Breakup, Makeup - Liebe zwischen Cosplay und Competition - Stacey Anthony - E-Book
NEUHEIT

Breakup, Makeup - Liebe zwischen Cosplay und Competition E-Book

Stacey Anthony

0,0

Beschreibung

Wie viel Make-up benötigt man, um seine Gefühle zu verdecken? Eli Peterson ist Make-up-Artist in der Cosplay-Szene, wo die atemberaubenden Looks immer wieder für Furore sorgen, kommt aber dennoch kaum über die Runden. Da fällt es schwer, die Eltern davon zu überzeugen, dass sich der künstlerische Traum überhaupt lohnt. Auf einer Convention erfährt Eli von Makeup Wars, einem Wettbewerb, der alles verändern könnte. Der Hauptpreis? Ein Stipendium für Beyond, die beste SFX-Schule an der Westküste. Das Problem dabei? Die Konkurrenz besteht aus den talentiertesten aufstrebenden Make-up-Künstlern der Szene – einschließlich des rivalisierenden Influencers Zachary Miller, dem Ex-Freund. Eli muss mit den Make-up-Pinseln, den erneuten Gefühlen für Zach und den Selbstzweifeln jonglieren, um alles zu gewinnen: die Chance, den Traum zu verwirklichen, und eine zweite Chance auf Liebe.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 422

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALT

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

EPILOG

DANKSAGUNGEN

KAPITEL 1

Los Angeles – FaeCon

»Das Glück ist mit den Mutigen«, flüsterte Eli deren Spiegelbild zu.

Eli beugte den Oberkörper über ein bunt besprenkeltes Hotelwaschbecken und drehte den Kopf von einer Seite zur anderen, um deren Werk zu betrachten. Die Person, die denen aus dem Spiegel entgegenblickte, befand sich in der letzten Phase der Metamorphose; die vertrauten Züge waren verschwunden, ersetzt von neu erschaffenen. Make-up besaß diese Macht: jede Unsicherheit unter dem perfekt modellierten Antlitz einer fantastischen Figur zu begraben. So wie dey dastand – das geschorene goldblonde Haar weiß angesprüht und mit metallischem Glitzer verziert, die sommersprossigen Wangen durch zwei Silikonprothesen erhöht und akzentuiert –, war Eli königlich und mystisch und verwandelt.

Das Personal des Hyatt dürfte mit diesem Chaos seine Probleme haben. Eine Flasche mit flüssigem Latex stand unberührt neben bunten Schmuckbändern, einer Palette mit Ben-Nye-Bodypainting-Farbe und blau befleckten Schwämmen. In der flachen Spüle schimmerte Glitter und am Rand des Abfalleimers in der Nähe baumelte ein Eisstiel, der mit halb getrocknetem Pros-Aide beschichtet war, einem Spezialkleber für Make-up.

In der Seifenschale lag ein handgefertigter Augapfel aus Acryl, den Eli letzte Woche auf deren Weblog-Kanal vorgestellt hatte. Das Video »Castor für FaeCon« hatte deren bisher höchsten Zahlen erreicht: zwanzigtausend Aufrufe, fünfzehntausend Likes und dreihundert individuelle Kommentare. Am liebsten wollte Eli sich für die Entscheidung in den Hintern treten, das schwierigste Cosplay, das dey je kreiert hatte, auf einer Convention zu zeigen, an der dey noch nie teilgenommen hatte, aber eine neue Convention bedeutete neue Fotografen, neue Cosplayer, neue Artists und mehr Aufmerksamkeit. Und wenn Eli einen weiteren Sponsorenvertrag an Land ziehen wollte, musste dey für Aufsehen sorgen. Dey schluckte entschlossen und nahm den Augapfel aus der Schale. All die Probleme hin oder her, dey wollte dieses verdammt harte Cosplay hinbekommen, auch wenn das bedeutete, den Shuttlebus zum Messegelände zu verpassen.

Eli war schon mal in Vollkörper-Make-up fast fünf Kilometer zu Fuß gelaufen und dey würde wieder in Vollkörper-Make-up fast fünf Kilometer zu Fuß laufen, wenn es sein musste. Mit Hörnern, Schwanz, Hufen, der vollen Montur.

Vorsichtig drückte Eli den fragilen Augapfel auf ein Klümpchen Mastix und hielt ihn fest. Eine falsche Bewegung konnte deren nahezu fertigen Look ruinieren und im Gegensatz zu den herrlich grotesken Kreationen, die Horror-Artists und Haunt Masters an Halloween für Gruselveranstaltungen herstellten, konnte Eli Fehler nicht mit einem Spritzer Kunstblut ausbügeln. Dey stöhnte auf, als deren Handy summte und auf einer geschlossenen Palette Lidschatten herumklapperte. Eli tippte auf den Bildschirm, aber mit den künstlichen Krallen funktionierte das nicht. »Mein Gott … verdammt … komm schon«, grummelte dey und drückte mit dem Fingerknöchel auf das Lautsprechersymbol. »Ja?«

»Wo zum Teufel steckst du?« Der Bildschirm füllte sich augenblicklich mit dem Gesicht von Elis bester Freundin. Geisterhaft weiße Kontaktlinsen bleichten Bodhis braune Augen, ein starker Kontrast zu ihrer kupferfarbenen Haut. Mit einem Grinsen fletschte sie ihre falschen Reißzähne und beugte sich näher an die Kamera ihres Handys. »Alter Schwede. Das dritte Auge ist ja stark.«

Eli blickte zu deren Spiegelbild und nahm vorsichtig die zwei Finger von dem blassblauen, goldumrandeten und von falschen Wimpern eingerahmten Augapfel. Na also. Mit dem von Prothesen modellierten Gesicht, einem dritten Auge auf der Stirn und zwei Antilopenhörnern an der Schläfe war Eli zu Castor Eisherz, dem König der Nördlichen Fae, geworden, einer Figur aus einem der derzeit beliebtesten Tabletop-Rollenspiel-Podcasts.

Bodhi räusperte sich. »Eli, im Ernst. Mach hin!«

Drei Stunden Arbeit und keine Zeit, sie zu würdigen. Eli schnaufte, ein wenig genervt, aber auch sehr aufgeregt. »Gut, okay, ich bin in zwei Minuten unten. Ich brauch bloß meine Stiefel. Lass den Bus nicht ohne mich losfahren!« Eli schraubte die Tube Mastix zu und bestäubte deren Augenbrauen mit türkisfarbenem Glitzer.

»Ja, klar, ich leg mich einfach vor den Bus. Beweg deinen Hintern!«, blaffte Bodhi. Dann wurde der Bildschirm fast völlig von ihrem schwarz geschminkten Mund verdeckt. »Und vergiss ja nicht deinen Ausweis!«

»Jaja, schon gut«, murmelte dey, beendete das FaceTime-Gespräch und steckte das Handy in die versteckte, um deren Hüfte geschnallte Bauchtasche.

Im Hotelzimmer herrschte ein heilloses Durcheinander. Eine rosafarbene Perücke quoll über die Kante des Nachttischs, hohe Lederstiefel lehnten an den Schranktüren und der Boden war mit achtlos abgeworfenen Kleidungsstücken übersät. Eli suchte nach deren Stab – da, neben dem Fernseher – und den Stiefelüberzügen, die in einem Koffer verstaut waren. Okay, erledigt, fehlt bloß noch …

Als Eli durch die halb geschlossene Tür nach dem lilafarbenen Lanyard griff, das mit Emaille-Anstecknadeln, bunten Knöpfen und deren Ausstellerausweis bestückt war, stieß dey beinahe eines deren Hörner ab. Zwei Minuten, bis der Bus abfährt. Die Tür fiel mit einem lauten Klicken ins Schloss und Eli flitzte den Flur hinunter. In der einen Hand den bodenlangen Umhang, in der anderen den einen Meter achtzig langen Stab, eilte Eli in die Lobby und versuchte über keins der beiden zu stolpern.

Bodhi winkte von draußen. Sie wartete halb auf dem Bürgersteig, halb im Bus.

»Da kommt dey! Ja, direkt vor uns! Da, direkt vor uns«, fauchte Bodhi und riss den Kopf zwischen dem Fahrer und Eli hin und her.

Eli kletterte in den Bus und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. In dem schweren Cosplay und mit dem Binder war das nicht ganz einfach. »Hi, ich bin da – tut mir echt leid.«

Der Busfahrer, ein kahlköpfiger Mann mit einem dicken Schnurrbart, musterte Eli kurz. »In diesen Aufmachungen kommt man wohl nicht so schnell von A nach B, was?«

Eli stieß einen Seufzer aus. Deren Brust drückte gegen den beengenden Stoff. »Definitiv nicht.«

Aus dem hinteren Teil des Busses rief eine Person, die ebenfalls ein Castor-Cosplay trug, aber mit Jeans, Kapuzenpulli und viel kleineren Hörnern: »Castor, was geht ab?!« Eli lachte zur Antwort, winkte mit zwei Klauenfingern und schlängelte sich durch den Bus.

Bodhi drängte sich an Eli vorbei und schob ihren Rucksack beiseite, damit dey sich neben sie setzen konnte. »Immer bist du zu spät, immer …«

»Ich weiß, okay? Aber die Farbe zwischen den Schichten musste noch trocknen, sonst wäre ich jetzt eine einzige blaue Sauerei. Kannst du mir helfen, die Dinger anzuschnallen?« Eli deutete auf deren Füße und stupste dann gegen Bodhis Knie, das in glänzendes schwarzes Vinyl gehüllt war. Sie war als Valeria die Rachsüchtige unterwegs, eine Vampirlady, die zur Vampirjägerin geworden war – eine beliebte Nebenfigur aus Chaos Reign, demselben Podcast, aus dem auch Castor stammte. »Du siehst übrigens fantastisch aus.«

»Das hoffe ich doch, wenn ich mich schon in diesen Bodysuit zwänge«, kommentierte sie, bevor sie ihren Atem ausstieß und Elis Hufe um deren Fußgelenke schnallte, sodass sie die schwarzen Springerstiefel verbargen. »Haben wir überhaupt einen Plan? Erst in den Hof, dann Halle A, oder …?«

»Ich will unbedingt zum Fears, Queers, and Other Monster Makers-Panel«, sagte Eli und lehnte sich in deren Sitz zurück.

»Du weißt schon, dass die Panels in Halle C sind, oder? Und dass die quasi direkt neben der Ausstellerhalle liegt? Wir werden keine drei Meter durch die Tür kommen.«

»Wir können es ja versuchen«, ermutigte dey sie und hob mit ausgestrecktem Arm deren Handy. »Zeig mal deine Reißzähne, Valeria.«

Bodhi rückte ihre langen brünetten Locken zurecht und gab dann ein falsches Fauchen für die Kamera von sich. Eli öffnete Instagram und fing an, die Bildunterschrift zu tippen:

Castor und Val sind auf dem Weg.

Wir sehen uns auf der West Coast FaeCon! Macht ein Foto mit uns und taggt #EliSFX für die Chance, eine Night-Life-Palette zu gewinnen!

Dann postete dey das alberne Foto. Nicht einmal eine Millisekunde später tauchten in deren Feed Benachrichtigungen auf.

Make-up-Influencer zu sein war nicht das, was Eli sich für den ersten Job nach der Schule vorgestellt hatte, aber dey konnte sich nicht beschweren. Deren Name und deren Social-Media-Handles – Eli Peterson, @EliSFX und Makeup by Eli – brachten die Hälfte der Miete für deren frisch bezogene Fünfzig-Quadratmeter-Wohnung ein und deckten ein paar Rechnungen. Allein die kostenlosen Produkte waren ehrlich gesagt bereits den Aufwand wert. Make-up-Firmen schickten denen Paletten, Kleber, Glitter und Entwürfe, die Eli auf deren Plattformen vorstellen konnte, gegen einen Hinweis unter den Fotos oder eine Erwähnung in deren Videos. Zwar verwendete Eli in der Regel haushaltsübliche Materialien und erschwingliche Marken, aber die Gelegenheit, mit dem richtig guten Zeug herumzuspielen, machte den Job noch interessanter.

Dey schaute stirnrunzelnd auf deren Handy.

HecateCosmetics gefällt dein Foto. 32s.

»Ach bitte«, schnaubte Eli und drehte den Bildschirm zu Bodhi. »Kannst du das glauben? Ich flehe die seit zwei Jahren an, mich ihre Produkte testen zu lassen.«

»Oh ja, die sind aber auch sehr hochwertig. Statten die nicht auch die Haunt Masters für die Universal Horror Nights aus?«

»Ja, aber trotzdem. Es ist unhöflich, meine E-Mails zu ignorieren und dann meine Posts zu liken.«

»Stimmt.«

Eli wollte ganz groß rauskommen: am Set eines Multimillionen-Dollar-Films stehen und deren Make-up auf der großen Leinwand sehen. Aber das war – wie alles andere auch – nur ein Traum. Die Highschool war vorbei, das Ende deren Brückenjahrs und der Anfang der Zeit am College zeichneten sich am Horizont ab und der Influencer-Job brachte genug für die Hälfte der Rechnungen ein. Ein Job bei Denny’s bezahlte den Rest. Was übrig blieb, ging alles direkt auf das Sparkonto mit dem Namen YEET THESE TEETS, das dey im Abschlussjahr der Highschool eingerichtet hatte. Eine Mastektomie war nicht billig, genauso wenig, wie in Los Angeles zu leben, aber dort florierte die Special-Effects-Make-up-Szene, also würde L.A. immer Elis Heimat bleiben.

Bodhi reckte den Hals, um aus dem Fenster zu sehen, als der Bus an einer langen Schlange von Menschen vorbeifuhr, die sich zu einem roten Schild mit der Aufschrift AUSWEIS-ABHOLSTELLE drängten.

»Verdammt, ist das voll!«, sagte sie mit einem Seufzer. »Bist du startklar? Brauchst du Augentropfen?«

Nachtschwarze Kontaktlinsen verdunkelten das Weiße von Elis Augen und deren indigoblaue Iris. Dey konnte sie nicht lange tragen, aber für ein paar Stunden würde es reichen. »Nein, ich bin okay. Wie sieht’s bei dir aus?«

»Ich bin auch okay.«

Der Bus hielt vor dem Los Angeles Convention Center, und als die Türen aufschwangen, johlten und jubelten die Leute. Die Besucher der Convention füllten den Bürgersteig, einige in Straßenkleidung, andere zeigten ihre Cosplay-Fähigkeiten in übertriebenen Kostümen oder mit subtileren Anspielungen auf ihre Lieblingsfiguren. Eli rückte die Holzknöpfe an deren hochgeschlossener Tunika zurecht und richtete den weißen Kunstpelzkragen an deren marineblauem Umhang.

»Wie sieht der Schwanz aus?«, fragte dey.

»Super. Er soll doch über den Boden schleifen, oder?«

»Ja, ist aus bemaltem Schaumstoff. Die Hörner?«

»Sind spitz. Die Reißzähne?« Bodhi fauchte wieder.

»Sind auch spitz.«

Bodhi nahm einen tiefen Atemzug. »Bereit?«

Eli nickte. »Bereit.«

Sie stiegen beide aus dem Bus und kamen genau fünf Meter weit, denn sie wurden augenblicklich von einer Gruppe Fotografen aufgehalten.

»Castor!«, rief einer von ihnen. »Val! Hey, können wir euch beide in einer Kampfpose haben?«

»Wir sind auf dem Weg zu einem Panel, also muss es schnell gehen«, sagte Eli. Dey wirbelte deren Stab herum, straffte die Schultern und hob das Kinn an. Mit einem geübten Schwung des Beins ließ dey die Robe hinter sich hochwehen. Neben Eli sank Bodhi mit einem falschen Pfahl in der Hand in die Hocke und fletschte ihre Reißzähne. Als Eli und Bodhi ihre Posen veränderten, eilten ein paar andere Fotografen für eine Aufnahme herbei und einige Leute zückten ihre Handys und machten Selfies und Schnappschüsse. Es waren erst ein paar Minuten vergangen, aber Bodhi stupste Elis Fuß an und zeigte mit dem Kopf zu den Doppeltüren.

Eli räusperte sich. »Wir sind heute Nachmittag auf der Treppe für das Chaos Reign-Treffen«, sagte dey laut genug, um über das Treiben der Menge hinweg gehört zu werden. »Danke, Leute! Ja, genau, danke. Oh, hey, klar …« Eli hielt inne, um mit jemandem ein Selfie zu machen. »Ja, das bin ich. Kein Leerzeichen zwischen ›Eli‹ und ›SFX‹. Viel Spaß auf der Con!«

Bodhi zerrte ungeduldig an Elis Handgelenk. »Du weißt, dass wir es nie zu diesem Panel schaffen werden.«

»Lass uns einfach … gehen, ein bisschen im Laufschritt. Lächeln und nicken.«

»Jaja, schon verstanden.«

Der Hof des Convention Centers war rappelvoll mit Cosplayern, Fotografen und Convention-Besuchern. Mecha-Anzüge posierten für blitzende Kameras. Beliebte Comic-Figuren – Helden wie Schurken – lieferten sich neben einem Brezelwagen ein spielerisches Duell. Als Bodhi Eli durch die Menge schob, nickten ihnen andere Chaos Reign-Cosplayende zu, aber bevor sie Halle C erreichen konnten, tänzelte eine Prinzessin in einem gelben Ballkleid vor die beiden.

»Verzeiht mir«, sagte sie in einem Singsang und wirbelte weiter durch den Hof.

Bevor Eli um einen Sherlock und einen Holmes herumtauchen und weitergehen konnte, näherten sich zwei jüngere Cosplayer mit erhobenen Handys. Eli schenkte Bodhi ein entschuldigendes Lächeln. Der Anblick dieser beiden Kids, mit ihrem strahlenden Grinsen und den leuchtenden Augen, weckte in Eli eine Sehnsucht nach einer Zeit, die dey hinter sich gelassen hatte: das Warten in Onlinewarteschlangen auf Eintrittskarten für Conventions; der Versuch eines Zombie-Make-ups mit Klopapier, Klebestift, roter Lebensmittelfarbe und Gelatine; das fleißige Mitschreiben in deren Notizbuch während der Panels von Tipps und Tricks von den Besten der Branche.

Alles hatte begonnen, als Eli fünfzehn gewesen war, als dey zum ersten Mal mit Zach an der Hand in eine Convention-Halle gegangen war und makellose Cosplays bewundern konnte. Jetzt, fast vier Jahre später, kurz vor der Entscheidung für ein College und für eine Zukunft, an der dey kein Interesse hatte, wollte Eli unbedingt wieder zurück. Zurück zur Unkompliziertheit. Zurück zu den spätabendlichen Schminkübungen in Zachs Schlafzimmer. Zurück zu allem, wovor dey davongelaufen war.

Bodhi seufzte durch ihr Lächeln. »Es ist halb drei.«

Als die beiden ihr Foto machten, überspielte Eli deren Zusammenzucken mit einem Lächeln. »Danke, Leute! Schönen Tag noch!«

Dann sammelte Eli deren Gewand vom Boden auf und eilte durch den Hof. Bodhi führte sie beide einen überfüllten Gang zwischen Popcornschlangen und Signierstunden entlang, aber Eli blieb stehen, weil denen ein bestimmter Stand ins Auge fiel. Die violette Aufschrift und der fett gedruckte Titel waren zu vertraut, um sie zu übersehen: BEYOND – DIE KUNST DES MAKE-UP – HEUTE ANMELDEN!

»Wir kommen wieder«, sagte Bodhi und zerrte an deren Hand. Dann eilten sie durch den Korridor auf der anderen Seite der Ausstellerhalle, bis sie die Schlange vor den Panels erreichten. Schilder mit Raumnummern und Programmänderungen standen vor jedem ausgewiesenen Panel-Bereich.

Auf dem ausgedruckten Blatt, das an Raum 105C klebte, stand FEARS, QUEERS, AND OTHER MONSTER MAKERS. Darüber stand handgeschrieben: VOLL.

Eli stieß einen irritierten Seufzer aus. Von all den Panels, Tagen und Cosplays musste dey sich ausgerechnet den Samstag aussuchen – den Haupttag, an dem dey auch noch in Castor-Make-up unterwegs war – und verpasste die Diskussion mit dem kreativen Team hinter Chaos Reign.

»Tja«, sagte Bodhi und schürzte ihre Lippen. »Tut mir leid, Honey. Vielleicht erwischst du sie bei der nächsten Show.«

»Ja, vielleicht«, antwortete Eli enttäuscht. Dey rümpfte enttäuscht die Nase und deutete zu einem leeren Platz an der Wand. Bodhi nickte, folgte deren Beispiel und beide ließen sich zu Boden gleiten.

Sie waren erst eine halbe Stunde da, aber schon jetzt war ihnen nach einer Pause. Wenigstens war es in Halle C relativ ruhig, anders als in der Nähe der Ausstellerhalle, wo die Verkaufs-, Buch- und Kunststände für das Wochenende aufgestellt waren – dort herrschte der reinste Trubel. Normalerweise konnte dey ein paar Stunden durchhalten, ohne sich auszuruhen, aber manchmal machten die Menschenmassen es Eli schwer, zu Atem zu kommen. Vor allem, wenn dey von einem so beliebten Charakter wie Castor ein Cosplay machte. Das Panel verpasst zu haben, war natürlich unfassbar ätzend, aber hier an der Wand zu sitzen, durch deren Handy zu scrollen und ein bisschen Ruhe zu genießen, war Balsam auf deren Enttäuschung.

Ein Teil von denen liebte das alles: die Kameras, die Anerkennung, die Komplimente. Aber der andere Teil wollte das tun, was dey am besten konnte: sich in deren schnuckligen Wohnung mit deren Ringlicht und deren Make-up-Tutorials verstecken, Rollenspiel-Podcasts hören und in Unterwäsche Videospiele spielen. Und wenn Eli sich so lange versteckte, dass dey gerettet werden musste, war bis jetzt immer Bodhi da gewesen, um Eli zum Taco-Dienstag oder bei Hamburger Mary’s zum Brunch mitzuschleifen. Ein introvertierter Mensch zu sein war nicht schlimm, aber ein introvertierter Influencermensch? Ja, das sorgte definitiv für Komplikationen.

»Alles in Ordnung?«, fragte Bodhi und reichte Eli eine Wasserflasche.

Dey nahm einen Schluck. »Ja. Sollen wir die Artist Alley versuchen?«

»Versuchen ist genau das richtige Wort. Ich bin dabei, wenn du es bist.«

Kaum war Eli aufgestanden, ging die Tür von Raum 105C auf und die Leute strömten heraus. Eine Person in einem Pelzanzug cosplayte Weasel, das zwei Meter große Beuteltier aus Chaos Reign, das auch der Schurke der Party war, und stapfte durch den Korridor. Einige Gäste unterhielten sich miteinander oder blätterten im Messeführer der FaeCon, aber die meisten lungerten vor der Tür herum, wahrscheinlich in der Hoffnung, mit den Stars von Chaos Reign, Lee Gates und Theresa Jenkins, ein Foto zu ergattern.

Bodhi tippte Eli auf den Arm und lenkte deren Aufmerksamkeit auf drei klickende Kameras, die sich auf Eli richteten. Sofort wechselte dey wieder in deren Rolle, reckte das Kinn in die Höhe und zeigte mit dem Stab auf ein Objektiv, dann grinste dey breit und zwinkerte einem anderen zu. Plötzlich hörte dey Bodhi sagen: »Ja, das ist dey«, und sah, wie sie mit ihrem Daumen über die Schulter zeigte. »Aber ich weiß nicht, ob dey Interviews gibt.«

Eine schwarze Frau mit kurzen wallenden Locken, die ein Star Wars-Shirt mit einer »sie/ihr«-Anstecknadel am Kragen trug, schlängelte sich um Bodhi herum. Sie richtete ihren Blick auf Eli und hielt denen ihr Mikrofon entgegen, als würde sie dey stumm um Einverständnis bitten.

Eli blinzelte verblüfft. »Oh, was, ich? Also, ich? Ich bin nur …«

»Eli Peterson, einey der jüngsten aufstrebenden Special-Effects-Make-up-Artists in der Branche«, sagte sie sachlich. »Oder nicht?«

»Das klingt extrem cool, wenn du das so sagst.«

»Es ist mein Job, Dinge cool klingen zu lassen, und Menschen auch.« Sie streckte ihre Hand aus. »Pam Wippler, NerdsOut.com. Das Magazin für die queere Community, das sich mit der Intersektion zwischen der Community, der Kreativbranche und den Fandom-Kreisen befasst. Ich habe ein paar Fragen, wenn du Zeit hast?«

»Klar. Schieß los.«

»Wie ist es, in der Kosmetikbranche offen nichtbinär zu sein?«

»Oh, ich würde nicht sagen, dass ich in der Branche bin. Ich bin gerade erst bei meinen Eltern ausgezogen und konzentriere mich hauptsächlich auf Tutorials.«

»Du hast eine eigene Wohnung, was? Wie fühlt sich das an?«

»Gut, aber auch irgendwie seltsam?«, antwortete Eli, während dey nervös an deren Ausweis herumfummelte. »Hoffentlich sieht meine Familie diese ganze Make-up-Sache bald als richtigen Job an. Aber im Moment ist es das noch nicht.«

»Willst du, dass es das mal wird?«, fragte Pam. »Ein richtiger, ernsthafter Job, meine ich.«

»Na klar. Ich würde supergerne meinen Lebensunterhalt damit verdienen, Monster zu erschaffen.«

»Das glaube ich sofort.« Als Pam grinste, sah man die niedliche Zahnlücke zwischen ihren Zähnen. »Und wie hat alles angefangen? Wie oder durch wen bist du zum Special-Effects-Make-up gekommen?«

Elis Brust zog sich zusammen. Mit dieser Frage hätte dey rechnen müssen. Es war ein Stolperstein, den Eli immer wieder überwinden musste. »Ich habe in der achten Klasse angefangen«, sagte dey und schluckte das Kratzen in deren Hals hinunter. Mit Zach. »Mit einem alten Freund von mir. Wir haben immer geübt, sobald meine Eltern im Bett waren.« Dey konnte sein Lachen immer noch hören, ein bisschen rau, ein bisschen tief. »Wir haben uns die ganzen alten Horrorfilme angesehen und das Buch von Dick Smith zum Selbermachen von 1965 gekauft.« Dey erinnerte sich daran, wie sich sein Mund an deren achtzehnten Geburtstag an deren Halsschlagader angefühlt hatte, als sie in Venice Beach im Sand saßen, die Luft noch rauchig und beißend vom Silvesterfeuerwerk. »Das Experimentieren mit Latex, Kostümen und Kunstblut, das … das hat etwas ausgelöst. Wir haben etwas ausgelöst.« Dey erinnerte sich, wie Zach den Atem anhielt, als Eli zwei Tage vor der Abschlussfeier geflüstert hatte: Ich komme nicht mit. »Und das hat mich hierhergebracht, schätze ich.«

»Und was kommt als Nächstes? Glaubst du, du wirst auf der Cosplay-Runway-Show in Seattle um den großen Preis kämpfen?«

Eli schob die Erinnerungen beiseite und konzentrierte sich auf die Worte Runway-Show. »Ich weiß nicht, um ehrlich zu sein. Davon hab ich noch nichts gehört.«

»Theresa bietet der Gewinnerperson ein zwölfmonatiges Stipendium für Beyond in Hollywood an, mit Start im Herbstsemester. Das Ganze wird heute Abend beim Cosplay-Wettbewerb offiziell bekannt gegeben. Wir sehen uns da, oder?«

»Aber sicher. Ja, klar.« Eli zwang sich zu einem normalen Lächeln, doch jeder Knochen in deren Körper vibrierte vor Aufregung.

»Danke für das Interview«, sagte Pam mit einem Winken und ging dann zu dem Wiesel-Cosplayer im Pelzanzug.

Ein Stipendium für Beyond!

Plötzlich war Bodhi da, ergriff Elis Handgelenk und riss dey aus deren Gedanken. »Ich sterbe vor Hunger, wie in hungers sterben. Können wir einen Imbisswagen ansteuern, bevor wir zur Artist Alley gehen?«

Eli nickte abwesend.

Beyond war die beste Make-up-Schule für Spezialeffekte in Südkalifornien. Das war deren Chance, einen Fuß in die Tür zu bekommen – mehr zu sein als Influencer bei Nacht und Bedienung im Diner bei Tag. Das war die Chance, die dey sich bei jeder Sternschnuppe, jedem Kerzenauspusten und jedem Glückskeks von Beginn der Highschool an gewünscht hatte.

Elis Herz hämmerte in deren Brust, immer im Takt von zwei Silben:

Beyond.

KAPITEL 2

Los Angeles – FaeCon

Der Cosplay-Wettbewerb fand im Ballsaal im zweiten Stock statt. Zum Glück kamen Eli und Bodhi früh genug, um sich Sitzplätze zu sichern. Es waren keine tollen Plätze, aber das machte nichts. Sie konnten die Bühne und den Tisch sehen, an dem die Jury, darunter Theresa Jenkins, sitzen würden, und das allein zählte. Auf beiden Seiten der Bühne befanden sich riesige Bildschirme und die Scheinwerfer waren auf den improvisierten Runway gerichtet, der sich von einem Flügel zum anderen erstreckte.

Seit dem verpassten Panel und dem spontanen Interview hatte Eli das Internet nach weiteren Informationen über das Stipendium für Beyond durchforstet. Der Stand war keine Hilfe gewesen, also musste dey sich darauf verlassen, dass jemand die Informationen von Theresa beim Panel online gestellt hatte. Nachdem dey durch ein Dutzend verschiedener Twitter-Profile gescrollt hatte, fand dey es.

»Also, diese Makeup Wars«, sagte Bodhi, die ein paar Erdnuss-M&Ms knabberte. »Zuerst gibt es glorifizierte Castings, dann kommt der Wettbewerb, wer die krasseste Cosplay-Bitch ist, dann stimmt die Jury ab, diese Stimmen werden mit den Stimmen aus den sozialen Medien kombiniert und das bestimmt am Ende, wer gewinnt? Oder hab ich was vergessen?«

»Nein, das ist alles. Ich meine, es wird Spaß machen, aber ich bezweifle, dass ich es durch die Castings schaffe oder gewinne oder so. Ich will schon, ich hoffe, ich schaffe es, aber …«

»Aber?«

Eli seufzte. »Aber es ist wahrscheinlich am besten, sich nicht zu sehr mitreißen zu lassen.« Doch ehrlich gesagt war es dafür zu spät. Eli starrte auf deren Schoß, die Daumen rasten über die Tasten, dey tippte immer wieder denselben Instagram-Beitrag, löschte und tippte dann von Neuem.

Was, wenn? Der Gedanke nagte an Eli. Was, wenn dey es nicht schaffte? Was, wenn dey es doch schaffte? Was, wenn das die wohlverdiente Belohnung war für all die Zwölf-Stunden-Schichten, durch die dey sich geschleppt hatte, für jeden Penny, den dey in die Spardose für die Mastek geworfen hatte? Eli holte tief Luft und versuchte, keine Angst zu haben. Wenn Eli nicht gewann, gewann dey halt nicht. Aber dey musste es versuchen. Dey musste.

Die Anmeldung zum Wettbewerb fand auf Social Media statt und Eli musste ein Bild mit dem Hashtag #MakeupWars teilen. Das Problem war, dass dey sich nicht entscheiden konnte zwischen einem Selfie von vor der Con und einem Ganzkörperfoto, das Bodhi beim Chaos Reign-Treffen gemacht hatte. Auf dem Selfie zeigte Eli ein halbes Lächeln und mit der Hand unter dem Kinn waren gut die silbernen Krallen und der verflucht komplizierte Schaumstoffaufsatz zu sehen, den dey für die Elfenohren perfektioniert hatte.

Aber das andere zeigte das gesamte Outfit, einschließlich der Hufe und des leicht gekrümmten Schwanzes, der aus dem Schlitz des Umhangs ragte.

»Also gut, ich tue es«, platzte es aus Eli heraus und dey tippte auf das Selfie. »Bereit?«

»Tu es, Bitch«, sagte Bodhi, die eine Backe voll Schokolade.

Ich kann es kaum erwarten, mit tollen SFX-Artists um ein Stipendium für BEYOND zu konkurrieren! Es war schon immer ein großer Traum von mir, von den Besten der Besten zu lernen, und ich freue mich wahnsinnig darauf, mit allen die Latexfetzen fliegen zu lassen bei den MAKEUP WAAARRSSS!! Danke für die Chance @theresa_chaos und @FaeCon.

#MakeupWars

Eli tippte auf »Teilen«.

Eine Welle der Nervosität schwappte durch Elis Magen. Cosplay-Wettbewerbe waren eine Sache – da ging es um eine Trophäe oder eine Medaille, um einen Scheck, der vielleicht die Materialkosten abdeckte, und um das Privileg, auf der nächsten Con mächtig angeben zu können –, aber dieses Stipendium hatte das Potenzial, deren Ausbildung in die Stratosphäre zu katapultieren. Es könnte dey helfen, einen festen Job zu finden, anstatt ein unbezahltes Praktikum zu machen. Beyond könnte den Verlauf von Elis Leben verändern.

»Ziemlich cool, endlich mal einen Cosplay-Wettbewerb zu haben, bei dem das Make-up im Mittelpunkt steht. Ich meine, ich liebe Kostüme abgöttisch, ich weiß, wie fantastisch dieser Make-up-Scheiß ist«, sagte Bodhi und stupste Eli mit dem Ellbogen an. »Aber eine neue, einzigartige Sparte im Programm von den Cons zu haben, sorgt schon für frischen Wind.«

Die Lichter wurden schwächer und Applaus ertönte, denn nun hüpfte eine in strahlendes Lila gehüllte Prinzessin in die Mitte der Bühne.

In ihren dicken Zopf, der hinter ihr herschwang, waren Blumen eingeflochten und aus dem Korb an ihrem Arm lugte eine Chamäleonpuppe heraus.

»Verdammt«, sagte Bodhi staunend, »schau dir diese Rapunzel an! Ich wette, sie kommt aufs Podium.«

Eli setzte sich auf deren Platz und grinste. Mehr Cosplayer kamen und gingen. Der vollbesetzte Ballsaal klatschte und jubelte allen Teilnehmenden zu, egal ob es sich um Neulinge oder erfahrene Designer handelte. Oldschool-Charaktere in Outfits aus alten Comics stolzierten über die Bühne und neue Kreaturen aus Indie-Spielen, die ihre animatronischen Flügel ausbreiteten, entlockten dem Publikum ein Raunen.

Nach dem Auftritt aller Cosplays verließ die Jury die Bühne, um sich über die Platzierungen zu beraten. Eli schaute sich im Ballsaal um und war erleichtert, dass dey – da dey die Kontaktlinsen rausgenommen hatte – klar sehen konnte. Manchmal trübten die gefärbten Linsen deren periphere Sicht und machten es schwierig, zu fokussieren. Vorhin hätte dey fast ein ganzes In-N-Out-Burger-Menü über sich gekippt, weil dey den Robin-Hood-Cosplayer, der neben denen an der Theke stand, nicht bemerkt hatte. Zum Glück hatte Robin Hood seinen Milchshake auch nicht verschüttet und schüchtern gefragt, wo Eli die schicke Emaille-Anstecknadel mit deren Pronomen gekauft hatte. Sie kamen ins Gespräch und lachten viel. Und in diesem Moment erinnerte sich Eli daran, wie herzlich Conventions sein konnten.

An Tagen, an denen die Stimmung besonders mies war, oder nach langen Nachtschichten ordnete dey manchmal die Anstecknadeln an deren Lanyards und schwelgte in Erinnerungen an die vielen Kunstschaffenden und neuen Freunde, die dey an den Wochenenden in den Artist Alleys getroffen hatten. Die Cons fühlten sich wie ein Zuhause an, auch wenn Eli auf andere Enbys manchmal fast Burger und Milchshakes verschüttete.

»Gibt es heute Abend nicht eine Chaos Reign-Afterparty?«, fragte Eli, als sie auf die Bekanntgabe des Gewinners warteten.

Bodhi nickte und band ihre dicken Locken zu einem Pferdeschwanz zusammen.

»Ja, aber es gibt auch ein NerdsOut-Treffen und eine Blitzrunde Pen-&-Paper-Rollenspiele. Wir könnten es zu allen drei Events schaffen, wenn wir uns an einen Zeitplan halten.«

»Wir? Zeitplan?« Eli musste lachen. »Haha, nein. Such dir zwei aus.«

»Ach, komm schon! Lass uns zu dem Treffen gehen, bei einer Blitzrunde mitspielen und dann den Abend auf der Party ausklingen lassen. Macht doch Sinn, oder?«

»Na gut, versuchen wir’s.«

Das Licht wurde wieder gedimmt und Jubelschreie hallten durch den Raum, denn die Jury nahm ihre Plätze ein. Brett Howler, ein berühmter Cosplayer, ergriff als Erster das Mikrofon und bat um eine Runde Applaus für alle Teilnehmenden. Er rief die drei auf die Bühne, die es ins Finale geschafft hatten, und verkündete, dass Rapunzel den dritten Platz belegte und ein Star Wars-Cosplay den zweiten Platz. Der erste Platz ging an einen riesigen Ganzkörperanzug eines Drachenkriegers, der mit LED-Flügeln, einer 3-D-gedruckten Rüstung und zwei gigantischen Reptilienköpfen ausgestattet war.

Bodhi brachte ihren Mund nahe an Elis Hals und flüsterte: »Es gewinnt immer irgendjemand auf Stelzen.«

Eli lachte schnaubend. »Stimmt, aber das Kopfteil muss Tage gebraucht haben. Kannst du dir vorstellen, wie aufwendig es war, das zu gießen? Wie viel Klebstoff das braucht?«

»Oh, das Zeug muss überall sein. Klebstoff vorne, Klebstoff hinten, Klebstoff im …«

»… im Schritt«, beendete Eli und beide brachen in schallendes Gelächter aus. Dann schnappte Eli nach Luft und kippte fast von deren Sitz, als die Worte Makeup Wars über die Bildschirme über der Bühne flimmerten. »Heilige Scheiße, okay, es geht los.«

Bodhi nahm Elis Hand und drückte sie. »Dann mal los, Honey. Augen zu und durch.«

Theresa Jenkins betrat die Bühne; sie trug einen paillettenbesetzten und mit astrologischen Konstellationen verzierten Umhang. Ihr kurzes blondes Haar war zurückgegelt, an den Ohren befanden sich silberne Elfenohren-Anstecker und um ihren Hals trug sie einen zierlichen Reif aus Laub. Sie war fantastisch, ein echtes Schwergewicht in der SFX-Branche, und Eli dachte, deren Herz würde zerspringen, wenn es noch schneller schlagen würde. Denn falls Eli gewann – falls dey gewann –, würde dey bei ihr lernen dürfen. Bei dem Gedanken fing Elis Kopf an zu schwirren.

»Vielen Dank, dass ihr heute Abend alle gekommen seid. Wie geht’s euch?«, fragte Theresa, die ihre Arme ausbreitete und lauten Beifall, Jubel und anerkennende Pfiffe erntete. »Sehr gut, sehr gut. Ich habe ein paar aufregende Neuigkeiten, die ich mit euch teilen möchte. Wir haben bei FEARS, QUEERS, AND OTHER MONSTER MAKERS darüber gesprochen und ich habe gesehen, wie der Hashtag auf Social Media explodiert ist, also …«

Ein paar Leute klatschten oder hoben ihre Hände und winkten mit ihren Handys in der Luft. »Gleich entfessele ich das Chaos in der Welt der Spezialeffekte! Seid ihr bereit?«

Es gab noch mehr Jubel und noch mehr Gebrüll. Eli drückte Bodhis Hand fester.

»Wir erweitern unsere Conventions an der Westküste um einen neuen Wettbewerb, einen Sommer-Showdown. Dieses Jahr werden wir neben den klassischen Wettbewerben, die wir alle kennen und lieben, unseren neuen Cosplay-Runway in ein Schlachtfeld verwandeln.«

Theresa deutete in die Menge. »In den nächsten zehn Tagen werdet ihr auf der virtuellen Bühne von Makeup Wars, einem interaktiven Wettbewerb in den sozialen Medien, für eure Lieblings-Artists abstimmen, um die fünf besten Makeup-Artists und Cosplay-Designer des Landes zu finden. Ich werde diese Artists auf der San Diego Comic Palooza, der Anime Bay San Francisco, der Oakland Heroes Expo, der FanEx in Portland und im Finale beim Cosplay-Wettbewerb auf der berüchtigten Sea City Comic Con in Seattle unterstützen.

Mit eurer Hilfe werde ich einey Artist auswählen, dey mit mir und meinem Team bei Beyond ein ganzes Jahr lang eine Ausbildung in Spezialeffekten und Kostümdesign absolviert. Seid ihr bereit, mir zu helfen, dey nächsten herausragenden Special-Effects-Make-up-Artist zu finden?!«

Eli formte mit den Händen vor dem Mund einen Trichter und grölte.

Theresa schwang ihre Handfläche zu den großen Bildschirmen. »Werfen wir einen Blick auf unsere Teilnehmenden!«

Aus den Ecken der Bildschirme tropfte jetzt animiertes Blut und Cartoon-Cosplayer zwinkerten der Menge zu, neben den Worten Anmeldefrist endet Mitternacht einen Countdown einrahmend. Als erstes Gesicht erschien eine bekannte indisch-amerikanische Cosplay-Künstlerin mit dem Pseudonym Beverly Belle.

»Jawohl, Bev!«, rief Bodhi und reckte ihre Faust in die Luft. »Zeig ihnen, was wir draufhaben!«

Während unzählige Gesichter mit den dazugehörigen Social-Media-Handles darunter erschienen, vibrierte Eli förmlich auf deren Sitz. Da war Beverly Belle, die berühmte Anime-Cosplay-Künstlerin. Der schaurige TikTok-Make-up-Artist Franklin Stein. Gary Harken. Cassie Anne Montgomery, die Beauty-Spezialistin. Joe Morgan.

Eli hatte sie alle in deren Instagram-Feed und der Empfehlungsliste von deren Weblog-Kanal gesehen. Als dey zusah, wie immer mehr neue Namen auf dem Bildschirm aufblinkten, wurde das nervöse Flattern in deren Magen immer stärker. So viel verdammtes Talent. Eli schluckte und fummelte an einem Knopf deren Gewands herum. Vielleicht hätte Eli sich das Ganze doch gründlicher überlegen sollen.

»Heilige Scheiße – heilige Scheiße, Eli!« Bodhi klatschte auf Elis Hand und deutete wie wild auf den Bildschirm.

Elis Selfie tauchte dort auf und das Publikum jubelte. Etwas Elektrisches blühte in Eli auf und brannte die Anspannung weg. Die Rufe der Menge zu hören, deren Gesicht zu sehen, deren Namen neben Kunstschaffenden zu sehen, die dey bewunderte und beneidete – dey konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Das war Elis Moment. Deren Chance war gekommen.

»Ich kann nicht glauben, dass ich …« Elis Stimme versagte; sie blieb an dem gewaltigen Kloß hängen, der plötzlich in deren Kehle steckte. Dey starrte auf den Bildschirm. Auf dieses Gesicht. Sein Gesicht. Dann schoss alles in deren Körper hin zu deren Brustkorb. Dey fühlte sich benommen, von Schwindel und panischem Unglauben ergriffen.

Direkt nach Elis Selfie tauchte das Bild des zukünftigen Haunt Masters Zachary Miller auf.

Zachary Miller, der Junge, der denen im ersten Schuljahr einen Versprechensring geschenkt und mit dey bis spät in die Nacht Make-up geübt hatte, der dey beim Abschlussball auf den Mund geküsst und als Erster »Ich liebe dich« zu dey gesagt hatte. Zachary Miller, der Make-up-Artist, der bei High-End-Marken wie Hecate und HeartStopper unter Vertrag stand, der den exklusiven SFX-Workshop in den Shockwave Studios in New York besucht hatte und dem auf Instagram eine halbe Million folgten.

Zachary fucking Miller. Der Kerl, dem das Herz gehörte, das Eli in tausend Stücke zerbrochen hatte.

Bodhi schnappte nach Luft. »Zach ist wieder da?« Sie wirbelte zu Eli herum, Reißzähne über die Unterlippe ragend, die Augen weit aufgerissen und ohne zu blinzeln. »Ich dachte, er wäre jetzt in New York. Also, dauerhaft.«

»Dachte ich auch«, krächzte Eli. Hitze schoss denen ins Gesicht. Dey musste sich bewegen. Dey musste verschwinden. Einfach verschwinden.

»Hey, mach langsam, warte!«, sagte Bodhi, fuchtelte mit den Armen und fing deren Stab auf, bevor er auf dem Boden aufschlug. »Warte doch, bleib stehen, Eli!«

Aber Eli war schon weg. Dey stolperte über die eigenen Füße und lief auf den Korridor hinaus, ein Huf riss ab und fiel auf den Boden. Dey stieß mit dem Horn gegen den Türrahmen, dann mit der Schulter. Der Schaumstoff zerriss und es erklang ein schreckliches Geräusch, als ob sich ein Reißverschluss ablöste. Eli lief zu schnell, aber deren Instinkt sagte, dass dey fliehen musste. Raus aus dem Ballsaal. Irgendwohin, wo dey sicher und klein war, wo dey mit dem rasenden Atem und den zitternden Händen allein sein konnte. Dey drückte den Abwärtsknopf des Fahrstuhls wieder und wieder und wieder.

Schließlich ertönte das Bimmeln und Eli schlüpfte hinein.

Dey hätte es wissen müssen. Dey hätte damit rechnen müssen.

Doch selbst dann hätte Eli nichts, aber auch rein gar nichts darauf vorbereitet, Zachs Gesicht auf dem Bildschirm zu sehen.

»Okay«, flüsterte Eli und lief im Lift hin und her. »Okay, es ist alles in Ordnung. Dir geht es gut. Es ist alles in Ordnung.«

Vor deren innerem Auge tauchten Erinnerungen auf. Von vor einem Jahr, als dey auf dem Beifahrersitz von Zachs Jeep mit deren Handtasche herumhantierte. Wie dey vergeblich versuchte, die richtigen Worte herauszubekommen. Ich komme nicht mit dir mit. Wie sie Wochen zuvor auf dem Winterball tanzten. Wie sie in der letzten Reihe eines Kinos unter den Klamotten des anderen herumfummelten. Wie dey Zachs Kinn auf dem Venice Beach Boardwalk küsste. Wie dey seine Hand hielt, während sie für ein Panel auf der Anthrocon anstanden. Wie sie gemeinsam Pläne schmiedeten. Wie sie sich gemeinsam ihre Träume ausmalten.

Es fühlte sich an, als wäre Eli rückwärts durch die Zeit geschossen und zurück in deren Körper gesprungen, zwei Minuten, bevor dey sich selbst das Herz gebrochen hatte.

Der Fahrstuhl hielt an, der Gong ertönte und die Tür ging auf.

Eli hielt mitten im Schritt inne. Deren Atem stockte und blieb auf halbem Weg zu einem Keuchen im Hals stecken.

Zachs Augen waren so grün wie eh und je. »Eliza …«

»Eli«, platzte es aus denen heraus und dey schluckte schwer. »Ich heiße Eli.«

»Eli …«, sagte er, als probierte er den Namen aus. Er war ein warmes Raspeln in seinem Mund. »Ist ’ne Weile her.«

»Ja, schon. Es … ja, das ist es. Ich bin nur … Ich muss dann mal …«

Ein weiteres Reißen war zu hören. Das Antilopenhorn fiel herunter und traf Eli auf die Wange und die Nase.

Zach verzog das Gesicht. Mein Gott, er hat das Gesicht verzogen.

»… los.« Rein in den Verkehr. Ins Meer springen. In die Wüste laufen und nie wiederkommen. Eli hielt deren schlaffes Horn in einer Hand und raffte deren Gewand in der anderen. Als sich die Fahrstuhltür zu schließen begann, stolperte dey über den schlaffen Huf.

Zach blockierte die Metalltür, bevor sie gegen Eli prallte.

»Alles okay?«

»Ja klar, alles bestens.«

Eli versuchte, dagegen anzukämpfen. Dey versuchte, gedemütigt und mit zitternden Händen weiterzugehen, aber dey konnte einfach nicht anders. Dey musste über die Schulter schauen, um einen Blick auf die hellen Stoppeln auf Zachs Wangen und sein dunkelbronzenes Haar zu erhaschen, dey musste die neue Tinte sehen, die sich an seinem Hals entlangschlängelte, und die drei – nein, vier – Ringe an seinen Ohrläppchen zählen. Dey musste sich einprägen, wie sein schwarzes Button-Down-Hemd eng an seinen Schultern saß, wie sich sein kalter Gesichtsausdruck kaum verändert hatte und wie sich seine Lippen nicht zu einem Lächeln formten. Nicht einmal, als er deren Namen gesagt hatte. Eli hielt inne. Dey zupfte an ihrem Gewand, nahm allen Mut zusammen und drehte sich um.

Elis Herz zerriss.

Die Fahrstuhltüren hatten sich geschlossen und Zach war verschwunden.

Mal wieder.

KAPITEL 3

Los Angeles – FaeCon

Eli riss mit den Zähnen eine Packung Ketchup auf und quetschte den Inhalt neben einen Haufen grob geschnittener Pommes auf deren Teller. Sie waren weder zum Nerds-Out-Treffen noch zu den Blitzrunden noch zur Chaos Reign-Afterparty gegangen. Genauer gesagt waren sie nirgendwo hingegangen, bis Bodhi Eli mitten in der Lobby fand, wo dey mit zittrigen Händen deren zerbrochenes Antilopenhorn hielt. Bodhi war aus dem Fahrstuhl gesprungen, hatte sich die Reißzähne herausgerissen und sich durch die Lobby einen Weg zu Eli gebahnt, vorbei an ein paar Leuten, die die Convention besuchten und cosplayten und vor der Ausstellerhalle herumlungerten, und Freiwilligen, die um sie herumwuselten, die Lichter überprüften, Stühle aufstellten und Mülleimer leerten.

Bodhi hatte gewartet, bis sie im Shuttlebus saßen, um zu sagen: »Ich habe Zach gesehen.«

Und Eli hatte gewartet, bis sie sicher in ihrem Hotelzimmer waren, um zu antworten: »Ja, ich auch.«

Bodhi hatte nur genickt.

Sie hatte sich auf die Bettkante gesetzt, Eli mit den Füßen gewippt und auf den Boden gestarrt. Die Minuten zogen sich hin. Eli hatte den Kloß im Hals hinuntergeschluckt und zum Bad gestikuliert, Bodhi hatte mit derselben Geste nonchalant auf die laminierte Zimmerservicekarte auf dem Nachttisch gedeutet.

Das Abschminken eines Ganzgesichts-Make-ups war immer befriedigend. Wie sich deren Haut beim Ablösen des Silikons anspannte, wie sich die Prothesen hoben und unter deren Fingern wie Gelatine hervorquollen. Eli war im Badezimmer geblieben und hatte verspielt zu deren Handy gelächelt, mit dem dey den Abschminkvorgang für deren Instagram-Story aufzeichnete, umwabert von den Dämpfen der alkoholgetränkten Watte, dem Geruch der Farbe und des Klebstoffs, der so an Wachsmalkreide erinnerte. Doch als Castor verschwunden war, blieben nur noch Eli und deren Herzschmerz zurück. Deren Lächeln verblasste und die selbstbewusste Fassade bröckelte. Als dey aus dem Bad gekommen war, hatte Bodhi dey mit einem Festmahl erwartet.

»Okay, wir haben Salziges, wir haben Süßes und wir haben Bier«, hatte sie gesagt und auf jeden der Teller auf dem Hotelzimmertisch gezeigt. »Dusche? Fertig. Hautpflege? Erledigt. Gut, reißen wir das Pflaster ab und legen den Finger in die Wunde.« Sie hatte sich gegenüber von Eli aufs Bett gesetzt und ihre Gabel in einen Brownie-Eisbecher gestochen, der neben einem Berg von Pommes stand. »Also, Zach ist wieder da.«

»Ja, das … das ist er wohl«, murmelte Eli nun, schnappte sich eine Dose von dem Craft-Bier, das Bodhis Freundin ihnen gekauft hatte, und nahm einen Schluck. »Ich glaube, ich steige aus Makeup Wars aus.«

»Auf keinen Fall!«, knurrte Bodhi. Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn. Ihre braunen Wangen waren noch taufrisch von ihrem teuren Hagebuttenwasser und sie fixierte dey mit einem strengen Blick. »Das schlägst du dir sofort wieder aus dem Kopf, Liz. Du machst da mit.«

Eli steckte sich eine Pommes in den Mund, kaute und schluckte. Dey erinnerte sich an Zachs Lippen, wie sie einen Namen formten, den dey nicht mehr benutzte. »Er hätte mich fast …«, murmelte dey und ignorierte das Unbehagen, das sich unter deren Haut regte. Eli hatte deren Namen geändert, nachdem Zach nach New York geflogen war. Dey hatte die Silben wie auf einem Autopsietisch abgeschnitten, hatte Eli wie einen Knochen abgetrennt. Liz auch. Und das Ganze blieb leer zurück, wie ein Exoskelett. »Nicht dass er das hätte wissen können oder so, aber er … er sah aus, als hätte er einen Geist gesehen.«

»Na ja, nichts für ungut, aber du hast die ganze Ich bin trans, hört mich brüllen-Nummer abgezogen und dir alle Haare abgeschnitten, also würde ich wetten, dass er ein bisschen überrascht war«, sagte Bodhi achselzuckend. Sie verzog das Gesicht. »Aber er weiß doch, dass du nichtbinär bist – er weiß das schon seit Ewigkeiten. Die neue Frisur kann nicht so schockierend sein.«

»Er weiß es schon so lange wie ich, also seit dem ersten Jahr in der Highschool«, sagte Eli, dey sich nun eine Gabel schnappte und den Brownie in Angriff nahm. »Wenn er es ins Finale von Makeup Wars schafft, und das wird er, und ich schaffe es auch, dann … dann muss ich gegen ihn antreten und das kann ich nicht. Ich kann nicht …« Es fühlte sich an, als ob die Worte immer schneller und schneller heraussprudelten, zusammen mit all der Luft in deren Lungen.

»Oh, mein Gott, hörst du dir eigentlich selbst zu?«, fragte Bodhi und legte ihre Hand fest auf deren Gesicht, um sie zu zwingen, sie anzuschauen. »Es ist ein ganzes verdammtes Jahr her, Eli. Ihr habt euch getrennt! Das kommt vor. Lass dir diese Chance nicht von altem Scheiß kaputt machen.«

»Alt würde ich das nicht nennen«, sagte dey leise. Dey schob Klumpen geschmolzener Eiscreme auf dem Teller herum.

Bodhi seufzte. »Komm schon, ich meine, es ist Zach. Er wird sich deswegen bestimmt nicht wie ein Arschloch aufführen.«

»Hast du vergessen, was passiert ist?«, fragte Eli und warf ihr einen kalten Blick zu. »Erstens habe ich ihm gesagt, dass ich nicht mit ihm nach New York gehe, achtundvierzig Stunden bevor wir zum Flughafen wollten, um gemeinsam in das Flugzeug zu steigen. Zweitens hatten wir Pläne, richtige, konkrete Lebenspläne: eine Wohnung mieten, nach dem Workshop ein Praktikum bei Shockwave machen, Jobs finden, heiraten und ich …«

»Erstens hätte ich das ganze verdammte Land durchquert, dich gefesselt und zurück nach L.A. gebracht, bevor ich dich vor deinem einundzwanzigsten Geburtstag hätte heiraten lassen. Und zweitens hast du getan, was für dich das Beste war, okay? Du hast in letzter Minute eine schwierige Entscheidung getroffen und das …« Bodhi seufzte und strich mit ihrer Hand über Elis Knie. »Das war scheiße. Das hat wehgetan. Glaub mir, ich weiß das, weil es mir auch wehgetan hat. Aber du darfst nicht diese riesige, gigantische, monumental wichtige Chance sausen lassen, nur weil dein Ex plötzlich wieder in der Stadt ist.«

»Er ist ein Haunt Master«, sagte Eli dumpf und schirmte sich vor der passiv-aggressiven Klinge ab, die Bodhi zwischen den netten Worten versteckt hatte. Weil es mir auch wehgetan hat. Dey wollte sie beißen. Dey wollte sagen: Ich habe dich nicht gebeten, mich zu wählen. Du hättest mit ihm befreundet bleiben können. Aber das tat dey nicht. »Er ist der nächste große Star in der Horrorszene, Bodhi!«

»Okay, er hat zwei Haunt-Saisons mitgemacht – zwei! – und niemand, kein einziger Mensch, ist von zwei dreiwöchigen Auftritten in einem Halloween-Themenpark beeindruckt, vor allem wenn er bei einem davon nur Assistent war. Der Titel Haunt Master ist ja ganz nett, aber ich lasse mich nicht davon blenden. Er war auch mein bester Freund.«

»Okay, wie auch immer, aber er wird ein Haunt Master sein. Wahrscheinlich ist er schon im Produktionsteam von Universal, weil er der beliebteste Highschool-Praktikant war und weil er ungefähr neunhundert Sponsoren und ein schniekes Zertifikat von Shockwave hat, das er überall herumwedeln kann, und … und ein Tattoo? Hast du das gesehen? Er hat ein verdammtes Tattoo, Bodhi.«

»Konzentrier dich!«, rief Bodhi, als sie einen Zentimeter vor Elis Nase in die Hände klatschte. »Sprich mir nach: Ich steige nicht aus den Makeup Wars aus.«

Eli schnaubte.

»Sag es!«

»Ich steige nicht aus den Makeup Wars aus.«

»Ich werde Makeup Wars gewinnen.«

»Bodhi …«

»Sag es!«

»Ich werde Makeup Wars gewinnen.«

Bodhi schnitt eine Grimasse und zog eine Augenbraue hoch. »Ich bin einey krasse Make-up-Artist.«

Elis Lippen zuckten, als dey gegen ein Lächeln ankämpfte. Dey seufzte und stopfte sich noch mehr von dem Brownie in den Mund. »Ich bin einey krasse Make-up-Artist«, murmelte dey.

Bodhi grinste und schnappte sich ihr Bier vom Nachttisch. »Bodhi hat immer recht.«

Eli tat, als würde dey Bodhi die Gabel ins Bein stechen. Danach schallte Gelächter durchs Hotelzimmer und Bodhi lenkte das Thema von Zach ab und sprach stattdessen über Elis Followerzahlen und deren ersten Look für Makeup Wars. Eli lächelte und sah sich auf deren Handy nach Inspiration um. Dey ließ Bodhi in dem Glauben, dass dey erfolgreich abgelenkt war, und bemühte sich, nicht an Zach zu denken, daran, was sie zusammen erlebt hatten, daran, wer sie als getrennte Leute waren.

Als die lauwarmen Pommes und der matschige Brownie verputzt waren, leerten Bodhi und Eli den letzten Rest des Sixpacks, stellten die schmutzigen Teller auf den Boden und putzten sich im Bad gleichzeitig die Zähne. Eine halbe Stunde später schlief Bodhi mit einem Lifetime-Film im Hintergrund ein. Sie schlief mit dem Rücken zu Eli, eingeigelt Richtung Nachttisch.

Das Licht des Fernsehers flackerte durchs Zimmer und beleuchtete die Kleiderstapel und Elis Schwanz, der über der Kommode hing. Dey öffnete Instagram, tippte auf die Suchleiste, gab Zachary Miller ein und hielt den Finger über sein Profil. Dey tippte erneut auf die Suchleiste, strich mit dem Daumen über den Bildschirm und scrollte durch Schnappschüsse von Zachs Leben nach Eli.

Er hatte sich gerade so weit verändert, dass es sich ungewohnt anfühlte. Er hatte seine Stoppeln so wachsen lassen, dass sie seine Wangen bedeckten. Er trug inzwischen Ohrringe und sein Haar kürzer als früher.

Eli tippte auf ein Bild von Zach auf einem Stuhl in einem Tattoo-Studio, am Hals eine Tätowierpistole, die eine feine, mit einem Blumenmuster auf seiner Brust und Schulter verbundene Linie stach. Die Bildunterschrift lautete: Zum Auftakt in New York – mein erstes Tattoo! Das war, zwei Tage nachdem er L.A. verlassen und vier Tage nachdem Eli seinem Herzen einen Tritt in den Hintern verpasst hatte.

Eli scrollte gedankenlos durch ihre gemeinsame Vergangenheit. Dey hielt bei einem Bild von ihnen beiden inne, auf dem Eli Zach mit einem Kuss Maissirup auf dem Kinn verteilte und Zach breit lachte – wie er es immer tat, mit den Grübchen und freiem Blick auf seinen schiefen Zahn im Unterkiefer. Elis Haare waren immer noch weizengelb, fielen denen über die Schulter und waren so dicht wie die Mähne eines Pferdes. Deren Augen waren durch weiße Kontaktlinsen getrübt und deren Hand lag sanft auf Zachs Schulter. Eli überflog die Bildunterschrift, irgendetwas über Liebe, irgendetwas über Zukunft, irgendetwas über ewig.

Dey schob das Handy unter deren Kopfkissen.

Manchmal konnte Eli einen ganzen Tag verbringen, ohne dass Zach in deren Gedanken kroch. Dey filmte ein Tutorial, machte sich ein Mittagessen, arbeitete eine Nachtschicht durch, und wenn dey morgens in der U-Bahn saß, überlegte dey beiläufig, was Zach wohl gerade zum Frühstück aß. Wo er war. Ob er neben jemand anderem aufwachte.

Und dann gab es Momente wie jetzt in diesem Hotelzimmer. Eli klammerte sich an die frischen weißen Laken und dachte über die schwierigeren Dinge nach. Über das Verlassen und Verlassenwerden.

Dey hatte deren Bestes getan, um die Vergangenheit ruhen zu lassen, deren Leben zu leben und ihn wie einen alten Fleck zu entfernen, aber egal wie sehr Eli sich bemühte, die Gedanken an Zach waren unabwendbar.

KAPITEL 4

Los Angeles

Eli stand vor einem Zweiertisch, wippte auf den Füßen hin und her und trommelte mit einem Stift auf deren Notizblock. »Nein, Sir, wir können keine Röstis in einen Milchshake tun«, sagte dey entnervt.

Dey arbeitete nicht nur in der Spätschicht, sondern auch noch in der Spätschicht in einem Denny’s, der im selben Gebäude lag wie das schäbigste Motel in West Hollywood, das Walk of Fame Roadside Inn. Auf dem Parkplatz patrouillierten regelmäßig Polizeiautos und im oberen Stockwerk lief immer jemand auf und ab. Manchmal sah Eli, wie eine Zigarette angezündet wurde und orange durch die Dunkelheit leuchtete oder wie Schatten durch geschlossene Vorhänge kamen und gingen. Normalerweise bediente dey die ruhigen Gäste des Motels und nahm die Bestellungen von Leuten mit flüchtigen Blicken und einsamen Gesichtern entgegen oder von Paaren, die an jedem anderen Abend Fremde waren.

An anderen Tagen musste Eli die Zähne zusammenbeißen und sich mit Männern herumschlagen, die sechs Cocktails intus hatten und um drei Uhr morgens die Frühstückskarte trinken wollten.

»Wir dürfen wirklich nichts außer Eis, Sirup, Milch und Schlagsahne in die Milchshakes tun. Ich weiß, das ist total unfair«, sagte dey in hohem, übertrieben freundlichem Ton. »Wie schade. Wie möchten Sie denn Ihre Eier?« Endlich konnte Eli etwas auf deren Notizblock kritzeln und eilte davon, damit dey die Bestellung in das Kassensystem neben dem Küchenfenster eingeben konnte.

Max, der Nachtkoch, wendete auf einer dampfenden Grillplatte Pfannkuchen. Er kratzte sich unter seinem Bartnetz und zog die fettverschmierte Schürze enger, die er um seine korpulente Taille gebunden hatte. »Sag mal, bist du nicht gleich fertig?«

»Ja, ich sollte schon seit ein paar Minuten weg sein, aber Linda hat mich gebeten, eine Bestellung für sie aufzunehmen, solange sie jemanden abkassiert. Pass auf Tisch vier auf, okay? Der Typ ist keine zwei Drinks davon entfernt umzukippen.«

»Na klar.« Max kippte die Pfannkuchen auf einen Teller. »Sag Linda Bescheid, wenn du gehst. Von hier hinten kann ich nicht viel machen.«