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Auf Leben und Tod – Connor Reeves ist wieder im Einsatz!
Connor Reeves hat ein Angebot vom MI6 bekommen, das man nicht ablehnen kann. Nachdem die Bodyguard-Organisation infolge eines verheerenden Anschlags aufgelöst worden ist, wird er nun als verdeckter jugendlicher Ermittler für den Auslandsgeheimdienst arbeiten. Zusammen mit neuen und vertrauten Kollegen soll er gleich bei seinem ersten Einsatz ein kriminelles Bandennetzwerk infiltrieren. Doch dann meldet sich ein alter Widersacher zurück und erpresst Connor, einen tödlichen Anschlag zu verüben ...
Die heiß ersehnte Fortsetzung der Action-Abenteuer-Bestseller-Serie »Bodyguard«
Die Bodyguard-Reloaded-Reihe:
Bodyguard Reloaded - Die Entführung (Band 1)
Bodyguard Reloaded - Der Überfall (Band 2) erscheint im Frühjahr 2025
Bodyguard Reloaded - Die Geiselnahme (Band 3) erscheint im Frühjahr 2026
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Seitenzahl: 380
CHRIS BRADFORD
DIE ENTFÜHRUNG
Aus dem Englischen von
Alexander Wagner
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Erstmals als cbt Taschenbuch September 2024
© 2024 Chris Bradford
© 2024 für die deutschsprachige Ausgabe
cbj Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Übersetzung: Alexander Wagner
Lektorat: Lektorat Stenger & Rode GbR, München
Umschlaggestaltung: semper smile, München
unter Verwendung der Gestaltung und Abbildung von © Larry Rostant
MP · Herstellung: UK
Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss
ISBN 978-3-641-30565-9V002
www.cbj-verlag.de
Für meine Familie,
Marcela, Zach, Leo und Ollie.
Das Wichtigste schützen.
Connor war in bester Angriffsposition. Nachdem er die Verteidigung überwunden hatte, fehlte nur noch ein gut platzierter Schuss. Aber dazu musste er all sein Können, sein Training und seine Kraft einsetzen. Und das Timing musste ebenfalls perfekt sein.
Als sich das Zielobjekt näherte, sprang Connor in die Luft und setzte zu einem vernichtenden Spinning Kick an. Sein Fuß traf das Ziel, der Ball schoss in Richtung Tor … und segelte weit über die Latte hinweg! Irgendwo außerhalb des Parks landete er.
Die Spieler der gegnerischen Mannschaft lachten über Connors Schuss ins Blaue, aber der Torwart, ein Junge aus Connors Schule mit sportlicher Figur und einem Knoten tiefschwarzer Dreads, war stinksauer. Schließlich gehörte ihm der Ball.
»Da ist noch Luft nach oben, Karate Kid!«, rief er. »Das ist Fußball, kein Kickboxen.«
Connor zuckte verlegen die Schultern. Zugegeben, er war nicht der beste Fußballspieler. Aber immerhin war er britischer Meister im Kickboxen gewesen und trainierte immer noch Kampfsport. Im Laufe der Zeit hatte er seine Kampftechniken so verinnerlicht, dass er oft schon reagierte, bevor er die Bedrohung überhaupt richtig wahrgenommen hatte. Das bedeutete aber auch, dass seine Schüsse beim Fußballspielen manchmal etwas zu energievoll ausfielen.
»Keine Sorge, Jordan, ich finde den Ball schon«, sagte Connor.
»Viel Glück dabei«, antwortete Jordan spöttisch. »Ich glaube, den hast du auf Nimmerwiedersehen in die Mondumlaufbahn geschossen!«
Mit einem verlegenen Lächeln joggte Connor an ihm vorbei durch das Tor des Parks und auf die Straße. Am Straßenrand blieb er stehen und sah sich nach dem verschwundenen Ball um. Auf der Straße war alles ruhig. Der Himmel an diesem Sonntagnachmittag war strahlend blau und es herrschte kaum Verkehr in diesem grünen Vorort im Osten Londons. Auf der anderen Straßenseite befand sich ein schickes Café. Einer dieser teuren, exklusiven Läden, in denen der Kaffee ein Vermögen kostete und die Kuchen eher an Kunstwerke erinnerten. Anscheinend schreckten die Preise die Leute ab, denn es waren nur wenige Gäste da. Ein junges Mädchen mit glänzenden schwarzen Haaren und leicht gebräuntem Teint saß allein an einem Tisch auf der Terrasse. Sie schien etwa in Connors Alter zu sein, also fünfzehn, war aber wie ein Model gekleidet, mit einer teuren Designersonnenbrille, einem schicken Top, kunstvoll zerrissenen Jeans und perlweißen Pumps. Sie nippte an ihrem Kaffee und scrollte scheinbar gelangweilt auf ihrem Handy.
Bei den beiden anderen Kunden handelte es sich um zwei massige Männer mit breiter Brust und Granitkinn. Der eine hatte eine platte Boxernase, der andere eine Zickzacknarbe über der linken Augenbraue. Ihre muskulösen Arme waren mit bunten Tätowierungen von Totenköpfen, Messern und doppelköpfigen Adlern verziert. Die beiden waren, gelinde gesagt, furchterregend. Kein Wunder, dass in dem Café nicht viel los war.
Für Connor sahen die beiden wie typische Türsteher aus, vielleicht sogar wie Bodyguards. Aber in dem Falle waren sie keine besonders guten. Sie waren weder unauffällig noch besonders wachsam. Der mit der flachen Nase lehnte träge an der Wand neben der Eingangstür, die tätowierten Arme vor der Brust gekreuzt, die Augen halb geschlossen. Der andere hockte auf einem Stuhl neben dem Mädchen und kratzte sich mit einem kleinen Taschenmesser den Dreck unter den Fingernägeln weg.
»Ist das dein Ball?«
Connor drehte sich um. Ein Stück die Straße hinauf stand ein kahlköpfiger Mann mit einer Nickelbrille und einem verärgerten Gesichtsausdruck. Offenbar war er gerade aus einem geparkten weißen Lieferwagen mit getönten Scheiben ausgestiegen. In der Seitenwand des Wagens befand sich eine kleine, runde Delle.
Connor nickte. »Tut mir leid …«
»Das sollte es auch!«, schnauzte der Mann und warf ihm den Ball zu.
Connor erwartete eine Fortsetzung der Standpauke, doch stattdessen wandte sich der Mann ab, öffnete die hinteren Türen des Wagens und kletterte wieder hinein. Kurz bevor sich die Türen schlossen, erspähte Connor im Inneren des Wagens etwas, das wie ein Überwachungssystem aussah: eine hinter einem der getönten Fenster angebrachte Videokamera, ein Richtmikrofon und eine Reihe von Überwachungsmonitoren.
Connor blickte in die Richtung, in die die Kamera zeigte. Sie zielte auf das Mädchen im Café.
»Das ist nicht deine Liga, Connor!«
Connor drehte sich um und sah Jordan auf sich zukommen. »Was?«
»Das Mädchen, du Idiot!«, antwortete Jordan grinsend. »Sie ist sehr hübsch, offensichtlich stinkreich und vielleicht sogar berühmt. Zumindest den beiden tätowierten Gorillas an ihrer Seite nach zu urteilen. Und du bist nichts dergleichen! Also gib mir den Ball und lass uns weiterspielen.«
Connor warf ihm den Ball zu. »Spielt ohne mich weiter.«
Jordans Augen verengten sich. »Ein Mädchen ist dir wichtiger als Fußball, Kumpel? Ernsthaft?«
»Darum geht es nicht«, erwiderte Connor.
Jordan schnaubte. »Wie auch immer. Pass bloß auf, die Typen sehen nach Ärger aus. Du willst doch keine Prügel kassieren oder … noch schlimmer … dich blamieren.« Er bedachte Connor mit einem bedauernden Kopfschütteln, bevor er zu den anderen in den Park zurückkehrte.
Aber Connor hatte keine Angst, sich zu blamieren. Er sorgte sich um das Mädchen. Er hatte ein ungutes Gefühl im Bauch. Das Mädchen wurde beobachtet, und da ihre Leibwächter offensichtlich abgelenkt waren, stellte sie ein leichtes Ziel dar.
Connor ließ seinen Blick die Straße hinauf- und hinunterschweifen. Es war kaum jemand zu sehen, also konnte sie nicht so berühmt sein. Ein Elektroauto fuhr lautlos vorbei und bog um die Ecke. Seltsamerweise gab es sonst kaum Verkehr. Der Lieferwagen mit den getönten Scheiben blieb am Straßenrand stehen, obwohl Connor bemerkte, dass jetzt der Motor lief. Eine Mutter mit Kinderwagen und einem Kleinkind spazierte vorbei und auf den Spielplatz im Park zu. Ein Stück die Straße hinauf verlangsamte ein athletisch aussehender Jogger sein Tempo, als er sich dem Café näherte. Der Jogger trug einen gestutzten Bart, ein eng anliegendes T-Shirt und eine grüne Baseballmütze, die er tief in seine Stirn gezogen hatte. Er war entweder sehr fit oder hatte gerade erst mit dem Laufen begonnen, denn trotz der Hitze schwitzte er kaum.
Connor beobachtete ihn aufmerksam, als er sich dem Café näherte. In diesem Moment trat eine rothaarige Frau mit einer übergroßen Sonnenbrille und einer leichten Sommerjacke aus einer Gasse und schritt zielstrebig auf das Mädchen zu. Connor blinzelte gegen die grelle Sonne und bemerkte, dass die Frau Lederhandschuhe trug.
Ungewöhnlich, an einem so heißen Tag, dachte Connor.
Dann entdeckte er die Pistole in ihrer Hand.
Instinktiv rannte Connor auf das Mädchen zu. Natürlich wäre er vernünftigerweise besser in Deckung gegangen und hätte es den beiden mutmaßlichen Leibwächtern überlassen, das Mädchen zu beschützen. Das entsprach jedoch weder seinem Charakter noch seiner Ausbildung. Außerdem …
Die beiden Muskelmänner hatten nichts von der Bedrohung mitbekommen. Bevor sie auch nur den Kopf gehoben hatten, hatte die Frau bereits ihre Pistole im Anschlag und auf den Mann mit der Narbe geschossen. Ein Pfeil traf seinen dicken tätowierten Hals, und er sackte bewusstlos auf den Tisch, wobei die Zuckerdose zu Boden krachte.
Der andere Muskelmann erwachte aus seiner Tagträumerei und stürzte sich auf die Schützin. Er hatte noch nicht einmal fünf Schritte gemacht, als die Frau ihm in die Brust schoss. Doch der Mann war enorm kräftig und kämpfte gegen die betäubende Wirkung des Pfeils an. Wie ein betrunkener Stier stampfte er auf sie zu.
Eigentlich hätte er die Frau mit Leichtigkeit umreißen müssen. Doch sie wich ihm mit der Grazie einer Tänzerin aus und ihr Handkantenschlag traf ihn mit chirurgischer Präzision am Hals. Der Mann war schon bewusstlos, bevor er den Boden berührte. Offenbar war die Frau nicht nur eine Scharfschützin, sondern auch eine erfahrene Kämpferin.
Das Mädchen, das einen plötzlichen und brutalen Angriff in wenigen Metern Entfernung miterlebt hatte, war in eine Art Schockzustand verfallen. Wie erstarrt saß sie an ihrem Tisch, die Kaffeetasse an den Lippen, das Handy auf dem Schoß vergessen.
»RENN!«, schrie Connor.
Doch zu spät. Der Jogger war herangekommen und packte sie von hinten. Ihre Kaffeetasse und ihr Handy purzelten auf den Bürgersteig. Zuerst schien es, als wollte der Mann das Mädchen in Sicherheit bringen. Doch dann zerrte er sie in Richtung des weißen Überwachungswagens.
Das Mädchen schrie und trat nach ihrem Entführer. Sie wehrte sich heftig, aber der Jogger hatte sie fest im Griff. Als Connor auf ihn zuschoss, um ihn zu stoppen, zielte die rothaarige Frau mit ihrer Waffe auf ihn. Auf offener Straße war Connor ein leichtes Ziel. Er duckte sich …
In genau diesem Moment stürmte ein dritter tätowierter Mann aus dem Café. Schlanker als die beiden anderen, war er auch schneller und wendiger. Bevor die Frau abdrücken konnte, packte er die Waffe und versuchte, sie ihr zu entreißen. Doch als er ihre Hand verdrehte, rammte sie ihm den Ellbogen in die Gurgel. Daraufhin entbrannte ein heftiges Handgemenge.
Da die Pistole nun keine direkte Bedrohung mehr darstellte, wandte sich Connor wieder dem Jogger zu. Er stürmte auf ihn zu und beförderte ihn mit einem Rugby-Tackling zu Boden. Das Mädchen wurde mit nach unten gerissen. Als sie auf dem Asphalt aufschlug, keuchte sie vor Schmerz, und ihre Designersonnenbrille segelte durch die Luft. Connor rollte sich ab, sprang auf und drehte sich um, um ihr aufzuhelfen. Doch ihr Entführer war bereits auf den Beinen.
»Das war mutig, aber dumm, Junge«, knurrte er. Während er auf Connor losging, zertrat er die Sonnenbrille des Mädchens unter seinen Füßen. »Und jetzt zermalme ich dich.«
Der Jogger schlug mit der Faust nach Connors Kopf. Connor duckte sich. Weitere Schläge folgten, schnell und hart. Connor duckte sich und wich aus, als wäre er im Kickboxring. Der Jogger wurde schnell frustriert und versuchte es mit einem wütenden Schwinger. Doch Connor blockte ihn ab und konterte mit einem Schlag in die Magengrube.
Aber der Mann zuckte nicht einmal zusammen. Er war zäh. Und er hatte eine große Reichweite. Connor kam nicht nah genug heran, um einen wirksamen Schlag zu landen. Er musste seine Taktik ändern, wenn er diesen Mann überwältigen wollte.
»Spielst du Fußball?«, fragte Connor plötzlich.
Der Jogger runzelte verdutzt die Stirn. »Was?«
Diesen kurzen Moment des Zögerns nutzte Connor. Wie im Park sprang er hoch in die Luft und setzte zu einem Spinning Kick an. Sein Fuß traf den Kiefer des Mannes mit voller Wucht. Der Entführer taumelte, seine Baseballkappe wurde ihm vom Kopf gerissen und über das Dach des Lieferwagens geschleudert.
TOR!, dachte Connor, als der Jogger bewusstlos zusammenbrach.
Das Mädchen setzte sich auf, ein wenig durchgeschüttelt, aber ansonsten unverletzt. Connor half ihr auf die Beine.
»Danke«, keuchte sie, strich sich die Haare aus den Augen und atmete tief durch.
»Es ist noch nicht vorbei«, sagte Connor und nickte in Richtung des Cafés. Die Rothaarige war zwar in einem Würgegriff gefangen, sie hielt aber immer noch die Waffe in der Hand. Sie drückte den Lauf nach unten und schoss dem dritten Bodyguard in den Oberschenkel. Sein Griff lockerte sich und er brach auf dem Bürgersteig zusammen.
Die Frau schaute sich um. Als sie ihren Komplizen bewusstlos am Boden liegen sah, zielte sie auf das Mädchen. Connor warf sich instinktiv vor sie. Er hörte den Pfeil an seinem Ohr vorbeizischen.
»Los, komm!«, befahl er und nahm das Mädchen bei der Hand. Er zog sie über die Straße in den Schutz eines geparkten Autos, während bereits ein neuer Pfeil durch die Luft schwirrte.
Da keine weiteren Schüsse folgten, spähte Connor vorsichtig durch die Windschutzscheibe des Wagens. Die Frau lud gerade nach. »Wir müssen hier weg«, sagte er. »Folge mir!«
Das Mädchen war zu geschockt, um zu widersprechen, und ließ sich von Connor mitziehen. Sie sprinteten hinter den Autos geduckt über den Bürgersteig und bogen in eine Gasse ein. Connor hörte, wie eine Autotür zugeschlagen wurde und kurz darauf Reifen quietschten.
»Los! Los! Los!«, rief Connor und trieb das Mädchen vor sich her. Mit hämmernden Schritten rannten sie aus der Gasse auf die Hauptstraße. Ein Auto hupte, als sie, ohne zu schauen, über die Straße eilten. Im selben Moment bog der weiße Lieferwagen um die Ecke und preschte auf sie zu.
»Hier lang«, rief Connor und lenkte das Mädchen in eine schmale Passage zwischen zwei Häusern. Der Lieferwagen raste vorbei.
»Wohin willst du?«, fragte das Mädchen, und ihr keuchender Atem hallte von den Wänden des Durchgangs wider.
»Dorthin, wo die nicht sind«, antwortete Connor. Sein Herz hämmerte wie wild in seiner Brust. »Was auch immer du tust, bleib auf keinen Fall stehen.«
Doch als sie aus der Passage traten, stoppte der weiße Lieferwagen direkt vor ihnen und versperrte ihnen den Fluchtweg. Die Seitentür glitt auf und die rothaarige Frau sprang heraus. Sie versuchte, das Mädchen zu packen.
Connor warf sich dazwischen und holte mit der Hand aus. Wie eine Kobra, die zuschnappt, schnellte sein Arm nach vorne und seine Handfläche traf die Frau mitten auf die Brust. Sie wurde zurückgeschleudert, als wäre sie von einem Rammbock getroffen worden. Sie prallte gegen die Überwachungsmonitore des Lieferwagens, rutschte zu Boden und rang nach Luft.
Der Mund des Mädchens stand vor Schreck offen. Sie wirbelte zu Connor herum. »Was war das?!«
»Der One-Inch-Push«, antwortete Connor.
»Wie Bruce Lee?«
Connor zuckte die Schultern. »So ähnlich.«
Das Mädchen starrte ihn mit einer Mischung aus Furcht und Bewunderung an. »Wer bist du? John Wick?«
»Nein, ich bin Bodyguard.«
»Zumindest war ich mal Bodyguard«, ergänzte Connor seufzend. »Aber jetzt lass uns schnell von hier verschwinden, bevor sie sich erholt.«
Sie ließen die rothaarige Frau auf dem Boden liegen, zwängten sich an dem Lieferwagen vorbei und eilten die Straße entlang. Hinter ihnen wurde eine Autotür aufgerissen und ein Mann schrie ihnen wütend hinterher. Wahrscheinlich war es der Fahrer, aber Connor kümmerte sich nicht weiter um ihn.
Als sie in eine Seitengasse einbogen, starrte das Mädchen Connor ungläubig an. »Ein Bodyguard? Du bist doch nicht viel älter als ich. Wie kannst du Bodyguard sein?«
»Das ist eine lange Geschichte«, antwortete er ausweichend. »Dafür haben wir jetzt keine Zeit.«
Ihm fiel auf, dass das Mädchen einen leichten Akzent hatte. Er konnte ihn nicht genau zuordnen, aber er klang osteuropäisch.
Als sie das Ende der Gasse erreichten, war Connor diesmal etwas vorsichtiger. Er vergewisserte sich, dass die Luft rein war, bevor er sie über die Straße führte. Dann bog er in die nächste Straße links ein, dann die nächste rechts, dann wieder links, um die Verfolger endgültig abzuschütteln. In der Nähe heulten Polizeisirenen durch die Straßen.
»Meinst du, die suchen uns?«, fragte das Mädchen.
Connor schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Wahrscheinlich sind sie auf dem Weg zum Ort des Überfalls.«
Als er das Mädchen in eine unbeleuchtete Unterführung führte, wurde sie langsamer. »Warte, wo bringst du mich hin?«
»Weg von der Gefahrenzone«, erklärte Connor. »Wenn wir an einem sicheren Ort sind, können wir …«
Plötzlich strauchelte das Mädchen.
Connor war sofort an ihrer Seite. »Alles in Ordnung?«
»Nein«, murmelte sie und stützte sich mit einer Hand an der Wand ab. »Ich bin Diabetikerin. Mir ist ein bisschen … schwindelig. Mein Blutzucker ist zu niedrig …«
Connor nahm sie am Arm. »In der Nähe ist ein kleiner Laden. Wir holen dir einen Saft.«
Dank seiner medizinischen Grundausbildung als Bodyguard wusste er, dass das Mädchen unterzuckert war. Wenn er nicht schnell handelte, konnte ihr Blutzuckerspiegel weiter sinken und sie würde ohnmächtig werden.
Gemeinsam trotteten sie langsam aus der Unterführung und entdeckten neben dem Geschäft eine Bank. Connor half dem Mädchen, sich hinzulegen, dann eilte er hinein und kaufte eine Packung Apfelsaft, ein Päckchen Gummibärchen und ein Sandwich. In wenigen Augenblicken war er wieder bei ihr. Er steckte den Strohhalm in die Packung und reichte ihr das Getränk. Dankbar stürzte sie es hinunter und aß dann ein paar Gummibärchen. Wenige Minuten später war sie wieder bei Kräften und saß aufrecht da.
»Tut mir leid«, sagte sie und errötete. »Das passiert manchmal, wenn ich nichts gegessen habe oder mich überanstrenge … wie gerade eben.«
»Mach dir keine Sorgen«, versicherte Connor und setzte sich neben sie. »Kein Wunder, nach allem, was du durchgemacht hast.«
Ihre haselnussbraunen Augen blickten ihn neugierig an. »Du wirkst so gefasst. Bist du gar nicht aufgewühlt von dem, was passiert ist?«
Connor nickte. »Doch, sogar sehr. Aber dafür sind Gummibärchen da«, sagte er und steckte sich eines in den Mund. »Süßer Trost.«
Sie lachte und war wieder ganz entspannt. »Also, Bodyguard, wie heißt du?«
»Connor. Und du?«
»Sofita.« Sie lächelte ihn an. »Aber meine Freunde nennen mich Sofi.«
Connor bot ihr das Sandwich an. »Das wird dir helfen, deinen Blutzuckerspiegel zu stabilisieren. Leider hatten sie nur das. Ich hoffe, du magst Käse?«
Misstrauisch beäugte sie das Sandwich. »Danke … sieht lecker aus«, sagte sie mit einem schwachen Lächeln. Sie entfernte die Verpackung, nahm einen Bissen von dem altbackenen Toast und dem labbrigen Käse und kaute langsam darauf herum. »Woher weißt du, was bei Unterzuckerung zu tun ist?«
»Ich habe eine medizinische Grundausbildung«, erklärte er.
Sofi hob die Hände und verdrehte die Augen. »Klar! Natürlich! Warum bin ich so überrascht? Bodyguard, Kampfsportler und ausgebildeter Arzt. Als Nächstes erzählst du mir, dass du auch Pilot bist und ein Flugzeug fliegen kannst!«
Als Connor nicht antwortete, starrte sie ihn ungläubig an. »Kannst du das?«
Connor lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein … aber ich kann Autofahren.«
Sofi beugte sich vor. »Woher kannst du das alles? Wie wird ein Teenager Bodyguard?«
Connor rutschte verlegen auf der Bank hin und her. Er hatte ihr schon viel zu viel verraten. »Es ist … kompliziert. Außerdem liegt das alles in der Vergangenheit … Wie auch immer, was ist deine Geschichte? Bist du berühmt oder so?«
Sofi verschluckte sich fast an ihrem Sandwich, als sie sich ein Lachen verkneifen musste. »Wie kommst du denn darauf?«
»Weil du drei Bodyguards hast.«
Sie runzelte die Stirn, doch dann begriff sie, und ihr Gesicht hellte sich auf. »Ach, du meinst Bekim, Lorik und Zef. Die drei arbeiten für meinen Vater. Sie sind seine Cousins …« Ihre Augen wurden groß. »Mein Vater! Er wird sich Sorgen machen, weil er nicht weiß, wo ich bin.« Sie warf ihr Sandwich weg und tastete panisch in den Taschen ihrer Jeans. »Oh nein, ich habe mein Handy verloren!«
Connor fischte sein Handy heraus. »Du kannst meins benutzen.«
»Danke.« Sie wischte über das Display, dann zögerte ihr Finger auf der Tastatur. »Verdammt! Ich habe keine Ahnung, wie seine Nummer lautet!«
Connor warf ihr einen tröstenden Blick zu. »Wer kennt heutzutage schon die Nummer von irgendjemandem?«
Sie gab ihm das Handy zurück. »Und was machen wir jetzt?«
»Als Erstes müssen wir dich von der Straße holen und an einen sicheren Ort bringen«, sagte Connor. »Wo wohnst du denn?«
»In Hamburg, in Deutschland.«
»Bist du Deutsche?«, fragte er und versuchte immer noch, ihren Akzent zu deuten.
Sofi schüttelte den Kopf. »Nein, ich komme aus Albanien.«
Connor hob eine Augenbraue. »Was machst du dann in London? Urlaub?«
»So etwas in der Art. Mein Vater ist geschäftlich hier. Er hat eigentlich versprochen, mit mir in der Oxford Street shoppen zu gehen, aber bisher hat er ständig nur gearbeitet.« Sie seufzte. »Typisch.«
»Wohnst du hier in London im Hotel?«, fragte Connor.
»Mein Vater hat ein Apartment in Canary Wharf.«
»Ist er jetzt dort?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich ist er noch in dem Café. Dort sollte ursprünglich sein Meeting stattfinden.«
Connor überlegte einen Moment. »Solange wir nicht wissen, wer dich entführen wollte, müssen wir davon ausgehen, dass das Apartment nicht sicher ist. Wenn die Polizei jetzt im Café ist, sollte die Gegend dort sicher sein.«
Sofi sah unschlüssig aus. »Und wenn nicht?«
»Dann müssen wir auf Plan B zurückgreifen.«
»Und der wäre?«
»Wir überlegen uns einen neuen Plan A!«
Vor dem Café am Park standen zwei Streifenwagen mit blinkendem Blaulicht. Auf dem Bürgersteig gegenüber hatte sich eine kleine Gruppe Schaulustiger versammelt, obwohl kaum etwas zu sehen war. Der weiße Lieferwagen war über alle Berge und der Jogger nirgends zu entdecken. Das Einzige, was auffiel, waren die drei tätowierten Männer, die sich vor dem Café erholten und sich in unterschiedlichem Zustand befanden.
Der mit der Zickzacknarbe, der Zef hieß, wie Connor von Sofi erfahren hatte, stand auf wackeligen Beinen und übergab sich wegen der Nachwirkungen des Betäubungspfeils. Sein älterer Bruder Lorik hielt sich ein blutiges Handtuch vor das Gesicht. Seine Boxernase wurde jetzt durch dunkle Ringe unter den Augen ergänzt. Offensichtlich war er beim Sturz auf den Bürgersteig direkt auf dem Gesicht gelandet. Bekim, der größere, schlankere Leibwächter, stand mit gesenktem Kopf und verschränkten Händen da, während er von einem kleineren, stämmigen Mann beschimpft wurde. Mit seinem maßgeschneiderten Geschäftsanzug, der blauen Seidenkrawatte und den auf Hochglanz polierten schwarzen Lederschuhen wirkte dieser Mann kultivierter, aber immer noch einschüchternd wie ein Rottweiler im Anzug. Connor konnte nicht verstehen, was der Mann sagte, weil er Albanisch sprach und sie zu weit weg waren, aber was immer er sagte, es klang nicht freundlich. Die Polizisten versuchten, ihn zu beruhigen.
»Ich glaube, mein Vater ist ein bisschen wütend«, flüsterte Sofi.
»Verständlich, unter den Umständen«, antwortete Connor.
Von ihrem Versteck hinter einer der Steinsäulen im Park aus suchte Connor die Umgebung nach möglichen Bedrohungen ab. Sofi wartete ungeduldig an seiner Seite, während er die Menschenmenge, die Autos und die umliegenden Gebäude genau unter die Lupe nahm. Er achtete auf alles, was auch nur im Entferntesten ungewöhnlich oder verdächtig erschien: eine unbeaufsichtigte Tasche, ein offenes Fenster oder ein wackelnder Vorhang, ein Fahrzeug mit laufendem Motor, eine Person, die sich auffällig verhielt oder den anwesenden Sicherheitskräften etwas zu viel Aufmerksamkeit schenkte …
»Ist es sicher?«, fragte sie.
Connor nickte. »Sieht so aus.«
Während er die Umgebung im Auge behielt, begleitete er Sofi über die Straße und an der Absperrung aus Polizeiautos vorbei. Als sie sich dem Café näherten, hörte er, wie eine Polizistin, eine junge Frau mit akkurat geschnittenem blondem Haar und einem Ausdruck von geduldiger Professionalität, sagte: »Mr Murati, ich versichere Ihnen, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um Ihre Tochter zu finden, aber Sie müssen sich beruhigen und kooperieren …«
»Beruhigen?«, herrschte Mr Murati die Polizistin an. »Meine kleine Tochter ist verschwunden! Sie wurde am helllichten Tag von einer bewaffneten Frau entführt und …«
»Boss!«, unterbrach ihn Bekim und nickte in Connors Richtung.
Mr Murati verstummte und drehte sich um. Als wäre ein Schalter umgelegt worden, wechselte sein Gesichtsausdruck in Sekundenschnelle von Wut zu Erleichterung. »Sofi! Meine Prinzessin!«
Sofi rannte zu ihm und verschwand in seiner großen, beschützenden Umarmung. Mr Murati küsste seine Tochter auf den Kopf.
Als Connor sich näherte, starrte der Mann ihn durchdringend an. »Und wer bist du?«
Sein Tonfall war nicht aggressiv, aber auch nicht gerade freundlich.
»Connor Reeves.«
Sofi sah zu ihrem Vater auf und lächelte. »Er ist Bodyguard«, fügte sie erklärend hinzu.
Die Polizistin und ihr Kollege blickten den Jungen fragend an.
Connor zuckte halbherzig mit den Schultern. »Sofi übertreibt ein bisschen …«
»Wirklich?«, fragte Mr Murati. Er entließ Sofi aus seiner Umarmung und deutete mit dem Daumen auf seinen Cousin. »Bekim sagte, du hättest einen der Entführer mit einer Art fliegendem Tritt außer Gefecht gesetzt …«
Connor schluckte schwer, als die Polizistin und ihr Kollege erstaunte Blicke austauschten und sich nun noch mehr für ihn interessierten. Der Polizist, der bereits leicht ergrautes Haar und die selbstsichere Haltung eines Detectives hatte, zog sein Notizbuch hervor und schlug eine neue Seite auf.
Connor hatte keine Lust, allzu viele Fragen zu beantworten. Sie würden nur zu noch mehr Fragen führen, die eine Büchse der Pandora mit noch schwierigeren Antworten und streng vertraulichen Informationen öffnen würden.
»Ähm … Ich trainiere Kickboxen«, erklärte er. Er sah die Polizistin an. »Zur Selbstverteidigung natürlich.«
Sie lächelte freundlich, während ihr Kollege sich eine Notiz machte. »Hört sich an, als sollte ich zu deinem Kickboxkurs gehen«, sagte sie. »Wo findet der statt?«
Connors Mund wurde trocken. Er wippte auf den Fußballen und wich ihrem prüfenden Blick aus. »East London …«
Mr Murati schien Connors Unbehagen über diese Art der Befragung zu spüren. Er trat einen Schritt vor und klopfte Connor auf die Schulter. »Tja, du hast meine Tochter beschützt und sicher zurückgebracht. Ich nehme an, das hat Sofi gemeint, als sie sagte, dass du ein Bodyguard bist.«
Connor nickte, dankbar für die Ablenkung.
»Jedenfalls warst du mutig – und Tapferkeit sollte belohnt werden.« Er kramte in seiner Jackentasche, holte eine schwarze Lederbrieftasche hervor und zog vier frische Fünfzigpfundnoten heraus. »Hier, ein kleines Zeichen meiner Anerkennung.«
Connor hob die Hand. »Danke, aber ich brauche keine Belohnung. Sofis sichere Rückkehr ist für mich mehr als Belohnung genug.«
Mr Murati starrte Connor mit einem undefinierbaren Blick an. Er schien Connor zu taxieren. Dann lächelte er und steckte das Geld zurück in seine Brieftasche. »Ehrenwert. Und ehrlich. Das gefällt mir.«
»Mr Murati, wir freuen uns, dass Ihre Tochter wieder aufgetaucht ist«, warf die Polizistin ein und kam zurück zur Sache. »Aber wir haben trotzdem noch ein paar Fragen an Sie. Eine versuchte Entführung ist eine ernste Angelegenheit. Wir müssen …«
»Sie müssen gar nichts tun. Auftrag erledigt«, unterbrach Mr Murati sie. Er legte seiner Tochter einen Arm um die Schultern. »Meine Sofi ist in Sicherheit.«
Die Polizistin runzelte die Stirn und ihre professionelle Haltung geriet ein wenig ins Wanken. »Aber Sir, wollen Sie nicht dafür sorgen, dass sie in Sicherheit bleibt? Ihre Entführer könnten es wieder versuchen …«
»Danke für Ihre Bemühungen, aber wir verlassen London noch diese Woche. Wir werden weg sein, bevor Sie den Papierkram erledigt haben.«
»Aber …«
»Wie gesagt, danke für Ihre Zeit.« Er entließ die Polizisten mit einer Handbewegung, als wären sie Kellner. Die beiden standen sprachlos und ein wenig perplex da. Aber Mr Muratis durchsetzungsfähige Art machte seine Entscheidung scheinbar unanfechtbar.
»Bekim!«, rief Mr Murati über die Schulter. »Sorge dafür, dass diese netten Beamten Kaffee und Gebäck bekommen. Und sieh zu, dass sie auch genug für ihre Kollegen mitnehmen.«
»Ja, Chef«, antwortete Bekim. Er nickte Lorik zu, der widerwillig sein blutverschmiertes Handtuch beiseitelegte und zu den Polizisten ging, um ihre Bestellung aufzunehmen.
Während die Beamten abgelenkt waren, beschloss Connor, die Gelegenheit zu nutzen, um zu verschwinden, bevor er weiter befragt werden konnte. »Sofi, jetzt, wo du wieder bei deinem Vater bist, werde ich mich von dir verabschieden.«
Sofis Miene verfinsterte sich ein wenig. »Oh … okay dann.«
»Meine Kumpels haben im Park Fußball gespielt und sind wahrscheinlich noch dort«, fuhr Connor fort, obwohl er wusste, dass er nur Zeit verplapperte und besser einfach gehen sollte. »Sie werden sich fragen, wo ich bleibe.«
»Natürlich«, sagte Sofi und nickte zögernd. »Also, danke für alles. Sogar für das Sandwich!«
Connor lachte. »Kein Problem. Ich hoffe, du fühlst dich jetzt besser. Wir sehen uns.«
Als er sich zum Gehen wandte, flüsterte Sofi ihrem Vater schnell etwas ins Ohr. Er lächelte und nickte.
»Warte, Connor«, rief Mr Murati. »Ich möchte dir persönlich danken.«
Er streckte seine Hand aus. Connor nahm sie und Mr Muratis Finger legten sich um seine. »Wenn du mein Geld schon nicht nimmst, lade ich dich wenigstens zum Essen ein«, sagte er und drückte fest Connors Hand.
»Das ist nicht nötig«, sagte Connor. Er schaute zu den Polizisten. Sie hatten ihre Bestellung bei Lorik aufgegeben und spähten nun in seine Richtung. Er musste jetzt schleunigst von hier verschwinden. »Wirklich, das ist nicht nötig.«
»Ich bestehe darauf«, beharrte Mr Murati. Connor spürte, wie der Griff um seine Hand fester wurde. Das war eindeutig ein Mann, der es gewohnt war, seinen Willen durchzusetzen.
»Ich verspreche dir etwas Besseres als dieses Sandwich«, sagte Sofi mit einem hoffnungsvollen Blick.
Connor ignorierte die Tatsache, dass seine Hand zerquetscht wurde, und zwang sich zu einem Lächeln. »Dann würde ich mich sehr freuen.«
Am nächsten Abend stand Connor in einer schmalen gepflasterten Gasse in Whitechapel vor einem schicken mediterranen Restaurant. Man hätte das Lokal leicht übersehen können, wenn man nicht von einem Insider darauf aufmerksam gemacht wurde. Connor warf einen Blick auf die Nachricht auf seinem Handy und dann auf das schwarz-goldene Schild, das über einem Erkerfenster mit Samtvorhängen hing. Er war am richtigen Ort.
Doch er hätte sich gar nicht zu vergewissern brauchen. Denn vor dem Eingang hatte sich Zef aufgebaut, dessen zickzackförmige Narbe wie ein Blitz auf seiner Stirn prangte.
Ein muskelbepackter Harry Potter mit Tattoos!, dachte Connor amüsiert.
Aber an dem Mann selbst war nichts Lustiges. Sein grimmiger Gesichtsausdruck wirkte ungefähr so einladend wie der eines Pitbulls, der eine Wespe zerkaut. Obwohl ihm offenbar nicht mehr übel war, sah er immer noch blass und mitgenommen aus. Nicht gerade die beste Werbung für ein Restaurant!
Immerhin war der Mann diesmal aufmerksamer. Sobald Connor in die gepflasterte Gasse eingebogen war, hatte Zef ihn bemerkt und jeden seiner Schritte verfolgt. Der Entführungsversuch hatte die Wachsamkeit des Mannes deutlich erhöht.
Connor bemerkte eine Überwachungskamera, die unauffällig über der Tür angebracht war und deren Weitwinkelobjektiv den gesamten Eingangsbereich überblickte. Eine weitere Vorsichtsmaßnahme gegen Angreifer, ebenso wie die solide, verstärkte Tür, die eine zusätzliche Sicherung darstellte. Dies war ein gut geschütztes Restaurant. Connor lächelte in die Kamera und nahm sich einen Moment Zeit, um die Speisekarte im Fenster zu studieren.
Es schien, als hätte Sofi absolut recht gehabt. Dieses Fünf-Sterne-Restaurant bot weit mehr als ein altes Käsesandwich: Lammfleisch in Joghurt, Muscheln in Knoblauch und Weißwein, T-Bone-Steaks mit Trüffelsauce …
Hätte er gewusst, wie nobel es heute Abend zugehen sollte, hätte er statt seiner üblichen Lederjacke ein schickeres Sakko angezogen. Andererseits hatte er nicht viele Jacketts zur Auswahl. Bevor er eintrat, betrachtete Connor sein Spiegelbild im Fenster. Das war eine Angewohnheit aus seiner Zeit als Bodyguard, um sicherzugehen, dass ihm niemand gefolgt war. Während er sich das braune Haar aus den Augen strich und zu Strähnen zerzauste, spähte er unauffällig in die Gasse hinter sich. Dann fokussierte er seinen Blick auf die Glasscheibe, musterte seinen leicht gebräunten Teint und vergewisserte sich, dass nichts zwischen seinen Zähnen hing. Dabei sahen ihm aus dem Spiegel seine grünblauen Augen entgegen, die schmaler waren als üblich und deren Pupillen sich leicht geweitet hatten. Ihm wurde klar, dass er nur Zeit schinden wollte. Warum war er so nervös? Er hatte in seinem Leben schon gefährlichere Dinge getan, als mit einem reichen, schönen Mädchen und ihrem Vater essen zu gehen. Er dachte an den Kampf gegen einen kaltblütigen Auftragskiller in Russland. Und an die Auseinandersetzung mit somalischen Piraten auf einer Luxusjacht im Indischen Ozean. Einmal hatte er sogar mit einem Krokodil in einem afrikanischen Fluss gerungen!
Reiß dich zusammen, Connor. Du schaffst das.
»Okay, mein Hübscher, Mr Murati mag es nicht, wenn man ihn warten lässt.«
Connor beendete sein motivierendes Selbstgespräch und strich sich lässig das Hemd glatt. In der offenen Tür stand Bekim. Er trug einen Rollkragenpullover und darüber einen violetten Anzug, der ziemlich eng saß und seinen muskulösen Körper betonte. Was wohl auch so beabsichtigt war. Seine markante Kieferpartie war durch einen schmalen Bartstreifen definiert, sein schwarzes Haar an den Seiten kurz rasiert und oben zu glatten Wellen gekämmt. Seine dunklen Augen funkelten listig und wachsam. Aus irgendeinem Grund erinnerte Bekim Connor an einen Zitteraal: sehr glitschig und sehr gefährlich.
Connor warf einen Blick auf seine Uhr. Er war ohnehin fünf Minuten zu früh, aber er sparte es sich, Bekim darauf aufmerksam zu machen. Mit einem Nicken zu Zef, das der missmutig dreinblickende Türsteher nicht erwiderte, folgte Connor Bekim ins Restaurant. Der Duft der feinen Küche und Klänge klassischer Musik empfingen Connor. Ein Portier nahm ihm die Jacke ab und Bekim führte ihn durch das schwach beleuchtete Innere. Sie kamen an schweigsamen Kellnern und blütenweiß gedeckten Tischen vorbei, an denen elegant gekleidete Gäste saßen, die sich leise unterhielten. Connor spürte jedoch deutlich, wie ihre Blicke ihm auf seinem Weg durch den Raum folgten. Unterwegs entdeckte er eine weitere Kamera in der Ecke über einem Notausgang und eine dritte, die einen abgesperrten Gang überwachte, durch den Bekim ihn nun führte. Der breitnasige, schwarzäugige Lorik wartete am Ende des Ganges und verdeckte mit seinem massigen tätowierten Körper eine Tür. Als sie näher kamen, trat er zur Seite, öffnete die Tür, und Connor wurde in einen privaten Speisesaal geführt.
Das Hauptrestaurant war bereits sehr luxuriös gewesen, aber das hier war noch mal eine ganz andere Liga. Die Wände waren mit Mahagoni getäfelt, die Stühle mit Samt bezogen und der Kronleuchter aus Kristall. In der Mitte des Raumes stand ein großer ovaler Tisch, dessen dunkles Holz wie polierte Bronze glänzte. Teure moderne Kunstwerke schmückten die Wände, und am hinteren Ende des Raumes hing ein antiker goldgerahmter Spiegel, der die Opulenz des Raumes widerspiegelte und verdoppelte.
»Ich bin so froh, dass du gekommen bist!« Sofi, die ein schlichtes, aber elegantes Cocktailkleid trug, stand auf, um ihn zu begrüßen. Ihr schwarzes Haar fiel ihr in lockeren Wellen über die Schultern. Sie trug eine Halskette mit einem winzigen Silbermedaillon und ein passendes Armband, das im Licht funkelte. Ihr strahlendes Lächeln und ihre warmen braunen Augen hießen Connor willkommen, sodass er sich sofort wohler fühlte. Als sie ihn sanft auf beide Wangen küsste, nahm Connor einen Hauch ihres Parfüms wahr: eine zarte, aber unverwechselbare Mischung aus Rosenblättern, Vanille und Jasmin.
»Willkommen, Connor.« Mr Murati kam auf ihn zu und schüttelte ihm mit gewohnt festem Griff die Hand. »Bitte setz dich.«
Er deutete auf einen Stuhl am Ende des Tisches. Connor nahm Platz, obwohl die Position ihm nicht gefiel. Eine weitere Angewohnheit aus seiner Zeit als Bodyguard: Er saß nicht gerne mit dem Rücken zur Tür. So konnte er nicht sehen, wer hereinkam oder hinausging. Durch den Spiegel an der gegenüberliegenden Wand hatte er wenigstens einen kleinen Ausschnitt im Blick. Das musste reichen.
Sofi setzte sich zu seiner Rechten und ihr Vater nahm auf dem Stuhl gegenüber von Connor Platz. Bekim setzte sich nicht zu ihnen. Er stand mit verschränkten Händen neben der geschlossenen Tür und beobachtete Connor schweigend. Mit gerunzelter Stirn und zusammengepressten Lippen hatte Bekim einen feindseligen, ja misstrauischen Ausdruck, aber das konnte auch an dem antiken Spiegel liegen, der sein Spiegelbild verzerrte.
Connor wandte den Blick vom Spiegel ab und sah Sofi an. »Wie geht es dir? Hast du dich gut von gestern erholt?«
Sofi nickte, wenn auch zögerlich. Er bemerkte, dass ihre Hände auf ihrem Schoß leicht zitterten. »Gut … dank dir … Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn du nicht da gewesen wärst.«
»Darüber solltest du gar nicht nachdenken«, sagte Mr Murati.
Ein Kellner kam herein, schenkte ihnen Mineralwasser ein und nahm ihre Getränkebestellung auf.
Sofi entschied sich für eine Pfefferminzlimonade und Connor folgte ihrem Beispiel. Als der Kellner gegangen war, wandte er sich an Sofis Vater: »Haben Sie eine Ahnung, wer hinter dem Entführungsversuch steckt?«
»Nein«, sagte Mr Murati, sein Blick wurde plötzlich eiskalt und unbarmherzig. »Aber ich werde es ganz sicher herausfinden.«
Er beugte sich über den Tisch, verschränkte die Finger und sah Connor an. Sein Blick war zwar weiterhin stählern, aber sein Gesichtsausdruck wurde etwas weicher, und seine Lippen kräuselten sich. »Connor, du hast nicht nur die Entführer abgewehrt, sondern auch meiner Tochter geholfen, sich von einer Unterzuckerung zu erholen. Offenbar bist du nicht nur Bodyguard, sondern auch ausgebildeter Rettungssanitäter. Das ist sehr interessant. Erzähl mir mehr über dich.«
Connor rutschte unruhig in seinem Sitz hin und her. »Mr Murati …«
»Nenn mich Armand.«
»Ähm … okay … Armand, ich habe Sofi vielleicht einen falschen Eindruck vermittelt«, räumte Connor verlegen ein. »Im Eifer des Gefechts habe ich möglicherweise ein wenig übertrieben, um sie zu beeindrucken …« Er sah Sofi mit einem gezwungenen Lächeln an.
Sofi lachte auf. »Connor, die Mühe hättest du dir nicht zu machen brauchen. Du hattest mich ohnehin schon beeindruckt, als du meinem Angreifer einen fliegenden Tritt verpasst hast!«
Connor hörte Bekim hinter sich schnauben. Als er in den Spiegel blickte, schaute der Mann sehr finster drein. Bekim war offensichtlich weniger beeindruckt. Vermutlich war der Mann verärgert darüber, dass nicht er oder seine Cousins Mr Muratis Tochter erfolgreich beschützt hatten, sondern Connor.
Mr Murati lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte Connor. »Übertreibung hin oder her, die Tatsache, dass du deine Heldentaten vor mir – und der Polizei – herunterspielst, spricht Bände.« Er hob einen Finger. »Erstens verrät es mir, dass du verschwiegen bist. Eine Eigenschaft, die ich sehr zu schätzen weiß.« Er hob einen weiteren Finger. »Und zweitens, dass in dir viel mehr steckt, als man auf den ersten Blick vermutet! Habe ich recht?«
Betretenes Schweigen machte sich breit, während Mr Murati auf eine Antwort wartete.
Connors Mund fühlte sich plötzlich trocken an und er nahm das Wasserglas und trank einen großen Schluck. Jetzt verstand er den Sinn der Einladung. Wahrscheinlich hatte Sofi vorgeschlagen, Connor über seine Vergangenheit als Bodyguard zu befragen, und ihr Vater hatte dem zugestimmt.
Es war kein Abendessen – es war eine Befragung.
Was sollte er ihnen erzählen? Vieles war streng geheim. Dennoch konnte er dem Thema nicht den ganzen Abend ausweichen. Mr Murati war offensichtlich ein reicher und mächtiger Mann, und Connor hatte die Erfahrung gemacht, dass solche Männer immer ihre Antworten bekamen … auf die eine oder andere Weise.
Connor beschloss, die Wahrheit zu erzählen. Zumindest einen Teil davon.
»Mein Vater war beim SAS«, erklärte er stolz. »Special Projects Team. Er arbeitete in der Terrorismusbekämpfung und im VIP-Schutz. Ich habe ihn immer sehr bewundert und wollte so werden wie er. Also hat er mir das eine oder andere beigebracht.«
Mr Murati grinste. »Offenbar hat er dich gut unterrichtet. Ich würde ihn gerne kennenlernen.«
Connors Miene wurde traurig. »Ich fürchte, das wird nicht möglich sein. Mein Vater ist tot.«
»Oh!«, sagte Sofi, und ihre Hand wanderte zu dem silbernen Medaillon, das sie um den Hals trug. »Das tut mir so leid. Was ist passiert?«
Connor zögerte kurz und versuchte, seine Stimme zu beruhigen. »Er ist im Einsatz gestorben.«
Connor hielt inne. Er wollte nicht sagen, dass sein Vater sein Leben geopfert hatte, um den amerikanischen Botschafter im Irak zu schützen, der später Präsident der Vereinigten Staaten werden sollte. Connor wollte auch nicht verraten, dass er selbst bei seinem allerersten Auftrag als junger Bodyguard die Tochter ebenjenes Präsidenten beschützt hatte. Solche Einzelheiten waren streng vertraulich.
»Mein herzliches Beileid«, sagte Mr Murati, senkte den Kopf und bekreuzigte sich. »Unsere Familie hat mit dem Verlust von Sofis Mutter eine ähnliche Tragödie erlebt. Mögen beide in Frieden ruhen.«
Connor sah Sofi an, deren Augen jetzt vor Tränen glänzten, während sie ihr Medaillon fester umklammerte. Er spürte ihren Schmerz. »Es tut mir sehr leid, zu hören, dass …«
In diesem Moment öffnete sich die Tür hinter Connor und ein weiterer Kellner kam mit einem Tablett voller Getränke herein. Er servierte Mr Murati einen Whiskey on the rocks und Sofi eine Pfefferminzlimonade. Als der Kellner Connors Getränk abstellen wollte, bemerkte Connor das Glitzern von etwas Silbernem und Scharfem, das unter dem Tablett versteckt war … ein gezacktes Messer!
Connors Sinne schalteten auf Code Rot. Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich, bereit, auf das erste Anzeichen eines Angriffs zu reagieren. Aufmerksam beobachtete er den Kellner im Spiegel. Auf der Stirn des Mannes stand ein Schweißfilm, seine Augen zuckten unruhig. Nervös? Der Kellner machte Anstalten, den Raum zu verlassen. Für eine Sekunde war Connors Blick auf das Tablett im Spiegel durch Mr Murati versperrt. Dann drehte sich der Kellner um, das Messer in der Hand.
»MESSER!«, rief Connor.
Bevor jemand im Raum reagieren konnte, sprang er auf und schleuderte seinen Stuhl nach hinten gegen die Beine des Kellners. Als der Angreifer zu Boden ging, packte Connor den Arm mit dem Messer und schlug ihn mit dem Handgelenk auf die Tischkante. Der Kellner schrie auf und ließ das Messer fallen. Mit einer schnellen, effizienten Armdrehung zwang Connor den Mann zu Boden und rammte ihm ein Knie in den Rücken. Der Kellner wehrte sich. Connor erhöhte den Druck auf den Armhebel.
Der Kellner stöhnte vor Schmerz und wehrte sich nicht mehr. »Aufhören! Ich gebe auf!«
Schwer atmend hielt Connor den Arm fest und sah nach oben, ob Sofi in Sicherheit war. Sie saß immer noch regungslos auf ihrem Stuhl, den Mund weit offen vor Schreck. Mr Murati nippte an seinem Whisky und betrachtete Connor über den Rand seines Glases hinweg mit großem Interesse. An der Tür hatte Bekim keinen Finger gerührt, um den Angreifer aufzuhalten.
Wie nutzlos ist dieser angebliche Leibwächter eigentlich?, dachte Connor.
Dann sah Connor das Messer auf dem Boden … Es war ein Obstmesser. Die Spitze war abgerundet und stumpf. Die Art von Messern, die von Barkeepern benutzt wird. Nicht von Killern.
Ein kaltes, flaues Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Ihm wurde schlagartig klar, dass er einen schrecklichen Fehler begangen hatte. »Es tut mir wirklich so leid«, sagte er und entließ den armen, angeschlagenen Kellner aus seiner harten Umklammerung.
Der Kellner stand schwankend auf, drehte sich mit dem Rücken zur Tür und starrte Connor an, als wäre er eine wilde Bestie.
»Darf ich gehen, Mr Murati?«, fragte der Kellner mit zitternder Stimme.
Mr Murati nickte und der Kellner verließ eilig den Raum.
»Dein Vater hat dir also einiges beigebracht«, sagte Mr Murati mit einem schiefen Lächeln. »Mir scheint, du hast noch viel mehr drauf.«
Connor zuckte schwach mit den Schultern. »Wahrscheinlich haben mich meine Reflexe überwältigt.« Er warf Sofi einen entschuldigenden Blick zu, die ihn einfach nur sprachlos anstarrte. »Ich dachte, der Kellner greift dich an. Es tut mir wirklich sehr, sehr leid …«
»Du musst dich nicht entschuldigen, Connor«, warf ihr Vater ein. »Ich bin es, der sich bei dir entschuldigen muss.«
Connor runzelte die Stirn. »Wofür?«
Mr Murati lachte. »Das war nur ein kleiner Scherz von mir. Ein Test, wenn du so willst.«
Connor blinzelte verwirrt. »Ein Test?«
»Ja. Ich habe dem Kellner befohlen, meine Tochter anzugreifen.«
»Was?!«, fauchte Sofi ihren Vater an, ebenso überrascht von der Situation wie Connor.
Im Spiegel sah Connor Bekim grinsen. Offensichtlich war er in den Plan eingeweiht gewesen.
»Aber warum?«, fragte Sofi. Sie starrte ihren Vater wütend und mehr als ein wenig verwirrt an.
»Um zweifelsfrei zu bestätigen, dass dieser Junge genau das ist, was du behauptet hast. Ich finde, Connor hat das auf bewundernswerte Weise bewiesen.«
»Du hättest mich wenigstens vorwarnen können«, sagte Sofi verärgert und stocherte mit einem Strohhalm im Eis ihrer Limonade herum.
»Ich wollte, dass deine Reaktion echt wirkt«, erklärte ihr Vater. »Damit der Test funktioniert, musste Connor glauben, dass dein Leben wirklich in Gefahr ist.« Er nickte Bekim zu, der den umgekippten Stuhl aufhob und wieder an den Tisch stellte. »Connor, lass uns essen, während du uns alles über deine Ausbildung zum Bodyguard erzählst.«
Bekim wies Connor mit ausdrucksloser Miene an, sich zu setzen, und legte eine Speisekarte vor ihm auf den Tisch.
Connor hatte den Eindruck, dass der Mann gehofft hatte, er würde den Test nicht bestehen, und war froh, ihn enttäuscht zu haben.
Nachdem er wieder Platz genommen und die Speisekarte studiert hatte, versuchte Connor, seine Reaktion auf den inszenierten Angriff zu erklären. »Das war nur mein Kickboxinstinkt …«
»Komm schon, Connor, soll ich das wirklich glauben?«, sagte Mr Murati. »Hör zu, tu mir einen Gefallen. Beantworte mir eine Frage: Wie viele Überwachungskameras gibt es in diesem Restaurant?«
Connor musste nicht lange überlegen. »Drei. Nein, vier, mit der, die vielleicht hinter dem Spiegel …« Er unterbrach sich, wusste aber, dass er schon zu viel gesagt hatte.
Mr Murati hob beide Hände. »Siehst du? Genau das meine ich. Kein normaler Teenager bemerkt so etwas.«
Connor seufzte. Die Katze war aus dem Sack. Sowohl seine Taten als auch seine Worte hatten ihn entlarvt. Er nahm einen kräftigen Schluck von seinem Getränk und antwortete dann: »Wir sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Wir dürfen eigentlich nicht darüber reden …«
»Du meinst Buddyguard?«
Connor wäre fast vom Stuhl gefallen. »Sie wissen von Buddyguard.«
Mr Murati nickte. »In meiner Branche zahlt es sich aus, Bescheid zu wissen.«
Natürlich, dachte Connor. Ein wohlhabender Mann wie er, mit einer Tochter wie Sofi, würde wahrscheinlich einen solchen speziellen Sicherheitsdienst sehr gut brauchen können.
In diesem Moment öffnete sich die Tür und der Kellner kam wieder herein. Er ging um den Tisch herum und nahm die Essensbestellungen auf, wobei er einen großen Sicherheitsabstand zu Connor einhielt. Connor war nach der Aufregung des »Tests« hungrig. Er entschied sich für ein Steak, medium rare. Der Kellner notierte sich eilig Connors Vorlieben und konnte gar nicht schnell genug aus dem Raum verschwinden.
»Ich habe nur Gerüchte gehört«, gab Mr Murati zu, als sich die Tür schloss. »Soweit ich weiß, ist Buddyguard ein geheimer Personenschutzdienst, der sich von anderen Sicherheitsorganisationen dadurch unterscheidet, dass er junge Bodyguards ausbildet und bereitstellt, um die Kinder der Reichen, Berühmten und politisch Bedeutenden zu beschützen.«
Connor nickte. »Das stimmt.«
»Ich habe auch gehört, dass ein gewisser Colonel Black die Organisation leitet.«
Connor nickte traurig. »Ja … zumindest hat er das.«
Mr Murati zog eine Augenbraue hoch. »Hat?«
»Er ist bei einem Einsatz ums Leben gekommen«, erklärte Connor.
»Es tut mir leid, das zu hören. Ich glaube, der Colonel war in seinem Bereich sehr angesehen. Darf ich fragen, was passiert ist?«
Connor wollte wirklich nicht ins Detail gehen. Sein Verhältnis zu Colonel Black war, gelinde gesagt, kompliziert. Der Mann war für ihn eine Vaterfigur und ein Mentor gewesen. Aber er hatte sich auch als Lügner, Söldner und Manipulator erwiesen. Doch das ultimative Opfer des Colonels hatte ihn schließlich rehabilitiert.