Briefe aus Deutschland III - Thomas Mann - E-Book

Briefe aus Deutschland III E-Book

Thomas Mann

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Beschreibung

Nicht nur in künstlerischer, sondern auch in praktischer Hinsicht war der Austausch Thomas Manns mit dem österreichischen Dramatiker Arthur Schnitzler fruchtbar – entstand daraus doch der Kontakt zu dem Herausgeber der New Yorker Zeitschrift The Dial, wo Mann zwischen 1922 und 1928 insgesamt acht ›German Letters‹ veröffentlichte. Ein Auftrag, der sich auch in Anbetracht der in Deutschland grassierenden Inflation als besonders vorteilhaft erwies. In seinen Briefen thematisierte Mann unterschiedlichste Bereiche der kulturellen und politischen Sphäre in Deutschland, um die Situation für das amerikanische Lesepublikum darzustellen. Dabei wird, wie auch in dieser dritten Ausgabe, die im Oktober 1923 veröffentlicht wurde, immer auch der subjektive Charakter der Schilderungen deutlich, wenn Mann sich beispielsweise zu der Situation des Theaters in Deutschland äußert: »Korruption und Verfall, die Entartung ins Sensationelle vollzogen sich rasch unter der Peitsche des pöbelhaften Reizhungers von Wilhelms turbulenter Hauptstadt.«

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Seitenzahl: 20

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Thomas Mann

Briefe aus Deutschland [III]

Essay/s

Fischer e-books

In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk

{686}Briefe aus Deutschland [III]

München, Juni 1923

Unser Theater … ach, lassen Sie mich über unser Theater nicht viele Worte machen! Es ist in Verfall, wie unsere Landstraßen und wie dies ganze gemarterte Land, dessen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch die Welt mit bewunderungswürdigem Gleichmut abwartet. Christenheit! Hast du noch nicht begriffen, daß das Geschrei über »Hunnen und Barbaren« nicht ernst gemeint war, daß es ein Kriegsmittel war, eine fromme Propagandalüge? Soll ein edles Glied der weißen Völkerfamilie durch Schuld eines wirksamen aber blödsinnigen Werbeplakates vor den Augen seiner phlegmatischen Geschwister verderben und verkommen? … Ich bitte um Entschuldigung. Ich bin schon ruhig. Ich spreche von unserem Theater und teile mit, daß sein Zustand zu wünschen übrig läßt. Die großen Stimmen unserer Oper kennen Sie jenseits des Wassers nachgerade besser, als wir. Unsere Sängerschaft gleicht ein wenig Demeters Tochter, der lieblichen Persephone, die von Pluto (dem Gotte des Reichtums, wenn ich nicht irre) geraubt und beredet wurde, von den Früchten seines Reiches zu kosten, welchem sie dadurch wenigstens für die Hälfte des Jahres verfiel. Unterdessen irrt die göttliche Mutter (das deutsche Publikum) wehklagend durch die verödeten Fluren … Kein schlechtes Bild, diese »verödeten Fluren«, für die Verfassung der deutschen Oper im Großen, Ganzen. Es geht bergab mit ihr, die nationale Verarmung macht sich an ihrem Luxuskörper natürlich zuerst bemerkbar, sie wird von Schäbigkeit bedroht, und das ist die letzte Eigenschaft, die sich mit dem Begriff der Oper überhaupt, diesem Begriff von Glanz und sinnlicher Üppigkeit, verbinden läßt. Die Leiter dieser Insti{687}tute kämpfen mit dem Mangel, und so sind gerade die Stärksten und Glänzendsten von ihnen, die es nicht nötig haben, und denen die Welt offen steht, weder an ihrem Platze zu halten, noch ist ebenbürtiger Ersatz für sie zu beschaffen.