BURRUNJOR - DIE BESTIE AUS DEM OUTBACK - John J. Rust - E-Book

BURRUNJOR - DIE BESTIE AUS DEM OUTBACK E-Book

John J. Rust

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Beschreibung

Eine grausame Bestie streift durch das nördliche Australien. Seit Jahrhunderten macht sie Jagd auf jene, die ihren Pfad kreuzen. Die eingeborenen Jawoyn haben einen Namen für dieses prähistorische Grauen … BURRUNJOR! Die berühmten Kryptidenjäger Jack und Karen Rastun befinden sich in ihren Flitterwochen, als das Monster ihre Touristengruppe angreift. Abgeschnitten vom Rest der Welt fliehen sie tief in die Wälder, gejagt von dem Burrunjor. Dieses Mal stehen Jack und Karen weder ihre modernen Waffen und Ausrüstung noch ein Team aus erfahrenen Soldaten und Wissenschaftlern zur Seite, um sie zu unterstützen. Die beiden Abenteurer müssen sich allein auf ihren Scharfsinn und ihren Einfallsreichtum verlassen, um einen der tödlichsten Jäger der Geschichte zur Strecke zu bringen.

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BURRUNJOR

Die Bestie aus dem Outback

John Rust

This Translation is published by arrangement with SEVERED PRESS, www.severedpress.com Title: BURRUNJOR. All rights reserved. First Published by Severed Press, 2022. Severed Press Logo are trademarks or registered trademarks of Severed Press. All rights reserved.

 

Diese Geschichte ist frei erfunden. Sämtliche Namen, Charaktere, Firmen, Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder wurden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebend oder tot, Ereignissen oder Schauplätzen ist rein zufällig.

 

Impressum

Deutsche Erstausgabe Originaltitel: BURRUNJOR Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Marie Auer

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-869-0

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

Inhaltsverzeichnis

BURRUNJOR
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Über den Autor

Kapitel 1

Nordterritorium, Australien, 2. März, 1942

»Meine Güte, Trimble. Du siehst aus, als würdest du dir gleich in die Hose machen.« Corporal Barlow McGuire setzte ein schelmisches Grinsen auf.

Private Trimble zuckte zusammen und hielt mit seinem Ruder über dem Wasser inne. »Wa… äh, ähm, nein. Mir geht es gut.« Er warf einen Blick auf das Baumdickicht zu seiner Rechten.

»Kommen Sie, McGuire. Lassen Sie den armen Kerl in Ruhe«, sagte Private Hunt. »Er ist ein Stadtjunge. Wahrscheinlich hat er noch nie einen Baum gesehen, bevor er zur Armee ging.«

»Wahrscheinlich hat er auch noch nie eine Schlange gesehen.«

Private Craig lehnte sich näher an Trimble, ein verruchtes Lächeln umspielte seine Lippen. »Nimm dich am besten vor den Taipanen und den rotbäuchigen schwarzen Schlangen in Acht. Ein Biss von denen und du bist erledigt.«

Trimble schluckte und zitterte.

Craig und Hunt brüllten vor Lachen. Auch McGuire schüttelte den Kopf. Trimble musste während der Ausbildung ein paar Mal ins Feld gegangen sein. Er konnte sich doch nicht immer noch davor fürchten, dass er von Bäumen umgeben und kein einziges Gebäude in Sicht war.

McGuire ließ sein Ruder ins Wasser fallen, das Boot glitt den Fluss entlang. Er atmete tief ein, genoss die frische Luft und blickte dann zu Trimble.

Das hat man davon, wenn man in Sydney aufwächst, schätze ich. Wie viele Menschen lebten in dieser Stadt? Hunderttausende? Eine Million? Der Gedanke, unter so vielen Menschen zu sein, ließ ihn eine Grimasse schneiden. Er war in einer kleinen Stadt nicht weit von hier aufgewachsen. Wenige Menschen, ringsum Natur. So gefiel es ihm. Während Trimble als Kind wahrscheinlich auf einen Spielplatz mit Schaukeln und Wippen ging, waren die Wälder hier McGuires Spielplatz gewesen. Für ihn und seinen Bruder Eric … und seine Schwester Liddy. Nicht, dass es ihre Entscheidung gewesen wäre, sie mit einzubeziehen.

»Der Wald ist kein Ort für ein Mädchen«, hatten sie ihr immer wieder gesagt. Nicht, dass seine sture kleine Schwester jemals zugehört hätte.

McGuires Schultern sackten zusammen. Er drehte sich zu den Holzkisten im hinteren Teil des Bootes um. Was, wenn sie das Zeug tatsächlich brauchen würden? Konnten sie die Japsen aufhalten? Konnte er sie davon abhalten, Liddy etwas anzutun? Sein Magen zog sich zusammen, als er an einige der Horrorgeschichten dachte, die er aus China gehört hatte. Was sie den Frauen dort antaten.

Liddy war fünfzehn. Wenn die Japaner einmarschierten und auf sie stießen …

Er stach das Ruder ins Wasser. Das wird nicht passieren. Nicht, wenn ich ein Wörtchen mitzureden habe.

Sie ruderten noch ein paar Meilen, bevor sie ans Ufer fuhren. Die vier sprangen heraus und zogen das Boot auf den Sand.

»Okay, Jungs«, rief McGuire. »Jetzt kommt die wirklich harte Arbeit.«

Craig schaute finster drein und drehte sich zu den Kisten um. »Natürlich müssen wir das ausgerechnet dann machen, wenn es heißer ist als das Arschloch des Teufels.«

McGuire schnaubte. »Ja. Wie rücksichtslos von den Japanern, diesen Krieg jetzt zu führen und nicht im Winter.« Er klatschte in die Hände. »Kommt schon. Auf geht's. Je schneller wir das erledigen, desto schneller kommen wir aus dieser Hitze heraus.«

Er und Craig schnappten sich eine Kiste, Hunt und Trimble eine andere. Die vier wanderten in den Wald. Die Bäume boten etwas Schutz vor der Hitze, aber nicht viel. Und dann war da noch die Feuchtigkeit, die sich wie eine heiße, erstickende Decke über sie legte. Es dauerte nicht lange, bis ihre khakifarbenen Uniformen schweißgetränkt waren.

Sie waren eine Meile durch den Wald gewandert und hatten noch eine weitere Meile vor sich. »Wir werden uns doch nicht verlaufen, oder?« Trimble schaute von links nach rechts, das Gesicht starr vor Nervosität.

»Oh, hör auf, dich wie eine alte Frau zu sorgen«, schnauzte Hunt.

»Verdammt noch mal, Trimble, ich bin hier aufgewachsen«, sagte McGuire. »Ich kenne mich hier aus.«

»Na ja, vielleicht können wir mit einem Messer ein paar dieser Bäume markieren. Nur um sicherzugehen.«

»Ja«, spottete McGuire. »Das gibt den Japsen eine verdammte Spur, der sie folgen können, wenn sie hierher kommen.«

»Meinst du, sie werden es tun?«, fragte Craig.

»Ja. Ja, das tue ich«, antwortete er in einem flachen Ton.

Niemand sagte etwas. Sie schleppten einfach die Kisten durch den Wald. McGuire warf gelegentlich einen Blick auf die Männer und bemerkte ihre besorgten Mienen. Ein Teil von ihm bedauerte, so unverblümt gewesen zu sein. Aber was zum Teufel hätte er sagen sollen? Wie sollte er sich zuversichtlich geben, wenn um sie herum der Krieg tobte? Malaya, Singapur, Hongkong, Borneo und Rabaul waren alle gefallen. Er bezweifelte, dass die Yankees die Philippinen noch lange halten konnten.

Und dann war da noch Darwin. Erst vor wenigen Wochen hatten über zweihundert japanische Flugzeuge die Stadt bombardiert. Etwa drei Dutzend Schiffe waren gesunken oder beschädigt, mehr als zweihundert Menschen getötet worden.

Selbst in der drückenden Hitze fröstelte McGuire. Wie lange würde es noch dauern, bis japanische Soldaten Australiens Küsten stürmten?

Er betrachtete die Kiste, die er und Craig schleppten, und versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, dass er seinen Teil zur Verteidigung seines Landes beitrug. Würde diese kleine Mission etwas bringen, wenn das Schlimmste passierte?

»Endlich!« Vor ihnen tauchte die Höhle auf, und er atmete erleichtert aus. Als Kind war sie einer seiner Lieblingsplätze zum Spielen gewesen. Deshalb war es am naheliegendsten gewesen, ihn mit dieser Aufgabe zu betrauen.

Sie stellten die Kisten in eine Nische im hinteren Teil der Höhle, dann streckten sie ihre schmerzenden Glieder aus. McGuire trank einen Schluck aus seiner Feldflasche, ebenso wie die Privates.

»Damit wäre eine Tour geschafft.« Craig schüttete sich etwas Wasser ins Gesicht.

»Und wir haben noch ein paar vor uns«, fügte McGuire hinzu.

Er gab ihnen noch zehn Minuten, um sich auszuruhen und abzukühlen, bevor sie zum Boot zurückkehrten. Zwei weitere Kisten fanden ihren Weg in die Höhle, dann noch zwei, und noch zwei. McGuire nahm einen großen Schluck Wasser aus seiner Feldflasche und riss sich das durchnässte Hemd vom Leib. Es fühlte sich an, als wäre er gerade aus einem mit Schweiß gefüllten Swimmingpool gestiegen.

»Mission erledigt«, sagte Hunt. »Wie wär's, wenn wir was essen? Ich bin am Verhungern.«

McGuire betrachtete erst den Höhleneingang, dann seine Armbanduhr. Sie sollten es locker vor Anbruch der Dämmerung zurück ins Lager schaffen. Außerdem knurrte sein Magen wie verrückt.

Er öffnete seine Dose Corned Beef – hier nannten sie es auch Bully-Beef. Keineswegs eine Delikatesse, aber er war am Verhungern, also würde auch diese rötliche Fleischmasse reichen.

Trimble kaute langsam, lehnte sich an die Felswand und sah sich auf dem Boden der Höhle um.

»Was macht Ihnen denn jetzt Sorgen, Trimble?«, fragte Hunt.

Der junge Private riss den Kopf hoch. »Ich … ich wollte nur sichergehen, dass es hier keine Spinnen oder Schlangen gibt.«

»Ja, pass lieber auf«, erwiderte Craig spöttisch. »Eines dieser kleinen Biester könnte hier herumschleichen und nur auf die Gelegenheit warten, seine Zähne in dir zu versenken.«

Trimble wurde leichenblass. Ruckartig sah er zu McGuire. »Und wir sollen in dieser Höhle bleiben, wenn die Japsen einmarschieren?«

»Würdest du lieber auf einem Feld sitzen und darauf warten, dass sie dich in ein Kriegsgefangenenlager schleppen? Oder eher ein Bajonett in den Bauch gestochen bekommen?«

Trimble zuckte zusammen und zog die Schultern nach oben.

McGuire schnaubte. Gott steh mir bei, wenn ich mit diesem ängstlichen kleinen Scheißer gegen die Japsen kämpfen muss.

Die vier beendeten ihre Mahlzeit und machten sich dann wieder auf den Weg. McGuire warf einen letzten Blick auf die Höhle. Würden sie hier leben und von dort aus kämpfen müssen? Wenn ja, warum hatten die Oberen dann keine besseren Leute für die? Sicher, Craig und Hunt waren in Ordnung. Aber diesem Angsthasen Trimble würde er nicht mal zutrauen, eine Stange Zigaretten zu bewachen. Sicherlich hätten sie dafür Männer mit echter Kampferfahrung einsetzen können. Es sei denn, sie wollten alle guten Soldaten an der Front haben, um eine mögliche japanische Invasion abzuwehren.

Wenn das der Fall ist, heißt das, dass sie mich für einen schlechten Soldaten halten? Er erinnerte sich daran, dass seine Vorgesetzten ihn für diese Aufgabe ausgewählt hatten, weil er das Terrain kannte, da er in dieser Gegend aufgewachsen war.

McGuire blickte zu den Bäumen um ihn herum auf, als sie sich dem Flussufer näherten. Es dauerte nicht lange, bis sie den Schatten des Dschungeldachs verließen und die pralle Sonne auf sie niederbrannte.

Er trat zwischen den Bäumen hervor und ließ seinen Blick auf das nahe gelegene Boot fallen. Zeit, zum Lager zurückzukehren. Aber sie würden morgen und übermorgen hierher zurückkommen, um weitere Vorräte in ihrem Versteck zu deponieren.

Das schöne Leben in der Armee.

Er ging auf das Boot zu.

Trimble schrie.

»Mein Gott«, stammelte Hunt.

McGuire wirbelte herum. Und erstarrte vor Schreck und Entsetzen.

Es war riesig. Die Klauen, die Zähne. So scharf. So etwas sollte nicht existieren. Das sollte es nicht!

Die Bestie stürzte nach vorn.

»Lauft!«, schrie McGuire. Gefolgt von Craig und Hunt sprintete er zum Boot.

Trimble stand einfach nur da. »Trimble! Beweg dich, du Idiot!«

Der junge Private blieb zitternd wie angewurzelt stehen.

McGuire biss sich auf die Lippe. Er wollte einfach nur von hier verschwinden. Aber Trimble stand unter seiner Obhut, er hatte die Verantwortung für ihn. Er konnte ihn nicht zurücklassen.

McGuire ging einen Schritt auf ihn zu.

Das Monster schlug mit seiner krallenbesetzten Hand zu. Eine rote Fontäne schoss aus Trimbles Körper. Sein Oberkörper lehnte sich auf unnatürliche Weise zurück und war kaum noch mit dem Rest seines Körpers verbunden. Eine Sekunde später fiel der verstümmelte Soldat zu Boden.

Hunt keuchte.

»Los!«, brüllte McGuire. »Wir müssen hier weg!«

Sie rannten los. Und das Monster setzte ihnen nach.

»Mich bekommst du nicht so einfach.« Craig nahm das Gewehr von seiner Schulter und drehte sich um.

»Verdammt, Mann! Lauf weiter!«, rief McGuire, während er weiterlief.

Craig hob sein Lee-Enfield MkIII. Die Waffe knallte. Ob das Geschoss die angreifende Bestie traf, konnte McGuire nicht sagen. Es zischte scharf, wurde jedoch nicht langsamer.

»Craig! Lauf!«

Der Private zog den Bolzen zurück, zielte …

Das Ungeheuer schloss seine Kiefer um Craig. Es riss den Kopf nach rechts und schleuderte ihn in Richtung des Ufers, wobei Teile seiner Eingeweide durch die Luft flogen.

McGuires verschwitzte Haut wurde eiskalt. Ohne stehenzubleiben, konzentrierte er sich einzig und allein auf das Boot. Er musste dorthin gelangen, weg von diesem Ding.

Er und Hunt erreichten das Boot und schoben es an. Das Holzboot glitt langsam über den nassen Sand.

»Komm schon!« McGuire stieß fester zu.

Etwas blitzte zu seiner Rechten auf. Warme Flüssigkeit spritzte gegen ihn. Blut bedeckte eine Seite seiner Uniform und ihm blieb der Mund offen stehen. Hunt lag mit dem Gesicht nach unten und zerfetztem Rücken im Wasser. McGuire schnürte es die Kehle zu. Er konnte deutlich die rot überzogene Wirbelsäule des Private sehen.

Ein Schatten ragte über ihm auf. McGuire konnte nicht einmal schreien, als ihn die Dunkelheit ihn. Etwas Scharfes bohrte sich in seine Körpermitte.

Artikel aus Darwin Daily Times, 11. März, 1942

Die Armee beendet die Suche nach vermissten Soldaten ohne Erfolg

 

Armeebeamte im Nordterritorium gaben bekannt, dass sie die Suche nach vier Soldaten, die vor mehr als einer Woche als vermisst gemeldet wurden, eingestellt haben. Etwa 70 Militärangehörige, Polizisten und Freiwillige durchkämmten mehrere Tage lang die Wälder südlich von Darwin, fanden aber keine Spur der vermissten Männer.

Lieutenant Oscar Adair von der Öffentlichkeitsabteilung der Army erklärte, die vier Soldaten seien zum Fischen rausgefahren, aber am nächsten Tag nicht zu ihrer Basis zurückgekehrt. Es handelt sich um Corporal Barlow McGuire, 21, aus Katherine, Private Adam Hunt, 19, aus Port Hedland, Private Edward Craig, 18, aus Townsville und Private Evan Trimble, 18, aus Sydney.

»Unsere Gebete gelten den Familien dieser vier guten Männer«, sagte Lieutenant Adair. »Wir bedauern, dass wir sie trotz unserer besten Bemühungen nicht ausfindig machen konnten.«

Lieutenant Adair vermutet, dass die Soldaten Krokodilen zum Opfer gefallen sein könnten, oder ihr Boot gekentert ist. Er fügte hinzu, dass die Suche durch zwei Tage andauernde Gewitter behindert wurde, die möglicherweise jedes Anzeichen für den Verbleib der vier weggespült haben.

 

Kapitel 2

Nitmiluk National Park, Nordterritorium, Australien

Gegenwart

»Entschuldigen Sie. Können wir ein Foto mit Ihnen machen?«

Jack Rastun drehte sich zu der jungen, gutaussehenden Koreanerin um, die zu ihm aufblickte. Neben ihr stand ein schlanker Mann mit kantigem Gesicht. Vermutlich ihr Freund oder Ehemann.

»Natürlich«, antwortete Karen Rastun lächelnd für ihn.

Er blickte zu ihr hinüber, dann wieder zu der Koreanerin. »Sicher«, stimmte er schulterzuckend zu. Er konnte nicht glauben, dass er immer noch von völlig Fremden um Fotos oder Autogramme gebeten wurde. Aber die Frau befolgte die einzige Regel, die ihn dazu veranlasste, ihrer Bitte nachzukommen. Sie hatte höflich gefragt.

»Vielen Dank.« Die Frau sah zu dem großen, vornehmen, grauhaarigen Mann neben ihnen und fragte ihn, ob er sie fotografieren würde.

»Mit Vergnügen«, antwortete er mit einem knappen britischen Akzent und nahm ihr Handy entgegen.

Rastun und Karen legten die Arme umeinander und das koreanische Paar stellte sich rechtes neben sie.

»Schön lächeln alle miteinander … perfekt.« Der Brite machte zwei Fotos und gab der Frau anschließend das Handy zurück.

»Danke.« Sie strahlte den älteren Herrn an und wandte sich dann an die Rastuns. »Ihnen auch danke.«

Auch ihr Lebensgefährte nickte und bedankte sich, dann gingen die beiden zum Flussufer und unterhielten sich dabei in ihrer Muttersprache.

»Damit muss mal als Berühmtheit wohl rechnen«, kommentierte der Brite.

»Heh! Ich dachte, meine fünfzehn Minuten Ruhm wären schon vor ein paar Jahren vorbei gewesen«, spottete Rastun.

»Das ist ziemlich schwierig, wenn die Medien bei jeder unserer Expeditionen dabei sind und hoffen, dass wir von Monstern angegriffen werden«, bemerkte Karen.

»Nun, wenn eine große Schlange aus diesem Fluss auftaucht«, sagte der Brite und deutete mit dem Kopf in Richtung Wasser, »weiß ich, an wen ich mich halte.«

»Oh, nein, nein, nein.« Karen hob die Hände. »Wir sind in den Flitterwochen. Um die Kryptiden hier kann sich jemand anderes kümmern.«

»Ganz genau«, fügte Rastun hinzu. In Australien gab es durchaus einige mysteriöse Kreaturen. Wie in so ziemlich jedem Land. Aber im Moment waren ihm sowohl die riesige prähistorische Eidechse, bekannt als Teufelsdrache, als auch der Yowie, die australische Version von Bigfoot, vollkommen egal. Er wollte einfach nur mit Karen die wunderschöne Natur genießen.

Und heute Abend das wunderschöne Bett.

»Oh.« Der Brite streckte seine Hand aus. »Sean Everett, und das ist meine Frau Trudie.« Er warf einen Blick auf die schlanke, grauhaarige Frau neben ihm.

Sie schüttelten sich die Hände. »Zum ersten Mal in Australien?«, fragte Trudie.

»Nein.« Karen schüttelte den Kopf. »Ich war während meiner Selbstständigkeit ein paar Mal für Fotoaufträge hier. Letztes Jahr waren wir auch ein paar Tage in Darwin.«

»Natürlich war das beruflich bedingt«, fügte Rastun hinzu. »Wir mussten Ropen-Eier aus Indonesien rausschmuggeln, bevor das Militär sie in die Luft jagt.«

»Ah ja, ich erinnere mich. Es war in den Nachrichten.« Sean grinste ihn leicht an und sah zu dem koreanischen Paar. »Und Sie wundern sich, warum Sie immer noch berühmt sind.«

»Was ist mit Ihnen?« Karen nickte dem anderen Paar zu. »Sind Sie zum ersten Mal hier?«

»Sean nicht.« Trudie tätschelte den Arm ihres Mannes. »Er ist oft für British Airways hierhergeflogen.«

»Aber wie bei Ihnen war es rein beruflich«, erklärte Sean. »Ich hatte nie die Gelegenheit, mir viele Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Da wir nun im Ruhestand sind, habe ich zu Trudie gesagt, dass wir uns mal ansehen sollten, was es in diesem Land außer Hotelzimmern noch zu entdecken gibt.«

»Wie lange sind Sie geflogen?«, fragte Rastun.

»Fünfundzwanzig Jahre bei British Airways. Davor war ich Harrier-Pilot bei der Royal Navy Fleet Air Arm.«

»Oh Mann. Noch ein Militär-Typ.« Karen rieb Rastuns Arm. »Sieht aus, als würdet ihr beide gut miteinander auskommen.«

Rastun lachte leise. Wenn Fliegerjungs als Militärs zählen. Er behielt den Scherz für sich. Karen hätte ihn wahrscheinlich nicht gutgeheißen, da sie sich mit Scherzen zwischen den verschiedenen Einheiten nicht auskannte. Aber das galt für die US-Streitkräfte. Er war sich nicht sicher, wie die Briten das handhabten. Außerdem hatte er Sean gerade erst kennengelernt und er schien ein cooler Typ zu sein. Warum sollte er riskieren, es sich gleich mit ihm zu verscherzen?

In Wirklichkeit hatte er nichts als Respekt vor den Piloten, selbst wenn sie nicht zur Armee gehörten. Die Luftunterstützung hatte ihm und seinen Männern im Irak und in Afghanistan mehrmals den Arsch gerettet.

Die beiden tauschten Kriegsgeschichten aus, während ihre Ehefrauen plauderten. Rastun war beeindruckt von Seans Erfolgen. Der Mann war im Falklandkrieg von der HMS Invincible aus geflogen, wo er zwei argentinische Kampfflugzeuge abgeschossen und zwei weitere Flugzeuge ausgeschaltet hatte. Rastun wollte gerade fragen, wie ein plumpes Flugzeug wie der Harrier die Überschalljets hatte übertreffen können, als ein stämmiger Aborigine in hellbraunem Hemd und Shorts auf den Steg zuging.

»Okay, Leute. Gleich geht's los«, sagte Grant, ihr Reiseleiter, der sie in einem Unimog hergefahren hatte. So tief im Wald und aufgrund der strengen Naturschutzauflagen durften keine befestigten Straßen und Parkplätze gebaut werden.

»Ich möchte Sie nochmals im Nitmiluk National Park willkommen heißen und Ihnen dafür danken, dass Sie sich heute für Gorge River Tours entschieden haben«, fuhr er fort.

Grant erzählte von einigen der Sehenswürdigkeiten, die sie besichtigen würden, und dass sie auf einer Farm flussaufwärts zu Mittag aßen, bevor sie hierher zurückkehrten. Rastun entdeckte ein Paar Anfang vierzig und ein junges Mädchen mit kurzen dunklen Haaren, den Blick fest auf ihr Handy gerichtet.

»Schatz, du solltest aufpassen«, mahnte die Frau – vermutlich die Mutter – das Mädchen.

»Mm.« Sie blickte kurz auf, ehe sie wieder auf ihr Handy sah. Die Mutter runzelte die Stirn, sagte aber nichts weiter.

So viel zum Thema Machtwort sprechen. Niemals wäre seine Stieftochter Emily mit so einem Verhalten durchgekommen. Er hätte ihr das Handy direkt aus der Hand gerissen, wenn Karen ihm nicht zuvorkam.

Nach seinem Vortrag führte Grant sie zu einem überdachten Boot mit flachem Boden, das am Steg festgemacht war. Jeder zog sich eine orangefarbene Schwimmweste an, wobei das Teenagermädchen genervt aufstöhnte. Wahrscheinlich ärgerte sie sich darüber, dass sie sich fünf Sekunden von ihrem Handy trennen musste.

Rastun und Karen nahmen auf einer der Sitzbänke in der Mitte des Bootes Platz, Everett und seine Frau neben ihnen. Das junge koreanische Paar setzte sich nach vorne, das Ehepaar mittleren Alters und seine Tochter dahinter. Im hinteren Teil des Bootes saßen zwei korpulente Menschen in den Fünfzigern, ein Mann mit einem dicken Schnurrbart und einer Brille und eine ernste, matronenhaft wirkende Frau. Sie rümpfte die Nase, zeigte auf die Bank und sagte etwas. Es war kein Englisch. Rastun tippte auf Portugiesisch.

Der Mann nickte, nahm ein Taschentuch heraus und wischte die Bank ab. Die Frau, wahrscheinlich seine Ehefrau, setzte sich ohne ein Dankeschön oder ein Lächeln.

Sie hat ihn gut trainiert.

Nachdem er die Leine gelöst hatte, stieg Grant in das Boot und sah sich die Reisegruppe an. »Okay, Leute, sind alle bereit? Wer freut sich auf die Schönheit des Nordterritoriums?«

»Hurra!« Karen reckte die Faust in die Luft. Niemand sonst reagierte.

Grant schüttelte den Kopf. »Oh nein. So wird das nichts. Neuer Versuch: Wer freut sich auf die Schönheit des Nordterritoriums?« Er bewegte die Hände auf und ab und versuchte, die Gruppe zu motivieren.

»Ja!«, rief Rastun.

Auch die meisten anderen stimmten mit »Ja« ein, einige begeisterter als andere.

Das schien Grant zufriedenzustellen. Er startete den Motor, übernahm das Steuer und fuhr mit ihnen auf den Fluss hinaus.

»An eine Sache möchte ich Sie noch erinnern«, sagte Grant über die Schulter. »Behalten Sie Ihre Arme und Füße immer im Boot. In diesen Gewässern gibt es Krokodile. Die meisten sind Süßwasserkrokodile und greifen nur selten Menschen an, aber manchmal verirren sich auch Salzwasserkrokodile in diese Gegend.«

Rastun hörte hektisches Geplapper auf Portugiesisch aus dem hinteren Teil des Bootes. Die matronenhafte Frau sagte in einer Mischung aus Wut und Sorge etwas zu ihrem Mann. Er zuckte mit den Schultern, schüttelte den Kopf und erwiderte eine Entschuldigung.

Die Mutter des Teenagers – ebenfalls eine Amerikanerin – blickte mit einer Grimasse auf das Wasser, dann rutschte sie ein paar Zentimeter zur Seite. Ihre Tochter starrte nur auf ihr Handy. Die Koreaner lehnten sich derweil gegen das Seitenheck, offenbar in der Hoffnung, ein Krokodil zu sehen.

Und nach etwa einer Meile bekamen am Flussufer zwei zu Gesicht. Rastun schätzte sie auf nicht länger als zwei Meter. Die kleinen Kiefer verrieten, dass es sich um Süßwasserkrokodile handelte, Winzlinge im Vergleich zu den größeren und aggressiveren Salzwassertieren.

Karen, typisch Tierfotografin, schoss in Windeseile Fotos. Auch Trudie machte ein paar Bilder, während die Koreanerin sie mit ihrem Handy aufnahm.

»Hannah, sieh dir die Krokodile an.« Der amerikanische Vater zeigte auf sie.

»Mm-hmm.« Seine Tochter löste sich keine Sekunde von ihrem Handy.

Die Portugiesin riss die Augen auf und lehnte sich übertrieben zurück, als würden die Krokodile über das Wasser springen und auf ihrem Kopf landen.

»Diese Süßwasserkrokodile werden normalerweise etwa zwei Meter groß, können aber auch bis zu drei Meter lang werden«, erklärte Grant. »Wir haben hier in der Gegend sogar schon welche mit vier Metern gemessen. Ein Großteil ihrer Nahrung besteht aus Insekten und Fischen, aber sie fressen auch Schlangen, Schildkröten und Vögel. Einige der größeren Exemplare können sogar ein Wallaby erlegen.«

Rastun nickte, denn das war nichts Neues für ihn. Seine Eltern arbeiteten seit seiner Grundschulzeit im Zoo von Philadelphia, und leiteten ihn, seit er auf der Highschool gewesen war. Er hatte einen Haufen über die Tierwelt gelernt.

Das Boot schlängelte sich den Fluss hinunter. Grant erläuterte die Geschichte des Parks und des Jawoyn-Volkes, das als Wächter fungierte, und erklärte, dass der Name Nitmiluk übersetzt »Ort der träumenden Zikaden« bedeutet. Dann kam die erste Schlucht in Sicht und alle reckten die Hälse.

»Wow«, staunte Karen, bevor sie mehrere Fotos von der dunkelroten Felswand entlang des Flusses schoss.

»Ziemlich spektakulär«, stimmte Sean zu, während seine Frau Fotos machte.

»Das ist wunderschön«, sagte Hannahs Mutter. »Schatz, schau mal.«

Das Mädchen blickte auf. »Aha.« Sie wandte sich wieder ihrem Handy zu, das ein paar schnelle Pieptöne von sich gab.

Rastun schüttelte den Kopf. All diese großartigen Landschaften und dieses Mädchen konnte ihr Handy nicht einmal für eine Minute weglegen, um sie zu genießen. So weit im Park bezweifelte er, dass sie überhaupt ein Signal hatte. Wahrscheinlich spielte sie ein Spiel, etwas, das sie jederzeit tun konnte.

Und die Eltern? Warum ließen sie ihr das durchgehen? Sprachen sie nicht gern ein Machtwort, oder war es ihnen einfach egal? Er hatte auf keinen Fall die Absicht, diese Art von Eltern zu sein.

Weitere herrliche Landschaften zogen an ihnen vorbei. Hohe, farbenfrohe Felsen, üppige Wälder. Verschiedene Vögel flogen umher, vom schwarzen Rotschwanzkakadu bis hin zu roten Papageien. Ein paar Mal schwebten Fischadler über ihnen. Am Ufer lagen weitere Krokodile, jedoch immer nur Süßwasserkrokodile, keine großen bösen Salzwasserbewohner. Karen knipste ein Foto nach dem anderen.

Erneut ertönten scharfe Worte auf Portugiesisch hinter ihnen. Die Frau deutete auf die Krokodile und funkelte ihren Mann dabei finster an. Er zuckte mit den Schultern und erwiderte etwas in einem entschuldigenden Ton. Die Frau schnaubte, nahm ihren Hut ab und fächelte sich Luft zu. Sie schnauzte ihren Mann an, der schnell eine Wasserflasche aus seiner Gürteltasche zog und sie ihr reichte. Sie nahm ein paar Schlucke und gab sie ihm wortlos zurück.

»Sie scheint eine nette Person zu sein.« Sean nickte in Richtung der Portugiesin. »Sieht aus, als wären sie seit zwanzig Jahren verheiratet – und fünf davon glücklich.«

»Sean, benimm dich jetzt.« Trudie klopfte ihrem Mann sanft auf die Schulter und lächelte dabei.

»Komm schon, Liebling. Ich zeige mich immer von meiner besten Seite.«

Trudie legte den Kopf schief und hob eine Augenbraue.

»Na gut, meistens.«

Der zweifelnde Ausdruck auf ihrem Gesicht blieb.

»Glauben Sie mir, ich weiß, was Sie ertragen müssen«, sagte Karen zu der Britin. »Jack kann nicht länger als fünf Minuten ohne irgendeine sarkastische Bemerkung auskommen.«

Rastun drehte sich zu ihr um und schnappte übertrieben nach Luft. »Was? Ich, sarkastisch? Niemals. Außerdem würde ich das, was Mister Everett hier gesagt hat, nicht als sarkastisch bezeichnen. Es war lediglich eine scharfsinnige Beobachtung.«

Karen sah zu dem portugiesischen Paar zurück. »Ich weiß nicht. Wenn ich dich dazu bringen kann, mir so zu gehorchen, werde ich sicher eine glückliche Ehe führen.«

Rastun zog die Brauen zusammen und stach Karen mit einem Finger in die Seite. Sie zuckte heftig zusammen und lachte schrill.

»Und du wirfst mir vor, ich wäre sarkastisch«, sagte er.

Karen grinste und schmiegte sich an ihn, wobei sie ihren Kopf auf seine Schulter legte.

Rastun legte einen Arm um sie, während das Boot den Fluss hinunterfuhr.

Sie näherten sich einer Kurve und Grant sah über die Schulter zu ihnen. »Okay, Leute, es ist fast Mittagspause. Ich hoffe, ihr seid alle hungrig, denn die Shearers tischen immer ordentlich auf.«

Rastun hoffte jedenfalls sehr darauf. In seinem Magen herrschte eine ziemliche Leere.

Das Boot fuhr um die Kurve. Geradeaus entdeckte er ein einstöckiges braunes Haus. Auf der linken Seite umgab ein Holzzaun einen Tierstall. Zu klein für Rinder. Wahrscheinlich für Schafe oder Ziegen. Nicht, dass er welche gesehen hätte. Sie könnten in dem überdachten Unterstand sein, der in der hinteren Ecke aufgebaut war.

Grant lenkte das Boot an den Steg, sprang heraus und band das Seil um einen Pfosten.

»Eddie. Taleena. Harry«, rief er und machte sich auf den Weg zum Steg. »Ich habe hier ein paar hungrige Touristen.«

Es vergingen mehrere Sekunden. Keiner antwortete.

»Leute. Wo seid ihr …« Grants Stimme verstummte. Er wurde langsamer und starrte auf den Zaun.

Mit gerunzelter Stirn rutschte Rastun an den Rand seines Sitzes und beobachtete ihren Reiseleiter. Karen bewegte sich ebenfalls nach vorne und lehnte sich dann weit nach rechts.

»Jack.« Sie zerrte an seinem Ärmel.

Er folgte ihrem Blick und sofort spannten sich seine Muskeln an. Ein Teil des Zauns war zusammengebrochen.

Nein, er war nicht zusammengebrochen, wie es bei schlampiger Arbeit oder Vernachlässigung der Fall sein könnte. Der Zaun sah … zertrümmert aus. Als hätte ihn jemand absichtlich zerstört. Das würde auch das Fehlen der Tiere erklären.

»Stimmt etwas nicht?«, fragte Sean.

»Sieht aus, als hätte jemand oder etwas einen Teil des Zauns zerstört«, antwortete Rastun.

»Was?« Trudie verzog verwundert das Gesicht. »Wer würde so etwas tun?«

»Keine Ahnung.« Rastun schüttelte den Kopf.

Grant ging langsam auf den Zaun zu. Er rief wieder nach den Farmern, doch wie schon vorhin antwortete ihm niemand.

Nach zwei weiteren Schritten blieb er wie angewurzelt stehen. Grant senkte den Kopf und konzentrierte sich auf etwas auf dem Boden.

»Was hat er denn?«, fragte Hannahs Vater.

Das koreanische Paar starrte einander mit neugierigen Blicken an und sagte etwas in ihrer Sprache.

»Hier stimmt etwas nicht«, bemerkte Karen.

Rastun nickte, stand auf und ging zum Steg. Karen folgte ihm. Ebenso wie Sean.

»Was glaubst du, wo du hingehst?« In Trudies Stimme lag ein Hauch von Sorge.

»Ganz ruhig, meine Liebe. Ich gehe nur kurz rüber und finde heraus, was unseren Reiseleiter so beunruhigt hat.«

Rastun blickte zurück zu dem Briten. Am liebsten hätte er ihm gesagt, er solle im Boot bleiben, aber der Mann war Kampfpilot gewesen und hatte die Falklandinseln überflogen. Mr. Everett konnte sicher Ruhe bewahren.

Das Trio betrat den Steg. Der Rest der Gruppe blieb im Boot. Rastun ging voran, Grant fest im Blick. Der starrte weiterhin auf den Boden. Rastun runzelte die Stirn. Zitterte der Kerl etwa?

»Grant? Was ist los?«, fragte Karen.

Er drehte sich zu ihnen um. Im Weiß seiner Augen schimmerte Angst. Sein Mund bewegte sich einige Augenblicke lang lautlos, bevor die Worte herauskamen. »Ihr … ihr solltet zurück zum Boot gehen.«

»Ach, Unsinn«, antwortete Sean. »Wir sind doch keine hilflosen Kleinkinder. Was hat Sie denn so aus der Fassung gebracht?«

Grant schluckte, drehte sich um und starrte wieder auf den Boden. Rastun, Karen und Sean traten zu ihm hinüber.

»Großer Gott.« Sean stand der Mund offen. »Ist das … das kann doch nicht sein.«

Rastun holte bedächtig Luft. »Oh, doch, Mister Everett. Das ist es ganz sicher.«

Er betrachtete auf den großen, mit Krallen versetzten Fußabdruck.

Kapitel 3

»Wie kann etwas so groß werden?«

Rastun sah zu Sean hinüber, der mit verschränkten Armen auf den Fußabdruck starrte. »Ganz sicher kein Krokodil«, antwortete er.

Karen holte ihre Kamera hervor und schoss ein paar Fotos. »Jack, könntest du deinen Fuß daneben stellen?«

Rastun folgte ihrer Bitte und sie fotografierte weiter.

»Wofür ist das?«, fragte Sean.

»Um etwas auf dem Foto zu haben, das den Maßstab zeigt«, erklärte sie ihm.

»Aha.« Er sah Rastun an. »Welche Schuhgröße haben Sie?«

»Vierundvierzig.«

Sean richtete seinen Blick wieder auf den Fußabdruck. »Der ist viel größer als eine vierundvierzig.«

Der Ex-Harrier-Pilot hatte recht. Der Abdruck war mehr als sechzig Zentimeter lang.

»Es ist echt«, stammelte Grant. »Ich dachte immer …«

Rastun drehte sich zu ihm um. »Was dachten Sie?«

Grant hob den Kopf. »Einige der alten Leute hier sprechen darüber.

Sie behaupten sogar, es gesehen zu haben. Ich dachte immer, es sei ein Mythos, aber …«

Jemand schrie.

Alle drehten sich um. Hannah spähte über die Ecke des Zauns, dann wirbelte sie herum und bedeckte ihr Gesicht.

»Was? Was ist da?« Ihre Mutter schaute über den Zaun. Die anderen aus der Reisegruppe gingen zu ihr hinüber.

Die Mutter schrie auf, drehte sich weg, und legte zitternd die Hände vor den Mund.

Rastun griff nach einem der Holzbretter, lehnte sich vor und starrte in die Ecke. Karen gesellte sich zu ihm.

»Oh Gott«, murmelte sie.

Ein Klumpen weißen Fells lag am Zaunpfosten. Weißes Fell mit roten Flecken.

Rastun kletterte hastig über den Zaun. Karen folgte ihm. Sean bahnte sich zusammen mit Grant einen Weg durch die Öffnung.

Mit zusammengebissenen Zähnen näherte sich Rastun dem Klumpen. Es war ein Schafskopf.

»Hier sind noch mehr Abdrücke.« Karen zeigte auf die Vertiefungen auf dem Boden. »Sieht aus, als hätte es das arme Ding in der Ecke gedrängt und …« Sie atmete langsam aus und fotografierte dann die Szene.

»Was könnte dafür verantwortlich sein?« Trudies Stimme überschlug sich vor Verzweiflung.

Neben ihr wurde Hannah von ihrer verängstigten Mutter in die Arme genommen.

»Etwas ziemlich Großes, wie es scheint«, antwortete Sean.

Rastun sah Grant an. »Du hast davon gesprochen, dass du das für einen Mythos hältst. Was hast du damit gemeint?«

Der Reiseleiter biss sich auf die Lippe, bevor er sprach. »Der Burrunjor.«

»Der was?« Sean verzog das Gesicht.

»Den Namen habe ich schon mal gehört«, sagte Rastun. »An der FUBI gibt es jede Woche einen Kryptiden-Erkennungskurs. Doc Ehrenberg hat vor einer Weile über dieses Tier berichtet. Es ist ein Dinosaurier, der angeblich in Nordaustralien lebt.«

»Und anscheinend keiner von der pflanzenfressenden Sorte.« Sean betrachtete den abgetrennten Schafskopf.

»Definitiv nicht. Ich denke da an einen Tyrannosaurus oder einen Allosaurus.«

»Eddie und Taleena.« Grant drehte sich um und starrte zurück auf das Farmhaus. »Ihr Sohn. Wir müssen sie finden.«

Er rannte in Richtung Haus.

»Alle bleiben hier«, befahl Rastun, bevor er Grant nacheilte.

Karen und Sean folgten.

Grant rief die Namen der Farmer. Er erhielt keine Antwort. Rastun glaubte, dass es dafür nur zwei Gründe gab. Die Familie hatte sich aus dem Staub gemacht, als Burrunjor aufgetaucht war, oder …

Grant sprang auf die Veranda und riss die Tür auf. »Eddie! Tal…«

Er blieb wie angewurzelt stehen.

Rastun verzog das Gesicht und wappnete sich für das, was er vermutete. Er sprang über die zwei Stufen, die auf die Veranda führten, blieb hinter Grant stehen und blickte über dessen Schulter. Sein Körper versteifte sich. Genau, wie er befürchtet hatte.