Briefe an Josephine - Norman Franz - E-Book

Briefe an Josephine E-Book

Norman Franz

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Beschreibung

Mit diesen Zeilen, mit diesem Brief, laufe ich Gefahr, Ihre Reaktionen zu einer der beiden Extreme zu führen. Etwas zwischen diesen Reaktionen - positive oder negative - wird es nicht geben. Aber sind es nicht die Extreme an sich, die dem Leben seine Bedeutung geben? Lebt man nicht allein für die eigenen Extreme der inneren Gefühlswelt? Es ist immer verdammt schwer, den Anfang des allerersten Briefes an jemanden zu gestalten, da allein diese Zeilen den späteren Verlauf ausmachen. Man versucht, in diese Zeilen alles positive Hervorstechende hinein zu stopfen, wie man sich selbst sieht, da ich in Ihren Augen eine weiße, leere Leinwand bin, deren endgültiges Aussehen ich mit diesen ersten Zeilen besiegele; … und ich hoffe das Beste.

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Inhaltsverzeichnis

August

Dezember

Januar

Februar

März

April

Mai

Juni

August

September

Oktober

November

Dezember

Januar

April

Mai

Juni

Juli

August

September

November

AUGUST

es gibt noch engel

juwel rothaariger magie

verbannt...

im blick; ins innere ihrer seele

DEZEMBER

Wertes Juwel rothaariger Magie!

Mit diesen Zeilen, mit diesem Brief, laufe ich Gefahr, Ihre Reaktionen zu einer der beiden Extreme zu führen. Etwas zwischen diesen Reaktionen – positive oder negative – wird es nicht geben.

Aber sind es nicht die Extreme an sich, die dem Leben seine Bedeutung gibt? Lebt man nicht allein für die eigenen Extreme der inneren Gefühlswelt?

Es ist immer verdammt schwer, den Anfang des allerersten Briefes an jemanden zu gestalten, da allein diese Zeilen den späteren Verlauf ausmachen. Man versucht, in diese Zeilen alles positive Hervorstechende hinein zu stopfen, wie man sich selbst sieht, da ich in Ihren Augen eine weiße, leere Leinwand bin, deren endgültiges Aussehen ich mit diesen ersten Zeilen besiegele; ..und ich hoffe das Beste.

Ich habe mit diesem Brief ein kleines, aber für mich sehr bedeutendes Anliegen. Eigentlich möchte ich Ihnen nur danken, meinen innersten Dank aussprechen. Dank dafür, dass ich in Ihnen eine Inspiration und Muse fand.

Bitte verstehen sie mich nicht falsch. Es ist vielmehr so, als spräche ein Maler seinem Modell Dank und Lob aus. Ich selbst bin Schriftsteller, und der alleinige Gedanke an Sie und an das, was Sie ausstrahlen, Ihr ungeheures Charisma, lässt meine Gedanken in eine wunderbar schaffenskräftige Welt abgleiten, wie es sie nur in der griechischen Antike gab: die Zeit der Götter, der Beginn der Schriftstellerei, der Dichterei, des Dramas und der Tragödie, und der Philosophie.

Es war die Zeit des puren und göttlichen Stils, des weißen Marmors und der geistigen Reinheit.

Und genau dafür möchte ich ihnen Dank entgegenbringen, dass Sie mir, in Form von Inspiration und Muse, beim alleinigen Gedanken an Sie und Ihr Charisma, mich dieser geistigen Welt näher kommen lassen, und ich somit aus dieser Kraft der Gedanken und des inneren Zustandes der Gefühle, meine Werke schaffe. Und einen Teil dieses Werkes verdanke ich Ihnen.

Mein Name ist Dorian. Ich bin zwanzig Jahre alt, und lebe allein für die Verwirklichung meiner eigenen Ziele und Ideale. Ich lebe für das Schaffen an sich, in Form von Schriftstellerei, Poesie, Malerei und Musik; lebe für den göttlichen Stil – was immer das auch heißen mag.

Ich lebte in den letzten Monaten in Seattle, wo ich einen Roman schrieb, und bin jetzt wieder in Deutschland, um diesen Roman und meine Lyriktexte verlegen zu lassen. Danach werde ich dieses Land wieder verlassen, und gehe nach Japan, zu einem japanischen Freund, den ich in Seattle kennen gelernt habe, um dort in Japan eine Band zu gründen und Musik zu machen.

Ich hatte eigentlich nicht vor, Ihnen jemals meine innerste Bewunderung auszusprechen, aber da ich nur für sehr kurze Zeit in diesem Land verweile, glaube ich, dass es nicht falsch ist, Ihnen meinen Standpunkt offen darzulegen.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Denken Sie bitte nicht an etwas Anstößiges, dass ich z. B. in Sie verliebt wäre – nein – vielmehr sollten Sie meine Form der Bewunderung, der Faszination einer Muse, in einer anderen Art und Weise betrachten.

Sehen Sie einfach alles im Zusammenhang mit dem künstlerischen Schaffen eines Wesens, dem Stil und der Romantik der Antike und deren Göttlichkeit, und vergessen sie einfach die schmerzende Realität.

Geistig lebe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr in dieser weltlichen Realität, sondern in meiner eigenen scheinbar grenzenlosen Welt des Geistes. (Die Erklärung dafür würde jetzt den Rahmen sprengen. Aber vielleicht später einmal dazu mehr...)

Sie stellen für mich eine Art Statue dar. Die Statue einer Göttin, vielleicht Aphrodite oder Luna..., in einem Museum, bei deren Betrachtung man Inspiration und innere, geistige Kraft erhält. Sie sind wie ein Kunstwerk, was zu Fleisch und Blut wurde, was wahrhaft lebt, und Ihr Charisma ist einfach unglaublich, wie eben das einer vollkommenen, antiken Götterstatue.

Wenn ich selbst diese Zeilen betrachte, könnte man meinen, dass sie irgendein Psychopath oder Irrer geschrieben hätte. Dem ist aber nicht so, seien Sie sich dessen sicher.

Vielleicht habe ich meinen Ausdruck schlecht und unbedacht gewählt, aber ich bin nur ein zwanzigjähriger junger und unerfahrener Schriftsteller, der seiner Muse danken möchte, und der einfach geistig irgendwo im Nirgendwo lebt, und keinerlei Bezüge mehr zur Realität hat.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich Ihnen meine Bewunderung in Form eines Briefes ausspreche, und es Ihnen nicht einfach normal verbal zu verstehen gebe. Aber ich sehe den Brief an sich, das Briefeschreiben, als etwas ganz Besonderes an, da Briefe in unser heutigen Zeit sehr selten geworden sind, und einen sehr hohen Stellenwert besitzen. Ein Brief ist etwas sehr Spezielles, und ich liebe das Schreiben – und somit Briefe. Sie sind ein Zeichen persönlicher Wertschätzung.

Glauben Sie daran, dass es eine Freundschaft zwischen Mann und Frau geben kann? Ich meine damit keine Partnerbeziehung, die in den meisten Fällen auf einer sexuellen Basis abläuft. Vielmehr meine ich damit eine geschlechtslose, platonische, liebliche freundschaftliche Beziehung – eine Freundschaft eben.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ich in diesem Sinne Ihr Freund werden könnte. Sehr gern einmal würde ich mit Ihnen reden, der Grundlage einer jeden Freundschaft, Ihre Kinder kennen lernen, Ihren Mann und Ihre Freunde. Mir liegt überaus viel daran, Ihre Bekanntschaft zu machen.

Ich glaube, es ist sehr wichtig im Leben, Freunde zu haben, denen man vertrauen kann, und ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich für Sie genau so einen Freund darstellen oder werden könnte.

Auch glaube ich daran, dass man aus jeder Art von Freundschaft und deren Gespräche, sehr viel lernt und persönlichen Nutzen daraus schließt. Die Freundschaft als Teil der eigenen Entwicklung.

Diese Zeilen lesen sich ziemlich steril, aber es ist eben der erste Weg, der erste Schritt, und ich kenne außer Ihrem überwältigenden Charisma und ihrer engelsgleichen Schönheit, noch nichts von Ihnen. Somit weiß ich nicht, worauf Sie wie reagieren.

Damals, in dieser kleinen Bar, fesselten Sie mich mit Ihrem Blick, und ich erkannte den Wert und das Sein Ihres Wesens in Ihren Augen.

Ich gab Ihnen damals, vor fast einem Jahr, ein kleines Gedicht; nicht sehr elegant und lang, aber wenn die eigene Zeit einen Wert besitzt, und das Denken Zeit bedeutet, dann erstellt sich der Wert dieses kleinen Gedichtes allein aus der gedanklichen Zeit, die man benötigte, um es zu kreieren, zu schaffen.

Vielleicht haben Sie es alsbald vergessen. Es lautete:

es gibt noch engel

juwel rothaariger magie

verbannt...

im blick; ins innere ihrer seele

Wenn Ihnen mein Brief und mein Anliegen peinlich oder gar störend sein sollte, so entschuldige ich mich zutiefst, und bitte Sie, zu versuchen, diese Zeilen so schnell es geht zu vergessen; wenn nicht, würde ich mich sehr freuen, Ihr Antlitz betrachten und genießen zu dürfen, und ein erstes Gespräch mit Ihnen führen zu können.

Ich hoffe, Sie verstehen den Sinn dieses Briefes nicht falsch, und erkennen dessen Wert.

Bewundernd und zutiefst erleichtert,

Dorian

Werte Josephine ,

wenn man die Zukunft, das, was folgt, beeinflussen kann, wenn man die Möglichkeit besitzt, diese teilweise zu bestimmen, sollte man dann dieses nicht im positivsten Sinne auskosten?

Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich Sie am Freitag, um 16.00 Uhr zu einem Spaziergang in die wundervolle Welt des Branitzer Parks entführen könnte.

Der Wert des Beginns sollte immer dem Glanz des Folgenden – der Zukunft – vorauseilen und diese in einer wunderschönen Form einleiten.

Ihr Dorian

PS: Bitte sehen Sie diese Mitteilung nicht als Brief an sich an, da ein Brief in Wert und Sinn eine andere Bedeutung für mich einnimmt.

PPS: Danke, dass Sie den Mut und Willen fanden, zu antworten, auf solch schöne Art und Weise!

JANUAR

Werte Muse antiker Schönheit!

Der erste Schritt wurde getan; das Kind lernte laufen – falls es noch lebt... Damit meine ich, dass wir unser erstes Treffen hinter uns haben, und somit ein Rad in Bewegung gesetzt haben, welches Freundschaft heißt, vorausgesetzt, dieses Rad hat immer noch diese weiche, runde Harmonie an sich, mit dem es geschaffen wurde.

Ich hoffe, Sie sind immer noch gewillt, unsere Bekanntschaft, welche auf gar wunderschöne und zauberhafte Weise begann, weiterzuführen.

Entschuldigen Sie bitte meinen Pessimismus, aber es liegt im Bereich des Möglichen, dass Sie auf einmal – nach diesem unbeschreiblichen Spaziergang – einen rapiden Meinungswechsel hatten, und mich nun nie wieder sehen oder lesen wollen, was ich absolut nicht hoffe.

Welcher Anfangspunkt sollte perfekter und zugleich passender gewesen sein als dieser Spaziergang, der uns auf eine fantastische Zeitreise schickte, in das Herz einer unbeschreiblichen Nacht, zu einem Schnittpunkt von wohliger Dunkelheit, der Magie unendlicher Sterne, dem Stil und der Kostbarkeit des cremigen beleuchteten Schlosses, dem sanften Spiel unaufhaltsamer Wolken, bei ihrer mächtigen Reise zum Ende der Nacht?

Unsere Gedanken und Gefühle fuhren auf den Straßen des Mondlichtes an einen Ort, der da heißt: das glückliche Land vereinter Geister.

(Ich hoffe zutiefst, Ihnen sind diese Zeilen nicht allzu störend persönlich oder pathetisch...)

Ich empfand diesen – unseren – Spaziergang als überaus gelungen. Ehrlich gesagt, halte ich diesen Spaziergang als einen der wenigen herausragenden Erinnerungen, die in Geist und Kopf mit der Zeit reifen, von Tag zu Tag schöner werden, und die Erinnerung an diese bezaubernden, aber leider vergangenen Momente so schön sind, dass man in Tränen ausbrechen könnte, da eben alles vergangen ist; alles war einmal, ist nicht mehr wiederzubekommen – eine Art wunderschöner Schmerz.

Ich könnte nun den ganzen Spaziergang schriftlich wiederholen, was bestimmt ziemlich reißvoll und spannend wäre, aber ich denke, es wäre eher sinn- und nutzlos, da Sie ja ebenfalls dabei waren, und diese Momente hoffentlich genauso genossen haben, wie ich.

Dennoch habe ich ein wenig Furcht vor dem, was noch kommt und folgen wird. Denn ich glaube, dass alles, sowohl Positives, als auch Negatives, eine bestimmte Steigerungsform mit sich bringt. Aber wie wundervoll und verzaubernd soll dann dieses Folgende sein, wenn gleich der allererste Spaziergang, das allererste richtige Zusammentreffen, so unbeschreiblich schön war? Was sollte noch schöner sein, als diese vergangenen Stunden in menschenleerer, magisch-mystischer Natur, an der Spitze einer mächtigen, rätselvollen Pyramide, die uns und unsere innersten geistigen und emotionalen Ströme zu einem Teil des universellen Ganzen gemacht haben, in dessen Welt es keine Geschlechter gibt, sondern allein diesen wunderschönen Wahnsinn des Fühlens und Denkens?

Ich weiß es nicht. Und ich glaube, dass Sie es ebenfalls nicht wissen. Aber besitzt nicht gerade das anziehende Unbekannte den größten und positivsten aller Reize?

Vielleicht habe ich mich in den letzten zwei Seiten ein wenig mit dem Ausdruck verrannt, denn diese vergangenen Zeilen würden ebenfalls einem Verehrer sehr gut zu Gesicht stehen, der seiner Geliebten schreibt.

Dies sollte ich zum Anlass nehmen, um noch einmal meine Position darzustellen: ich möchte Sie gern als Freund gewinnen. Einen Freund, der mir gleichzeitig als Muse und Inspiration dient. In einer gewissen Form sehe ich Sie eher als geschlechtsloses wunderschönes Wesen an denn als Frau. Ich würde es eher damit vergleichen: selbst die verführerischste und allerliebste antike Statue einer Frau oder Göttin ist in dieser Form, als anbetungswürdige Statue und Kunstwerk, in gewisser Art und Weise doch geschlechtslos.

Das soll selbstverständlich nicht heißen, dass ich Ihrer Fraulichkeit, Ihrer femininen Magie gegenüber blind bin. Ziemlich vertrackt, aber ich hoffe, Sie verstehen, was ich damit meine.

Ich finde Ihren Ehemann sehr sympathisch, und es wäre traurig, wenn er diese – unsere – Freundschaft, die wir gerade erst begonnen haben, falsch verstehen würde. Ich möchte Sie als Freund – nicht mehr, nicht weniger.

Mir ist eine Freundschaft, oder allein das Wort Freund, unbeschreiblich hoch bedeutend und wichtig. In einen meiner folgenden Briefe werde ich darauf näher eingehen. Nur soviel dazu: ich hatte bisher nur einen einzigen Freund, dessen Höhe und sein Innerstes sich mit meinem vertrug und kompatibel war. Und all meine vergangenen Freundschaften mit femininen Wesen haben sich einzig und allein auf Sex aufgebaut. – Die Libido als Grund zur anderen Seite vorzustoßen. ..damals zumindest. Und ich möchte, dass Sie wissen, dass mir persönlich eine Freundschaft wichtiger und ungleich höherwertiger ist, als eben diese andere Art der Freundschaft.

Da ich glaube, dass wir dieses Ideal einer Freundschaft erreichen könnten, also Freunde werden könnten, würde ich diese niemals aufs Spiel setzen – egal wie; es ist es einfach nicht wert, diese angehende Freundschaft zu zerstören; dazu ist diese mir, sind Sie mir im Speziellen, jetzt schon zu wichtig, da ich damit gleichzeitig meine Muse verlieren würde, meine Inspiration zum Schreiben, Musizieren ... und auch meine Göttin im Kopf, die Frau im Manne, die Frau in mir. Sie glauben gar nicht, was damit alles jetzt schon im Zusammenhang steht, wie viel Wert alles besitzt, und dies nach nur so wenig Zeit der Kommunikation – faszinierend.

Ich hoffe, dass Ihnen unser Spaziergang im Branitzer Park gefallen hat ... insbesondere unsere Gespräche.

Ich bin sehr erstaunt, aber nicht überrascht darüber, dass wir beide, im Sinne des Denkens ziemlich gut zusammen passen, in erstaunlich vielen Dingen gleicher Meinung sind und überein stimmen. Ich würde sogar soweit gehen, dass ich sage und schreibe, dass wir kompatibel sind, geistig und emotional zusammen passen, wie zwei Lego-Steine, oder bestimmte chemische Elemente zueinander.

Vielleicht ist bald zwei und zwei nicht mehr vier, sondern elf oder einundzwanzig... Wer weiß...

Ich glaube, dass die Reaktionen zueinander beiderseits weiterbringt und geistige Erfolge und Früchte tragen wird. Vielleicht wird der Eine der geistige Treibstoff des Anderen, der ihn in unbekannte Regionen des Denkens und Fühlens führt. Leben...

Ich bin wirklich gespannt, wie lange wir dieses Siezen noch aufrecht erhalten werden und können, da es langsam an Sinn und Wirkung verliert, und somit lächerlich wird.

Aber auch viele andere Aspekte sprechen dafür, dass unsere Freundschaft und unser Zusammentreffen etwas ziemlich Besonderes ist und wird.

Allein die Fakten der Zahlen Ihrerseits, in meiner Numerologie:

Sie sind achtundzwanzig, ich zwanzig: Differenz von acht; gleich zwei mal vier, und vier ist zwei mal zwei, zwei hoch zwei oder zwei plus zwei – perfekt.

Ihre Hausnummer und Postleitzahl: jeweils Differenzen von zwei – zwei Zweien – perfekt.

Es gibt noch etliches mehr, was auf dieses reizvolle Besondere hinweist, dass es richtig war, dass wir zusammen trafen. Es ist ein Teil des Weges, und gleichzeitig ein weiteres kleines Puzzelteilchen des Lebensbildes, was immer vollkommener wird. Und wie ein Puzzleteilchen, ist alles – Sie – perfekt zu den anderen Teilchen passend, und muss einfach so sein... (Klingt ein wenig naiv und dumm, aber ich glaube, der Sinn wird daraus ersichtlich...)

Wissen Sie, wovor ich Angst habe? Ich fürchte, dass mein Lob und meine Vergötterung Ihnen gegenüber, bei Ihnen ins Negative umschlägt, also genau das Gegenteil bewirkt, was es eigentlich sollte: Sie fühlen sich durch meine Komplimente belästigt oder unwohl, was sich mir gegenüber in negativen Reaktionen zeigen wird.

Vielleicht sollte ich mich ein wenig zurückhalten, was die Vergötterung Ihnen gegenüber angeht, und der damit verbundenen verbalen und schriftlichen Darlegung und Mitteilung dieser inneren Eindrücke. Ich weiß es nicht...

Ich kann Ihnen aber versichern, dass sich auch im Briefeschreiben eine Art Routine entwickeln wird, was heißen soll, dass wohl nur die ersten Briefe meine Vergötterung Ihnen gegenüber so offen darlegen werden; danach erst wird wohl das kommen, was als Brieffreundschaft bekannt ist.

Wie Sie bestimmt merken, fällt es mir noch teilweise schwer, zwischen Freund und Göttin zu unterscheiden. Entschuldigung. Ich werde mich bemühen, beides zu vereinen. Bestimmt.

Glauben Sie, dass wir uns eventuell noch einmal sehen könnten? Es muss ja nicht wieder gleich solch ein stundenlanger Mammut-Spaziergang werden... (Was natürlich auch nicht gerade schlimm wäre.) Sondern einfach nur noch einmal die Möglichkeit, Sie zu betrachten, Sie zu sehen und zu genießen, z. B. in einem Café oder... (Ein kläglicher Versuch, Höflichkeit mit einzubringen... Wenn es nach mir ginge, wäre es fantastisch, Stunden am Tag mit Ihnen zu reden, spazieren zu gehen, Sie zu betrachten...)

Wie wäre es mit einer Einladung zu einem Besuch zu mir in den Spreewald? Sie bräuchten nur das Datum bestimmen. ..und somit eine neue Reise gewähren, in der ich Sie in meine geistige Welt entführen werde, der Realität beraube, Ihnen den Wahnsinn schenke, von dem wir so bezaubernd geredet haben... Sie haben die Wahl; es fehlt nur noch ein Datum Ihrer Wahl..!

Ihre Augen sprachen Bände, als ich in sie/Sie hinein blickte, im imaginären Flammenlodern einer Straßenlaterne, die im Dunkel der göttlichen, wunderschönen Nacht versank und uns ihr spärliches Licht schenkte. Ihr Fühlen wurde unweigerlich preisgegeben – mir preisgegeben...

Augen lügen nicht. Niemals.

Und was ich in Ihren Augen sah, war mehr als erfreulich. Danke!

Jede Person, jedes Wesen hat ein individuelles Charisma, welches man fühlt und wahrnimmt. Und wissen Sie, dass man manchmal, ganz, ganz selten, süchtig werden kann nach einer bestimmten Art des Fühlens, hervorgerufen eben durch ein bestimmtes Charisma.

Entschuldigen Sie bitte meine Offenheit, aber in mir herrscht ein gefährliches Wissen, als ob ich Sie schon seit Ewigkeiten kennen würde. Sie sind mir auf eine unheimliche Art und Weise so vertraut.

Falls Sie eventuell meine Offenheit stören sollte, so sollten Sie wissen, dass ich es zutiefst verabscheue, ja sogar hasse, zu lügen.

Für mich bedeutet es, wenn man lügt, dass man damit sich selbst, sein tiefstes Inneres, selbst betrügt und sich somit ungemein an persönlichem Wert beraubt.

Aber auch wenn die Wahrheit – das Wahre an sich – als schmerzhaft empfunden wird, so hat sie doch stets einen positiven, eine gute Grundwertigkeit, einen Wert, der einfach nicht schlecht, oder gar böse sein kann.

Ich glaube fest daran, an die Wahrheit, und demzufolge an das Gute an sich, und ich werde Sie schon deshalb niemals belügen, weil ich viel zu sehr Narziss bin, als dass ich mich selbst belügen könnte. Ich bin auf der steten Suche nach der Wahrheit, nach dem Wahrhaftigen – eigentlich der Sinn der Philosophie an sich – und Lügen würde einem Rückschritt gleichkommen – es wäre eine Umkehrung meines eigenen Sinnes, und somit undenkbar.

Ich stelle gerade fest, dass ich, wie bei unserem ersten Treffen, zwanghaft versuche, so viel an Sinn, wie es möglich ist, in diesen Brief zu stopfen, und dabei sicherlich unendlich viele wichtige Kleinigkeiten vergesse; Kleinigkeiten, die das Sein erst vervollkommnen.

Falls Ihnen also einige meiner Aussagen zu oberflächlich, steril und trocken erscheinen, so müssen Sie dies bitte, bitte entschuldigen: der Zwang des minimierten Maximalismus steckt in mir.

Ich glaube, mir sollte langsam bewusst werden, dass ich Ihnen jederzeit, jeden Tag schreiben könnte/kann, und dies zwei Mal... Eigentlich hätte ich somit schier unendlich Zeit und Platz, um jede Kleinigkeit bis ins kleinste Detail auseinander zu nehmen – schriftlich, versteht sich.

Aber wie schon gesagt / geschrieben: noch beherrscht mich das Ungestüme, der positive Wahnsinn! Glauben Sie, dass ich Sie anstecken kann mit diesem Wahnsinn, mit meinem Wahnsinn? Eine positive Art des Ansteckens, wie ein Virus, den man mit den besten Grüßen weiter verbreitet und einpflanzt in das Herz der vergötterten Statue Aphrodites, irgendwo in den Weinbergen Griechenlands...

Haben Sie Angst vor dem positiven Wahnsinn?: der, der Dich verrückt macht...

Er ist wie eine einzige Flamme, welche in einem Saal voller Spiegel steht, und dort unendlich vervielfältigt wird: gewaltig, überwältigend und unendlich schön.

Sie sind wie eine flammende Statue, deren Funken in mir, immer wieder und wieder, Explosionen auslösen. Und genau so wie dieser Funken, sind Sie vollkommen unschuldig...

Die Grundlage meines Denkens beruht darauf, dass ich alles, also jedes Wort, jede Handlung, jede Aktion und Reaktion, nicht so aufnehme, wie es sein sollte. Sondern ich zerfleische und durchleuchte alles; in mir steckt der nihilistische Drang, alles von vorn herein zu verneinen, um gleich darauf einen eigenen Wert des Seins an sich zu münzen und auf mein Denken, mein Wesen und meine Regeln zu prägen. Es passiert einfach, es ist unsteuerbar, aber bringt entscheidend weiter, bringt zur anderen Seite...

Wie glücklich sind Sie in der Welt, in der Sie leben?

Sehnen Sie sich nach einem bestimmten Faktor, der Sie zur anderen Seite entführt, hinfort reißt?

Wie groß war Ihr Verlangen nach mehr, als Sie gefangen wurden in der Stille Ihrer Wohnung?

(Wenn ich mir gerade in Ihren Augen etwas angemaßt habe, bitte ich inständigst um Verzeihung!)

Ich möchte Ihnen so unendlich viel sagen und schreiben, dass mir in diesem Moment, in dem ich eigentlich die Chance dazu hätte, die Worte fehlen.

(Es ist traurig zu vermuten, dass all meine Worte ins Leere führen...)

Eine letzte Frage noch: Glauben Sie an die Perfektion eines einzigen wunderschönen Momentes? Glauben Sie an das perfekte Gefühl?

Bitte lassen Sie mir Ihren statuenhaften Antlitz nicht allzu lange verwährt – bitte...

Wenn Sie Zeit und Inspiration finden, würde ich mich freuen, wenn Sie mir schreiben würden.

In großer Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen...

Ihr Dorian

PS : Entschuldigen Sie bitte Form, Schriftbild und Fehler, aber der Fluss des Denkens nimmt manchmal abstoßende, gar hässliche Formen an. Entschuldigung.

Werte Frau J.,

hiermit lade ich Sie, voller Ungeduld, zu einem Galerie-Besuch in der Brandenburgischen Kunstsammlung ein.

Dort findet derzeit eine Fotografie-Ausstellung, die Sie sicherlich interessieren könnte, statt.

Leider habe ich sehr spät erfahren, dass diese Ausstellung nur bis zum 11. Januar läuft. Wenn Sie bis dahin etwas Zeit finden würden, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie mich begleiten würden. Lassen Sie es mich bitte wissen.

Bewundernd,

Ihr Dorian

Liebste Josephine!

Die Stimmung des heutigen Tages veranlasst mich dazu, Ihnen schon wieder zu schreiben, in der Hoffnung, ein klein wenig Trost zu erlangen.

Die Melancholie des Tages, durch bitterkalten Regen, dem trostlosen grauen Himmel und verlassene Gedankengänge ins Extrem gesteigert, zwingen mich dazu, mich in meiner Scheune einzuschließen, klassische Musik zu hören und wieder einmal den Geist im Rotwein aufzusuchen. Die Kerzen kommen mir sogar matter und melancholischer vor als sonst.

Die ganze Stimmung erinnert an einen Film in Schwarz-Weiß. Und genau in dieser Stimmung, in diesen Momenten, beneide ich Sie förmlich darum, eine Familie zu haben – ein Kind und einen Mann – bei der Sie Geborgenheit und Zuflucht finden.

Ich denke sehr oft an Sie, an diesen wunderschönen Spaziergang, die Sterne, die Nacht... Durch diesen Spaziergang verbinde ich alles, was ich schätze und liebe, mit der Muse, der Grazie und der Göttlichkeit, die Sie verkörpern; ich trinke einen Schluck Wein, und kann Ihre Ausstrahlung wieder spüren, Ihr enormes Charisma, welches durch mich hindurchschoss, als wir auf der nächtlichen Pyramidenspitze den Mond so nahe waren, unsere Hände empor hoben, und unsere inneren Ströme mit uns und der Unendlichkeit vereinten.

Extremes Fühlen als Sinn und Zweck des Lebens...

Als wir uns auf dem Rückweg befanden, fragten Sie mich, ob auch ich der Zeuge Ihres Lebens sein wolle, woraufhin ich nachdenklich schwieg. Doch jetzt, im Nachhinein, kommt mir dieses Reagieren meinerseits ziemlich dumm vor, und ich möchte Sie wissen lassen, dass es mir eine unvorstellbare Ehre wäre, auch als Zeuge Ihres Lebens zu agieren.

Hätten Sie Lust ein paar Tage nach Paris zu fahren? Nur zwei oder vier Tage... Kennen Sie in Paris den Stadtteil Clichy? Ich habe dort einmal für zwei Monate gelebt. Es besitzt immer noch das Flair des alten Paris, und ist einfach wunderschön...

(Im Baum vor meiner Scheune reden gerade zwei Eulen miteinander. – Faszinierend...)

Ich glaube nicht, dass ich es länger aufrecht erhalten kann, Sie länger mit Sie anzureden. – Aber diese Entscheidung treffen Sie...

Einerseits hat es immer noch Reiz und einen ungemeinen Stil, aber es vereinbart sich einfach nicht mit dem, was ist. Ich meine damit, dass ich mich so fühle, als würden wir uns schon seit Ewigkeiten kennen. Wie geht es Ihnen in dieser Hinsicht?

Was haben Sie eigentlich für ein Verhältnis zu Briefen? Wie stehen Sie dazu? Finden Sie diese eher altmodisch oder glauben Sie an diesen besonderen Wert eines Briefes und die Zeit des Niederschreibens, die damit verbunden ist; eine Art Preis, den man nur an bestimmte Personen und Wesen zahlt – ...und was ist in diesem jetzigen Zeitalter kostbarer?

Stört es Sie, dass ich erst zwanzig Jahre alt bin? Halten Sie mich für zu jung, als dass Sie es ernst aufnehmen, was ich Ihnen sage und schreibe? Immerhin trennen uns acht Jahre – eine halbe Ewigkeit.

(Aber was ist schon die Ewigkeit?!)

Bedeutet es für Sie eigentlich einen Rückschritt mit mir, einem Zwanzigjährigen, in Kontakt zu stehen, der dazu noch fern jeglicher Realität lebt/denkt? (..was vielleicht das Realste überhaupt ist...)

Ich meine damit nur, dass es vielleicht lächerlich für Sie sein könnte, wie ich mich Ihnen gegenüber benehme, was ich Ihnen sage und schreibe, was ich bin und darstelle...

Es gibt sehr wenige Wesen, Menschen, die ich akzeptiere, geschweige denn respektiere, und wenn ich dann solch ein Wesen treffe – Sie –, dann wünschte ich, die Welt um einen herum würde vollkommen verschwinden, um Platz zu schaffen für diese neue Welt, die sich aus einer Fusion dieser beiden Welten ergibt, die sich fanden und vereinten.

Sind Sie nicht neugierig nach all dem Unbekannten, welches die Freundschaft zwischen uns noch mit sich bringen wird? Sind Sie enttäuscht darüber, was und wie das Bisherige geschah?

Ich glaube, ich habe den Drang in mir, Sie niemals zu enttäuschen. Ist es für Sie eigentlich unverständlich, wie Ihr alleiniges Sein an sich, für mich Grund genug ist, Ihnen dafür unendlich zu danken und Tribut zu zollen?

Bitte antworten Sie bald! Es ist so schmerzhaft, gegen die Zeit zu kämpfen.

Ihr Dorian

Liebste Josephine!

Versunken und berauscht von der Macht des Weines, ergebe ich mich meinen Drang, mich Ihnen – Dir – mitzuteilen, und mir in dieser Art und Weise selber Erklärungen bewusst zu machen.

Ich neige grundsätzlich dazu, mich sehr schnell ins Extrem hineinzusteigern, wobei meine Aussagen, dass, was ich mitteile, nicht den Gedanken hinterher kommen, welche in meinem Kopf, wie ein reißender Strom, dahin sausen, ohne, dass ich etwas dagegen tun könnte. Und dieses zu schnelle Hineinsteigern bringt meist mit sich, dass ich mich hoffnungslos verrenne und alles Aufgebaute zum Einstürzen bringe. Ich zerstöre alles mit meinem Drang so schnell, wie ich es aufgebaut habe. Es ist wie ein diabolischer Kreis: die ewige Wiederkehr der Dinge.

Vielleicht bin ich wirklich besessen, aber wenn, dann in einer überaus romantisch-lieben Art.

In der ganzen Zeit, in der wir uns nun kennen, habe ich mich ins Extrem gesteigert, dass Du kein falsches Bild von mir bekommst. Und während ich dieses tat, vergaß ich das Wichtigste: einfach ich zu sein.

Aber das Schlimmste war, dass ich etwas vergaß, was der ganzen Sache einen anderen Sinn gibt: Ich vergaß, dass ich Dich nicht umwerben will, wie eine der vergangenen Liebschaften, sondern, dass ich Dich als Freund gewinnen möchte – zwei Dinge, die sich vollkommen voneinander unterscheiden, wobei aber die Grenzen sehr verwaschen sind, und somit schwer(-er) zu erfassen sind.

Ich weiß nicht, welche Macht oder Energie mich dazu brachte, Dir zu schreiben, den ersten Schritt zu tun, Dich kennen zu lernen, aber diese Macht muss allmächtig sein, da ich Dich – Dich allein – als Freund, und nur als Freund gewinnen und erringen, und Dich gleichzeitig als Frau, als feminines Wesen, anbeten möchte.

Eine vollkommen neue Erfahrung für mich, und wie bei allem Neuen, macht man anfangs Fehler, und ich bitte Dich inständigst darum, meine Verwirrtheit und meine Fehler zu tolerieren, und mir zu helfen, diese zu überwinden, da sie mich vom eigentlichen Ziel abbringen.

Du bist mir einfach jetzt schon zuviel Wert, als dass ich dieses Begonnene einfach abbrechen könnte, und so zu tun, als sei nie etwas passiert.

Vielleicht umschreibt es richtig, wenn ich sage/ schreibe, dass ich einen kleinen inneren Krieg gegen mich selbst führe, und Du der Grund dafür bist, ohne dafür etwas zu können. Du musst aber zugeben, dass es eine unbändig große Macht zwischen uns gibt. Ich meine, wieso versuchte ich Dir – fast grundlos – meine Freundschaft und meine Bewunderung anzubieten? Du warst eine vollkommen(-e) Fremde für mich, und gleich beim ersten Treffen stellte sich heraus, dass unsere Wesen, unser Denken und Fühlen, fantastisch miteinander funktionieren und auskommen...

Und da ich absolut nicht an Zufall glaube, muss es einfach eine größere – vielleicht unerklärliche – Bedeutung geben. Es ist eine Art von Magie, die uns kennen lernen ließ, und ich glaube, dass sich der Grund, warum dies so kam und vonstatten ging, sich evtl. in der Zukunft zeigen wird/könnte...

Was meinst Du dazu?

(Dieses Du-zen ist jetzt, in diesem Moment, beim Schreiben einfach unglaublich erlösend und befreiend!)

Mein Wunsch besteht darin, dass ich Dir einfach geistig nahe kommen will, Dich geistig berühren will, Dich so kennen lernen will, was Du in Dir drinnen bist – ohne Schein, ohne Lügen, ohne Fassade!

Bis jetzt habe ich versucht, mich selbst zu imitieren, für was ich mich selbst halte. Aber ich werde versuchen, aufrichtig versuchen, so zu sein, was ich wirklich bin – ohne eine Imitation meiner selbst.

Mir ist klar, dass es nicht von heut auf morgen geht, dass man Freundschaft schließt. Eine Freundschaft baut sich nach und nach auf, und ich glaube, dass wir gerade beim Bau des Fundamentes sind, und es wird noch lange, sehr lange dauern, bis man von sich – von uns – sagen kann, dass wir richtige Freunde sind.

..trotzdem sollte ich wieder einmal anbringen, dass Du für mich eine Frau bist, die die Grazie, den Stolz und die Schönheit einer Göttin besitzt, und ich jedes Mal, wenn ich Dich sehe, weinen könnte, weil Du so unbeschreiblich schön bist.

Dass Du heute morgen bei mir warst, war vielleicht gar nicht so schlimm, weil Du mich endlich einmal als normales Wesen gesehen hast ... welches gerade erst aufgestanden ist, grausam hässlich und verformt aussah, ohne die sonstige Grazie und Glanzheit zu besitzen.

Ich dachte, dass Du dadurch alles zerstört hast, musste aber nach etlichen Überlegungen feststellen, dass Du mit Deinem Besuch ein Trugbild zerstört hast, welches uns trennte – es hatte also wieder einmal einen tieferen und bedeutenderen Sinn, als es anfangs schien.

Etwas muss ich noch gestehen: auch wenn Du mich für diese Gedanken verabscheuen wirst, denn trotz aller Bewunderung und Vergötterung habe ich gedacht, zumindest ansatzweise, dass Du mich nur scheinbar respektierst und anerkennst, weil Du wusstest, dass ich bald in Japan bin. Ich schenkte Deinen Worten nicht das nötige Vertrauen, dass sie verdient haben, und ich schäme mich unendlich dafür, dass ich Dir und Deinen Worten nicht richtig getraut habe, aber Du weißt, dass meine Grundeinstellung zu allem Menschlichen eher lieb-negativ ist, und da wir alle Menschen sind...

Und als ich heute Deinen Brief in den Händen hielt, nach dem scheinbar verunglückten kleinen Besuch, dachte ich eigentlich, dass ich ablehnende und abstoßende Worte lesen würde...

Aber dann las ich Deinen Brief ... und Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie überrascht ich war, und dies im aller-allerpositivsten Sinn!

..wobei wir bei Deinem Brief wären...

Die Freude über diese Worte, die ich dort las, und die dazu auch noch von Dir stammten, ist einfach unglaublich wunderschön und riesengroß, so dass es mir schwer fällt sie zu beschreiben.

Ich las Deinen Brief viele Male, und bei jedem Durchlesen wuchs die Schönheit Deiner Worte, die Faszination, die sie mit sich bringen, und beim jetzigen Durchlesen fällt es mir unglaublich schwer, nicht in Euphorie und Wahnsinn über sie, die Worte, die ich las, und über die Vorstellung, Dich bald wiederzusehen, und Dir zu danken, auszubrechen!

(Wahrscheinlich werde ich diesen – Deinen – Brief vergolden lassen, und dann einrahmen...) Du solltest wissen, dass es immer – immer! – eine Steigerung von etwas gibt!

Ich habe fast einen Herzschlag bekommen, als ich das Ende der dritten Seite las:

Ihre Einladung zu einem Besuch in den Spreewald kann ich nur unter einer Bedingung annehmen.

Ich dachte, auf der nächsten Seite würden mich erschütternde, treffende und böse Worte erwarten. Ich bereitete mich schon auf das Schlimmste vor, aber was ich dann las, fügte mir den Herzschlag zum Herzschlag zu:

Es muss ein stundenlanger Mammutspaziergang werden...

Du kannst Dir nicht vorstellen, welch eine riesige Explosion Deine Worte in mir ausgelöst haben. Es war wieder alles wie in einem Film, der nach Drehbuch abläuft, und dies eine extreme und höhepunktreiche Stelle... Eine unglaubliche Dramaturgie!

Was hältst Du davon, wenn wir an diesem Tag des Spazierganges im Spreewald um 16.oo Uhr loslaufen, dem Untergang der Sonne beiwohnen, und dann in die wundervolle Nacht eintauchen würden – begleitet von ausgesprochenen Gedankengängen, die Magie in sich bergen? Ich habe eine spezielle Route, die bei Nacht einfach wundervoll zu laufen ist. Ich glaube daran, dass das Spontane ganz reizvoll und kostbar ist, aber manchmal würzt ein klein wenig Kontrolle das Sein einfach ungemein. Man bereitet sich jetzt innerlich schon auf diesen Mammutspaziergang vor (ohne jedoch sich schon Worte und Sätze zu überlegen), und weiß jetzt schon, dass der Wert und der Sinn dieses Spazierganges an sich einfach wahnsinnig schön werden – Du weißt es und ich weiß es.

In meinem letzten Brief an Dich (dieses Dich klingt einfach unglaublich schön! ..und so verdammt nahe!..), habe ich diese Problematik und dieses Thema bereits besprochen, dass ich auch als Zeuge Deines Lebens agieren möchte, und ich finde es umso faszinierender und fantastischer, dass Du mich jetzt dieses schriftlich fragst.

Faszinierender deshalb, weil sich somit wieder einmal zeigt, dass es zwischen uns eine Macht und Magie gibt, die eben solches Vorweggreifen, wie ich es in meinem letzten Brief ja tat, ermöglicht und fügt.

Trotzdem möchte ich es noch einmal wiederholen: Die Gegenseitigkeit ist eine Grundvoraussetzung einer Freundschaft, und ich würde wahnsinnig viel darum geben, auch Zeuge Deines Lebens zu sein! ..und Dein Freund, Josephine! Der Wert dessen ist einfach unglaublich groß!.

Du glaubst wahrscheinlich nicht, wieviel mir daran liegt. Ich setzte so viel Hoffnung, Drang und Motivation in diese, in unsere Freundschaft, weil ich in mir drinnen ein unbeschreibliches Gefühl habe, welches mir verrät, dass da noch etwas auf uns zukommen wird, von dem wir bis jetzt noch keine Ahnung haben, und uns nicht vorstellen können, wie dieses Etwas aussehen wird. Ich weiß nur, dass es von ganz besonderem Wert sein wird, und einfach unbegreiflich schön.

Ich möchte Dich noch einmal an die Fragen erinnern:

I.: Bist Du glücklich in Deiner Welt?

II.: Wünschst Du nach diesem Faktor – was auch immer das heißen mag... – der Dich zur anderen Seite bringt – was auch immer das heißen mag..?

Da ich Dich in wenigen Stunden wiedersehen werde, und so – wieder einmal – verzaubert und berauscht sein werde, halte ich mich heute einmal mit dem Schreiben zurück. In mir steckt noch so viel und ein so übergroßer Drang, Dir dieses mitzuteilen, dass Du bestimmt bald einen Roman in Briefform herausbringen kannst. Ich denke mir schon mal einen Titel aus...

In größter Vorfreude und Sehnsucht (im freundschaftlichen Sinne...

Dein Dorian

PS: Ungeduld ist auch eine meiner Schwächen. (Ja, auch ich habe Schwächen!)

Werte Einzigartigkeit natürlich erschaffener Perfektion!

(= Liebste Josephine!)

Ich sitze seit Stunden hier auf der glasüberdachten Veranda vor dem Haus, werfe ab und zu einen Blick in ein Buch, und befinde mich in den unendlichen Weiten meines Denkens... Ich glaube, ich bin gerade körperlos!

Ich betrachte alles um mich herum so, als wäre es ein vollkommen fremder Ort: die goldgelbe Nachmittagssonne taucht alles in eine glänzende Lackierung, die den Wert des Moments unendlich steigert.

Ich sitze hier und denke, dass dieser Moment der perfekte Zeitpunkt eines Endes wäre. – Keine Angst, ich sage so etwas häufiger.

Ich meine damit, dass ich mir im Moment keinen perfekteren und passenderen Zeitpunkt vorstellen könnte, an dem ich meinen Körper vom Geist trenne ... und es endet. Allein im Wort Ende sehe ich eine schier unendliche Romantik. Wenn Du jetzt in diesen Momenten hier wärst, und das sehen könntest, was ich gerade sehe, würdest Du mich sicherlich verstehen.

Es ist eine Art von poetischer Todesromantik, die absolut nichts mit Schmerz zu tun hat – nein – vielmehr ist das Ende die Erlösung weltlicher Schmerzen. Das Leben tut viel mehr weh.

Vorhin habe ich mein Ende vorgespielt, als ich hier in meinem Regiestuhl saß, und berauscht war von der Schönheit des Seins. Ich tat so, als ob ich mir gerade den goldenen Schuss gesetzt hätte; mein Kopf sank langsam zur Seite; auf meinem Gesicht war ein leichtes Lächeln und ich spürte, wie die absolute Ruhe in mich einzudringen begann. Leblos hing ich im Stuhl und war ein Teil des Ganzen.

Wenn Du diese Zeilen liest, solltest Du bitte keine Angst bekommen – es war einfach nur die wunderschöne Auslebung eines einzigen Moments, und alles andere als furchtbar oder grässlich – nein – vielmehr war es wunderschön und wurde begleitet von tiefster Ruhe, Gelassenheit, Unendlichkeit, Befreiung und Harmonie.

Du solltest wissen, dass ich nicht depressiv und absolut lebensbejahend bin. Ich liebe mein Leben. Aber manchmal verführt mich der Gedanke des Todes, und umhüllt mich mit seiner Schönheit und Romantik. Der Tod ist eine Art künstlerischer Antrieb.

In diesen Momenten wird mir bewusst, dass ich Dich ganz schön doll vermisse (im freundschaftlichen Sinne)! Ich glaube, dass mir noch kein Wesen nach solch kurzer Zeit jemals so viel wert war und bedeutet hat, wie Du, Josephine! (Im freundschaftlichen Sinne.) Aber ist es nicht auch für Dich beeindruckend und sogar teilweise beängstigend, was da zwischen uns ist, ich meine, welch übernatürliche Macht dies ablaufen lässt, so, wie es jetzt alles ist und vonstatten geht?

Besonders nach dem gestrigen, zweiten Spaziergang im Branitzer Park ... ich glaube, wir haben jetzt schon unsere eigene geistige Welt geschaffen, in der es nur das Fühlen und Denken unser beiden Wesen gibt. Ich fühlte mich Dir gestern so stark verbunden und geistig und emotional nahe, und bin so unbeschreiblich glücklich darüber, dass es Dich gibt, dass ich mit Dir reden kann, und Du mich verstehst, dass ich Dir absolutes Vertrauen entgegenbringen kann, dass Du kein fremdes Wesen, wie all die anderen, für mich bist, dass Du der Teil der neuen Welt bist, dass, wenn ich Dich ansehe, weinen könnte, weil Du so unglaublich schön bist, dass ich bei Dir das sein kann, was ich bin, ohne etwas vorzuspielen, dass...

(Glaubst Du eigentlich an Seelenverwandtschaft?)

...

Ich habe ein paar Stunden Pause gemacht; der Abend ist angebrochen; die Stimmung bei mir ist auf dem Nullpunkt. Ich habe mich in meiner Scheune verbarrikadiert und will bloß keinen sehen. Ich glaube, der Einsiedler in mir lässt niemanden richtig zu...

In mir drinnen verspüre ich einen übergroßen Drang, endlich wieder wegzugehen, ich will und muss mich von meinem damaligen Leben einfach loslösen und abkapseln: meine ganz private Evolution.

(Glücklicherweise gehörst Du nicht zu meinem alten Leben! Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich jemals wieder von Dir loskommen soll. Beim Spaziergang hatten wir schon recht, als wir sagten, dass uns die Sucht nacheinander ereilen wird – ich glaube, ich bin schon süchtig – ich bin ein Gefühlsjunkie, abhängig nach dem Gefühl, was ich habe, welches Du in mir hervorrufst, wenn wir beide zusammen sind ... im freundschaftlichen Sinne!)

Findest Du es nicht auch erstaunlich, was für Welten zwischen dem ersten und zweiten Spaziergang liegen? Ich meine, wie viel und wie schnell sich alles entwickelt hat ... erstaunlich. Hypnotisierend. Übermächtig. Fesselnd. Unwiderstehlich...

(Ich hoffe, ich nerve Dich nicht all zu sehr...)

Bei mir ist es so, dass, wenn ich morgen nach Japan fliegen sollte, ich hier bleiben würde – ich könnte es nicht ertragen ... diese unglaubliche Entfernung, den Schmerz, der damit verbunden wäre.

Es wäre vielleicht damit zu beschreiben oder zu vergleichen: die Qualen, das Leid und die Schmerzen eines Drogenabhängigen, der auf Entzug ist. Ehrlich gesagt, habe ich eine höllische Angst vor diesem Entzug; es ist eine zerreißende Vorstellung, Dich niemals wiederzusehen, Dich nicht zu hören, zu fühlen, mit Dir zu sein.

Allein die Vorstellung daran ist unaussprechlich quälend und mit zerfetzenden Qualen verbunden ... oder würdest Du, wenn Du einen Freund gefunden hast, der einhundertprozentig passend und kompatibel zu Dir ist, diesen wieder loslassen ... freiwillig?

Ich glaube, diese Frage könnte später einmal existenziell werden.

Nochmalige Wiederholung: Im rein freundschaftlichen Sinne.

Die letzten elf Tage waren wahnsinnig schön, Josephine. Ich habe zahlreiche (riesige) Bilder gemalt, wirklich gute Songs geschrieben und natürlich gigantisch viel geschrieben; sei es eben nun Lyrik oder Briefe an Dich. Ich lebe wie in einem nie enden wollenden Schaffensrausch und platze fast vor Energie und Tatendrang. Und Du bist ein Teil einer Kraftquelle, die mich dies alles vollbringen lässt, und, Du weißt es zwar schon, ich kann Dir niemals genug dafür danken, was Du für mich bist, was Dein Sein in mir für Kräfte und Mächte mobilisiert; ich weiß einfach nicht, wie ich Dir jemals dafür danken könnte...

Wie fühlst Du Dich eigentlich, seitdem wir uns kennen? Ich möchte für Dich etwas sein, was Dir allein Bereicherung in Deinem Leben, in Deinem Wesen, Fühlen, Denken ... verschafft, ohne jedoch Dir etwas in und von Deinem Leben wegzunehmen; ich möchte für Dich etwas sein, was allein positive Seiten besitzt, ohne den kleinsten Schatten Negativität; ich möchte Dir nichts nehmen, sondern Dir allein geben, geben, geben, geben ... ohne, dass Du irgendwo und irgendwie Einbußen hast.

Der Mond ist heute wieder ziemlich extrem. Ich glaube, ich bin eine Art Wehrwolf, denn immer in den Tagen des Vollmondes verwandle ich mich in ein Tier – ich schlafe kaum, die Euphorie ist fast unausstehlich, und ich fühle mich, wie ständig unter Drogen stehend ... ich kann es nicht richtig beschreiben, aber der Mond verändert mich (positiv), und verleiht mir unglaubliche Kraft, Energie und magische Kräfte.

Und es ist schön, zu wissen, dass uns gerade der Mond verband – was sollte wohl stärker und aussagekräftiger sein?! Jedes Mal, wenn ich den Mond betrachten gehe – ungefähr alle zwei Minuten – muss ich zwangsweise an Dich denken, Josephine; ich assoziiere den Mond mit Dir ... was dazu führt, dass ich Dich, allein deswegen schon, nicht vergessen kann und werde, da der Mond immer und ewig dort oben sein wird – der Mond verschwindet nicht, und somit auch nicht der Gedanke und die Erinnerungen an Dich und dem, was bisher geschehen ist.

Seit Tagen habe ich hinterm linken Auge ziemliche Schmerzen, und es ist geschwollen, und nicht das erste Mal; ich glaube, ich werde eine Gehirnhautentzündung bekommen, an dieser vollkommen wahnsinnig werden, in diesem absoluten Wahnsinn ganz viele Romane und Gedichte schreiben und viele, viele Bilder malen, und dann an ihr zu Grunde gehen und verenden.

Jetzt im Nachhinein gesehen, würde sich somit einer meiner früheren Wünsche bewahrheiten, denn vor ein paar Jahren war es mein innigster Wunsch, einmal vollkommen verrückt und irre zu werden, also ohne jegliche geistige Verbindung zur Realität, einfach nur in seiner eigenen geistigen wahnsinnigen Welt leben, ohne weltliche Störfaktoren. Mal sehen ... wer weiß...

Du glaubst gar nicht, wie groß früher einmal mein Drang nach Wahnsinn war! Ich wollte nur eines: wahnsinnig werden, und dies so schnell es ging, und mir war jedes Mittel recht. Ich sah im Wahnsinn auch immer eine unglaubliche Romantik; eine Romantik, die mich reizte ohne Ende und förmlich nach mir rief. Ich habe den Wahnsinn fast erreicht ... und wäre beinahe an ihm zerbrochen: das Ergebnis war ein Jahr tiefster und unglaublich lebensausfüllender Depression. Der Wahnsinn machte mich zu einem Niemand; ich hatte kein Denken mehr; nichts.

Als wir gestern – wieder einmal – im Branitzer Park waren und auf der Bühne standen, bei Chantell und Ramirez, den stets wachenden Himmelshund-Statuen, betrachtete ich Dich, und versuchte – wieder einmal – eine Frage zu beantworten: Wie kann man nur so wunderschön sein, wie Du es bist? – Ich danke dieser Macht, die uns alle schuf, unendlich dafür, dass sie einmal solch wahre Perfektion vollbracht hat: Dich.

(..welch hochtrabende Worte ... 'tschuldigung; aber ich hoffe, Du weißt, wie Du den Sinn dieser Worte aufnehmen solltest.)

Ich kann mich einfach nicht mit dem Gedanken abfinden oder gar anfreunden, dass spätestens im März, wenn ich nach Japan gehe, alles schon wieder vorbei sein soll. Unendliche Traurigkeit überkommt mich, wenn ich daran denke, Dich jemals zu verlieren. (Im freundschaftlichen Sinne. – Ich weiß, es nervt langsam, aber Du sollst nichts Schlechtes denken...)

Was haben in Deinem Leben Mythen zu bedeuten? Ich meine damit den Mythos an sich ... hast Du Dich nach Mythen gerichtet? Hast Du Dir von Mythen etwas entliehen, um Dich selbst verständlicher zu machen, was Du bist? Hast Du je ein Leben nach den Vorbildern von Mythen und Legenden geführt? ..und wenn, welcher ist Deine favorisierte Legende und liebster Mythos?

Aus Mythen und Legenden konnte und kann man sich zahlreiche Werte ersichtlich machen; Mythen hatten und haben für mich immer eine Spiegelfunktion meiner eigenen Person.

Der Schluss meines heutigen Briefes soll eine Bitte an Dich sein. Ich weiß, dass Du der Fotografie sehr angetan bist, und gerne fotografierst. Was hältst Du davon, wenn wir uns einige Schwarz-Weiß-Filme holen und Fotos schießen? Ich frage deshalb, weil ich sonst keinen Fotografen kenne, und nun endlich die Chance habe, an professionelle Fotos zu gelangen. ..und wir hätten (endlich) ein paar Fotos voneinander ... was hältst Du davon? Viel Zeit bleibt uns nicht mehr bis Japan...

Mit diesen Worten...

Dein Dorian

PS: Unser Abschied an den Bahnschienen war ziemlich seltsam... Ich steckte so voller Glück, Freude, Euphorie und Wahn, dass ich Dich am liebsten in den Arm genommen hätte, um Dir so zu zeigen, wie ich mich fühlte – aber wahrscheinlich hätte ich Dich zerdrückt, wenn die Kraft der Umarmung proportional zur Höhe und Intensität meines inneren Fühlens gewesen wäre.

Meine Ungeduld auf Deinen nächsten Brief ist kaum noch auszuhalten (..im freundschaftlichen Sinne...)!

Liebste Mondgöttin Josephine!

Am gestrigen Tag war ein unglaublicher Vollmond, der die Nacht zum Tage für mich machte. Ich ging querfeldein über die glühenden Felder bis in die frühen Morgenstunden spazieren und gab mich meiner Sucht des Denkens hin.

Es war aber auch der Tag, an dem ich den letzten Brief am Dich abschickte. Und wie ich dort so stundenlang herumspazierte, brannte in mir ein Feuer, Dir wieder zu schreiben. Ich führte regelrecht einen Kampf gegen mich selbst

..und ich habe ihn gewonnen: ..ich habe Dir nicht geschrieben. Dieses nicht zu tun, war unglaublich schwer, Josephine, aber wenn ich Dir an diesem Tag noch einmal geschrieben hätte, wäre meine eigene Selbsteinschätzung, die Du in meinen Augen hast, vielleicht gesunken oder hätte sich verfälscht.

Der nächste Tag war am laufen, und ich habe mir vorgenommen, meine kleine Schreibpause durchzuhalten, tja, bis ... bis ich Deinen Brief heute in meinen zitternden Händen hielt.

Ich sah ihn an, und fühlte mich, wie unter Drogen gesetzt; ich hatte absolut keine Kontrolle mehr über meine Mimik und Gestik, die bestimmt denen eines total Durchgeknallten, aber extrem glücklichen Wesen ähnelte oder gar glich.

Aber so groß die Freude über den Briefumschlag in meinen Händen – in meiner eisigkalten Scheune – auch war, genauso groß war die Furcht und die Angst darüber, dass in diesem Brief etwas Negatives stehen könnte, etwa wie:

Werter Herr Dorian, leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich Sie aus persönlichen Gründen nicht mehr wiedersehen darf. Es war nett, Sie kennen gelernt zu haben.

Doch die Neugierde war größer, viel größer, als die Angst vor Ablehnung, und ich öffnete Deinen Brief, las die Überschrift Lieber, lieber Dorian! ..und wusste nicht mehr, was mit mir geschah. Durch die Musik, die ich derzeit hörte – Velvet Underground – und diesen Brief vor meinen Augen, kam ich mir vor, wie in einer anderen Zeit, so um neunzehnhundertsiebenundsechzig ungefähr...

Mein Körper, so glaube ich, ist eine einzige riesige Drogenfabrik, die ständig am Laufen und Ausschütten ist – ich bin immer, stets und ständig – drogenfrei berauscht, und wieder einmal gestand ich mir ein, dass ich in jeder anderen Zeitepoche lebe, nur nicht im Jetzt, in der Gegenwart – aber noch habe ich keine Probleme damit.

Aber egal... Was ich eigentlich sagen will, ist, dass mich Deine überaus lieben und erreichenden Zeilen zutiefst (positiv) überrascht haben – wieder einmal – so dass ich meine Freude über Deinen Brief nur damit erwidern kann – zumindest ansatzweise – indem ich Dir ebenfalls schreibe, und hoffe, dass ich Dir ebenfalls ein kleines (oder größeres) Gefühls-High beschert habe, als Du diesen Brief im Briefkasten vorfandest.

(Diese Theorie, dass wir eine neue Sucht in uns haben, und süchtig sind nach dem Anderen, scheint langsam immer festere Formen anzunehmen... Vielleicht die erste Sucht ohne negative Seiten, die allein Gutes mit sich bringt!)

Ein Gedanke schießt durch meinen Kopf: immer, wenn ich Dir schreibe, und sei der Brief auch noch so lang, habe ich dieses Gefühl in mir, überhaupt nichts gesagt und mitgeteilt zu haben ... seltsam...

Ich glaube, eine wahre Freundschaft ist eine Art bessere Beziehung... Ich meine, man kann tun und lassen, was man will; vielleicht etwas falsch ausgedrückt; man kann wirklich so sein, wie man ist – mit all seinen schlechten Seiten; man hat keine Grenzen oder Limits; sie verläuft (meist) ohne Sexualität (dadurch: weniger Probleme, aber auch weniger Vereinigung und Verschmelzung) – man ist frei, hat dennoch einen extremen Halt durch eben diesen Freund, den man absolut ehrlich und innig liebt.

Neuer Gedanke: Durch den nichtvorhandenen Sex bleibt dieser Freund auch noch nach Jahren der Freundschaft immer noch geheimnisvoll; erst der Sex würde dieses letzte Geheimnis lüften.

Ich habe mal im Lexikon nachgeschlagen, was Liebe bedeutet. Mein Ergebnis: Liebe, Gefühl der Zuneigung. Man unterscheidet die personenbezogene Liebe zu einem Partner, die Sexualität mit einschließt, oder zu Eltern, Freunden u. a., und die objektbezogene Liebe zur Natur, zur Freiheit, zum Eigentum.

Dass ich keinen blassen Schimmer habe, was Liebe ist, habe ich Dir mehrmals schon erzählt, aber jetzt..., dank dem allwissenden Lexikon weiß ich endlich was Liebe ist – okay, Ironie beiseite.

Wenn Liebe nun ein Gefühl der Zuneigung ist, wäre es dann verwerflich zu sagen/schreiben, dass ... ich Dich liebe?

(Oh Gott..., wie diese Worte klingen, Josephine ... so fremd ... so groß ... so vielbedeutend ... so schwer ... so ... so ... so... Du weißt, was ich meine.)

Mit meinen Worten meine ich – Platon sei Dank – die platonische Liebe unter Freunden (es sei abermals erwähnt: alles, was mit diesem großen Thema des Fühlens, der Zuneigung ... zu tun hat, meine ich allseits in einem lieben, rein freundschaftlichen Sinne. Ich wiederhole es nur deshalb so oft, weil ich persönlich immer noch meine Problemchen habe, da Du eine Frau und ich ein Mann bin.

Du kannst Dir wahrscheinlich nicht vorstellen, wie neu es für mich ist, eine Frau als Freund zu haben, Josephine! ..es ist so ... neu eben, so unbekannt und fremd.

Du musst bestimmt denken, dass ich total naiv und unreif bin, weil ich so viele Worte darüber als Erklärung verliere...

Ich habe gerade noch einmal, zum zweihundertvierundachtzigtausendsten Male Deinen Brief gelesen, und stellte fest, dass, wenn ich Deine Briefe lese, vor meinen inneren Augen eine Art Glaskugel sehe, eine rötlichschwarz schimmernde, ganz glänzend polierte; und diese Kugel, im Inneren ihres warmen, wunderschönen Körpers, sehe ich Dich, wie Du im Kerzenschein, natürlich bei einem Glas Rotwein, diesen Brief an mich geschrieben hast; ab und zu schautest Du auf, mit ins Leere blickenden, nachdenklichen Augen, tief eingetaucht in Dir selbst, auf einer inneren Reise, ... und mit einem Brief als Teil des Ergebnisses. In Deinem Gesicht spiegelte sich die Magie der warmen Dunkelheit, das Tiefe Deines Denkens und die lodernde Kraft der schamanischen Flammen. Am liebsten hätte ich von diesen Szenen in meinem Kopf ein Video aufgenommen, damit auch Du diese poetischen Momente sehen könntest. Aber so ... bleiben sie in meinem Kopf, wo ich sie mir unendlich oft wieder und immer wieder anschaue! Anschauen, genießen, zurückspulen ... anschauen, genießen, zurückspulen ... unendlich oft – ein Leben lang! ..aber leider nur für mich allein...

(Einschub: Der Vollmond macht mich wahnsinnig...)

Du hast geschrieben, dass es bei uns nicht ums Lieben an sich geht, sondern um Freundschaft, aber hast Dich daraufhin gleich verbessert. Im vorderen Teil des Briefes habe ich mich teilweise schon dazu geäußert, aber hier noch einmal: die Unterschiede sind wirklich ziemlich gering, dennoch vorhanden. Es ist einfach eine andere Art des Liebens – beide Arten haben ihre ganz spezifischen Vor- und Nachteile. Punkt. Klingt ziemlich steril, oder?

Die Sache, die Du beschrieben hast, dass Du zu Deinem Freund sagtest, dass Du Dich niemals in einen Zwanzigjährigen verlieben könntest, war ziemlich passend, wie ich finde; allein um die Macht und Magie und deren gigantische, unbeschreibliche Stärke und Intensität aufzuzeigen, die Vorhandenes im Sein und Denken in und zwischen uns einfach so umstößt. Verblüffende Wendung... – oh ehrfurchterregende Macht des Schicksals! Amor fati! – Der Ausspruch stammt von Friedrich Nietzsche. – Was soviel heißt, wie Liebe dem Schicksal oder Liebe Dein Schicksal – und ja, ich liebe es!

(Einschub: Deine Anrede Lieber, lieber Dorian! verschlägt mir immer noch die Sprache und lässt meine Knie weich wie Gelee werden... Es klingt einfach so romanhaft, so verdammt lieb und romantisch! – oh man, ich glaube, ich zerfließe gleich vor Glücksgefühlen.)

Weiteres zum Schicksal: Du weißt, dass ich sonst nie freiwillig ans Telefon gehe und abnehme, aber als Du an dem Tag Abends angerufen hast, als Du den Morgen im Regen bei mir warst, war ich A.) sogar mal im Haus, und nicht in meiner Scheunen-Welt, und bin B.) sogar tatsächlich ans Telefon gegangen!

Ich hatte in mir ein seltsames, unbeschreibliches Gefühl, als es klingelte, und ich musste einfach abnehmen ... und Du warst dran! – Ich liebe diese Art von Magie zwischen uns! (Wie war das doch gleich beim Spaziergang: Wir sind Zauberer und Verzauberte zugleich... Ja, das sind wir!)

Was ist Wirklichkeit? Ist sie nicht auch das, was unwirklich ist? ..ziemlich paradox, aber wahr. – Die Wahrheit liegt im Paradoxon begraben... Gibt es einen Beweis für etwas, was Wirklichkeit ist? Oder ist einfach alles, was ist, Wirklichkeit, also alles Sein an sich? Ich muss mal bei Kant, Hegel und Sartre nachschlagen.

Ich möchte Dir etwas anbieten, Josephine: wenn Du Stress, Probleme, Ärger oder ähnliches hast, was an Deinen Kräften zehrt und Dich stört, so bitte ich Dich, dass ich Dir helfen darf. Sicher, ich bin acht Jahre jünger als Du, aber vielleicht hilft gerade diese größere Unberührtheit meines Wesens, um Dir damit zu helfen. Es wäre mir wirklich eine Ehre, und ist gleichzeitig Wille und Bitte – ein Freundschafts-Angebot.

In meinem letzten Brief schrieb ich, dass ich Dich schrecklich vermisse – was auch so ist – aber findest Du es verwerflich oder gar schlimm, dass ich Dich wissen lasse, dass mich die Sehnsucht nach Dir fast zerfrisst?

Ich glaube, dass wird noch einmal eine richtig produktive Zeit hier in meiner Scheunenwelt ... in diesem Land. Niemand ist da, der stören könnte, ich habe Zeit, nichts lenkt mich ab von irgend etwas.

In den nächsten Tagen werde ich meine Bewerbungen an unzählige Unis losschicken; Hauptfach Philosophie und Psychologie. Und falls es in Japan nicht dazu kommt, wie ich denke, werde ich hier studieren.