Briefe aus Deutschland I - Thomas Mann - E-Book

Briefe aus Deutschland I E-Book

Thomas Mann

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Beschreibung

Nicht nur in künstlerischer, sondern auch in praktischer Hinsicht war der Austausch Thomas Manns mit dem österreichischen Dramatiker Arthur Schnitzler fruchtbar – entstand daraus doch der Kontakt zu dem Herausgeber der New Yorker Zeitschrift The Dial, wo Mann zwischen 1922 und 1928 insgesamt acht ›German Letters‹ veröffentlichte. Ein Auftrag, der sich auch in Anbetracht der in Deutschland grassierenden Inflation als besonders vorteilhaft erwies. Der erste Brief von November 1922 wurde im darauffolgenden Monat zunächst in der englischen Übersetzung in The Dial abgedruckt, und erschien erst 1974 auch im Original. Mann übernahm ihn allerdings größtenteils unverändert in seinen Essay ›Über die Lehre Spenglers‹ (1924). Dessen Werk ›Der Untergang des Abendlandes‹ aus dem Jahr 1918 (bzw. 1922, Band 2) hatte er noch mit großer Zustimmung gelesen, sich in darauffolgenden Jahren gedanklich aber distanziert.

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Seitenzahl: 23

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Thomas Mann

Briefe aus Deutschland [I]

Essay/s

Fischer e-books

In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk

{563}Briefe aus Deutschland [I]

Es ist also ausgemacht, – ich werde den Lesern des Dial dann und wann von dem kulturellen Leben meines Heimatlandes erzählen, jener europäischen Provinz, die den Bürgern der Union unter dem Namen Germany bekannt ist, und mit der, wenn ich mich recht erinnere, Amerika vor einiger Zeit im Kriege lag: Amerika, das, nach unserem eigenen Goethe, »es besser hat«, als dieser Kontinent, der alte, mit seinen »verfallenen Schlössern« und seinen »Basalten«, welche für Goethe, der sie seufzend erwähnt, nur Symbole sind für viel tiefere Erschwernisse und malerisch-melancholische Differenziertheiten der europäischen Gemüter, – Erschwernisse, Differenziertheiten, die zu Amerikas athletischem Erstaunen die Einigung Europas bisher verhindert haben und vielleicht bis zum bitteren Ende verhindern werden. Wir sind, zum mindesten aeußerlich, von der Bildung des cis-atlantischen Gegenstücks zu den United States nach dem Weltkriege weiter entfernt, als je, und das große, helläugige, historisch unbeschwerte Amerika muß etwas enttäuscht sein, da es bemerkt, daß es durch seine ausschlaggebende Teilnahme am Kriege die »europäische Kleinstaaterei«, über die Nietzsche sich lustig machte, nicht etwa zu vermindern sondern zu vermehren geholfen hat: Der kleine Erdteil umfaßte vordem 27 Staaten, er zählt heute deren 35, – und zwar sind das, wie gewiegte Staatsleute, z.B. der kluge Herr Nitti in Rom, versichern, zumeist künstliche Gebilde ohne Dauerhaftigkeit.

Kurzum, es steht schlimm, und man könnte am Heil des alten, leiderfahrenen, aber dadurch niemals klug gewordenen Europa verzweifeln, wenn nicht trotz allem Jammer, trotz einem Kriege, den man als für alle Teile verloren bezeichnen {564}muß, und trotz tiefen Erstarkens der nationalistischen Leidenschaft, das er überall gezeitigt hat, ein Gefühl sich regte, alsob dessen ungeachtet eine Annäherung der europäischen Nationen sich vollzogen habe und weiter sich zu vollziehen im Begriffe sei: teils auf wirtschaftlichem Wege, da dem hitzigsten Chauvinisten einleuchtet, daß die materielle Rettung des Kontinents nur durch Gesamtmaßregeln möglich ist; teils aber auch im Sinn eines neuen Antriebes zu geistigem Austausch und wechselseitiger kultureller Neugier, – einer Erscheinung, an der so wenig zu zweifeln ist, daß man sich an das Wort des Novalis erinnert findet, eine nähere Konnexion der Völker sei immer die historische Funktion des Krieges gewesen.