalb seiner sportlichen Tätigkeit zum Einsatz kommen und den Einstieg in das „wahre Leben“ finden könnte.

Seine erste „gute Tat“ war eine Terminvereinbarung mit einer kompletten Bewerbung zum Energieanlagentechniker bei einem namhaften deutschen Betrieb in München. Dies geschah im Vorfeld ohne mein Wissen und überraschte mich völlig unvorbereitet.

Anfang November 1976, an einem Montag, hatte ich mich in dieser Firma einzufinden. Mein Vater fuhr mich persönlich mit dem Auto zu dem Termin und stellte dadurch mein pünktliches Erscheinen sicher. Nachdem er mich abgesetzt hatte, betrat ich mit großem Widerwillen das riesige Firmengebäude.

Es hielten sich überschlägig ungefähr hundert interessierte oder auch nicht interessierte (wie mich) junge Burschen in der dortigen Empfangshalle auf. In Anbetracht der gewaltigen Anzahl wurde mir schon leicht übel. Die Übelkeit verstärkte sich zu meinem Leidwesen nach der Besichtigung der vermeintlich zukünftigen Arbeitsstätte und den langweiligen Erklärungen zur weiteren beruflichen Entwicklung.

Zu guter Letzt mussten die Bewerber einzeln vor einer Kommission, bestehend aus drei suspekten Managertypen mit väterlichem Lächeln, das Interesse an der Firma in Form von wichtigen Fragen an die Herrschaften bekunden.

Mir fiel nur die eine Frage ein: „Bitte! Wie komme ich eigentlich auf dem schnellsten Weg wieder nach Hause?“

Daraufhin erklärte man mir freundlich, aber bestimmt, den Fahrweg mit der S-Bahn zurück in die heimatlichen Gefilde. Ich konnte mich nach einer Verabschiedung endlich erleichtert auf den Heimweg machen.

Ganz ehrlich, die Firma war mit Sicherheit eine Top-Adresse und bot bestimmt einen sicheren Arbeitsplatz für einen jungen Menschen.

Für einen zukünftigen FC Bayern-Profi und kommenden Fußballnationalspieler Deutschlands war das natürlich vollkommen unter dessen Würde.

Zuhause angekommen warteten bereits mein neugieriger Vater und meine nicht minder neugierige Mutter. Ich gab ihnen bereitwillig Auskunft über den Tagesablauf, stellte fest, dass dieses hochinteressante Betätigungsfeld ja wunderbar gewesen wäre, letztendlich aber für mich aus verschiedenen Gründen wohl eher nicht in Frage kommen würde. Meine Meinung teilten offensichtlich auch die genannten Managertypen der Firma, da ich keinerlei Rückmeldung bezüglich einer möglichen Ausbildung erhalten hatte.

Nachdem sich meine Eltern mental einigermaßen gefangen hatten, kam nun vom Vater der nächste Vorschlag.

Ich sollte mir doch einmal Gedanken über eine Laufbahn bei der Bayerischen Polizei machen. Ich fiel innerlich aus allen Wolken und konnte mich damit erst einmal überhaupt nicht anfreunden.

Ich, der zukünftig beste Fußballer der Welt, ein Beamter, ein Sheriff, ein Schnittlauch, ein Bulle? Ja überhaupt nicht! Niemals!!

Meine Gefühle spielten verrückt und ich dachte zunächst über eine sofortige Flucht aus dem Elternhaus nach. Aber mein Vater war natürlich ein schlauer Diplomat. Er stellte mir in Aussicht, dass Spitzensportler, ich spielte ja schließlich nicht irgendwo, sondern in der Jugend-Bayernliga, bei der Bayerischen Polizei gefördert werden und in punkto Vereinsfußball nicht die geringsten Einschränkungen zu erwarten hätten. Außerdem wäre die Bezahlung, also das Gehalt, im Vergleich zu „normalen“ Auszubildenden exorbitant hoch.

Aha, wenn das so ist! Ich begann langsam aber sicher hellhörig zu werden.

Er erklärte mir begeistert die immensen zusätzlichen Vorteile des Beamtentums und kurz gesagt, die Bewerbung wurde, vollkommen überzeugt vom sportlichen und finanziellen Aspekt und zunächst nicht so sehr vom kommenden möglichen Aufgabengebiet, abgeschickt.

Am 02.12.1976 und 03.12.1976 absolvierte ich, zusammen mit dreißig anderen Bewerbern, einen umfangreichen Einstellungstest in der Münchner Abteilung der Bayerischen

Bereitschaftspolizei. Nach Ablauf der zwei Tage konnte ich diesen in jeder Beziehung erfolgreich abschließen. Anschließend wurde noch eine polizeiärztliche Untersuchung durchgeführt. Zu guter Letzt erfolgte ein persönliches Abschlussgespräch mit dem Leiter der Personalabteilung und dem Hinweis auf eine schriftliche Benachrichtigung im Falle der Einstellung.

Die nächsten Wochen vergingen ohne weitere zusätzliche Bewerbungen. Am 13.01.1977 war es dann so weit. Im Postkasten befand sich das entscheidende Schreiben. Der Brief wurde ganz aufgeregt von meinem Vater geöffnet.

Freudestrahlend und sichtlich erleichtert teilte er mir mit, dass ich eine Zusage bekommen habe und vom Freistaat Bayern eingestellt werde.

Ich erhielt einen Ausbildungsplatz zugewiesen und der Dienstbeginn wurde mit diesem offiziellen amtlichen Schreiben Nr. 31-76-17091959 bestätigt. Dieser würde am 01.03.1977 um 08.00 Uhr in der VI. Abteilung der Bayerischen Bereitschaftspolizei in Dachau erfolgen.

Irgendwie fühlte es sich richtig komisch an. Einerseits richtig stolz, diesen Ausbildungsplatz erreicht zu haben, andererseits die Gewissheit, dass die schöne Jugendzeit mit siebzehn Jahren jetzt endgültig vorbei sein wird.

Na ja, dann lass ich mich mal überraschen!

Zukünftiger Freund und Helfer im Staatsdienst!

2. 01.03.1977, 08.00 Uhr, DIENSTBEGINN

Die Anreise mit der S-Bahn von meinem Wohnort in München Berg-am-Laim bis zum künftigen Arbeitsplatz in Dachau war für mich als ständigem Beifahrer im Auto des Vaters ein Horror. Ich stand die gesamte Fahrt in einem überfüllten Zugabteil mit übermüdeten und komisch riechenden Leuten.

Unmittelbar nach meiner Ankunft am S-Bahnhof Dachau um 07.50 Uhr bemerkte ich, dass mein Zeitmanagement komplett versagt hatte. Verdammt noch mal! Viel zu spät dran! Wie gibt’s das denn!!! Ein Panikanfall machte sich breit und ich bestellte mir mit Schnappatmung und den paar Mark, die ich von meinen Eltern für den Start erhalten hatte, ein Taxi.

Ankunft Polizeikaserne, Dachau, John-F.-Kennedy-Platz 1, 07.58 Uhr.

Ein kleines Wachgebäude mit zwei Schranken und dahinter eine breite Straße die in das Kasernengelände führte. In dem Gebäude befanden sich zwei Polizeibeamte wobei einer davon mit den Eingangskontrollen beauftragt war.

Die Antwort auf die Frage nach meinem Zielort, der 21. Ausbildungshundertschaft, lies mich im Schweiß baden. Der freundliche Beamte teilte mir in derb bayerischem Ton mit: „Spät dro ha! Da werst etz spitzn, des san fei ungefähr zwoa Kilometer bis dohi! Aba z`fuass!!“

Uhrzeit: 07.59 Uhr und ich rannte nach erhaltener Wegbeschreibung mit Höchstgeschwindigkeit los.

Uhrzeit: 08.08 Uhr Ankunft mit roter FC Bayern-Trainingstasche am Gebäude der Ausbildungshundertschaft.

An der Treppe zum Haupteingang kam mir ein circa 50-jähriger Polizeibeamter, mit etlichen silberfarbenen Sternen auf dem Kragen seiner Uniformjacke, entgegen. Er fragte mich ganz freundlich: „Ja Bub, wo kommst denn so spät noch her?“ Obwohl ich aufgrund meiner sportlichen Tätigkeit konditionell voll auf der Höhe war, stammelte ich ihm gegenüber, vor Aufregung völlig außer Atem und komplett nassgeschwitzt, den Grund für meine Verspätung und gleich im Anschluss noch irgendwie etwas von Dienstantritt und Ausbildungsbeginn um 08.00 Uhr.

Der sehr nette Beamte teilte mir mit, dass ich schnell in den Lehrsaal im 1. Stock laufen soll und alle anderen Neuankömmlinge schon da wären. Abschließend erklärte er mir noch den genauen Weg.

Mir fiel das Herz komplett in die Hose, nachdem ich oben angekommen, diesen Lehrsaal betrat.

Schätzungsweise vierzig junge Burschen starrten mich wie einen Außerirdischen an und ein leises, nicht zu verstehendes Raunen breitete sich im Raum, der einem Schulklassenzimmer sehr ähnlich sah, aus. Ein weiterer Polizeibeamter in Uniform, welcher offensichtlich mit den ersten einführenden Erläuterungen betraut war, zeigte sich sichtlich erleichtert und empfing mich mit den Worten: „Na Gott sei Dank, jetz is er endlich do, jetz kemma richtig ofanga!“

Mir wurde aus Mangel an Alternativen ein Platz in der letzten Reihe neben einem lustig ausschauenden, jungen Auszubildenden zugewiesen. Dessen leuchtende Augen verrieten schon beim ersten Blick, dass ihm der Schalk im Nacken sitzen würde. Er stellte sich kurz und leise mit „Servus, i bin da Willi Harritz aus Hausham“ vor.

Ich stellte mich ebenfalls vor und hatte keine Ahnung, dass das hier und jetzt der Beginn einer bis zum heutigen Tag bestehenden Freundschaft sein sollte. Hausham war mir damals noch völlig unbekannt, aber das sollte sich im Verlauf der nächsten Monate noch ändern.

Nach einem kurzen Verschnaufen legte sich die Aufregung. Puls, Atmung und Blutdruck normalisierten sich schnell und es war mir möglich, meine zukünftigen „Arbeitskollegen“ etwas näher zu betrachten.

Mir fiel auf, dass es ein ziemlich bunt gemischter „Haufen“ war. Groß, klein, dick, dünn, langhaarig, kurzhaarig und mir völlig fremdartige, schwer zu verstehende Dialekte, alles ganz wild durcheinander.

Nun stellte sich der genannte Polizeimann vorne am Rednerpult vor.

Es handelte sich hier um den sogenannten Innendienstleiter der 21. Polizeihundertschaft, Polizeihauptmeister Senner, zuständig für alle internen Dienstangelegenheiten. Er teilte uns in ruhigem, freundlichem Ton verschiedene zukünftige Abläufe mit und kündigte im

Anschluss den Hundertschaftsführer, den „Kompaniechef“, den Ersten Polizeihauptkommissar, Herrn Sattler, an.

Dieser trat mit stolz geschwellter Brust und mildem Lächeln in den Leersaal. Es war doch tatsächlich der freundliche Mann von dem Treppenaufgang und sein Blick traf mich, da war ich mir sicher, zuerst.

Er erklärte uns in seiner Rede einige grundlegende Dinge über die kommende Ausbildung. Wir Neuzugänge wurden in vier Gruppen mit jeweils zehn Mann eingeteilt. Diese Gruppen bildeten einen „Zug“ und drei Züge eine „Hundertschaft“. Herr Sattler stellte die Gruppenführer namentlich vor. Es erschienen vier mehr oder weniger sportlich aussehende Polizeibeamte mit grünen Punkten, offiziell „Rosetten“, an den Uniformkrägen.

Diese Menschen sollten für den kommenden Ausbildungsverlauf in Dachau für uns zuständig sein. Anschließend wurde uns der Zugführer, Herr Hauptkommissar Köpp, vorgestellt.

Eine stattliche Gestalt mit wachen Augen und einem hintergründigen Humor. Er war früher Amateurboxer und das sah man auch. Ein durchtrainierter und offensichtlich sehr polizeierfahrener Mittvierziger.

Nachträglich besehen vielleicht einer der besten Polizisten, den ich je kennenlernen durfte. Er führte „seinen“ Zug im Lauf der kommenden Monate immer mit Witz und Esprit und hatte zu jeder Zeit ein offenes Ohr für alle Belange der Auszubildenden.

Weiter ging es mit vielen langatmigen Erklärungen und Unterschriftsleistungen, auf die ich nicht näher eingehen möchte. Mein Nachbar Willi stöhnte angesichts des Aufwandes: “Ja schene Gaudi, wo bin i denn do hi kumma.“ Innerlich musste ich ihm erst mal beipflichten und die Euphorie hielt sich dementsprechend in Grenzen.

Nachdem dieser erste trockene Einführungsteil endlich vorüber war, stand die Unterkunftsbesichtigung an. Im Erdgeschoß befanden sich mehrere Büros für den Dienstbetrieb, im Keller diverse Lager und eine große Gemeinschaftsdusche. Im ersten Stock die Unterkünfte für die Auszubildenden und ein zusätzlicher Gemeinschaftsraum mit ungefähr zehn Waschbecken und Toiletten. Hinter dem Gebäude ein Parkplatz für die Privatfahrzeuge und eine große Freifläche die wir noch ausführlich kennenlernen sollten.

Ab dem Ausbildungsbeginn trat eine sogenannte Residenzpflicht in Kraft. Es bedeutete, dass das Kasernengebäude von nun an der Hauptwohnsitz mit offizieller Anmeldung in der Gemeinde Dachau war.

Die Zimmer waren Räume für maximal sechs Personen mit annähernd dreißig Quadratmetern Größe und sehr spartanisch eingerichtet.

An drei Wänden standen jeweils Etagenbetten. Ein Auszubildender konnte oben, der andere unten liegen. Der vorhandene Bettbezug sehr schön blau-weiß kariert in bayerischem Stil und begleitend dazu eine „kuschelige“ alte Rosshaardecke mit schwarzem Aufdruck „Bayerische Bereitschaftspolizei“.

Für jeden der sechs Insassen war noch ein alter brauner Kleiderschrank vorhanden. Ein großer viereckiger Gemeinschaftstisch mit unbequemen Holzstühlen stand in der Mitte des

Raumes. Ein laut brummender weißer Kühlschrank sowie ein offensichtlich historisches Röhren-Fernsehgerät mit schwarz-weiß Empfang und Zimmerantenne „krönten“ die Einrichtung. Mit Staunen und ehrfürchtigem Schweigen betraten meine künftigen fünf Mitstreiter und ich noch ganz schüchtern diese „behagliche“ Räumlichkeit mit der Nummer 114.

Das Zimmer an sich ging für das verwöhnte Einzelkind aus München in Richtung Zumutung. Aber egal, jetzt war das für die kommende Zeit sowieso nicht mehr zu ändern.

Optimistisch stimmte mich die Tatsache, dass meine fünf Mitbewohner allesamt einen sehr sympathischen Eindruck machten.

Es handelte sich im Einzelnen um den Walter (1) Besöll aus Lindau, den Sigi Berdoman aus Ottobrunn, den Engelbert Hittmann aus Wasserburg, den Walter(2) Backer aus Illertissen sowie den Harry Mackwiller, dem Einzigen, der direkt aus Dachau war.

Im Lauf der nächsten Wochen kristallisierte sich heraus, dass Walter (1), er war der Stubenälteste, der „Vater“ des Zimmers war. Ein hilfreicher und äußerst sympathischer Mitbewohner. Der Sigi war unser kleiner netter Luftikus, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Der Engelbert unser beliebter Pedant, da mussten Aussehen, Bett und Schrank zu hundert Prozent exakt stimmen. Walter (2), der immer etwas müde wirkende und leicht übergewichtige „Kuschelbär“ sowie der Harry, einer der letzten Hippies von Dachau.

Er besaß die beneidenswerte Fähigkeit, später während der jeweils 10-minütigen Pausen zwischen den Unterrichtsstunden im Zimmer stehend schlafen zu können. Er stellte sich neben das Etagenbett, lehnte seinen Kopf gegen die obere Matratze und schlief sogleich, ohne umzufallen, tief und fest ein. Spektakulär! Zum Pausenende wurde er jedes Mal von uns geweckt und setzte den Unterricht vollkommen erfrischt bis zur nächsten Pause fort.

Insgesamt eine Gemeinschaft die von Anfang an wirklich passte. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es im Lauf der Zeit einmal Streit oder ähnliches gegeben hat.

Nachdem sich die Zimmerbesatzung schon etwas beschnuppert und die Liegeverhältnisse geklärt, Harry und ich teilten uns ein Etagenbett, sowie die Zuteilung der Schränke geregelt war, folgte der nächste Schritt. Das Einkleiden in der polizeieigenen Bekleidungskammer.

Ein Meilenstein für alle jungen Polizeianfänger, die erste Uniform !!!!!!!

Wir marschierten zusammen im sogenannten „geschlossenen Zugverband“. Alle Neuankömmlinge zu Fuß und erstmals schon in Reih und Glied, aber noch in Zivilkleidung, zu dem ungefähr fünfhundert Meter entfernten Gebäude.

Dort angekommen wurden wir von dem routinierten Personal der Polizeischneiderei vermessen. Wir erhielten aus den vorhandenen Beständen unsere komplette Uniform. Über die Passform decke ich hier schon mal den Mantel des Schweigens. So gutsitzend war die Uniform trotz des professionellen Ausmessens nämlich nicht.

Gegen Unterschrift gab es folgende Ausstattung:

Eine 1a Garnitur:

Jacke und Hose in einer wunderbaren Stoff-Ausführung für besondere

Anlässe.

Zusätzlich zwei Garnituren für den täglichen Dienstgebrauch, wobei eine aus Filzstoff genäht (Modell „Zuckersack“) war. Anmerkung: Der Filzstoff war ein Wahnsinn! Nach kurzer Tragezeit war die Hose dermaßen geweitet, dass wenn man durch einen Türrahmen ging, zuerst die ausgebeulten

Knie der tragenden Person sichtbar waren, dann lange nichts und anschließend der Rest des Uniformträgers. Also wer diesen Stoff wohl erfunden hat?

Die Uniform war farbentechnisch durchgängig in unauffälligem Grün gehalten.

Weiter ging es mit Diensthemden (hellblau), Mützen, Krawatten, Gürtel, Handschuhe, Mantel und sogar Socken, weiß (Sport) und braun (Uniform).

Sportbekleidung in Form eines grünen Trainingsanzuges aus Baumwolle mit blauen Applikationen incl. einer unglaublich „schönen“ grünblauen Polizeibadehose mit bayerischem Wappen sowie herrlichen Sportschuhen der Marke Lico.

Zusätzlich diverse Halbschuhe in schwarz, passend zur Uniform. Dazu schwere Stiefel für das Gelände,

einem grauen Einsatzoverall, zusammen mit einem Stahlhelm und einer Gasmaske mit dazugehörigem Filter.

Abschließend Gummischlagstock, Handschellen, eine kurze und lange Tragevorrichtung für die kommende Dienstwaffe, kurz „Holster“ genannt sowie eine billige alte Feldflasche mit Blechteller und Blechbesteck.

Nach dem Einkleiden ging es schwer beladen zurück zur Unterkunft und man fühlte sich in Anbetracht der erhaltenen Sachen schon ein bisschen wie ein richtiger Polizist. Es sollte bis dahin noch ein weiter Weg werden, aber das war mir in der momentanen Situation beileibe noch nicht so recht bewusst.

Eine Uniform alleine macht eben noch keinen Polizeibeamten aus!

Mir fiel gleich an meinem neben mir gehenden Banknachbarn Willi aus Hausham auf, dass er immer leicht humpelte. Auf Nachfrage erklärte er mir, dass er seit längerem schon Kniebeschwerden haben würde. Diese waren aber kein Grund für eine Nichteinstellung gewesen und somit kein weiteres Problem.

Das sollte sich aber im Verlauf der Ausbildung noch gewaltig ändern.

Nachdem wir unsere erhaltenen Kleidungsstücke und die anderen Utensilien nach lautstarker Anweisung der Gruppenführer auf penibelste Art und Weise in die Zimmerschränke eingeräumt hatten, war die Zeit danach zur freien Verfügung. Der nächste Tag war als offizieller Start in den Polizeiberuf vorgesehen und sollte, für mich damals noch mitten in der Nacht, um 07.00 Uhr beginnen.

Schon beim Einräumen der Schränke herrschte dieser eigenartige laute Befehlston seitens der Ausbilder. Dieser sollte sich in den nächsten Wochen und Monaten fortsetzen. Ich hatte irgendwie das Gefühl, bei der Bundeswehr gelandet zu sein.

Die Zeit verging mit gegenseitigem Kennenlernen, Mutmaßungen über den Ausbildungsverlauf, dies und das und alles Mögliche. Einige Kollegen wurden von den Gruppenführern noch angewiesen, schnellstens einen Friseur aufzusuchen. Deren offensichtlich viel zu lange Haartracht musste zwingend der Arbeitskleidung, sprich Uniform, angepasst werden. Spruch: „Die Zeit des Mädchenseins ist jetzt vorbei, ihr werdet jetzt richtige, sauber aussehende Mannsbilder und mit einem korrekten Haarschnitt ist schon mal der erste Schritt getan!“

Zwischen Haaransatz und dienstlichem Hemdkragen war ein Abstand von exakt zwei Zentimetern vorgeschrieben. Dieser wurde auch nach dem Friseurbesuch akribisch kontrolliert.

Ich ging mit meinen Zimmerkollegen gut gelaunt, unser Haaransatz stimmte zum damaligen Zeitpunkt schon, zum Essen in die Polizeikantine. Dort war es möglich, sich gegen Bezahlung von 09.00 - 22.00 Uhr nahrungsmitteltechnisch zu versorgen. Die Kantine wurde von einem privaten Gaststättenbetreiber geführt. Angrenzend daran der große Speisesaal für die Verpflegung von zweihundert Bediensteten. Die Essensausgaben fanden jeweils am Morgen, Mittag sowie am Abend statt. Die „Bezahlung“ erfolgte mit Essensmarken, die vom Freistaat Bayern für seine Beamten kostenlos zur Verfügung gestellt wurden.

Frisch gestärkt ging es später zu Fuß weiter zur Besichtigung des gesamten Kasernenareals.

Das ganze Gelände bestach mit einer beeindruckenden Größe. Es gab einen Fußballplatz mit einer Laufbahn, eine Sporthalle mit Kraftraum sowie mehrere große Hallen, in denen die Dienstfahrzeuge und die dazugehörigen Werkstätten untergebracht waren. Weiterhin noch mehrere Verwaltungsgebäude, andere Lehrgebäude sowie eine eigene moderne Krankenabteilung.

An der Westseite befand sich angrenzend ein 18-Loch-Golfplatz der vormals stationierten US-Streitkräfte. An der Ostseite die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau aus der Nazi-Zeit. Da man ja wusste, was sich dort abgespielt hatte, war es für mich ein sehr beeindruckender und trauriger Moment, diese Örtlichkeit im Original zu sehen.

Gegen 22.00 Uhr fiel ich ziemlich müde in mein neues Bett, nachdem dies von mir jungem Bürschchen zum ersten Mal selbst bezogen worden war. Die genaue Anleitung hierfür gab es vorher in erneut lautem Befehlston von den Ausbildungsbeamten.

Ich war mit meinen Mitbewohnern und der ganzen Situation einigermaßen zufrieden und schlief friedlich ein.

Der erste offizielle Ausbildungstag begann mit Wecken um 06.00 Uhr durch einen Beamten des Stammpersonals. Dieser pfiff lautstark und mehrmals mit einer Trillerpfeife und schrie zusätzlich noch „Kompanie aaaaaauuuuuuuffffffstehn!!!“ Oh mein Gott, ich wusste zuerst nicht, wo ich war und warum ich eigentlich hier bin. Aber ganz schnell wurde mir bewusst! Ich werde ja Polizist und jetzt weht ein ganz anderer Wind!

Zur Morgenwäsche ging es eilig in den großen Gemeinschaftswaschraum, der bereits stark frequentiert war. Kurz danach standen wir das erste Mal in Uniform, geschniegelt und gestriegelt, zur morgendlichen Versammlung auf dem Vorplatz des Kasernengebäudes. Was wir anzuziehen hatten, wurde uns noch am Tag vorher von den Gruppenführern vorgegeben.

Die morgendliche Wäsche fiel immer relativ kurz aus und wurde von einem Kollegen die „sibirische Punktwäsche“ getauft. Es handelte es sich dabei um eine für den Dienst völlig ausreichende „Schnellwäsche“ der wichtigsten Körperteile.

Vermerk:

Nach der Grundausbildung hörte sich das Gepfeife frühmorgens Gott sei Dank auf. Wir waren von da an für das Wecken und das Aufstehen selbst verantwortlich. Um die Schlafphasen morgens um ein paar wenige Minuten verlängern zu können und Zeit zu gewinnen, hielten wir uns aber nach wie vor an die „sibirische Punktwäsche“.

Die ausführliche Körperpflege stand erst abends vor dem „Ausrücken ins Nachtleben“ auf dem Programm.

Jetzt ging es also los!!!!

Die nachfolgende Zeremonie, die von nun an jeden Morgen und um Punkt 07.00 Uhr stattfinden sollte, nannte man dienstlich den Morgenappell, leger hieß es „das Antreten“.

Vierzig, zum Teil sehr blasse zukünftige Staatsdiener, standen nun nach lautstarker Anweisung sauber aufgereiht da. Sie erwarteten neugierig die Morgenansprachen der Vorgesetzten für den Tag. Die Gruppenführer meldeten dem Zugführer und der anschließend dem Chef der Hundertschaft lautstark: „Erster Zug der 21. Hundertschaft vollzählig zum Appell angetreten!!!“

Dieser bedankte sich schneidig und hielt seine tägliche „Morgenpredigt“.

Insgesamt befanden sich nun auf dem Vorplatz achtzig Polizeischüler perfekt in Reih und Glied.

Es waren noch weitere vierzig Mitstreiter in der Hundertschaft, welche uns in der Ausbildung ein Jahr voraus waren. Sie hatten einen anderen Tagesablauf und machten auf uns schon einen ziemlich routinierten Eindruck. Sie befanden sich alle im Rang eines Polizeioberwachtmeisters. Erkennbar an einem kleinen silberfarbenen Blechstreifen jeweils rechts und links auf dem Jackenkragen.

Fachmännisch ausgedrückt handelte es sich hier um einen „Kragenspiegel“ mit dem sogenannten „Hoffnungsbalken“, da der Auszubildende in der Hoffnung war, die anstehende Polizeiprüfung zu bestehen.

Unser Dienstrang war der eines Polizeiwachtmeisters und eigentlich noch gar nichts. Der „Kragenspiegel“ leer und komplett ohne Rangabzeichen.

3. 1.AUSBILDUNGSSTUFE

Wir starteten in die dreimonatige Grundausbildung, im Nachhinein ähnlich der bei der Deutschen Bundeswehr.

Ich hatte noch keine klare Vorstellung, was da auf mich zu kommt und erwartete mit Interesse die anstehenden Aufgaben.

Unser Gruppenführer hieß mit Namen Otto Hertle und war offensichtlich ein erfahrener Polizeibeamter im Alter von circa dreißig Jahren im Rang eines Polizeiobermeisters. Er erklärte in kurzen knappen Worten, dass jetzt der Ernst des Lebens beginnt. Er würde bei seinen Anordnungen keinerlei Widerspruch dulden und wir könnten durch ihn, das eigene Engagement natürlich vorausgesetzt, tadellose Staatsdiener werden.

Die erste Herausforderung war: Wie grüße ich richtig! Diese Respektsbezeugung wäre von äußerster Wichtigkeit, da man ja im Kasernenareal oder auch im Einsatz den einen oder anderen hochrangigen Polizisten sehen würde. Dabei war ein korrekter Gruß zwingend vorgegeben.

Ich dachte mir schon, dass dies nicht mit einem „Grüß Gott“ oder „Servus“ oder womöglich einem freundlichen „Hallo“ abgetan wäre, aber dass es so schlimm sein würde, habe ich nicht für möglich gehalten. Wir marschierten erstmalig zu dem freien Platz hinter dem Ausbildungsgebäude.

Dort empfingen wir die ersten Instruktionen zur richtigen Ausführung. Im Anschluss ging es sofort los mit den praktischen Übungen.

Die rechte Hand und deren Finger ausgestreckt am Schirm der wunderschönen Polizeimütze, dementsprechend der Ellenbogen abgewinkelt, ging es im Stechschritt mit durchgedrückten Knien, mit ernstem Gesichtsausdruck und mit ständigem Augenkontakt wortlos an der zu grüßenden Person, in diesem Fall Gruppenführer Hertle, vorbei. Diese „schwierige“ Übung musste jeder einzeln über sich ergehen lassen. Immer und immer wieder, stundenlang!!

Das dabei den beteiligten Kollegen und auch mir natürlich der eine oder andere Lacher rausrutschte, wurde mit der lauten Aufforderung „nach vorne weg marsch marsch!“ vom Gruppenführer sofort geahndet. Nicht der Grüßende, sondern der oder die Lacher mussten nun rennen was das Zeug hielt, bis der Ruf „volle Deckung!“ kam. Der Lauf war dann zwingend durch sofortiges Hinfallen bäuchlings auf den Boden zu beenden.

Nachdem man sich wieder hochgerappelt, die „volle Deckung“ aufgegeben und seine Uniform dementsprechend gesäubert hatte, durfte man in den „Schoß“ der Gruppe zurückkehren.

Man glaube mir, wir liefen und fielen ziemlich oft im Verlauf der gesamten Grundausbildung.

Ich erinnere mich noch an den außerordentlichen Kollegen Wolfgang Siedend aus München. Eine Gestalt, etwa 190 cm groß bei ungefähr 40 kg Lebendgewicht. Wolfgang hatte seinen langen Dienstmantel an und den Gürtel körperbedingt dermaßen eng geschnallt, dass der Mantel in Form eines Schwammerls (hochdeutsch: “Pilz“) nach unten aufgegangen war. Im krassen Gegensatz dazu seine spinnendünnen Beine und Riesenfüße mit geschätzter Schuhgröße 54. So ging er mit nach innen gebogenen Fingern an der Mütze mit todernster Miene und auffälligem Pendelgang am Gruppenführer vorbei. Ein Anblick, der mir heute noch nachträglich die Lachtränen ins Gesicht treibt.

Aber nicht nur das Grüßen musste gelernt werden, sondern auch das Marschieren im Gruppenverband und dazugehörig: Links um, rechts um, stillgestanden, habacht, rührt euch!

Irgendwie konnte ich das ganze Getue noch gar nicht mit dem Polizeiberuf in Verbindung bringen.

Einige Kollegen, die Ausbilder brüllten sie mit dem Ausdruck „Passgänger“ an, waren anfänglich nicht imstande, beim Marschieren im Zugverband die Schrittfolge einzuhalten. Das hatte zur Folge, dass sie ständig aus dem Tritt kamen und die restlichen nachfolgenden Jungpolizisten ebenso.

Ein stolpernder Haufen zukünftiger Staatsdiener. Ein Bild für Götter!

Der oder die Passgänger hörten dann gleichermaßen das schon bekannte „nach vorne weg marsch marsch!“ und alles Weitere wie beschrieben.

Ein Wahnsinn! Vor allen Dingen, weil sich dieser ungewohnte Ausbildungsabschnitt über mehrere Tage hinzog. Wenn das so weitergeht, na bravo!

Gott sei Dank waren wir schlussendlich alle imstande, perfekt zu Grüßen, schnell davon zu laufen, zu Boden zu stürzen, wieder aufzustehen und wunderbar zu marschieren.

Jeweils nach Beendigung dieser Außenübungen standen die Intensivreinigung der Uniform, der Schuhe und des kompletten Zimmers, inclusive Schränke und Betten, auf dem Programm. Also alles unglaublich wichtige Dinge, die einen jungen Polizeibeamten anscheinend zunächst einmal ausmachten. Die genaue Vorgehensweise wurde vom Gruppenführer in erneut strengem Befehlston erläutert.

Im Allgemeinen waren solche Reinigungen von einer schier unglaublichen Wichtigkeit.

Da wir unter der Woche in der Unterkunft wohnten und nur am Wochenende nach Hause fahren durften, gab es Freitagnachmittag den sogenannten Stubenappell. Die Gruppenführer kontrollierten die Sauberkeit der Schränke, deren Inhalt und die Zimmer im Allgemeinen. Es bedeutete, dass der Boden feucht gewischt, die Fenster geputzt und das Bett millimetergenau gefaltet sein musste. Wurde nur die geringste Unregelmäßigkeit gefunden erfolgte eine diesbezügliche Nacharbeit. Was unsauber war, bestimmten die Herren Gruppenführer. Dazu der saudumme Spruch: „Sehen Sie mich aufgrund des Staubes noch oder erkennen Sie mich nur an meiner Stimme!“

Die Willkür des Gruppenführers entschied im Endeffekt, wer heimfahren durfte und wer nicht. Es kam nicht selten vor, dass Kollegen aufgrund dessen nicht zum offiziellen Ende um 15.00 Uhr, sondern erst Stunden später ihre Heimfahrt antreten konnten.

Disziplin will gelernt sein!

4. FUNKAUSBILDUNG

Dieser nächste Schritt war für mich ein erstes persönliches Highlight!

Die polizeiliche Kommunikation im Einsatzgeschehen untereinander erfolgte mit Funkgeräten. Die Durchführung musste selbstverständlich ausführlich geübt werden. Die Einweisung in die hochkomplizierte Gerätschaft erfolgte im Rahmen mehrerer Dienstunterrichte.

Unser Funkgerät der Marke SEL, Typ FuG 6b, hatte ungefähr die Größe wie heutzutage ein mittlerer Laptop und besaß eine Sprechtaste so groß wie eine Zigarettenschachtel. Da dieses Teil nicht so leicht war, befand sich zusätzlich noch ein Trageriemen aus grobem Leinen am dunkelgrünen Plastikgehäuse.

Der Funkrufname des Ausbildungsverbundes war „Jupiter“ und der Funkverkehr war zunächst nur kasernenintern.

Die „richtige“ Polizei bekam also von unseren ersten Versuchen Gott sei Dank nichts mit.

Die Kollegen standen einige Meter voneinander entfernt in Sichtweite. Wer einen Sprechwunsch hatte, zeigte es per Handzeichen kurz an, drückte die Sprechtaste und schon ging es los:

Ein Funkgespräch lief zum Beispiel folgendermaßen ab:

-Jupiter 20 von Jupiter 21 bitte kommen ob verstanden

-hier Jupiter 21 verstanden bitte kommen

-Jupiter 20 von Jupiter 21 bitte kommen und Frage Standort kommen ob verstanden

-hier Jupiter 21 verstanden Standort Kaserne Dachau kommen ob verstanden

-hier Jupiter 20 verstanden bitte genauen Standort kommen ob verstanden…………………..usw.

Mein Gott, so ging das den ganzen lieben langen Tag an verschiedenen Plätzen im Areal der Kaserne.

Wunderbar anzuhören war Kollege Peter Brockmann.

Dieser liebte die Art der Kommunikation offensichtlich von der ersten Sekunde an. Er tat sich dementsprechend hervor und wollte ständig in der „ersten Reihe“ funken. Die Problematik bei ihm zeigte sich aber unmittelbar, weil er nicht imstande war, den Buchstaben „R“ auszusprechen.

Festzustellen, nachdem ein zehn Meter entfernter Funkgeräteanfänger eine Ratte laufen sah und ihm dies ohne Verzögerung sofort über Funk und in oben genannter Form übermittelte. Der Kollege mit dem „R-Fehler“ funkte unmittelbar danach zurück:

„Jupite 21 von Jupite 20 vestanden! Die atte wa mi bekannt, die wa vohe auch schon hie entlang geannt, ist ichtig hamlos also nicht gefählich, kommen ob vestanden!“

Auf das schallende Gelächter der Kollegenschaft und die darauffolgenden, diversen Strafläufe und Bodenstürze aufgrund der mangelnden Ernsthaftigkeit der Funksprüche gehe ich nicht im Einzelnen ein.

Im Verlauf der Ausbildung wurde das Ziel, eine kontrollierte und verständliche Unterhaltung per Funk in vollem Umfang, natürlich auch von Peter, erreicht.

Das „R“ konnte er aber nach wie vor nicht aussprechen. Die genannte Ratte wurde nie mehr wieder im Gelände gesehen.

Peter Brockmann quittierte trotz seiner Liebe für das Funken nach kurzer Zeit als erster den Polizeidienst und wurde später Automechaniker in Gröbenzell im Landkreis Fürstenfeldbruck. Der Polizeiberuf war anscheinend nicht das Richtige für ihn.

5. WAFFEN UND GELÄNDE

Der nächste Abschnitt war der Waffenausbildung gewidmet.

Bei den Dienstwaffen handelte es sich um eine Pistole, Kaliber 7,65 der Marke Walther sowie einem Gewehr mit der Bezeichnung G1. Der Umgang mit diesen musste logischerweise zwingend erlernt werden.

Die Schusswaffen unserer Ausbildungshundertschaft wurden in einer speziell gesicherten Waffenkammer aufbewahrt. Der sogenannte Waffenwart, ein Beamter des Stammpersonals, war für diesen Raum verantwortlich. Die Waffen erhielten wir zum praktischen Unterricht gegen Unterschrift ausgehändigt und mussten nach Übungsende zurückgegeben werden. Im Anschluss erfolgte die erneute Verwahrung.

Ohne den Waffenwart war es nicht möglich, Zugriff auf eine Pistole oder ein Gewehr zu bekommen.

Die Gruppenführer vermittelten uns in zahlreichen Stunden den Aufbau der beiden gefährlichen Gerätschaften. Wir lernten, wie sie funktionieren, wie man sie zerlegt, wieder zusammenbaut und selbstverständlich dem allerwichtigsten Punkt! Wie man sie reinigt!

Der Sauberkeitswahn, anderes kann ich es nicht nennen, war in der Grundausbildung schon massiv ausgeprägt. Nach jedem Übungsschießen mussten wir Gewehr und Pistole mit speziell entwickeltem Reinigungsgerät in den Zustand der Ausgabe versetzen. Für die Säuberung wurde teilweise mehr Zeit als für das Übungsschießen verwendet.

Also Waffe auf den Zimmern zerlegen, vom Pulverdampf befreien, anschließend mit Balistol Waffenöl ganz leicht einölen und wieder zusammenbauen. Dadurch sollte ein möglicher Rostbefall des Metalls verhindert und damit die Langlebigkeit gewährleistet werden.

Das Entfernen des eingebrannten Pulverdampfes war richtig mühsam. Es gab einige Kollegen, die sich den Schlauheitspreis am Bande verdient hatten. Für sie war das einfach viel zu zeitaufwendig. Um die Sache abzukürzen und sich wieder wichtigeren Dingen kümmern zu können, wurden die verschmutzten Einzelteile in ein Waschbecken gelegt und mit kochendem Wasser übergossen. Das war zwar für die Waffe nicht das Gesündeste, die Pulver-Rückstände aber hatten dadurch nicht die geringste Chance.

Das ging so lange gut, bis einer unserer Gruppenführer diese „ungeheuerliche“ Vorgehensweise mitbekam und dabei aus allen Wolken fiel. Diese Art der Arbeitserleichterung trieb ihm die Zornesröte ins Gesicht. Die ertappten Kollegen hatten nun für die nächsten Wochen die glorreiche Aufgabe, unter Aufsicht der gestrengen Vorgesetzten alle beim Schießtraining benutzten Waffen auf das Intensivste zu reinigen.

Mit schierer Muskelkraft und nicht mit Hilfe des kochenden Wassers.

Zur Umsetzung unseres erlernten Wissens kamen, außerhalb des Übungsschießens mit scharfer Munition in einem eigens dafür gebauten Schießstand, zusätzlich praktische Übungen dazu. Zu diesem Zweck entwarf man vermeintlich reale Szenarien. Danach wurde „Krieg der Welten“ gespielt. Wir formierten uns polizeitaktisch in Linien und bewegten uns ganz langsam, um etwaige Angriffe von Rechtsbrechern adäquat bekämpfen zu können.

Ort der Übungen einmal mehr das Freigelände hinter unserem Gebäude.

Im Einsatzoverall, dem Stahlhelm auf dem Kopf und bewaffnet mit dem wunderbar gereinigtem Gewehr G 1 und der wie neu glänzenden Pistole Walther, Kaliber 7,65 gingen wir geschlossen gegen imaginäre Staatsfeinde vor. Die Waffen waren bei solchen Übungen selbstredend nicht geladen.

Willi und ich „kämpften“ Seite an Seite. Nach einiger Zeit sagte er: “Mogst du den abgrundtiefn Schmarrn no länger midmacha oder ned.“ Da mir diese Übung völlig überflüssig erschien, flüsterte ich ihm zu, dass mir das absolut keinen Spaß machen würde und wollte wissen was er vorhatte. Er meinte leise: „Pass auf, i vertritt mir jetzt an Haxn und du stolperst und foist auf dei Gwahr, bei drei geht’s auf!“ Gesagt getan. Eins, zwei, drei und wir lagen verkrümmt und schreiend auf der Erde. Otto Hertle sprintete zur „Unfallstelle“ und wollte wissen was passiert ist. Mit schmerzverzerrten Gesichtern erklärten wir unser Missgeschick.

Die Übung war aufgrund dessen sofort für uns beendet. Augenzwinkernd flüsterte Willi zu mir: „Sigst, des hod etzad richtig guad funktioniert“. Wir schleppten uns beide in Richtung Unterkunft in der Hoffnung auf die dringend erforderliche ärztliche Behandlung. Ein Bild des Jammers. Mit einem eigens bestellten Dienst-Kfz wurden wir zum Polizeiarzt transportiert.

Jeder Polizeischüler durfte im gesamten Verlauf der Ausbildung die sogenannte „Freie Heilfürsorge“ in Anspruch nehmen. Eine Behandlung aufgrund Krankheit oder Verletzung erfolgte zuerst durch den in der Kaserne stationierten Polizeiarzt in der eigens vorhandenen Krankenabteilung und war völlig umsonst. Ich meine damit natürlich „kostenlos“.

Erlitt der Beamte schwerwiegendere Erkrankungen oder Verletzungen, wurde dieser an einen Facharzt außerhalb der Kaserne überwiesen. Auch die weiterführende Behandlung übernahm kostentechnisch Vater Staat.

In unserer Krankenabteilung, kurz das „Revier“ genannt, praktizierte ein angenehm ruhiger und sehr freundlicher Polizeiarzt, Dr. med. Krocker. Ein wunderbarer Mensch mit großem

Fachwissen und Einfühlungsvermögen. Ihm zur Seite zwei hübsche Krankenschwestern sowie zwei routinierte Polizisten mit Sanitätsausbildung. Dazu später aber mehr.

Der Doktor diagnostizierte bei Willi eine Bänderdehnung im Knie und bei mir eine schwere Prellung des Ellenbogens. Wir wurden beide für „EAD“, das hieß „ Eingeschränkt Außendienstfähig“, deklariert. Es bedeutete die vollständige Befreiung von allen Übungen im Verlauf der nächsten Tage. Darüber waren wir aufgrund unserer „unglaublichen“ Leiden schon sehr froh.

Selbstverständlich schonten wir uns in dieser Zeit, um etwaige Spätfolgen zu vermeiden und unsere volle Dienstfähigkeit auf dem schnellsten Weg wieder zu erlangen. Mir ging es bald wieder besser. Dank der Ruhe und der allgegenwärtigen, in Polizeiarztkreisen gern verwendeten Salbe mit Namen MOBILAT. Diese „heilte“ fast jede Krankheit innerhalb kürzester Zeit.

Nur bei Willi „versagte“ sie und ich machte ich mir große Sorgen. Immer wieder diese Schmerzen und keine offensichtliche Besserung in Aussicht. Mein Gott, dieser arme Mensch!

Nur an einem Tag der Woche waren seine Schmerzen wie weggeblasen, nämlich……….

6. MITTWOCH!!

In unserem Speisesaal wurden jeden Mittwoch zum Frühstück frische Spiegeleier angeboten.

Es waren die besten der Welt, aber leider nur in begrenzter Anzahl erhältlich.

Um in deren Genuss zu kommen, musste man nach dem Antreten schnell wie ein Windhund sein. Die Entfernung von unserer Unterkunft bis zum Saal betrug knapp hundertfünfzig Meter.

Willi schaffte diese Strecke im Sprint in Uniform und mitgeführtem kariertem Besteckbeutel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter zehn Sekunden. Einfach unschlagbar!!!!

Diese unglaubliche Höchstleistung hatte aber zur Folge, dass sich der Zustand seines eh schon strapazierten Knies aufgrund dieser extremen Belastung mittwochs immer wieder verschlechterte. Nach dem Verzehr des köstlichen Frühstücks musste er sich jedes Mal in ärztliche Behandlung begeben.

Der Willi war so eine Art netter „Bandit“ den man einfach gern haben musste und ihm überhaupt nicht böse sein konnte. Dem Polizeiarzt ging es vermutlich nicht anders. Willi nahm aufgrund seiner schweren „Behinderung“ und mit ärztlicher Genehmigung an keiner weiteren Übung mehr teil und hatte den Dauerstatus „EAD“.

Ich muss hier in aller Deutlichkeit sagen, dass die Eier wirklich fantastisch waren und von uns regelrecht verschlungen wurden.

Das der Mittwochvormittag nach dem Frühstück dienstlich gesehen mit einer zweistündigen Schwimmausbildung im Hallenbad in Karlsfeld weiterging, tat dem Genuss keinen Abbruch. Ein schöner Anblick waren die jungen und vollgefressenen Auszubildenden in ihren grünblauen Polizeibadehosen bestimmt nicht.

Erschwerend kam noch dazu, dass im Hallenbad der Mittwoch immer der „Warmbadetag“ war. In dieser geschätzt dreißig Grad warmen Chlor-Brühe wurden von uns schwimmtechnische Höchstleistungen verlangt. Wir absolvierten die Rettung von Personen aus dem Wasser sowie Leistungsschwimmen auf Zeit und das Herausholen eines Eisenringes aus dem ungefähr sechs Meter tiefen Sprungturmbecken.

Die Durchführung der geforderten Übungen war aufgrund des üppigen Frühstücks beileibe nicht einfach, aber egal, die Spiegeleier gingen einfach vor und waren zu wichtig, da das restliche Speisenangebot nicht unbedingt Sterne-Niveau erreichte.

7. HANDGRANATE

Eine ebenfalls absolut wichtige Sache in der Ausbildungsstufe war, der Sinn des Ganzen hat sich mir bis heute noch nicht erschlossen, das Werfen einer gefährlichen, scharfen Handgranate.

Zu diesem Zweck erfolgte eine Einweisung in deren Handhabung von unserem Zugführer, Herrn Köpp.

Zur Übung verwendeten wir spezielle blaue Plastikhandgranaten, die nur mit einer ganz geringen Sprengladung befüllt waren. Im Grunde genommen harmlos, aber sehr laut und vergleichbar vielleicht mit der Kraft eines mittleren Silvesterkrachers.

Nach der Theorie-Einweisung schritten wir zur Tat. In voller Montur, also mit Einsatzanzug, Stahlhelm usw. absolvierten wir erneut auf unserem Freigelände unter Aufsicht des Zugführers und der Gruppenführer unsere ersten Würfe.

Kollege German Deuthell gelang es auf wundersame Art und Weise, nach Entfernen von Sicherheitsstift und Sicherungsbügel die Granate in Richtung Zugführer zu werfen. Das blaue Ding flog und flog und fiel ihm genau vor die Füße. Im Anschluss an die minimale „Explosion“ der Granate explodierte auch unser Zugführer, und zwar wesentlich heftiger. Als Folge davon verbrachte German auf dem Freigelände eine nicht unerhebliche Zeit mit „nach vorne weg marsch marsch!“ und „volle Deckung!“. Der nächste Langläufer war Kollege Wolfgang Siedend. Dieser brachte es doch tatsächlich fertig, den Sicherheitsstift zu entfernen und anschließend den Sicherungsbügel weit weg zu werfen. Den Sprengkörper hielt er mit beiden Händen fest. Nach dieser Explosion begab er sich mit rußgeschwärzten Händen ebenfalls zu Fuß auf eine längere Erkundung unserer „Laufstrecke“.

Nach Abschluss dieser Übungseinheiten wurde es ein paar Tage später erstmalig richtig ernst.

Wir verlegten zum Truppenübungsplatz der Bundeswehr in die Stadt Eichstätt und warfen nach einer Sicherheitseinweisung durch deren Angehörige die jetzt echten und somit scharfen Handgranaten.

Nur ganz kurz! Alle haben überlebten und es gab keinerlei Verletzungen. Gott sei Dank! Kapitel Handgranate für immer erledigt und weiter geht’s!

8. ORIENTIERUNGSMARSCH

„Ein Orientierungsmarsch ist das Zurücklegen einer bestimmten Strecke im Gelände unter Einbeziehung von Orientierungspunkten, um die Fähigkeit zu trainieren, innerhalb einer vorgeschriebenen Zeit in dem fremden Gelände den Weg zu finden.“

Warum auch immer, ein derartiger Marsch war auch in unserem Ausbildungsplan vorgesehen.

In einigen wenigen Unterrichtsstunden erlernten wir in der Theorie die Kenntnisse zur Bewältigung dieser Aufgabe.

Gruppenführer Hertle erklärte uns die Geländekarte, den Kompass und wie die dazugehörige Marschzahl zu verwenden ist.

Mit dem Gefühl, uns richtig an diese Herausforderung herangeführt zu haben, ging es an die praktische Umsetzung.

Für die Übung war ein ganzer Tag eingeplant.

An einem Mittwochnachmittag wurden wir in Halbgruppen zu je vier Mann aufgeteilt und mit den „Hilfsmitteln“, wie oben beschrieben, ausgerüstet. In meiner Gruppe befanden sich Harry, Engelbert und Sigi.

Am Donnerstag in den frühen Morgenstunden erfolgte der Transport. In unserem Kampfanzug, bewaffnet und den Stahlhelm untergehängt, bestiegen wir die Gruppenfahrzeuge. Der Marsch fand überraschender Weise nicht im Kasernengelände statt. Ganz im Gegenteil! Wir wurden ins Dachauer Hinterland in Richtung Markt Indersdorf transportiert und nach kilometerlanger Fahrt in der „Pampa ausgesetzt“, fern ab jedweder Zivilisation.

Gruppenführer Hertle verabschiedete sich mit den Worten: „Ich hoffe für euch meine Herren, ihr findet den Weg zurück, denn eine Abholung und Rückführung ist nicht vorgesehen!“

Wir trennten uns von ihm mit den leise zu uns gesprochenen Worten: „Red Du nur, mia sann schnella wieda da als du denkst!“

Dieser Satz sollte sich jedoch nicht so ganz bestätigen!

Schon bald bemerkten wir, dass doch ein gewaltiger Unterschied zwischen Theorie und Praxis bestand.

Innerhalb kürzester Zeit war unser erlangtes „Theoriewissen“ über Marschzahl etc. komplett aus der Gehirnregion „ich weiß was ich tue“ gelöscht.

Nun war guter Rat teuer.

Erster Ansprechpartner bezüglich Rückführung in das Kasernengelände war natürlich Harry aus Dachau. Wir gingen davon aus, dass er als gebürtiger Dachauer selbstverständlich auch sein Umland wie seine „Westentasche“ kennen müsste.

Dies war aber leider nicht der Fall und Harry antwortete leicht genervt: „Mich braucht ihr da gar nicht fragen, weil ich meiner Lebtag noch nie im Hinterland von Markt Indersdorf war!“

Da wir also seitens des „Eingeborenen“ somit keinerlei Hilfe erwarten konnten, gingen wir jetzt erst einmal los. Vermutlich in unser sicheres Verderben.

Nach einigen beschwerlichen Kilometern Marsch durch Wälder und über Wiesen das Licht am Ende des Tunnels. Ein kleiner Bauernhof!

Nachdem wir diesen erreicht hatten, sahen wir aus einer Scheune kommend einen kleinen älteren Bauern. Sichtlich erschrocken empfing er uns mit den Worten: „Jetz is so weit, anscheinend is der Krieg ausbrocha und ich hob nix mitkriagt davo!“

Wir beruhigten ihn selbstredend sofort und erklärten ihm unsere missliche Lage. Er fing daraufhin an zu Lachen und klärte uns dahingehend auf, dass wir nicht nach Dachau, sondern in entgegengesetzter Richtung unterwegs wären. Nach einer kurzen Stärkung, es gab netterweise von seiner Frau Milch und Butterbrote, marschierten wir mit einer von ihm erhaltenen Wegbeschreibung weiter.

Wieder in den tiefen Wäldern unterwegs verloren wir Superhelden erneut die Orientierung und standen nach ungefähr einer halben Stunde wieder vor dem Bauernhof. Der Bauer und seine Frau schüttelten sich jetzt beide vor Lachen. Er bot uns mit feuchten

Augen an, dass er uns mit seinem Traktor an einen Ort in der Zivilisation bringen würde. Von dort aus sollten sogar wir problemlos den Rückweg schaffen. Dieses Angebot nahmen wir freudig an und bestiegen das landwirtschaftliche Gerät.

Nach einer längeren Fahrt über holprige Feldwege erreichten wir das Pfarrdorf Hirtlbach, etwa zehn Kilometer von Dachau entfernt.

Wir verabschiedeten uns von unserem „Retter“ freudig mit den Worten „leben Sie wohl“ denn das übliche „auf Wiedersehen“ war hier unsererseits nicht mehr wünschenswert.

Nach kurzer Zeit erreichten wir glücklicherweise eine Bundesstraße aber immer noch weit entfernt von unserem Zielort.

Engelbert war das Marschieren zu blöd geworden und Sigi hatte sich bereits blutige Blasen gelaufen. Beide schlugen aufgrund der noch zu gehenden Kilometer vor, eventuell per Anhalter eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Wir waren einverstanden und stellten uns an den Straßenrand mit erhobenem Daumen.

Vier Beamte der Bayerischen Bereitschaftspolizei mit Stahlhelm und Kampfanzug - was für eine Szene!

Nach kurzer Zeit stoppte doch tatsächlich ein kleiner Transporter. Der Fahrer, ein freundlicher Italiener, fragte neugierig: „Wassa ihr machen da alle neben Straße? Habt ihr nix Bundeswehrauto oder issa kaputt?“

Peinlich berührt klärten wir ihn über unseren Status als Polizeibeamte auf und baten um Mitnahme. Er meinte lächelnd, dies sei „naturalmente no problema“ und öffnete die Heckklappe seines Fahrzeuges.

Erleichtert stiegen wir in den Frachtraum und ließen uns ungefähr einen halben Kilometer vor der Kaserne absetzen.

Den Rest der Strecke legten wir korrekterweise zu Fuß zurück und erreichten zwar spät, aber überglücklich ob des „Erfolges“ unser Hundertschaftsgebäude.

Auf Nachfrage unseres Gruppenführers wie es denn so war, erklärten wir lässig unisono: „Das ist ja bis jetzt eine unserer leichtesten Übungen gewesen. Das könnten wir jeden Tag machen! Wir haben extra ein bissl länger gebraucht, weil die Gegend so schön anzusehen war!“

Was für eine Bande von Schwätzern!!!

9. SCHREIBMASCHINENAUSBILDUNG

Wer kennt sie nicht, die bayerischen TV-Vorabendserie „Polizeiinspektion 1“.

Um dem 1-Finger-Suchsystem der Fernsehbeamten Schöninger, Moosgruber und Heindl entgegenzuwirken, war eine Ausbildung im Schnell- und Blindschreiben im 10-Finger-System an der Schreibmaschine unverzichtbar. Neben unserem Sportplatz befand sich ein kleiner Flachbau, der Schreibmaschinensaal.

Im Inneren standen ungefähr zwanzig Schreibmaschinen der Marke Olympia. Da dies das am häufigsten dienstlich verwendete Modell auch außerhalb der Bereitschaftspolizei darstellte, war der Umgang damit intensiv zu beschulen und anschließend eine Prüfung abzulegen.

Gut, es war mit Sicherheit nicht die Wichtigste, musste aber trotz allem bestanden werden, eine „lockere“ Handhabung vorausgesetzt.

Nach vielen Stunden schreiben mit Taktgeber und gefühlt hunderten von beschriebenen Blättern war endlich diese Prüfung angedacht. Am Tag der Durchführung war der Prüfungstext für die Kollegen und auch meiner Wenigkeit in einem links am Schreibtisch festgeschraubten Plastikrahmen fixiert.

Wir hatten uns bezüglich des Blindschreibens nicht allzu viele Gedanken gemacht.

Die Überraschung war dementsprechend groß, nachdem der leitende Ausbilder vor dem Start die Tastatur der Schreibmaschinen mit einem Blatt abdeckte.

Ich glaube, dass im Rahmen dieser Prüfung das „Multitasking“ erfunden worden ist.

Wenn ein Außenstehender das hätte beobachten können, er wäre vermutlich vor Lachen umgefallen.

Unter leichtem nach unten Wegrutschen vom Stuhl sowie mit zusätzlichem Verdrehen des Körpers und dem gleichzeitigen Hochblasen des angebrachten Sicherungspapieres gelang es, den Text „blind“ abzuschreiben.

Der Ausbilder hat das „natürlich nicht gesehen“ und wir bestanden alle die Prüfung mit Auszeichnung.

Zur Bestätigung erhielten wir eine schöne Urkunde mit der Aufschrift: „Hat mit Erfolg an der Schreibmaschinenprüfung teilgenommen.“

10. RIGAN CLUB - DER ANFANG

Zu der bereits vorher erwähnten Residenzpflicht war im 1. Ausbildungsjahr nur der Ausgang bis Mitternacht erlaubt.

Das hieß, wir hatten nach Dienstende um 16.00 Uhr Freizeit bis Mitternacht. Ab 24.00 Uhr war Sperrstunde und wir waren per Dienstanweisung verpflichtet, uns zwingend wieder in den Zimmern der Unterkunft zu befinden. Dies wurde in gewissenhafter Art und Weise durch einen „Wachhabenden vom Dienst“, dem „WvD“, einem Angehörigen des Stammpersonals, schriftlich nach einem Kontrollgang protokolliert.

Um die knapp bemessene Zeit sinnvoll zu nutzen und die nähere Umgebung des Ausbildungsstandortes kennen zu lernen, ging ich mit Willi und dem mittlerweile kennengelernten und wahnsinnig netten Kollegen aus dem „schönsten Dorf Bayerns“, Anger bei Bad Reichenhall, Manfred Derringer, sofort nach Dienstende auf „Erkundungsgang“.

Manfred war ein aktiver Ringkampfsportler und ein riesiger Fan des damaligen Weltklasseringers Wilfried Dietrich, dem „Kran“.

Wir entdeckten in unmittelbarer Nähe des John-F.-Kennedy-Platzes mehrere Einkaufsmöglichkeiten, ein Kino, einen wunderschönen Biergarten, einige Restaurants und eine Diskothek mit Namen „Rigan Club“! Wir beschlossen, dieses Lokal noch am gleichen Abend aufzusuchen und bereuten es nicht.

Diese Disko war der Wahnsinn!!

Hallo, wir befanden uns in Dachau bei München, eigentlich einem Vorort davon, die liebenswürdigen Dachauer Einwohner mögen es dem Münchner Schnösel verzeihen. Tolle

Musik, schöne Frauen, günstige Preise und vielleicht fünfhundert Meter von unserem dienstlichen „Wohnort“ entfernt!

Das vermeintliche Paradies auf Erden!

Im Verlauf unseres ersten Einsatzes gleich Live-Musik! Der „Rigan Clan“! Eine Rock`n`Roll Band der Superlative. Der Sänger, Richard Rigan, konnte ohne Probleme stimmlich als auch vom Aussehen her als Double von Elvis Presley durchgehen. Das Lokal proppenvoll und wir nach kurzer Zeit auch.

Die Hemmungen fielen und Manfred aus Anger tanzte mit einem hölzernen Barhocker so heftig „Boogie“, dass es den Geschäftsführer, einem unheimlich netten und gutaussehenden Italiener mit Namen „Nicola“, auf den Plan rief. Mit seiner ruhigen, souveränen Art, geschuldet wahrscheinlich auch der langjährigen Erfahrung aus dem Nachtgeschäft, brachte er Manfred dazu, seine hölzerne Freundin wieder an den Ort des Kennenlernens zurück zu stellen und seine Begeisterung anderweitig auszudrücken.

Manfred, wie erwähnt ein Ringkampfsportler, erklärte uns, dass dieser Geschäftsführer jetzt gerade sehr großes Glück hatte, dass er so freundlich zu ihm war. Ansonsten wäre er durch einen „Souples“ (Ausdruck für einen gefährlichen Ringergriff, ich glaube ein „Ausheber“) von ihm zu Boden gezwungen worden! Originalton: „Deen hädd i owedruggt am Bodn, so schnell hädd der gor ned schaun kenna!“

Nach einigen Sekunden waren diese Gedanken aber nur noch Schall und Rauch und Manfred vergnügte sich mit einer etwas beleibteren Brünetten, in deren Richtung er sich mit zuckenden Bewegungen getanzt hatte.

Seine Auswahlkriterien der Damenwelt gegenüber waren überschaubar und nicht besonders wählerisch. Sie musste „a Hoiz vor der Hüttn“, ein gewisses „Eigengewicht“ und das Wichtigste: einen „frischen Speck“ im Kühlschrank haben.

Unter diesen Voraussetzungen war Manfred Derringer zu allen Schandtaten bereit.

Da Geschäftsführer Nicola uns drei Burschen noch nie gesehen hatte, fragte er bei Willi und mir natürlich nach. Wir sagten stolz und redselig ob des genossenen Alkohols, dass wir erst seit Kurzem in Dachau und Polizeibeamte in Ausbildung aus der nahegelegenen Kaserne wären. Irgendwie hatte es da schon „Klick“ gemacht zwischen uns und dem Nicola. Man konnte die gegenseitige Sympathie von Beginn an spüren.

Aufgrund der vorgegebenen Sperrstunde mussten wir unsere zukünftige Stammdisko gegen 23.45 Uhr verlassen. Über den Status „Stammdisko“ waren wir uns nach der kurzen Zeit schon zu hundert Prozent sicher und hatten vor, hier bald wieder zu erscheinen.

Dieses „bald“ war logischerweise gleich am nächsten Tag. Sofort nach Dienstschluss absolvierten Willi und ich einen kurzen Vorbereitungsschlaf. Gegen 20.00 Uhr zogen wir wieder los. Herr Derringer sah sich aufgrund der vorangegangenen Nacht diesmal nicht dazu in der Lage. Er zog es vor, aufgrund muskulärer Probleme vom Tanzen, sich vom Bett aus den damals noch nicht so zahlreich vorhandenen TV-Programmen zu widmen.

Die Disko war diesmal nicht so stark besucht und man hatte Zeit, sich mit Nicola zu unterhalten und auch das Personal etwas näher zu betrachten.

Eine Bardame namens Helga faszinierte uns total. Damals circa dreißig Jahre alt, mit langen blonden Haaren und einem unglaublichen Körperbau. Einfach ein engelsgleiches Wesen! Naheliegend, dass wir bei ihr an der Bar unser Zelt aufschlugen. Wir hatten einen tollen aber viel zu kurzen Abend. Nicola machte uns den Vorschlag, im Lokal als „Türsteher“ tätig zu sein. Nach seiner Aussage hätte er größtes Vertrauen in einen Polizeibeamten und er wäre ideal für diesen, nicht gerade einfachen Job. Er könnte aber kein Gehalt bezahlen, sondern nur kostenlose Getränke für den jeweiligen Arbeitsabend anbieten. Willi war sofort dabei und seine Begeisterung kannte keine Grenzen. Bei mir war es aufgrund meiner erst siebzehn Lenze etwas ganz anderes. Ich konnte Nicolas Vorschlag vor meinem achtzehnten Geburtstag im September nicht annehmen, sicherte ihm aber zu, bis dahin ein treuer Stammgast zu sein und Willi bei seiner Tätigkeit zu unterstützen. Zusätzlich würden wir die Disko im Kollegenkreis bekannt machen. Pünktlich um Mitternacht befanden wir uns wieder im Zimmer und schliefen, in dem Glauben alles richtig gemacht zu haben, tief und fest.