Bulls Eye - Mitten ins Herz - Bianca Nias - E-Book

Bulls Eye - Mitten ins Herz E-Book

Bianca Nias

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Beschreibung

Wesley hat es geschafft. Als Wunderkind The Wizzkid stürmt der Neunzehnjährige die Weltrangliste des Dart-Sports. Alles scheint perfekt, als er sich während eines Turniers Hals über Kopf in Björn verliebt und der junge Student seine tiefen Gefühle aufrichtig erwidert. Wesley kann und will ihre Beziehung nicht vor der gierigen Presse verstecken. Doch mit seinem öffentlichen Coming-Out tritt er eine Serie von Ereignissen los, die ihn und Björn in Lebensgefahr bringen - die Vergangenheit holt Wesley ein, die er in Momenten des Glücks fast vergessen hatte …

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Bulls Eye – Mitten ins Herz

Ein Roman von Bianca Nias

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen

http://www.deadsoft.de

© the author

http://www.biancanias.de

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com/

Bildrechte

© BigLikesimages – shutterstock.com

© Dmitry Melnikov – shutterstock.com

© Mega Pixel – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-945934-63-0

ISBN 978-3-945934-64-7 (epub)

Inhalt:

Wesley hat es geschafft. Als Wunderkind TheWizzkid stürmt der Neunzehnjährige die Weltrangliste des Dart-Sports. Alles scheint perfekt, als er sich während eines Turniers Hals über Kopf in Björn verliebt und der junge Student seine tiefen Gefühle aufrichtig erwidert. Wesley kann und will ihre Beziehung nicht vor der gierigen Presse verstecken. Doch mit seinem öffentlichen Coming-Out tritt er eine Serie von Ereignissen los, die ihn und Björn in Lebensgefahr bringen  - die Vergangenheit holt Wesley ein, die er in Momenten des Glücks fast vergessen hatte …

Kapitel 1

»Heißen Sie mit uns den nächsten Spieler willkommen: Wesley … The Wizzkiiiiiid … Shepheeeeeerd!«

Mein großer Auftritt. Rasch schiebe ich, trotz des mulmigen Gefühls in meinem Magen, ein Lächeln auf mein Gesicht, fahre mir nochmals durch meine Haare und trete aus den Katakomben in die Sporthalle hinaus. Raus aus dem Halbdunkel, mitten hinein in das gleißende Spotlight, das sofort auf mich schwenkt. Eine Tussi mit einer Schärpe über dem knappen Kleidchen nimmt mich in Empfang, um mich den Gang zwischen den Zuschauern hinab zu begleiten. Tosender Beifall bricht über mich herein – immer noch ungewohnt. Jedes Mal aufs Neue bin ich überrascht, dass mir so viele Leute Sympathie entgegen bringen, obwohl sie mich überhaupt nicht kennen. Ich muss mich regelrecht zwingen, einen Schritt vor den anderen zu setzen, das Lampenfieber überrollt mich. Eigentlich sollte ich meinen Fokus bereits jetzt auf das kommende Spiel richten, aber vor lauter Nervosität ist jegliche Konzentration wie weggeblasen. Der Weg bis zur Tribüne, die ich am anderen Ende des Raumes aufgrund der farbigen, zuckenden Lichter nur schemenhaft ausmachen kann, kommt mir immer länger vor.

Mensch, Wes, reiß dich zusammen! Gute Miene machen, das wollen die Fans. Immer freundlich lächeln, Hände schütteln, das Schulterklopfen ertragen.

Die Menge um mich herum tobt, pfeift, jubelt. Ich kann keine einzelnen Gesichter wahrnehmen, alles verschwimmt zu einer bunten, umherwirbelnden Masse. Der Weg, den zwei Bodyguards vor mir freihalten, ist schmal und erscheint mir wie der Gang nach Canossa. Viele dieser kleinen Pappschilder werden hochgehalten, auf denen die Fans Sprüche schreiben. Auf der anderen Seite der Pappe befindet sich in riesigen Zahlen die 180 – der höchste Score beim Darts. Wenn ein Spieler ihn erzielt, werden sie von den Zuschauern in die Höhe gehalten, dann wird gefeiert. Eine verrückte, ausgelassene Party, das ist mittlerweile jedes Darts-Turnier. Fast alle Leute kommen verkleidet und ich werfe nun doch einen Blick in die Menge, schmunzele leicht über die Kostüme. Krankenschwestern, deutsche Trachten, Teletubbies – es ist alles vertreten. Hauptsache, auffällig. Vielleicht schwenkt dann ja die Fernsehkamera zu ihrem Tisch, das erhoffen sich die Fans von dieser Maskerade. Anders kann ich mir diese lächerlichen Verkleidungen kaum erklären.

Jetzt taucht endlich die Treppe zur Bühne vor mir auf. Linkerhand stehen meist die Angehörigen der Spieler, haben den besten Tisch in erster Reihe reserviert bekommen. Nur bei mir nicht. Ich habe keine Familie. Keine Freunde, die mich auf meinem Weg begleiten, mir Mut zusprechen, mich aufbauen. Seit meinem 14. Lebensjahr bin ich allein – und wenn ich nicht dieses verdammte Glück hätte, ein ruhiges Händchen und ein großes Talent fürs Darts zu besitzen, wäre ich noch immer eines der Berliner Straßenkids. Keiner von den Leuten im Publikum weiß, dass ich eine Karriere als Obdachloser hinter mir habe, obwohl ich gerade erst 19 Jahre alt bin. Mein Sponsor hat dies geflissentlich geheim gehalten. So eine Vergangenheit macht sich eben nicht gut, wenn man als Wunderkind, als Wizzkid, vermarktet werden soll.

Deshalb wurde nicht nur mein Nachname – Schäfer – auf Shepherd geändert, sondern sogar meine Nationalität. Ich bin jetzt Holländer, ein Oranje. Jeder deutsche Fußballfan würde sich im Grab herumdrehen, aber in den Niederlanden gibt es nun einmal die größte Fanbase für diesen Sport. Da ich die meisten Interviews auf Englisch führe, ist es auch noch keinem aufgefallen, dass ich nicht einmal fließend holländisch spreche. Der Presse war anfangs von meinem Sponsor erklärt worden, dass ich deutsche Verwandtschaft habe und daher akzentfrei deutsch spreche, damit sich keiner wundert. Nur meinen Vornamen Wesley durfte ich behalten – den ich meinen Erzeugern, Star-Trek-Fans, zu verdanken habe. Wahrscheinlich ist dies den Leuten aber sowieso egal.

Ihr Interesse gilt – hoffentlich - nur meinem Spiel und ob ich es schaffe, in die nächste Runde zu kommen. Nicht nur das Preisgeld winkt bereits verlockend – auch die Aussicht auf die Qualifikation zur Weltmeisterschaft. Wer dieses Turnier hier gewinnt, hat sie automatisch in der Tasche.

Der Gedanke daran beflügelt mich und ich erklimme leichtfüßig die wenigen Stufen. Mein Kontrahent für den heutigen Abend ist schon hier und streckt mir freundlich die Hand entgegen. Bernhard The Bear Bachmann, ein dicker, glatzköpfiger, gemütlicher Deutscher, von oben bis unten tätowiert, bestimmt schon über 40 Jahre alt. Ich kenne ihn, kenne sein Spiel und wir zwei sind uns schon bei einem Turnier begegnet, ohne aber aufeinanderzutreffen. Er lächelt etwas angestrengt, die Nervosität ist auch ihm ins Gesicht geschrieben. Bernhard weiß, dass er in mir keinen leichten Gegner haben wird, auch wenn mein Milchbubi-Gesicht, die babyblauen Augen, der dichte blonde Haarschopf und meine schmale Statur mich immer noch wie einen Teenie erscheinen lassen.

Ich nicke grüßend und wende mich dem kleinen Stehtisch zu, auf dem ein Krug Wasser und zwei Gläser für uns bereitstehen. Zwar bin ich nicht durstig, aber ich schenke mir trotzdem ein Glas ein und nehme einen Schluck, einfach, weil ich es mir so angewöhnt habe. Vertraute Routine. Der Ansager erläutert dem Publikum mit seiner tiefen, volltönenden Stimme den Turniermodus, aber ich höre nicht hin. Jetzt gelingt es mir endlich, den Lärm um mich herum auszublenden. Die Dartscheibe hängt gut ausgeleuchtet vor mir und ich greife in die Brusttasche, um meine Pfeile hervorzuholen. Nur drei Darts habe ich, um mich einzuwerfen, aber ich merke sofort, dass es gut läuft. Mein Wurfarm ist locker, die Pfeile landen genau dort, wo ich sie hin haben will.

Jetzt geht das Spiel los. Es gilt, von den 501 Punkten mit möglichst wenigen Pfeilen auf 0 zu kommen, wobei der letzte Wurf ein Double-Out, also in den schmalen äußeren Ring des Trefferfeldes, sein muss.

Kein Problem, meine Doppelquote ist beständig gut. Mal sehen, ob mir einer der berühmten 9-Darter gelingt – das perfekte Spiel. Die niedrigste Anzahl an Pfeilen, die man benötigt, um die 501 Punkte auszuchecken. Oder sollte ich besser noch nicht zeigen, was ich alles kann?

Bernhard beginnt mit einer 140. Nicht schlecht, aber auch nicht überragend. Ich kontere gelassen mit einer 180, dem höchsten Score. Meine drei Pfeile landen eng nebeneinander im schmalen Triple-Feld der 20. Das Anschwellen des Jubels der Zuschauer in einem Rücken nehme ich nur entfernt wahr.

»One-Hundred-Eightyyyyy«, bestätigt der Ansager langgezogen meine Punktzahl. Aus jeder einzelnen Silbe macht er dabei eine riesige Show. Zwei Schritte bis zur Scheibe, um meine Pfeile herauszuziehen. Jetzt bin ich im Turnier-Modus und achte weder auf meine Umgebung noch auf Bernhard. Es ist mir schlichtweg egal, ob dem Dicken eben seine Gesichtszüge entglitten sind, oder nicht. Hier spielt jeder nur für sich. Das liebe ich so an dem Spiel. Wenn ich verliere, bin ich allein dafür verantwortlich, niemand sonst. Oder hatte eben einen Gegner, der besser war als ich.

Die Schwierigkeit ist es, die Präzision und Geschicklichkeit über den gesamten Verlauf des Matches aufrechtzuerhalten. Nicht selten erlebe ich mitten im Spiel einen Einbruch, verliere auch einmal einen Satz. Dann brauche ich meine gesamte mentale Stärke, um mich davon nicht beeindrucken zu lassen. Einfach weitermachen. Auf den nächsten Wurf konzentrieren. Locker bleiben.

Das Match gegen Bernhard ist schnell erledigt. Ich gewinne relativ glatt mit 4 zu 1 in den Sätzen. Der Kerl hatte heute Abend kaum eine Chance gegen mich und meine Wurfgenauigkeit. Erleichtert atme ich durch, nachdem ich meine Pfeile zum letzten Mal aus der Scheibe ziehen muss. Die Anspannung fällt schlagartig von mir ab.

Ich stehe in der nächsten Runde, dem Viertelfinale des Turniers! Die Fans toben!

Jetzt noch Hände schütteln, ein schnelles Interview geben, und dann nichts wie raus aus der Halle. Zwar wartet nur ein leeres Hotelzimmer auf mich, aber die Ruhe und Abgeschiedenheit ist genau das, was ich jetzt brauche. Ich beeile mich, drücke mich, sobald es die Höflichkeit erlaubt, an den Fans, Fotografen, Reportern und am Veranstaltungspersonal vorbei und eile in Richtung der Umkleideräume.

In den schlichten Umkleiden der Sporthalle ist es zum Glück menschenleer, direkt angenehm ruhig. Ich nehme lediglich meine Jacke aus dem Spind und werfe einen kurzen Blick auf mein Handy. Nur eine SMS ist angekommen – kein Kunststück, schließlich kennt einzig und allein eine Person meine Nummer. Carl Walsh, mein Manager. Glückwunsch!, schreibt er, mit ein paar Smileys dran. Er ist ein komischer Kauz, aber eigentlich ganz nett. Ich weiß, er würde mich gerne noch mehr unter seine Fittiche nehmen, aber ich habe seine Fürsorge so gut es geht abgeblockt. Ich brauche niemanden, der mir meinen Tagesablauf vorschreibt oder bestimmt, wann ich wie viel trainieren soll. Nur jemanden, der meine Termine organisiert, die Presse befriedigt und die finanziellen Dinge regelt. Und darin ist Carl echt gut. Cerberus, sein Arbeitgeber und mein Sponsor, der mir mein Turnier-Outfit und auch mein Equipment zur Verfügung stellt, ist eine der Top-Firmen in dieser Branche. Ich hatte Glück, dass sie im letzten Jahr ein neues Gesicht gesucht haben, nachdem der Altmeister Bill The Bullet Walter in die Jahre zu kommen scheint. Zwar ist Bill der mehrfache und amtierende Weltmeister, aber niemand weiß, wie lange er das hohe Level noch halten kann.

Schnell ziehe ich die Jacke über, nichts wie raus hier. Selbst auf dem schmalen Flur in Richtung Hinterausgang der Halle muss ich noch viele Hände schütteln, lächeln, Glückwünsche entgegen nehmen, ein paar Sprüche machen, noch mal lächeln. Echt anstrengend. Langsam aber sicher ermüdet mich das Drumherum mehr, als das eigentliche Match.

Ich trete aus der schweren Eisentür hinaus ins Freie und atme erleichtert durch. Die frische Luft strömt in meine Lungen, kalt, aber herrlich erfrischend. Da stört mich auch der Mief der nahegelegenen Müllcontainer nicht. Der Geruch ist noch immer vertraut, weckt Erinnerungen in mir. Es gab Zeiten, in denen ich solche Müllcontainer nach Brauchbarem abgesucht habe, in denen das Loch in meinem Magen mir deutlich zu verstehen gab, dass es zum Überleben etwas zum Essen braucht. Und dass kein Ekel der Welt es rechtfertigt, ein weggeworfenes Stück Brot zu ignorieren.

»Oh Gott, er ist es!«

»Wesley!«

»Ein Autogramm, bitteeeee!«

»Nein, ich zuerst!«

»Hier herüber, bitteeee!«

Oh nein, nicht schon wieder! Eine Gruppe Fans hat mir selbst hier aufgelauert. Okay, immer lächeln. Umso schneller bin ich sie wieder los. Der Gedanke an ein heißes Bad, mit dem ich den Schweiß der unzähligen Patschehände, die mich berühren, abwaschen kann, wird immer verlockender.

Solange ich nicht wieder irgendwelche Busen signieren muss – Himmel, weit gefehlt, mir bleibt auch heute nichts erspart. Zwei dralle Mädchen schmeißen sich an mich heran, kichern albern, bekommen vor lauter Aufregung kaum einen vernünftigen Satz heraus. Eine davon, eine Blondine, die nicht älter als 15 Jahre alt sein dürfte, reißt tatsächlich ihre Bluse auf und hält mir auffordernd einen Edding entgegen. Urrrgh. Womit habe ich das nur verdient? Grundgütiger, so viele Sünden habe ich doch gar nicht begangen, um das durchstehen zu müssen!

Trotzdem mache ich gute Miene zum leidigen Spiel und beeile mich, umso schneller habe ich es hinter mir. Die kleine Gruppe der kreischenden Mädchen fertige ich schnell ab, bevor ich vor dem Letzten in der Reihe, einem jungen Mann stehen bleibe.

»Gutes Spiel«, meint er zurückhaltend und ich mustere ihn überrascht. Mmh, vielleicht so um die Zwanzig, gepflegt, braune Haare, dunkle Augen – ein Allerweltstyp. Anscheinend schüchtern, denn er schiebt die Hände in die Hosentaschen und beäugt mich mit einem eher staunenden Gesichtsausdruck.

»Danke«, erwidere ich automatisch, immer noch das geschäftsmäßige Lächeln auf dem Gesicht. Wahrscheinlich ist es schon zu einer Fratze erstarrt, aber ich bin jetzt echt müde. »Kein Autogramm?«, frage ich verwundert, denn er steht noch immer da und glotzt mich an.

»Nein, was soll ich damit? Eine Unterschrift auf einem Stück Papier ist doch ohne jede Bedeutung.« Er wird rot, das kann ich selbst in dem schwachen Licht der Hinterhofbeleuchtung sehen. »Jedenfalls für mich«, fährt er hastig fort. »Ich wollte dich einfach mal sehen. Von Nahem.«

Ich lache befreit auf. Das ist mir auch noch nicht passiert. »Und? Habe ich deine Neugier befriedigt?«

Ein Lächeln huscht über sein Gesicht, lässt es plötzlich viel weicher und wesentlich attraktiver erscheinen. »Ja, ich denke schon. Oder auch nicht. Woher sprichst du so gut deutsch?«, fragt er jetzt erstaunt.

»Bin hier aufgewachsen. Deutsche Vorfahren«, wiegele ich schnell ab. Das Image muss schließlich gewahrt werden. »Wie heißt du?«, frage ich jetzt impulsiv.

»Björn.« Die Antwort kommt leise, er wirkt verblüfft.

»Spielst du auch Darts?« Der Typ macht mich neugierig und ich muss mir eingestehen, dass ich gerade dabei bin, mich von meinem gewohnten Verhaltensmuster zu verabschieden. Noch nie habe ich mich mit jemandem an der Hintertür unterhalten, der nicht mit einem Presseausweis und einem Kamerateam auf mich wartete.

Björn wirft einen unsicheren Blick zu den paar Fans, die uns umringen und unhöflicherweise unserem Gespräch lauschen.

Hey, das ist ein Privatgespräch, würde ich ihnen gerne zurufen und sie fortscheuchen – aber das geht nun mal nicht.

Außerdem ist das hier alles andere als privat. Das ist mein Job. Meine Arbeit. Und ich bin gut darin.

»Ab und zu«, weicht Björn mir aus und seine Gesichtsfarbe wird nochmals einen Ton dunkler. »Natürlich nicht so gut wie du. Der 180er gleich am Anfang war genial, damit hast du ihm den Zahn gezogen«, platzt es jetzt aus ihm heraus.

Ich muss kurz lächeln – dieses Mal ein echtes Lächeln, auch wenn keiner den Unterschied bemerken dürfte. Es ist selten, dass man in dieser Sportart mit Fans in Kontakt kommt, die nicht nur die Show und die Party genießen wollen, sondern wirklich und wahrhaftig wegen des Sports kommen. Aber was ich bei Björn heraushöre, ist die echte Leidenschaft für das Spiel.

»Kann sein«, merke ich an, »aber wichtiger war es, die ersten beiden Sätze zu gewinnen. Bernhard läuft nicht gerne einem Rückstand hinterher, dann wird er meistens unsicher und verkrampft.«

Björn nickt zustimmend. »Aber jetzt wartet der Schotte, McDermond, auf dich im Viertelfinale. Der ist schon eine ganz andere Hausnummer.«

»Mmh, mal sehen, jedes Spiel muss erst einmal gespielt werden«, gebe ich mechanisch zurück. Leere Phrasen, ich weiß. Das sind Sprüche, die ich mittlerweile schon automatisch bringe und fast tut es mir leid, Björn mit so etwas abzuspeisen. Kurzentschlossen ziehe ich eine Autogrammkarte aus der Jackentasche, lasse mir von den Mädchen noch mal einen Filzstift reichen und kritzele etwas auf die Rückseite. Nicht meine Handynummer, ich bin ja nicht wahnsinnig. Aber dafür …

Die Karte schiebe ich kurzerhand in Björns Hemdausschnitt, da er nach wie vor die Hände in den Hosentaschen vergräbt. »Macht’s gut, Leute«, verabschiede ich mich brav und eile auf die Straße hinaus, wo bereits ein Taxi auf mich wartet. Mit einem Schnaufer lasse ich mich auf den Rücksitz fallen, bestätige dem Fahrer, dass ich ins Hotel möchte, und lehne mich erschöpft zurück.

Was für ein Tag! Eigentlich ist er prima gelaufen, ich kann zufrieden sein. Und mal sehen, was der Abend noch bringt ...

***

Eine Stunde später entere ich, frisch gebadet und ein wenig erholt, die Hotelbar. Kurz lasse ich meinen Blick schweifen, aber ich erkenne kein bekanntes Gesicht weit und breit. Nun gut, es war ja auch nicht mehr als ein Wunschdenken.

Ich steuere den langen Tresen an, mal sehen, ob der süße Barkeeper von gestern Abend wieder Dienst hat. Nein, schade, eine junge Frau, adrett gekleidet in weißem Hemd, schwarzer Fliege und schwarzer Weste lächelt mir entgegen.

»Ein alkoholfreies Radler«, bestelle ich bei ihr und schwinge mich vorsichtig auf einen der Barhocker. Warum sind diese Dinger immer so hoch, dass man, als normal großer Mensch, immer total blöde aussieht, wenn man halb hinaufklettern muss?

Die Barfrau stellt nach nur wenigen Sekunden das Gewünschte vor mich. »Ich schreibe es auf Ihr Zimmer, Herr Shepherd«, meint sie freundlich. Uh, die kennt mich auch? Immer noch ungewohnt für mich. Aber ich glaube, einige andere Spieler des Turniers sind ebenfalls hier abgestiegen. Jetzt zwinkert sie mir verstohlen zu und schiebt mir eine kleine Schale mit Erdnüssen entgegen. Ich ignoriere beides geflissentlich. Irgendwo habe ich mal einen Bericht gelesen, wie viele Keime in diesen Schüsseln hausen, in die jeder seine ungewaschenen Finger reinsteckt. Das hätte ich noch vor gut zwei Jahren niemals getan – etwas zu essen abzulehnen. Jetzt aber muss ich verdammt genau auf meine Gesundheit achten. Kein Alkohol, keine Zigaretten, nicht einmal ein paar Erdnüsse, die einen Durchfall auslösen könnten – das wäre echt fatal.

Jede kleinste Störung, jedes Ungleichgewicht meiner Physis, kann zwischen Sieg oder Niederlage im nächsten Match entscheiden. Das habe ich von meinem Trainer und Mentor Vincent Jansen eingebläut und mit auf den Weg bekommen, der mir über ein Jahr lang nicht nur die Feinheiten dieser Sportart gezeigt, sondern auch gutes Benehmen und hochgestochene Ausdrucksweisen beibrachte. Jede Kleinigkeit hat er an mir korrigiert, bis mir die gesellschaftliche Etikette in Fleisch und Blut übergegangen ist und man mir kaum noch anmerken dürfte, wo ich herkomme.

Und meine Libido? Die Frage drängt sich mir plötzlich auf. Nun ja, ein wenig Matratzensport wäre nicht schlecht, ist auch keinesfalls verboten. Druck ablassen, meine ich. Nur nichts, was ans Herz geht. Das würde wahrscheinlich zu sehr ablenken. Ich weiß noch, wie Shawn Fisher, Mr. Nice, vor ein paar Monaten gegen mich verloren hat, weil seine Frau kurz vor der Entbindung stand. Der Typ war total nervös und so angespannt wie ein Flitzebogen. Nein, das geht gar nicht.

Ich nehme einen tiefen Schluck von meinem kühlen Bier. Oh, das tut gut. Isotonisch, erfrischend, genau richtig.

»Du trinkst? Alkohol?«, ertönt eine warme Stimme hinter mir und ich drehe mich erfreut um. Björn schiebt sich auf den freien Barhocker zu meiner Seite.

»Hey, du hast mein Gekritzel tatsächlich lesen können!«, begrüße ich ihn freudestrahlend. Er schielt schüchtern zu mir hinüber. Ja, das ist wieder ein echtes Lächeln auf meinem Gesicht, nicht diese für die Allgemeinheit reservierte Maske. Seine Wangen sind noch immer rot angelaufen, kleine Schweißperlen stehen auf seiner Stirn. Ich lache still in mich hinein. Ich habe ihm auf die Autogrammkarte lediglich geschrieben: Hotelbar – 23 Uhr. Das war ein bisschen fies, ich weiß. Dazu musste er erst einmal herausfinden, in welchem Hotel ich abgestiegen bin, was nicht gerade über das Internet verbreitet wird.

»Du hast mich also gefunden«, stelle ich fest, da er nichts erwidert. Nun ja, ein wenig Einsatz und echten Willen, sich privat mit mir zu treffen, musste ich schon einfordern.

»War nicht einfach«, gibt er zu. »Ich habe zuerst gegoogelt, da kam aber nichts dabei heraus. Dann habe ich die Firma deines Sponsors angerufen, aber da war niemand mehr erreichbar. Anschließend habe ich mindestens zehn Spieler fragen müssen, ob sie wissen, in welchem Hotel du bist. Ben Snyder hat mir dann den Tipp gegeben, es hier im Prinz von Oranien zu versuchen.«

Okay, das nenne ich echten Einsatz. Test bestanden. Und jetzt erklärt mir dies auch sein erhitztes Gesicht. Wahrscheinlich hat er sich echt beeilen müssen, um noch rechtzeitig hierher zu kommen. Irgendwie habe ich an Björn noch keine andere Gesichtsfarbe sehen können als diese Röte. Echt schnuckelig. Bilder steigen in mir hoch, die jetzt absolut unangemessen sind – Bilder, wie er mit halbgeschlossenen Augen unter mir liegt, stöhnt und sich windet, sein Gesicht ebenfalls gerötet und verschwitzt … oh nein, schnell weg damit.

»Was trinkst du? Bier?«, wiederholt er jetzt seine erste Frage.

»Das ist ein alkoholfreies«, versichere ich ihm.

Er bestellt bei der Barkeeperin einen Gin Tonic und ich wundere mich kurz, dass sie ihn nicht nach dem Ausweis fragt. Zwar dürfte er ein wenig älter sein als ich, aber er macht einen jüngeren Eindruck. Vielleicht bin ich aber auch schon zu abgebrüht.

»Wie alt bist du?«, entfährt es mir unbedacht.

»Zwanzig. Ich darf also schon Autofahren und in der Öffentlichkeit trinken, falls du das meinst«, erwidert er, unerwartet forsch. Anscheinend ist er es wirklich gewohnt, überall seinen Ausweis vorzeigen zu müssen.

»Und ins Pornokino gehen, hast du vergessen«, füge ich spontan an. Uh, Wesley, heute fällst du aber echt mit der Tür ins Haus. Das ist eigentlich nicht meine Art. Aber irgendetwas an Björn reizt mich, ihn aus der Reserve zu locken. Habe ich es schon so nötig? Oder springt nur mein Gay-Radar an, weil ich zu spüren glaube, dass er echtes Interesse an mir hat? Keine Ahnung. Jedenfalls ist seine Reaktion auf meinen blöden Spruch kein erneutes Rotwerden, sondern ein belustigtes Grinsen und ein leichtes Funkeln in seinen braunen Augen.

Er lässt sich Zeit mit einer Antwort, nippt an seinem Drink und starrt auf das mahagonifarbene, blankpolierte Holz des Tresens, sodass ich schon fast glaube, ich hätte mich in ihm geirrt. Er ist wohl doch nicht schwul. Schade. Aber als Homo einen geeigneten Partner für eine Nacht zu finden, ist nun einmal schwieriger, als es allgemein angenommen wird.

»In dieser Stadt gibt es nur ein Pornokino – und das willst du bestimmt nicht sehen«, antwortet er jetzt, mit reichlich Verzögerung.

»Warum nicht?«, frage ich lauernd. Hey, kann es sein – dass er mich falsch einschätzt?

»Weil da nur abgewrackte, alte Männer hingehen, um sich einen zu wichsen«, murmelt er mit angemessen gedämpfter Stimme.

Ich lache leise auf, augenblicklich bin ich im Player-Modus. Das Spiel fängt an, mir Spaß zu machen. Nur mit Halbwahrheiten um sich werfen, nur nicht richtig etwas zugeben.

»Also warst du schon einmal dort, sonst würdest du das nicht wissen«, bohre ich süffisant lächelnd weiter nach.

Er nickt stumm, wirft mir aber einen raschen Seitenblick zu und grinst leicht.

»Und – war es so schlimm … wegen der Männer? Oder nur wegen ihres Alters?«, kann ich es mir nicht verkneifen. Mensch, Junge, gib mir doch mal einen Hinweis!

Plötzlich richtet Björn sich auf, drückt den Rücken durch und strafft die Schultern. Sofort sehe ich an seinen Augen, dass er sauer ist, dafür hätte er jetzt nicht sein Glas mit einem Knall auf dem Tresen abstellen müssen.

»Okay, ja, erwischt. Ich bin schwul. Na und? Muss ich jetzt gehen und mir einen anderen Tisch suchen, oder was?«, fährt er mich leise an und ich kann nur erstaunt meinen Mund öffnen. Holla, so viel Temperament habe ich ihm gar nicht zugetraut! Langsam sickern auch seine Worte bei mir durch und ich muss mich zurückhalten, nicht laut zu jubeln. Er ist tatsächlich schwul! Na, ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn.

Björn macht gerade Anstalten, Hals über Kopf zu flüchten, daher lege ich ihm beruhigend meine Hand auf den Arm. Ich schlucke und wähle meine nächsten Worte mit Bedacht.

»Du willst abhauen? Und damit dein Date sitzenlassen?«, frage ich behutsam nach. Ich kann unter meiner Handfläche fühlen, wie er erstarrt.

»Mein … Date?«, wiederholt er ungläubig.

»Dein Date«, bekräftige ich nochmals und meine Fingerspitzen graben sich in seinen Unterarm. Hm, ein ziemlich muskulöser Unterarm. Warm. Harte, sehnige Muskeln. Kann aber auch daran liegen, dass er gerade jeden Einzelnen davon fluchtbereit anzuspannen scheint.

»Dass du schwul bist, steht aber gar nicht auf deiner Homepage«, meint er ironisch – und wir lachen beide laut los.

Ich spüre unter meiner Hand, die nach wie vor auf seinem Arm ruht, wie er wieder lockerer wird. Seine Augen senken sich, sein Blick fällt eher nachdenklich zu der Stelle, an der ich ihn berühre. Ganz langsam nehme ich die Hand weg, bevor es peinlich wird, und umschließe stattdessen mein Glas. Sonst denkt er vielleicht noch, ich will … ihn angrapschen? Verdammt, ja, eigentlich möchte ich das tatsächlich. Ihn fühlen, ihn erkunden, jeden Zentimeter seines Körpers kennenlernen. Scheiße, ich hab es echt nötig, muss ich mir eingestehen. Allerdings nicht nur Sex, sondern eher die Wärme und die Nähe eines Menschen. Eine Sehnsucht macht sich in mir breit, die ich jetzt nicht näher beleuchten will. Hastig trinke ich mein Glas in einem Zug aus und schiebe es der Barfrau auffordernd hinüber.

»Noch eins«, füge ich laut hinzu. Auch Björn trinkt aus und erhält einen neuen Gin Tonic.

»Was machst du so – beruflich meine ich«, frage ich. Nicht nur, um das Gespräch wieder in Gang zu bekommen, sondern weil ich es wirklich wissen möchte.

»Ich studiere Pharmazie im dritten Semester«, erklärt er und linst erneut neugierig zu mir hinüber. Vielleicht will er herausfinden, ob ich seinen Studiengang dämlich finde und ihn auslache. Nein, das tue ich natürlich nicht. Warum auch? Er scheint ein helles Köpfchen zu sein und irgendwie kann ich ihn mir als Apotheker, in einem weißen Kittel, sogar sehr gut vorstellen – warum auch immer. Aber bevor ich meine Meinung über sein Studium kundtun kann, fährt er bereits fort: »Verrätst du mir auch etwas über dich, was nicht auf deiner Webseite steht?«

Ich zucke verhalten mit den Schultern. »Da gibt es nicht viel zu erzählen«, weiche ich aus.

»Komm schon – du bist vor etwas über einem Jahr urplötzlich auf der Bildfläche erschienen, davor kannte dich kein Mensch. Und niemand weiß, woher du überhaupt kommst.«

Zwar kann ich das echte Interesse in Björns Stimme hören, trotzdem fahren bei mir sofort alle Mauern hoch. Ich glaube nicht, dass es Sensationslust ist, die seine Neugier antreibt. Dennoch halte ich meine Herkunft gewohnheitsmäßig geheim.

»Ich komme aus einer ganz gewöhnlichen Vorstadt«, gebe ich vage, aber halbwegs wahrheitsgemäß zu. »Bevor ich angefangen habe, professionell zu spielen, war ich in der Schule. Nichts Ungewöhnliches, deshalb wird es wohl kaum erwähnt.« Ich schaffe es nicht, die Schärfe aus meiner Stimme zu nehmen. Wieder lastet die Vergangenheit auf mir, ein schwarzer Fleck auf meiner Seele, ein Schatten in meinen Erinnerungen, den ich lieber tief in mir vergraben will. Das mit der Schule ist glatt gelogen – ich habe seit meinem 14. Lebensjahr keine mehr von innen gesehen. Vor gut einem Jahr habe ich es irgendwie geschafft, mich selbst neu zu erfinden – da kann und will ich nichts von dieser Vergangenheit preisgeben. Gegenüber niemandem, da kann Björn mir noch so sympathisch sein.

Björns Augenbrauen ziehen sich auch sofort irritiert zusammen, anscheinend hat er feine Antennen und spürt meinen Unmut.

»Hey, du musst mir nichts erzählen, wenn du es nicht willst«, murmelt er leise. »Nur ich dachte – wir lernen uns vielleicht ein wenig kennen?«

»Du meinst, bevor wir hier verschwinden und in der Kiste landen?« Meine Stimme trieft geradezu vor ätzendem Zynismus. »Brauchst du das? Musst du von jedem Kerl den Lebenslauf haben, bevor du mit ihm …« Ich breche mitten im Satz ab. Scheiße, ich verderbe es mir gerade, diesen Typen in mein Bett zerren zu können, aber ich kann meinen unterdrückten Zorn kaum noch beherrschen. Er ist nicht der Erste, der mich mit Fragen zu meinem Lebenslauf löchert, aber ihm nehme ich es wesentlich mehr übel als irgendwelchen Reportern. Mann, warum wollen mich alle Leute an meiner Vergangenheit messen? Warum meinen manche, sie könnten mich einschätzen, wenn sie wissen, was ich vorher getan oder erlebt habe?

Es überrascht mich wirklich, dass Björn angesichts meiner schlagartig miesen Laune ruhig sitzen bleibt. Eher nachdenklich unterzieht er mich einer Musterung, die mich nun dazu bringt, den Blick von ihm abzuwenden und frustriert in mein Bierglas zu starren. Mein schlechtes Gewissen meldet sich, denn eigentlich war Björn bisher total nett – und ich pampe ihn sofort an und haue so einen blöden Spruch raus. Mist, manchmal ist mein Mundwerk schneller als mein Verstand.

»Entschuldige«, bringe ich reumütig über die Lippen.

»Bist du immer so direkt?«, fragt Björn nun und zieht seine Geldbörse aus der Gesäßtasche seiner Jeans.

»Ja«, murmele ich enttäuscht, denn er fischt einen Geldschein heraus, wirft ihn der Bardame mit einem Kopfnicken auf den Tresen und steht auf. Verdammt, das habe ich echt vermasselt. Björn will gehen und mir bleibt nichts als ein kaltes, einsames Hotelzimmer. Ich lasse meinen Kopf sinken und fahre müde durch mein Gesicht. Verfluchte Scheiße.

»Na dann – sollte ich wohl auch Klartext reden«, raunt seine warme Stimme unerwartet dicht an meinem Ohr.

Uh, Björn steht direkt hinter mir. Ich kann ein Zusammenzucken zwar verhindern, spanne mich aber sofort an. »Schieb deinen Prachtkörper vom Hocker runter und komm, ich will nicht länger warten«, fügt er heiser an.

Mein Kopf fliegt automatisch zu ihm herum und ich schaue in seine braunen, funkelnden Augen. Anscheinend steht mir die Überraschung ins Gesicht geschrieben, denn er lächelt etwas nervös. Seine Hand legt sich warm auf meinen Oberschenkel.

»Oder hast du es dir anders überlegt?«, flüstert er und ich kann die wieder aufkeimende Unsicherheit in seinem Gesicht erkennen.

»Nein«, erwidere ich schnell und Björn weicht hastig einen Schritt zurück, denn ich springe eilig von dem Hocker hinunter, umklammere seine Hand und ziehe ihn einfach hinter mir her – bevor er es sich anders überlegt.

***

Bereits im Fahrstuhl kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Grob packe ich Björn an seinen Jackenaufschlägen und küsse ihn gierig, sobald sich die Fahrstuhltüren hinter uns schließen. Ich bekomme es kaum mit, dass der Lift sanft losfährt, um uns in den 7. Stock zu bringen. Die ersten Küsse sind noch verdammt ungelenk, ungezielt und ich brauchte ein paar Sekunden, um mich auf Björn einzustellen. Dann aber – oh Gott. Himmlisch. Er erwidert meine Küsse mit der gleichen Intensität, die mir fast den Atem raubt. Sein Geschmack, sein Duft – ich nehme alles wie ein Ertrinkender in mich auf, presse mich fest an ihn, genieße seine lebendige Wärme an meinem Körper. Seine Hände ruhen in meinen Seiten, ziehen mich noch dichter an ihn heran.

Keine Ahnung, wie wir es mit unseren vor Lust vernebelten Sinnen bis zu meiner Zimmertür schaffen. Ich muss wohl die Tür mit der Schlüsselkarte entriegelt haben, denn jetzt stolpern wir mehr oder weniger in den Raum hinein, noch immer aneinander geklammert, noch immer in einem tiefen Kuss versunken. Keiner von uns beiden will einen Zentimeter Abstand zwischen uns zulassen, gemeinsam taumeln wir zu dem großen Bett hinüber. Ich keuche angestrengt, denn unsere wilden Küsse lassen mir kaum Zeit und Raum, um Atem zu holen. Mit einer gekonnten Drehung schaffe ich es, Björn in die richtige Position zu bekommen, bevor wir beide in die weichen Kissen des Bettes fallen. Er liegt nun unter mir, ich knie über ihm – genau so, wie ich es haben will. Mein Jeanshemd hat Druckknöpfe und er reißt sie mit einem Ruck auf. Ich nehme mir kurz die Zeit, es von meinen Schultern zu streifen, bevor ich mich daran mache, ihn aus seinem störenden Hemd heraus zu schälen.

Björn stöhnt leise, als meine Hände zum ersten Mal über seine nackte Brust gleiten. Nur verschwommen nehme ich die ersten Eindrücke in mich auf – zarte Haut, feste Muskeln, eine Spur feiner dunkler Haare, die sich bis zu seinem Bauchnabel und darüber hinaus nach unten zieht … dann nimmt sein Gesicht meine ganze Aufmerksamkeit in Beschlag und ich betrachte ihn einige Sekunden lang. Wieder sind seine Wangen leicht gerötet, seine Augen glänzen, kleine Schweißperlen zieren seine Stirn. Fuck, genau so habe ich es mir vorgestellt. Nur ist die Wirklichkeit viel aufregender, denn zusätzlich spüre ich seinen bebenden Körper unter mir, höre das lustvolle Stöhnen, das tief aus seiner Kehle kommt … purer Wahnsinn. Der Typ ist reinster Zucker.

Ich bin mir gar nicht darüber bewusst, zu lächeln, bis ich meine Lippen erneut auf seinen Mund presse, um ihn zu küssen. Scheiße, allein von diesen Küssen könnte ich kommen, in meiner Jeans ist es verdammt eng geworden. Hastig fummelt Björn jetzt an dem Verschluss meines Gürtels herum. Oh ja, gute Idee. Eilig erledige ich den Rest für ihn, ziehe mich kurz zurück, um meine Hose bis zu den Kniekehlen hinunter zu schieben. Bevor ich wieder auf ihn sinke, streife ich meine Schuhe ab und schlängele mich aus der Jeans heraus. Björn hat dies alles wie gebannt und mit weit aufgerissenen Augen verfolgt, seine Brust hebt und senkt sich unter seinen hektischen Atemzügen. Ich fackele nicht lange und öffne, allerdings sehr behutsam, auch die Knöpfe seiner Jeans. Kurz blicke ich ihm in die Augen, kann aber keine Unsicherheit oder Zweifel darin entdecken. Entschlossen zerre ich ihm daher die Hose herunter und er hebt die Hüfte leicht an, um mir zu helfen.

Oh ja, er ist bereits genauso geil wie ich. Sein Ständer reckt sich seinem Bauchnabel entgegen und ich kann sehen, dass er schon einige Lusttropfen absondert. Im Gleichklang stöhnen wir auf, als ich meinen Schwanz neben seinem positioniere und mich leicht an ihm reibe. Zarte Schauer rinnen mir über den Rücken, alles in mir drängt nach einer schnellen Erlösung, während ich versuche, mich zurückzuhalten. Scheiße, ich will das auskosten, aber die Spannung ist eigentlich zu groß. Trotz meiner Gier schaffe ich es, Björn noch einmal zu küssen, bevor ich ihn bestimmend auf den Bauch drehe und mich mit Händen und Mund seinem süßen Hintern widme.

Und verdammt – der Hintern ist wirklich total geil. Knackig, fest, rund, genau so, wie ich es mag. Nur am Rande nehme ich wahr, dass Björn seine Beine auseinandernimmt, um mir besseren Zugang zu gewähren. Oh ja. Ich habe es instinktiv gespürt, dass er ein Bottom ist, dass er gefickt werden möchte. Vielleicht hat seine vorherige Schüchternheit etwas damit zu tun, dass ich das gleich vermutet habe. Wie auch immer – ich habe geahnt, dass es bei uns beiden passt. Mit einer Hand knete ich weiter seine festen Arschbacken, hauche Küsse darauf, während ich mit der anderen Hand zur Nachttischschublade lange. Die Kondome und eine Tube Gleitgel habe ich wohlweislich dort deponiert – man weiß ja nie, was kommt. Björns Atem geht nur noch stoßweise und er dreht ein wenig den Kopf, als er das Klicken des Verschlusses hört.

»Mach … langsam«, stößt er hervor und ich nicke lediglich, obwohl er das gar nicht sehen kann. Tatsächlich spannt er sich an, als ich das kühle Gel in seiner Spalte verteile und ich nehme mir die Zeit, die es braucht, um ihn vorzubereiten. Behutsam dringe ich mit einem Finger in ihn ein, spüre den kurzen Widerstand, bevor der Muskel sich lockert und ich ihn hineinschieben kann. Gleichzeitig nutze ich dies, um selbst etwas zu entspannen, um von diesem Flash wieder ein bisschen runter zu kommen.

Verdammt, es macht mich so heiß, seinen willigen Arsch vor mir zu haben, aber ich möchte nicht bereits nach wenigen Stößen kommen. Nein, ich will meinen pochenden Schwanz so lange wie möglich und so oft es geht in ihm versenken, bis Björn vor lauter Lust zerfließt. Allerdings bezweifle ich gerade stark, dass ich es lange aushalte. Dafür ist Björn einfach zu sexy, wie er sich gerade wimmernd meiner Hand entgegen drängt und wortlos nach mehr zu betteln scheint.

Die heiße Enge um meinen Finger wird tatsächlich etwas weicher und ich schiebe beherzt einen zweiten Finger hinterher. Björn stöhnt auf, seine Hände graben sich angespannt in das Bettzeug. Jetzt halte ich es einfach nicht länger aus, lege mich über ihn und fahre mit meinem Harten an seiner Spalte entlang. Schnell fummele ich das Kondom aus der Verpackung und streife es mit geübten Fingern über. Gleichzeitig küsse ich seine Schulter, lecke über die salzige Haut und sauge mich daran fest – fuck, ich könnte ihn auffressen, so gut schmeckt er. Herb, männlich, anregend.

Ein schwacher Duft seines Aftershaves steigt in meine Nase, kitzelt meine Sinne. Hart dränge ich mich an ihn, drücke meine Hüften unnachgiebig nach vorne, bis ich merke, wie mich die sanfte Hitze fest zu umschließen beginnt. Björn erstickt einen schmerzvoll klingenden Schrei in den Kissen und ich halte sofort inne, warte eine Zeit lang ab. Dann erst kämpfe ich mich Zentimeter um Zentimeter voran, bis schließlich meine Hoden an seinem Hintern anliegen. Verflucht ist das eng! Schweißperlen tropfen von meiner Stirn auf Björn hinab und ich atme flach, wage es nicht, mich zu bewegen. Ich spüre, es fehlt nicht mehr viel und ich verliere die Kontrolle, kann es kaum noch zurückhalten. Da tut es auch meiner Selbstbeherrschung nicht gerade gut, dass sich Björn laut stöhnend an mich drückt, mir entgegen kommt und heiser meinen Namen ruft.

»Wesley … Wes … bitte … mach endlich!«

Ein dunkler Schrei entwischt meinen Lippen, als ich seinem Drängen nachgebe und mich behutsam zu bewegen beginne. Tief tauche ich erneut in ihn ein, fühle seine Reaktion, sein Beben, sein Erschauern, als ich offenbar den einen Punkt treffe, der ihn zittern lässt. Immer wieder und wieder stoße ich auf diese eine Stelle in seinem Inneren, wohl wissend, wie elektrisierend das für ihn ist. Wie tiefgehend die Erregung angefacht wird, wenn man es zulässt und sich ganz diesem Gefühl hingibt.

Und Björn gibt sich mir hin, das spüre ich mit jeder Faser meines Körpers, mit allen Sinnen. Er lässt los, lässt sich ganz fallen, unterwirft sich meiner Führung und meinen sinnlichen Attacken auf seinen Körper. Das Vertrauen, mit dem er sich in meine Hände begibt, sich völlig ausliefert, berührt mich immens. Sein Stöhnen wird ekstatischer, passt sich ganz dem Rhythmus meiner Stöße an. Dann geht ein Aufbäumen durch seinen Körper, er spannt sich an, gleichzeitig umschließt sein Arsch meinen Schwanz noch fester. Schockartige Wellen laufen durch Björn hindurch, die mich tief in ihn hinein ziehen und sein Stöhnen gipfelt in einen hellen Schrei.

Sofort spüre ich, wie sich das Prickeln entlang meiner Wirbelsäule ausbreitet, sich die Lust in meinen Lenden sammelt. Jetzt gebe auch ich nach, versinke ganz in ihm, stoße fest zu und werde immer schneller, bis ich mich mit einem lustvollen Stöhnen entlade.

Der Orgasmus raubt mir die Kraft in meinen Armen und ich sinke keuchend auf Björns Rücken hinab. Er bebt noch immer unter mir und ich genieße die letzten Zuckungen, die durch seinen Körper gehen. Ich schnaufe, wie nach einem kilometerlangen Sprint, und es dauert lange, bis ich wieder Herr über meine Arme und Beine bin. Vorsichtig rolle ich mich von ihm herunter und ziehe mich aus seinem heißen Leib zurück. Björn hat das Gesicht in den Kissen vergraben und ich lehne meine Stirn an seine Schulter, suche noch immer seine Nähe.

Verdammt, ich bin nie so ein Kuscheltyp gewesen, aber jetzt möchte ich einfach einen Moment lang diese Ruhe und Wärme genießen, die Björn ausstrahlt. Wie von selbst schiebt sich mein Bein über seine und ich lege einen Arm über seinen erhitzten Rücken. Mein Atem beruhigt sich langsam, müde schließe ich die Augen. Den Punkt, an dem ich in den Schlaf hinüber gleite, nehme ich nicht einmal bewusst wahr.

***

Mitten in der Nacht wache ich auf. Im Zimmer ist es stockdunkel und ich brauche ein paar Atemzüge, um klar im Kopf zu werden und mich zu orientieren. Manchmal wache ich auf und weiß nicht einmal, in welcher Stadt ich gerade bin. Jetzt aber fällt es mir schlagartig ein, warum ich einen warmen Körper neben mir spüre.

Björn. Oh ja, das war total geil mit ihm. Bisher habe ich meine wenigen, nicht allzu häufig vorkommenden Bettgefährten sofort nach dem Sex aus dem Zimmer geschmissen, aber weder vorhin noch jetzt möchte ich, dass Björn geht. Wieder weiche ich von meinem gewohnten Verhaltensmuster ab. Warum auch immer.

Björn liegt neben mir, auf der Seite, den Rücken mir zugewandt. Ich kann nicht widerstehen und schmiege mich eng an ihn, taste nach seiner warmen, festen Haut, schlinge den Arm um ihn und streichele seine Brust. Oh Mann, sofort fängt sich bei mir an, etwas zu regen, sobald ich mich langsam und genussvoll an seinem warmen Körper reibe. Der Kerl ist einfach nur zuckersüß, eine richtige Droge für meine Libido. Mein Schwanz erwacht erneut zum Leben und ich kann ein tiefes Stöhnen nur schwer unterdrücken, als meine empfindliche Eichel zielgerichtet über die weiche Stelle an Björns Hintern fährt, wo sie sich vorhin noch in ihn versenkt hat. Ich spüre, dass es dort noch immer ein wenig feucht von dem Gleitgel ist, und erhöhe instinktiv den Druck, stupse behutsam in das weiche, anscheinend noch immer entspannte und gedehnte Loch hinein.

Allerdings spiele ich nur mit diesem geweiteten Eingang, dringe nicht richtig ein, denn ich habe gerade kein neues Kondom griffbereit. Ein leises Brummen aus Björns Brust und seine geänderte Atemfrequenz verraten mir, dass er aufwacht. Seine Hand tastet nach meiner, die träge seine Brust streichelt, und er verschränkt seine Finger in meine.

»So will ich immer geweckt werden«, flüstert er und stöhnt leise auf, als ich abermals den Druck an seinem Hintern spielerisch verstärke.

Ich spüre, wie er sein Bein ein wenig anwinkelt und mir entgegen kommt. Frustriert schnaufe ich auf, denn meine Eichel liegt genau in der richtigen Position. Gerade noch so kann ich mich zurückhalten, nicht zuzustoßen.

»Björn … nicht … ich habe gerade kein Gummi … drüber«, murmele ich heiser, bin aber unfähig, mich von dieser feuchten Wärme zurückzuziehen und mich auf die Suche nach dem Päckchen mit den Kondomen zu machen.

»Bist du … gesund?«, fragt Björn verhalten.

»Ja, natürlich, mein letzter Test war vor wenigen Monaten und seitdem habe ich nie ohne. Trotzdem sollten wir …«

Ich stöhne erneut auf, denn jetzt drängt er sich mit einem leichten Ruck an mich und meine Eichel erobert seine heiße Enge.

»Ich will dich richtig spüren«, flüstert Björn und schiebt sich nachdrücklich auf meinen pochenden Ständer. »Ich bin auch gesund, das kann ich dir versichern. Ich habe nämlich noch nie …«

Er lässt den Satz unvollendet, aber ich weiß genau, was er mir sagen will. Er hat noch nie mit jemandem geschlafen? Echt jetzt? Oh wow. Wie eine Jungfrau hat er sich eigentlich nicht verhalten. Trotzdem spüre ich, dass ich ihm vertrauen kann.

»Das hättest du mir sagen sollen«, raune ich ihm ins Ohr, »dann hätte ich … dann wäre ich …«

»Was? Vorsichtiger gewesen? Mann, ich bin nicht aus Glas – und es war total geil«, gibt er leise zurück. »Es war so, wie ich es mir schon immer gewünscht habe, wenn ich … hm … an mir herumgespielt habe.«

Mein Schwanz ruht in seiner heißen Enge und ist trotz seines unerwarteten Geständnisses kein bisschen erschlafft. Es ist ein wahnsinnig tolles Gefühl, ihn so pur zu spüren und zu wissen, dass mein Saft ungehindert in ihn hineinschießen wird, wenn ich komme.

Behutsam drücke ich ihn noch tiefer hinein, bewege mich nur minimal und taste mit meiner Hand nach seinem Schwanz. Oh ja, auch er ist steif. Übermütig beiße ich in Björns Nacken und beginne, ihn sanft zu reiben, während ich mich fast gänzlich aus ihm zurückziehe, um erneut und etwas fester zuzustoßen. Björn stöhnt sofort erregt auf, die doppelte Reizung scheint ihm zu gefallen. Seine Hand greift nach meinem Oberschenkel, der über ihm liegt, er packt fest zu und drückt mich in demselben Takt an sich, in dem ich in ihn stoße.

Dieses Mal kann ich mir wesentlich mehr Zeit lassen, da der erste Druck ja schon abgebaut ist. Wir bewegen uns genießerisch gegeneinander, in einem gemeinsamen, natürlichen, wie aufeinander abgestimmten Rhythmus. Bald schon merke ich, dass ich erneut an meine Grenze gelange, und ziehe mich hastig zurück, ich will es einfach noch ein wenig hinauszögern.