Brain Cloud - Matthias Houben - E-Book

Brain Cloud E-Book

Matthias Houben

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Beschreibung

Gottlieb Arndt Bertram, genannt GAB, der vor den Dämonen seiner Computervergangenheit floh und sich in Sicherheit wähnte, wird entführt und gerät unversehens zurück in jene im Computer entworfene, virtuelle Welt in der er sich von seinem Alter Ego trennen konnte und die er hinter sich gelassen glaubte. Sein alter Kumpel Jimmy, ein genialer aber unberechenbarer Computer - Hacker, und die hübsche Ärztin Elisa, über deren Rolle GAB sich bis zum Schluss nicht schlüssig wird, verleiten ihn, wieder in das virtuelle Szenario einzutauchen, das er mit aufgebaut und in dem sich nun sein junger Nachfolger Mark, bei dem sich GABs Alter Ego vorübergehend einnistet, verloren hat. Mehr und mehr entspinnt sich nicht nun ein Schlagabtausch zwischen den ehemaligen Projektpartnern, es zeigt sich zudem, dass die von GAB entworfenen virtuellen Welten mittlerweile neben GABs Alter Ego weitere, mystische und scheinbar allwissende Bewohner bekommen haben, die diese Welten keineswegs als virtuelle betrachten. GAB und sein alter Ego Mark ZwO sind letztlich darauf angewiesen, dass Jimmy, der ganz eigene Ziele verfolgt, ihnen gegen diese neuen Gegner beisteht und dabei hilft, die virtuellen Welten wieder zu verlassen, in denen sie sich hoffnungslos gefangen sehen. Eine Geschichte, welche die Grenzen zwischen Psyche, computergestützten, virtuellen Welten und möglichen Parallel Welten neu zieht.

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Matthias Houben

Brain Cloud

ein futuresker Kurzroman

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Netzgleiter

Ein Vertrag

Überraschung

Mark der Schläfer

Der Plan

Der Turm

Mission Start

Interview

Kontakt

Abbruch

Theorie

Treffpunkt Bibliothek

Erklärungsnot

Strategiewechsel

Alter Ego

Der normale Irrsinn

game over reset

Gegenbesuch

Kurzer Disput

Rückkehr

Und was machen wir jetzt damit?

Weitere Publikationen des Autors

Impressum neobooks

Netzgleiter

Er stand leicht nach vorn gebeugt auf dem sanft abfallenden, grünen Hügel und versuchte den schwachen Duft von Wind einzusaugen. Soweit er sehen konnte, dehnte sich die grüne Landschaft vor ihm aus. Ohne Bäume, ohne Häuser, ohne jegliches Merkmal, das erlaubt hätte, eine Richtung oder Entfernung zu bestimmen. Ein leicht gewelltes Auf und Ab, sich grenzenlos ausdehnend, vollkommen geräuschlos und immer in ein sanftes Grün getaucht, welches den Eindruck der Endlosigkeit verstärkte.

Noch war kein Geruch zu vernehmen.

Aber der Wind würde kommen, wie er es immer tat.

Zuerst kündigte ein leichter Duft nach feuchtem Gras sein Erscheinen an, dann spürte man ein leises Rascheln, das über die Hügel kroch, bis weit in der Ferne die ersten Gleiter mit weißen, gewölbten Segeln vorüberzogen.

Er taste kurz nach dem Stirnband an seinem Kopf, folgte einem der feinen Kabel, die von dort zu seinem rasierten Kopf führten, und kratzte die juckende Stelle, an der das Kabel an seiner Kopfhaut klebte.

Es war dieses lockere Kabel, das ihn irritierte, seine trockene Haut jucken und gleichzeitig transpirieren ließ. Das war nicht in Ordnung, ohne dass er wusste, was daran nicht in Ordnung sein sollte. Aber allein, dass er sich an seinen Namen erinnern wollte, war auch nicht in Ordnung und gehörte nicht hierher.

Seine Augen suchten weiter den gewundenen Horizont nach Gleitern ab, während er beschloss, sich weiter ‚Er‘ zu nennen.

Seine nackten Zehen gruben sich fest in das grüne, moosartige Geflecht, das die weite Fläche aus Tälern und Hügel bedeckte, nach Tang roch, sich nicht bewegte, selbst bei starkem Wind nicht. Bei feuchtem Wind aber ließ es die Gleiter über sich hinwegschießen, veranlasste sie zu immer weiteren Kurven, wenn sie dem Wind folgend über die Hügel rasten.

Er versuchte seinen Stand zu verbessern, indem er die Schultern leicht anzog, die Arme wie zum Sprung anwinkelte und die Knie ein wenig durchbeugte. In dieser Haltung konnte er endlos verharren. Bis der Wind kam und einen Gleiter vor sich hertreibend auf seinen Hügel schob.

Dann kam es darauf an, zum richtigen Zeitpunkt sich der Bewegung des Gefährts anzupassen, aus dem Stand mit einer einzigen, fließenden Veränderung sich hineinzuziehen und sofort das Gleichgewicht zu finden.

Wehe, der Segler kam zum Stillstand oder wurde den Hügel hinab in die nächste Kuhle getrieben. Eine winzige Unachtsamkeit, ein zu früher oder zu später Kontakt würde unausweichlich dazu führen.

Er würde in einem unbrauchbaren Gleiter zwischen den Hügeln sitzen, über deren Kuppen unerreichbar entfernt und unnütz der Wind strich.

Auf seinen Streifzügen hatte er einige solcher Fehlversuche liegen sehen, was ihn dazu veranlasst hatte, darüber nachzudenken, dass er nicht allein war.

Auch das hätte nicht geschehen dürfen.

Er wusste es.

Es gab nur einen Versuch, sich aus der konzentrierten und manchmal endlos langen Bewegungslosigkeit mit der fließenden Bewegung des plötzlich auftauchenden Seglers zu synchronisieren. Ein Scheitern führte zu Warten und Hadern, Gedanken über Namen und Andere, alles Dinge, die seine Konzentration störten und nicht sein durften.

Und das Angleichen an den Gleiter war nur der Anfang, die Voraussetzung für die eigentliche Aufgabe, die so unendlich werden konnte wie die Landschaft, in der sie vollbracht werden sollte.

Kein Sprung, kein hastiges Nebenherlaufen war gefragt, nein, es galt nur diesen einen Moment abzupassen, der ein Verschmelzen mit der Bewegung des Gefährts erlaubte. Und dafür brauchte es den perfekten Standpunkt auf dem richtigen Hügel, in der Rundung kurz vor seiner höchsten Ausdehnung im richtigen Winkel zu der Richtung, aus der der Wind und mit ihm der Gleiter kommen würden.

Diesen Moment gab es selten, aber er wusste, wann er kam. Dazu hatte man ihn ausgewählt, weil er es wusste und weil er zu dieser einzigen gleitenden Bewegung fähig war, die es auszuführen galt.

Weil seine ganze Konzentration, auf diesen Moment fixiert, alles andere vergessen ließ, wie seinen Namen.

Seine Augen blickten auf die nackten Zehen im grünen Geflecht, wanderten hoch, auf die nächste Kuppe zu und weiter, immer einem Hügelkopf folgend, bis die Reihe der Hügel zu einer unendlich weiten, geschwungenen grünen Linie verschmolzen, hinter der der Wind wohnte.

Er hörte dieses leise Wispern, das ihn immer begleitete, als sprächen die Hügel mit ihren hohen Stimmen zu ihm, wollten verraten, wann der Wind und ob er überhaupt kommen würde.

Aber er konzentrierte sich weiter auf den Geruch, sog langsam die Luft in sich ein, schmeckte sie sorgsam ab, bevor er sie mit einem kräftigen Stoß ausatmete, damit der Geschmack nach Flechten nicht zu intensiv wurde. Ein gleichmäßiges sich immer wiederholendes Ausatmen und Einatmen, während seine Augen im selben Rhythmus den Hügelkuppen folgten und er langsam mit der Landschaft verschmolz. Der einzige, regungslose Fixpunkt in einer weiten Ebene ohne Bewegung, ohne Geraden und Winkel, der nur auf den Wind wartete und die Gleiter, die er spielerisch vor sich hertrieb, um genauso schnell, wie er gekommen war, wieder mit seinen Spielzeugen zu verschwinden.

Er war bereit und wartete, stand hier, weil die Kabel in seinem Nacken und auf seiner Kopfhaut ihn das tun ließen, für das er geschaffen war.

Und schon zuckte der Zweifel wieder auf, an Kabel durfte er nicht denken, er durfte nicht einmal wissen, dass etwas wie ein Kabel existierte, so wie es irgendwo auch Namen gab, unter anderem einen für ihn und für das, was er hier tat. In einer Welt, die keinen Namen hatte, weil sie keinen brauchte.

Ein Vertrag

Mark sah hinunter auf das zusammengeheftete Papier, das er auf der Kante des Schreibtisches zu stabilisieren versuchte, damit sein Gegenüber das leichte Zittern seiner Hände nicht bemerken konnte. Er kam sich vor wie in Watte gehüllt, hörte die Stimme seines Gesprächspartner, blätterte gleichzeitig mit schweißnassen Fingern im Papier und versuchte irgendwie professionell und aufmerksam zu wirken.

„Ihre Testresultate sind ausgezeichnet. Sie haben das Test Szenario mit Bravour bewältigt, ich möchte fast sagen mit Auszeichnungen.“

Mark ZwO kommentierte im Hintergrund: „Wieso fast, du sagst es doch.“ Mark zuckte nervös zusammen.

„Wir würden uns freuen, Sie in unserem Team begrüßen zu dürfen.“

Mark blickte kurz auf, fixierte das ernste Gesicht seines Gesprächspartners, der jetzt versuchte zu lächeln. Was in starkem Kontrast zu den dunklen, harten Augen stand. Der Mund versuchte zu lächeln, die Augen sogen ihn auf, fixierten ihn und begannen ihn in Stellung zu rücken.

„Wie Sie sehen können, ist alles sorgsam geregelt. Für die Zeit, in der Sie an dem Projekt teilnehmen, übernehmen wir sämtliche ihrer laufenden Kosten, sodass sie sich komplett auf Ihre Aufgabe konzentrieren können.“

Der dunkelhaarige, muskulöse Mann blätterte kurz durch den Stapel Papiere, die er in der Hand hielt, und nickte Mark zu. Der weiße Kittel sollte wohl suggerieren, dass es sich um einen seriösen Wissenschaftler oder Arzt handelte, die durchtrainierte Gestalt und die exakten fast athletisch wirkenden Bewegungen wurden dadurch aber nicht kaschiert, wie Mark ZwO anmerkte.

Ein muskulöser Einzelkämpfer mit militärischem Bürstenhaarschnitt, leicht gebräunt, immer kontrolliert, ein wenig auf dem Sprung, als sei er bereit, jederzeit sein Gegenüber zu überwältigen.

Mark kam sich gedrängt vor, hätte gern mehr Zeit gehabt, wäre gern in sich gegangen und hätte sich beraten wollen. Aber man ließ ihm keine Zeit. Es sei eine einmalige Chance, er müsse sich kurzfristig entscheiden, da das Projekt schon angelaufen war und er der Letzte sein würde, der zu dem Team hinzustieß, um es zu komplettieren.

„Da Sie während Ihrer Projektbeteiligung keine weiteren Kosten haben, Sie werden selbstverständlich in dieser Zeit von uns komplett versorgt, werden wir die gesamte Summe zu Beginn des Projektes auf Ihr Konto überweisen.“

Mark blätterte durch den Mittelteil der Unterlagen, der detailliert beschrieb, wo er untergebracht wurde, wie er medizinisch und psychologisch betreut werden würde. Seine Augen blinzelten aber immer wieder zu der einsamen Papierseite vor sich auf dem Schreibtisch, die nur auf seine Unterschrift wartete, auf der diese ungeheure Zahl stand. Ein Betrag, den man überweisen wollte, der so unvorstellbar schien, dass er sich gerne in den Arm gekniffen hätte.

Der schwarze Faserstift lag daneben, wartete darauf jetzt benutzt zu werden. Mark brauchte ihn nur zu greifen und seine Unterschrift auf das Papier zusetzen.

Sein Gegenüber erklärte noch einmal das Prozedere, welches nach Unterzeichnung folgen würde, der Flug an den Projektstandort, die Einweisung in Unterbringung und Aufgaben. Er erwähnte die Namen von Ansprechpartnern und persönlichen Betreuern, schilderte übergenau deren Qualifikation und stellte bei einzelnen deren besondere Fähigkeiten hervor.

„Sie sehen, sie werden sich in den besten Händen befinden.“

Mark war sich nicht sicher, ob er sich überhaupt in den Händen von irgendjemand befinden wollte, aber die magische Zahl auf dem Vertrag sagte etwas anderes. Nie war ihm in seinem bisherigen Leben auch nur entfernt gelungen einen Job zu ergattern, der solche Auswirkungen auf seine Zukunft haben würde. Bisher war er geduldig im Mittelmaß mitgeschwommen, hatte sich vorgenommen irgendwann die Chance, die sich vielleicht böte sofort anzunehmen, sein Schicksal in eigene Hände zu nehmen.

Jetzt saß er hier und zögerte.

Das kurze Nicken seines Gegenübers zum Blatt und Schreibstift hin, war mehr als nur eine Aufforderung. Er wirkte langsam ungeduldig, das Gespräch zog sich in die Länge.

Mark nahm den Stift, schraubte die Kappe ab, legte den vor Aufregung feuchten Handballen auf das Papier und kritzelte entschlossen seine Unterschrift darauf.

Der feste Händedruck, das kurze Armschütteln seines Gegenübers, der locker einen Kopf größer war als er, begleitete ihn aus dem Büro. Er stolperte benommen an der Rezeption mit der telefonierenden jungen Dame vorüber, in den Aufzug, dessen Türe offen stand. Am Haupteingang empfing ihn warme, feuchte Luft, die von der klimatisierten kalten Luft in seinem Rücken, die ihn nach draußen zu schieben schien, zurückgedrängt wurde.

Sein Hemd klebte am Rücken, seine Hände, jetzt an die Hosenbeine angelegt, hinterließen feuchte Spuren, wie er glaubte.

Er verlor sich in die Stuhlreihen des Cafés auf dem Platz und bestellte sich einen Espresso. Dabei fiel ihm auf, dass er selbst keine Unterlagen mitbekommen hatte.

„Da wäre aber mehr drin gewesen.“

Mark ZwO meldete sich gegen alle Absprachen in der Öffentlichkeit.

„Wenn du gesagt hättest, dass wir zu zweit sind, hätten die mehr ausgespuckt.“

Mark sprach mit vorgehaltener Hand zu seinem zweiten Ich.

„Du brichst die Regeln, nicht in der Öffentlichkeit hatten wir beschlossen.“

„Nur, weil du immer laut zu mir sprechen musst. Bullshit. Ich sage dir, du hättest es sagen sollen.“

Mark schaute vorsichtig zu den Nachbartischen hinüber und führte die Tasse zum Mund, hielt kurz vor dem Trinken kurz inne.

„Wenn ich das gesagt hätte, wären wir in hohem Bogen rausgeflogen“. Er trank einen kurzen Schluck und verbrannte sich die Lippen.

„Hallo, hast du dir auch alles durchgelesen? Immerhin bestimmst du über mich mit. Da wäre es angemessen gewesen, mich zu beteiligen.“

Mark konzentrierte sich auf den Löffel, mit dem er den Zucker im Espresso umrührte, einmal in die linke Richtung, einmal in die umgekehrte.

„Immerhin hast du endlich unterschrieben. Ich war schon drauf und dran einzugreifen.“

Mark schüttelte unwillig den Kopf, was Menschen, die ihn jetzt vielleicht beobachteten, etwas merkwürdig vorgekommen musste.

Überraschung

Gottlieb Arndt Bertram, genannt GAB, stand in der Bäckerei und sah auf das Angebot hinter der schrägen Glasscheibe der Theke. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er lieber ein Wurstbrötchen oder ein Croissant zum Frühstück essen sollte. Wahrscheinlich war beides gut, die Frage war nur, in welcher Reichenfolge es am besten schmeckte.

Die junge Verkäuferin hatte ihn kurz angeschaut und bediente nun einen Handwerker in grauer Montur, der sich vorgedrängt hatte. Was nicht weiter schlimm war, da er selbst sich noch nicht entschieden hatte.

In seinem leichten Sommerjackett über der Designerjeans, das Haar zurückgekämmt und zu einem langen Zopf über der Schulter getragen, sah er wahrscheinlich so cool und relaxed aus, dass jeder Hansel glaubte, sich vorpfuschen zu dürfen.

GAB grinste leicht vor sich hin bei dem Gedanken, dem lästigen Vorpfuscher alle Konten zu sperren und die Einträge bei den Behörden zu löschen. Ein Kinderspiel für einen Computer Profi.

„Bitte schön.“