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Öffne dein Herz für dich und andere Buddhas Herzmeditation, auch bekannt als Metta-Meditation, ist ein wunderbarer Weg, Zugang zu sich selbst und seinen Herzenswünschen zu finden. Die Autorinnen, beide langjährige Meditationslehrerinnen, zeigen, wie wir unserem inneren Kritiker auf die Schliche kommen, indem wir Kontakt mit unserem Herzen aufnehmen. Freundschaft mit uns selbst zu schließen, ist der erste Schritt, bevor wir uns anderen zuwenden. Beginnend mit Menschen, bei denen es uns leicht fällt, ihnen Gutes zu wünschen, dehnen unser Wohlwollen dann immer weiter aus - auch auf Menschen, mit denen wir Schwierigkeiten haben. Auf dieser inneren Reise begegnen wir Herzensqualitäten wie Dankbarkeit, Vertrauen, Großzügigkeit, Vergebung, Mitgefühl, Verbundenheit, Freude und Gelassenheit, die wir mit achtsamkeitsbasierten Übungen und Meditationen stärken können.
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Seitenzahl: 175
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Unserem Herzen ganz gezielt Aufmerksamkeit zu schenken, ist ein ungewöhnliches Vorhaben. Aber genau dazu möchten wir Sie gerne einladen! Wenn Sie auf Ihr Herz hören und mit ihm kommunizieren, dann schöpfen Sie Kraft aus Ihren innersten Quellen. Sie entdecken, was Ihr Herz zu sagen hat, und lernen Herzensqualitäten wie Liebe, Mitgefühl, Freude oder auch Gelassenheit auf völlig neue Weise kennen und weiterzuentwickeln.
Kann man lieben lernen? Die traditionelle buddhistische Herzmeditation zeigt einen Weg, mit dem Herzen zu fühlen und zu denken und uns selbst und andere so anzunehmen, wie wir sind. Die positive Gedankenkraft unserer Herzenswünsche führt immer mehr zu einem liebevollen und mitfühlenden Handeln.
Wir haben im Lauf unserer eigenen Meditationspraxis die positiven Wirkungen der Herzmeditation erlebt. Die Herzensverbindung zu uns selbst und anderen hat sich mit der Zeit immer mehr vertieft, und Dankbarkeit und Vertrauen in diese Methode und in das Leben sind stetig gewachsen. Deshalb möchten wir Ihnen in diesem Buch zeigen, wie Sie Ihr Herz schulen können und so selbstlose Liebe, bedingungslose Sympathie, warmherzige Akzeptanz und Wohlwollen sich selbst und anderen Menschen gegenüber entwickeln.
Unser Herz ist nicht nur ein lebenswichtiges Körperorgan. Im übertragenen Sinne bezeichnet das Wort »Herz« einen Seelenraum, den Ort, an dem das Wesen eines Menschen aufgehoben und zu Hause ist. Im Buddhismus sprechen wir von »Herzensqualitäten«, die oft ganz oder teilweise verschüttet sind, die wir aber durch die Herzmeditation befreien können.
»Was schmerzt die Seele am meisten?«, hat der persische Mystiker Rumi gefragt. Auf diese Frage könnten wir viele verschiedene Antworten finden! Bei all dem Leiden und der Verzweiflung, die uns in diesen von Flucht und Terror geprägten Zeiten begegnen, fallen uns unzählige Schmerzen ein. Denken wir über all das Unrecht nach, fühlen wir uns schnell hilflos und überwältigt.
Doch Rumi hat seine Frage ganz einfach und allumfassend zugleich beantwortet: »Am meisten schmerzt es, leben zu müssen, ohne das Wasser der eigenen Essenz zu kosten.« Rumis Frage ist groß, seine Weisheit zeitlos. Denn ebenso wie vor tausend Jahren sehnen sich die Menschen auch heute danach, zu ihren innersten Quellen vorzudringen und ein Leben im Einklang mit sich selbst zu führen, um auf diese Weise »das Wasser der eigenen Essenz zu kosten«.
Die Antwort des alten Meisters lässt sich auch noch konkreter fassen. Wenn Sie dem Nachklang dieser Antwort in Ihrem eigenen Herzen lauschen, fragen Sie sich vielleicht: »Was ist meine Aufgabe in diesem Leben? Wie kann ich die Wunden meiner Vergangenheit heilen und Frieden finden? Wie kann ich meine Angst verlieren vor Trennung, Krankheit und Tod?« Der Impuls, ein Buch über Meditation zu lesen, entspringt vielleicht auch bei Ihnen einem Herzenswunsch. Möchten Sie mehr Zeiten der Stille in Ihr Leben bringen und Ihre inneren Empfindungen genauer erfassen? Möchten Sie wichtigen Lebenszielen eine bessere Chance zur Verwirklichung einräumen? Wie oft sagen Menschen, die nur noch kurze Zeit zu leben haben: »Hätte ich doch …!« Und sie zählen auf, was sie vermissen: intensiver in der Gegenwart leben, öfter auf das Herz hören, sich mehr Zeit lassen für Familie und Freunde.
»Ich komme einfach nicht zur Ruhe«, sagt eine junge Frau, »ich habe alles, was ich brauche, und doch spüre ich ein Streben weg von hier – mein ganzes Leben lang habe ich das Gefühl, in ständiger Alarmbereitschaft, ja, auf der Flucht zu sein.« Ankommen an einem geschützten Ort – zu Hause sein in sich selbst: Alle Menschen wünschen sich diesen Ruhepol, dieses Verankert-Sein im eigenen Seelenkern, im Herzen. Sie wünschen sich Momente des Einklangs mit sich selbst, in denen Terminkalender und Alltagssorgen bedeutungslos sind. Sie möchten einfach nur da sein können, spüren, was ist, und damit vollauf zufrieden sein. Das gelingt, wenn wir von Herzen »Ja« sagen können zu unserem Leben – dann schmecken wir unsere eigene Essenz.
Die mittelalterliche Mystikerin Hildegard von Bingen nannte das Herz das Haus der Seele. Auch der Philosoph Blaise Pascal war überzeugt: Es ist das Herz, das Gott erfährt, nicht der Verstand. Ein lebendiger Kontakt zum Herzen hat persönlich und gesellschaftlich herausragende Bedeutung. Alle Urvölker auf unserem Planeten haben auf ihre Weise eine heilsame Verbindung zum eigenen Herzen gesucht und gepflegt. Denn sie haben das Herz intuitiv als ein wahrnehmendes Seelenorgan verstanden. In allen Weltreligionen ist das Herz das Organ der Anteilnahme, des Mitgefühls: Jesus trauert über die Verhärtung der Herzen, und Buddha lehrte sinngemäß: Vom Herzen gehen die Dinge aus, sind herzgeboren, herzgefügt.
Leider ist uns in der heutigen Zeit die Verbindung mit unserem Herzen weitgehend verloren gegangen. Wir wissen zwar, was es heißt, sein Herz zu verschenken, ein Herz und eine Seele zu sein, etwas auf Herz und Nieren zu prüfen, sein Herz zu erleichtern oder es auf der Zunge zu tragen. Wir kennen ein kaltes Herz, ein schweres Herz, ein Herz, das vor Aufregung laut klopft oder uns bei Angst in die Hose sackt. Manchmal fassen wir uns ein Herz oder fühlen uns im Herzen getroffen. Doch im Alltag hören wir kaum auf unser Herz, etwa wenn es uns zuruft: »Streng dich nicht so an, gönn dir mehr Ruhe.« Leider finden unsere Herzensbedürfnisse oft erst Gehör, wenn das Herz krank ist und uns Kummer bereitet. Dann erst entsteht ein Verständnis dafür, dass wir Einfluss nehmen können auf unseren Bluthochdruck, auf Herzrhythmusstörungen oder das Herzinfarktrisiko.
Besser ist es, ein solches Verständnis von vornherein aufzubauen und dem Herzen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die Herzmeditation hilft Ihnen dabei, denn Ihre Prinzipien – achtsame Selbstfürsorge und ein ausgeprägtes Wohlwollen für alles Leben – wirken wie Balsam für das gestresste Herz. Das gilt für das im medizinischen Sinne kranke Herz ebenso wie für das anteilnehmende, mitfühlende Seelenorgan. Das belegen heute auch die Forschungen der Neurowissenschaften: Körperlicher Schmerz und psychischer Schmerz bilden sich in den gleichen neuronalen Netzwerken und fühlen sich auch ganz ähnlich an. Demnach können sie auch auf gleiche Weise beeinflusst werden.
Sie haben sicher auch schon beobachtet, dass Menschen, die von einem Ereignis tief berührt sind, sich die Hand auf das Herz legen. Wenn Sie diese Geste nachahmen, lenken Sie damit Ihre Aufmerksamkeit zu Ihren Herzensbedürfnissen. So können Sie üben, die Sprache Ihres Herzens zu verstehen und im Dialog mit Ihrem Herzen neue Wege zu gehen. Die Herzmeditation wird Ihnen in den kommenden Kapiteln viele konkrete Anleitungen dafür geben, denn im wörtlichen Sinne führen Sie einen Dialog mit dem eigenen Herzen (siehe >). Sie müssen aber nicht erst das ganze Buch lesen, um in diese Zwiesprache mit Ihrem Herzen eintreten zu können. Mit der folgenden Übung gelingt Ihnen bereits ein erster Einstieg: Halten Sie inne und spüren Sie zu Ihrem Herzen hin.
Legen Sie dieses Buch für einige Minuten zur Seite und setzen Sie sich bequem auf einen Stuhl oder ein Sofa. Sie können die Übung auch im Liegen durchführen. Legen Sie dann sachte eine Hand auf Ihr Herz. Sie können dabei auch gerne die Augen schließen.
Versuchen Sie, die Berührung, die Wärme Ihrer Hand und Ihren Atemrhythmus im Herzraum bewusst zu spüren.
Wie fühlt es sich an, auf diese Weise zum Herzen hin zu lauschen? Vielleicht nehmen Sie ein inneres Aufatmen wahr, eine Entspannung im Bauchraum?
Probieren Sie, zu Ihrem Herzen zu sagen: »Mein liebes Herz, wie geht es dir? Ich möchte dir Aufmerksamkeit schenken und spüren, was dich bewegt.«
Wiederholen Sie diese Übung, sooft Sie möchten. Sie können sie auch durchführen, während Sie am Schreibtisch vor dem Computer sitzen oder auf dem Weg zum Einkaufen sind. »Hand aufs Herz« bedeutet, einen Moment innezuhalten und einen bewussten Kontakt mit Ihrem Herzen aufzunehmen.
Vielleicht ist es Ihnen nicht ganz leicht gefallen, sich auf die Übung einzulassen. Das liegt daran, dass wir uns oft erst die Erlaubnis geben müssen, zum eigenen Herzen hinzuhören und Herzensbedürfnissen mehr Raum zu geben. Ganz anders als ein Kind, das seine Gefühle und Bedürfnisse noch spontan zum Ausdruck bringen kann: Es weint, wenn es nicht genügend Aufmerksamkeit bekommt oder sich verletzt hat. Es schreit vor Wut, wenn ihm etwas nicht passt. Schritt um Schritt lernt es dann, seine Gefühle zu kontrollieren und sich anzupassen an den Umgangston in der Familie und die Gepflogenheiten seines weiteren Umfelds. Und so wie unsere Eltern mit uns als Kinder umgegangen sind, so gehen wir nun als erwachsene Menschen mit uns selbst um: Wer von seinen Eltern bestraft wurde, wenn er seiner Wut freien Lauf ließ, der wird auch als Erwachsener seine Wut verstecken und verdrängen. Wenn Eltern ein Kind und seine Bedürfnisse ernst nehmen, dann gelingt es ihm später als erwachsene Person, gut für sich zu sorgen. Da Eltern in der Regel nicht perfekt sind, mangelt es uns oft an Selbstmitgefühl und Akzeptanz. Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus unseren Meditationskursen antworten auf die Frage: »Wenn ich mehr auf mein Herz hören würde, dann …
würde ich mehr tanzen,
öfter innehalten,
eindeutiger »Nein« und eindeutiger »Ja« sagen,
mehr genießen, was ich habe,
nachsichtiger mit mir selbst sein,
mehr Freiheit erfahren,
authentischer leben.
Mit der Herzmeditation nähern wir uns liebevoll und behutsam den lang verborgenen Gefühlen in uns und entdecken all die Wärme und Zärtlichkeit, die bereits in uns wohnt. Wir stoßen aber auch auf unsere Enttäuschungen und Ängste, die wir im Herzen eingeschlossen haben und die verhindern, dass die Herzensenergie frei fließen kann. Wir heilen unser Herz, indem wir den Geschichten, die zu unseren Verletzungen gehören, mitfühlend lauschen. Wir kommen zur Ruhe, indem wir unsere Erfahrungen akzeptieren, so wie wir sie als Kind und Heranwachsende empfunden haben. Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft mit uns selbst.
Bevor wir uns den Wirkungen der Herzmeditation intensiver widmen, wollen wir uns zunächst gemeinsam ansehen, was genau die Herzmeditation eigentlich ist und woher sie kommt.
Durch Meditation lernen wir eine bewusste Wahrnehmung zu entwickeln für das, was im jetzigen Moment gerade geschieht. Dazu müssen wir unseren aktiven Geist zuerst auf eine Aufgabe hin ausrichten, um ihn zur Ruhe zu bringen. Bei der Achtsamkeitsmeditation lenken wir unsere Aufmerksamkeit zuerst auf den Atem und erweitern sie dann auf das Spüren von Körperempfindungen, Gefühlen und Gedanken. In der Herzmeditation dagegen richten wir unsere Aufmerksamkeit auf das innerliche Sprechen von Wünschen, die wir an unser Herz oder das Herz von anderen Menschen richten. Dadurch nehmen wir direkten Kontakt zum Herzen auf und erfahren, wie es unserem Herzen geht. Durch die kontinuierliche Ansprache des Herzens lernen wir seine Bedürfnisse näher kennen und schulen unsere Herzensqualitäten – die universelle und allumfassende Liebe, Mitgefühl, Freude und Gelassenheit.
Mit der Herzmeditation üben wir, in einen Dialog mit unserem eigenen Herzen zu treten und eine Kommunikation von unserem Herzen zum Herzen von anderen Menschen aufzubauen. Dazu sprechen wir im Geiste jeweils vier kurze, klare Wünsche, die wir ständig wiederholen. Zum Beispiel sagen wir zu uns: »Möge ich glücklich sein« oder: »Möge ich sicher und geborgen sein.« Jeder Herzenswunsch wirkt wie ein Same, der die potenzielle Energie einer guten Absicht in sich trägt. Unablässig werden in Herz und Geist die Samen der guten Wünsche ausgestreut. Dadurch bauen sich im Herzen Vertrauen und ein Gefühl des Beschützt-Seins auf.
Wir formulieren in der Herzmeditation Wünsche, die allen Menschen gemeinsam sind. Sie gehen zurück auf universelle Grundbedürfnisse: Alle Menschen möchten glücklich sein, in Sicherheit leben, gesund sein und ein sorgenfreies Leben führen. Zu Beginn sprechen Sie diese Wünsche lange Zeit zu sich selbst hin, bis ein natürliches Bedürfnis aufkeimt, anderen Menschen auch Glück und Frieden zu wünschen. Dann richten Sie die Wünsche in einer Herz-zu-Herz-Kommunikation an gute Freunde oder Personen, denen Sie dankbar sind. Später üben Sie die Herzmeditation, indem Sie unbekannten Personen Ihre Wünsche schicken und dann Menschen, mit denen Sie Schwierigkeiten haben. Die Entwicklung von bedingungslosem Wohlwollen für sich selbst und alle Lebewesen ist das Ziel dieses Weges. »Wenn ihr mithilfe der Herzmeditation Wohlwollen und Vertrauen in eurem Geist aussät, werdet ihr Wohlergehen ernten«, hat Buddha gelehrt.
Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass sich unser Gehirn ständig verändert und unterschiedlichen Anforderungen anpasst. Sie nennen dies »Neuroplastizität des Gehirns«. Das bedeutet: Alles, was durch den Geist strömt – Gedanken und Gefühle –, verändert das Gehirn. Folglich können wir mit bewusst formulierten Gedanken ebenfalls Einfluss nehmen. Der Hirnforscher Richard Davidson hat in einer Studie gezeigt, dass bereits zwei Wochen Herzmeditation die Gehirnaktivität verändern und Menschen mehr Wohlbefinden und Mitgefühl für sich und andere empfinden.
Die Anleitungen zur Herzmeditation gehen zurück auf den historischen Buddha, der vor ca. 2500 Jahren in Nordindien lebte. Er hat viele Jahre die Lehren und Anweisungen der damaligen Weisen selbst ausprobiert und festgestellt, dass keine zur Befreiung von Leiden führt – dem zentralen Ziel im Buddhismus. Im Ringen mit sich selbst fand er schließlich einen eigenen Weg und entwickelte Methoden, die seinen Schülern den Zugang zur inneren Freiheit öffneten.
Eine dieser Methoden, die besonders das Herz anspricht, ist die Metta-Meditation. Das Wort »Metta« stammt aus der altindischen Pali-Sprache, die zu Buddhas Zeiten gesprochen wurde. »Metta« bedeutet »Herzenswärme«, »liebevolle Güte« oder »Freundschaft«. Metta schenkt allen Lebewesen grenzenloses Wohlwollen. Weil sich alles in der Metta-Meditation auf den Seelenraum Herz ausrichtet, nennen wir die Metta-Meditation auch Herzmeditation. In der buddhistischen Lehre ist Metta die Verkörperung von bedingungsloser Liebe.
Die Legende erzählt, dass Buddha die Metta-Meditation zum ersten Mal fünfhundert Mönchen gelehrt hat, um ihnen zu helfen, mit verstörenden und beängstigenden Erfahrungen umzugehen. Die Mönche wurden in ihrer Meditationsklausur während der Regenzeit von verwirrenden Gedanken und Vorstellungen sowie Gefühlen von Angst, Unsicherheit und Verzweiflung geplagt. Buddha gab ihnen zum Schutz einen Text, den Metta-Text, den sie auswendig lernten und immer wieder rezitierten. Die stetige Wiederholung der Metta-Wünsche, dass es allen Lebewesen wohl ergehen soll, sie glücklich sein und in Sicherheit leben mögen, beruhigte ihren Geist und besänftigte das Herz. Die Mönche übten, mit grenzenlosem Herzen alle Lebewesen zu lieben und ihnen Wohlwollen und Güte entgegenzubringen. Durch diese Schulung des Herzens wurden sie von ihren Ängsten befreit. Sie erfreuten sich am eigenen Wohlergehen und strahlten Wärme und Freude aus, sodass auch alle anderen Lebewesen ihnen mit Achtung und Freundlichkeit begegneten.
Seit Buddhas Zeiten wurde die Herzmeditationsmethode in Asien innerhalb von Klostergemeinschaften weitergegeben. Den Weg in den Westen fand sie schließlich durch Menschen, die in den 1960er- und 1970er-Jahren auf der Suche nach Selbsterkenntnis und innerer Erfüllung waren und in thailändischen und burmesischen Klöstern in der Metta-Meditation unterwiesen wurden. So wie Buddha es empfohlen hat, erprobten sie selbst die Methode, um eigene Erfahrungen damit zu sammeln. Sie erlebten, wie essenziell die Herzmeditation ihre Herzen verwandelte und welch großer Reichtum für die Menschen unserer Zeit darin verborgen liegt.
Auch wenn sich die Herzmeditation von der Achtsamkeitsmeditation unterscheidet (siehe >), ist sie doch untrennbar verbunden mit der Übung von Achtsamkeit – von bewusst gelenkter Aufmerksamkeit. Sind wir achtsam, dann wissen wir genau, was wir in diesem aktuellen Augenblick erfahren. Doch worauf achten wir, wenn wir mit anderen Menschen zusammen sind?
Meistens ist unsere Aufmerksamkeit ganz und gar bei dem Reden und Handeln von anderen. Wir versuchen, Stimme und Mimik zu deuten, dem Gespräch zu folgen und das Richtige zu tun. Es braucht viel Übung, gleichzeitig auch noch in sich selbst Gefühle zu spüren und zum Beispiel das eigene Bedürfnis nach Nähe und Distanz richtig einzuschätzen. Durch achtsames Gewahrsein lernen wir, die Signale unseres Körpers zu lesen, die zum Beispiel sagen: »Zupf nicht dauernd an deinem Halstuch, dabei verkrampfst du dich, spür lieber deine Füße auf dem Boden, um dich zu entspannen.« Mit Achtsamkeit stellen wir eine direkte Verbindung zu unseren Sinnesempfindungen her. Sie zeigt uns: Das spüre ich, das höre ich, das rieche ich, das schmecke ich – hier und jetzt, genau in diesem Moment.
Versuchen Sie, im alltäglichen Leben immer wieder bewusst an Ihren Seelenraum Herz zu denken und es zu spüren. So lernen Sie es besser kennen und können Antworten auf folgende Fragen finden:
In welchen Situationen kann ich mein Herz deutlich spüren?
Bei welchen Gelegenheiten ist mein Herz offen und weit?
Wann ist mein Herz eher eng oder verschlossen?
Wie immer Ihrem Herzen auch zumute ist, nehmen Sie es mit einer freundlichen, liebevollen Haltung einfach zur Kenntnis.
Unser Herz weiß ganz genau, wie es sich öffnen kann, was sich zeigen soll und was nicht. Das geht ganz natürlich, wie das Öffnen einer Blüte. Wir brauchen nicht an den Blättern zu zupfen und keinen Druck auszuüben. Das Herz möchte nicht bedrängt werden und keine Forderungen erfüllen. Sanft und einfühlsam richten wir unsere Aufmerksamkeit auf unser Herz, ohne etwas zu erwarten.
Unsere Aufmerksamkeit kann wie eine Zoomlinse wirken – wir können an unser Herz ganz nah herangehen oder es von weiter entfernt betrachten. Die Aufmerksamkeit kann also fokussiert oder auf Weitwinkel gestellt sein und alle Zustände dazwischen annehmen. Je genauer wir das unterscheiden können, umso mehr entdecken wir, dass alle Perspektiven der Achtsamkeit nützlich sind, um unser augenblickliches Herzbefinden deutlich zu spüren und zu verstehen. Wenn wir lernen möchten, mit uns selbst liebevoller und fürsorglicher umzugehen, ist Achtsamkeit unsere wichtigste Verbündete.
Je geübter wir in der Kunst der Achtsamkeit sind, desto mehr verfeinert sich unsere Wahrnehmung. Am Anfang scheinen wir kaum etwas zu spüren. Nach regelmäßigem Hinhören stellen sich die ersten Regungen ein: »Lass dir mehr Zeit«, sagt das Herz oder: »Ich brauche Ruhe.« Je öfter wir achtsam sind, desto mehr baut sich unsere Fähigkeit auf, die Aufmerksamkeit gezielt zu lenken, und desto deutlicher nehmen wir unsere Herzensempfindungen und die damit verbundenen Gefühle und Gedanken wahr. Unser Vertrauen auf die dem Herzen innewohnende Weisheit wächst mit jedem Moment der Achtsamkeit.
Ich unterrichte seit über zwanzig Jahren Meditation. In den ersten Jahren habe ich mich dabei ganz auf die Achtsamkeitsmeditation konzentriert. Danach verlagerte sich mein Schwerpunkt zunehmend auf Buddhas Herzmeditation – die Metta-Übung.
Für mich als Lehrerin ist es auffallend, dass in Metta-Meditationsgruppen eine deutlich andere Atmosphäre herrscht als in reinen Achtsamkeitskursen. In der Herzmeditation können sich die Menschen leichter entspannen, ihre überhöhten Ansprüche werden früher aufgedeckt. Es wird kaum über Schmerzen beim Sitzen geklagt, weil die Herzmeditation voraussetzt, dass die Übenden sich so setzen, dass sie nicht an Schmerzen leiden. Körperbeschwerden bekommen einfach nicht so viel Spielraum, weil die Aufmerksamkeit zu den guten Wünschen hin gelenkt wird. Durch die klare Struktur der Metta-Sätze gehen die Gruppenmitglieder nicht so leicht in ihrem inneren Raum verloren – die Metta-Sätze sind »ein Geländer«, an dem entlang sie sich bewegen können, und vermitteln innere Stabilität. Und weil alle darauf fokussieren, gut mit sich selbst umzugehen, entsteht auch im Miteinander in der Gruppe eine warmherzig-wohlwollende Atmosphäre.
Marie Mannschatz
Zielorientiert, wie wir in der westlichen Welt sind, fragen Sie sich vielleicht: Mit welchem Ergebnis kann ich rechnen, wenn ich die Herzmeditation übe. Unser Verstand will Fakten wissen und Resultate sehen, denn nur durch effizientes Vorgehen bewältigen wir den Berg an täglichen Aufgaben und Pflichten. Kann also die Herzmeditation zuverlässige Ergebnisse vorweisen?
Für Tania Singer, Leiterin des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, ist aufgrund ihrer Forschung und der von Kollegen inzwischen klar: »Die Frage ist eigentlich nicht mehr, ob Meditation einen Effekt hat, sondern welche Meditation welchen Effekt hat, wie groß er ist und wie lange es dauert, bis er sich einstellt.« Nun hat die Wissenschaftlerin in einer groß angelegten neunmonatigen Studie mit 160 Probanden die Auswirkungen der Metta-Meditation und den Unterschied zur Achtsamkeitspraxis noch tiefer ergründet. Die konkreten Ergebnisse sind noch unveröffentlicht. Doch die Untersuchungen haben gezeigt, dass sich durch die Metta-Meditation der Wunsch, anderen zu helfen, vergrößert und das bewusste Empfinden von Vertrauen, Großzügigkeit und Dankbarkeit zunimmt.
Unabhängig von allen bisherigen Forschungsergebnissen – die Erfahrung lehrt: Durch die Herzmeditation entdecken wir die verschiedenen Seiten unseres Herzens. Sehr schnell wird deutlich, dass die Bewegungen des Herzens keinen logischen Gesetzmäßigkeiten folgen. Herzensdinge sind vielschichtig und intuitiv. Einerseits bekommen wir Zugang zu Herzensqualitäten wie Großzügigkeit, Freude, Mitgefühl oder Dankbarkeit für all das Gute, das wir schon haben. Auf der anderen Seite kommen wir auch in Kontakt mit Gefühlen, die uns zu schaffen machen, wie beispielsweise Neid, Eifersucht, Ärger oder Wut. So lernen wir, die unterschiedlichen Stimmen des Herzens klarer zu unterscheiden und diejenigen zu stärken, die uns wohltun. Das nährt und läutert unser Herz zugleich und schenkt uns innere Zufriedenheit.
Bei unseren Herzmeditationskursen sind wir immer wieder erstaunt darüber, wie unmittelbar Menschen von der Einfachheit und Klarheit dieser Übung angesprochen werden. Die Herzmeditation wirkt beruhigend, führt aber auch zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenswirklichkeit. Eine Teilnehmerin bemerkte einmal: »Ich dachte, ich hätte gut für mich gesorgt, doch nun sehe ich, wie viel ich im Alltag verdrängt habe und was alles angepackt werden möchte.«
Sowohl positive als auch unangenehme Gefühle, die Sie in Ihrem Leben erfahren haben, tauchen in der Meditation wieder auf. Sie erleben sie noch einmal, und diese innere Auseinandersetzung löst einen Klärungs- und Reifungsprozess aus. So fallen vom Herzen ganz allmählich die schweren Lasten ab, die vergangene Konflikte mit sich brachten.