ECHSEN GREIFEN AN - John J. Rust - E-Book

ECHSEN GREIFEN AN E-Book

John J. Rust

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Beschreibung

Der "Echsenmensch" aus South Carolina wurde bislang als regionale Legende angesehen, und als willkommene Möglichkeit, Touristen in das ländliche Lee County zu locken. Bis jemand das Monster aufspürt und erschießt. Jack Rastun, Karen Thatcher und ihr Team der Foundation for Undocumented Biological Investigation werden herbeigerufen, um die Leiche des Echsenmenschen abzuholen. Doch als sie in der Stadt eintreffen, finden sie den Mann, der die Bestie erschoss, zerfetzt vor, und die Kreatur selbst ist verschwunden. Und das ist nur der Anfang. Weitere Echsenmenschen tauchen aus den Sümpfen auf und machen Jagd auf die Stadtbewohner. Rastun, Thatcher und der Rest des FUBI sind gezwungen, einen verzweifelten Kampf zu wagen, um die blutigen Attacken zu beenden. Doch die tödlichen Reptilien sind nicht die einzige Bedrohung. Ein ehemaliger Marine ist davon überzeugt, dass die Echsenmenschen Teil einer weltweiten Verschwörung sind und hegt einen verwegenen Plan, der Wesen Herr zu werden … ein Plan, der sich für das gesamte Land als verheerend erweisen könnte …

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Echsen greifen an

John J. Rust

This Translation is published by arrangement with SEVERED PRESS, www.severedpress.com Title: REPTILIAN. All rights reserved. First Published by Severed Press, 2017. Severed Press Logo are trademarks or registered trademarks of Severed Press. All rights reserved.

Impressum

Deutsche Erstausgabe Originaltitel: REPTILIAN Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Marie Auer

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-863-8

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Echsen greifen an
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Über den Autor

Kapitel 1

»Verdammt, Ozzie! Halt endlich die Klappe!«

Das Bellen draußen verstummte.

Etwa fünf Sekunden lang.

»Scheiße.« Phil Welsh hievte seinen pummeligen Körper von dem abgewetzten Sofa. Er stapfte aus dem Wohnzimmer und durch die Küche zur Hintertür. Ozzie bellte weiter.

Er stieß die Tür auf. »Halt die Klappe!«

Der schwarz-weiße Border Collie sah Welsh an und wandte sich dann wieder dem hohen Gras zu, welches das Grundstück säumte. Der Hund knurrte.

»Was zum Teufel ist denn jetzt los?«

Ozzie hielt seinen Blick auf das Gras gerichtet. Er knurrte erneut.

Welsh suchte das hohe Gras ab und schüttelte den Kopf. Es war zu dunkel, um etwas zu sehen. Vielleicht war da draußen ein Fuchs oder Kojote.

»Geh ins Haus.«

Ozzie drehte sich wieder zu ihm um, dann zurück zum Gras.

»Komm rein.«

Mit einem kurzen, fast frustrierten »Wuff« trabte Ozzie die Hintertreppe hinauf und hinein.

»Blöder Hund.« Welsh schüttelte den Kopf. Dies war die dritte Nacht in Folge, in der Ozzie wild gebellt hatte. Er fragte sich, ob da draußen wirklich etwas war.

Nun, ich werde ganz sicher nicht im Dunkeln danach suchen.

Er ließ sich auf dem Sofa nieder, der Fernseher war auf das Spiel Braves/Brewers eingestellt. Welsh nippte an seinem Bier und runzelte die Stirn, als er sah, wie der Schlagmann von Atlanta ausholte und nicht traf.

Gomez geht schwingend zu Boden, Strike drei, sagte der Sprecher. Seine Flaute hält an. Oh-for-two heute Abend und einer für seine letzten sechzehn At-Bats.

Welsh beobachtete, wie Gomez kopfschüttelnd und ohne zu lächeln zum Dugout zurückkehrte.

»Ach, armer Kerl.« Er würde trotzdem sein Millionengehalt kassieren und später in seiner großen Villa schlafen.

Und das alles nur, weil wir ein verdammtes Spiel ansehen.

In der Zwischenzeit schuftete Welsh bei jedem Gelegenheitsjob, um die Rechnungen zu bezahlen und sein Haus zu behalten. Das schien von Tag zu Tag unwahrscheinlicher. Er war mit seinen Hypothekenzahlungen weit im Rückstand. Die verdammte Bank bombardierte ihn mit Anrufen und Briefen und drohte mit Zwangsvollstreckung.

Welsh schaute kopfschüttelnd an die Decke. Amy hatte sich immer gut um die Finanzen gekümmert. Nach ihrem Tod vor zwei Jahren war alles den Bach runtergegangen. Die Abschleppfirma, für die er gearbeitet hatte, schloss. In diesem Teil von South Carolina waren Jobs rar. Er konnte nicht einmal genug Geld zusammenkratzen, um seine beiden Töchter durch das College zu bringen. Chloe und Vanessa hatten beide ihr Zuhause verlassen und waren nach Charleston gegangen, um eine feste Arbeit zu finden, was ihnen auch gelang. Obwohl Vanessa als Stripperin arbeitete.

Der Gedanke daran brachte Welsh dazu, zu brüllen und seine Flasche zu werfen.

Welcher Vater ließ seine Tochter Stripperin werden?

Einer, der erbärmlich war.

Welsh sank tiefer ins Sofa. Dem Spiel schenkte er kaum noch Aufmerksamkeit.

Ozzie sprang auf und knurrte.

»Fang gar nicht erst an …«

Der Hund bellte und rannte zur Hintertür.

»Um Himmels willen, was ist dein Problem?« Welsh stemmte sich ächzend hoch.

Ozzie bellte weiter und kratzte an der Tür.

»Halt endlich die Klappe.«

Doch der Hund gehorchte nicht.

Welsh starrte für einen Augenblick kopfschüttelnd an die Decke. Dann stapfte er zum Schrank und holte seine Weatherby PA-08 Schrotflinte. Vielleicht war es ein Kojote. Vor etwa einem Monat hatte er einen durch seinen Vorgarten schleichen sehen. Die verdammten Viecher waren überall. Er erinnerte sich daran, dass die Regierung des Bundesstaates Kopfgeld für die Tötung von Kojoten ausgesetzt hatte, um die Population unter Kontrolle zu halten. Tausend Mäuse. Vielleicht sollte er es versuchen. Er könnte das Geld gut gebrauchen.

»Weg da«, brummte Welsh und stieß die Tür auf. Er suchte den Hinterhof ab, und das hohe Gras, das ihn begrenzte. Er sah nichts, hörte nichts.

Ozzie hechtete die Stufen hinunter und ins Gras.

»Ozzie!« Welsh rannte die Stufen hinunter. »Ozzie! Komm her!« Etwas brüllte aus dem Gras.

Welsh erstarrte, seine Brust zog sich zusammen. So ein Geräusch hatte er noch nie gehört, fast wie ein langer Rülpser in einer Mülltonne. Er konnte sich nicht vorstellen, was für ein Tier so ein Geräusch machen könnte, aber was auch immer es war, es klang groß.

Wirklich groß.

Ozzie bellte. Ein Teil des Grases wackelte hin und her.

Welsh schluckte. Angst keimte in ihm auf. »O-Ozzie?« Er konnte die Worte kaum herausbringen.

Das Bellen ging weiter, wurde drängender und bedrohlicher.

Ein anderes Geräusch legte sich darüber. Ein scharfes, hochfrequentes Zischen, das in ein brodelndes Knurren überging.

Ozzie kläffte und heulte.

Welshs Muskeln verkrampften sich vor Schreck. Mehr Gras zuckte hin und her. Es folgten weitere Kläffer und Zischlaute.

Dann hörte er nichts mehr.

»Ozzie?«, flüsterte er. Sein Herz pochte. Schweiß durchtränkte seine Sachen.

Das Ding knurrte wieder. Gras beugte sich. Welshs Gehirn schrie, er solle weglaufen, doch die Angst ließ ihn wie angewurzelt stehen bleiben.

Etwas brach aus dem hohen Gras hervor. Welshs Augen wurden groß.

Das Ding musste über zwei Meter groß sein, war kräftig gebaut, mit einer stumpfen Schnauze.

Die Augen leuchteten blutrot und waren auf ihn gerichtet.

Das Ding knurrte, dann griff es an.

Kapitel 2

Pinehurst, North Carolina. Jack Rastun hatte bis vor ein paar Monaten noch nie von diesem Ort gehört. Er hatte auch nicht damit gerechnet, in dieser kleinen Stadt Urlaub zu machen.

Es war weniger ein Urlaub als ein Wochenendausflug. In Pinehurst fand alljährlich ein Marathon auf dem exklusiven Forest Creek Golf Course statt, und irgendwo zwischen den sanften Grüns und den vielen Bäumen befand sich seine Freundin Karen Thatcher mit einigen hundert anderen Läufern. Es würde ihr letzter vollständiger Marathon in diesem Jahr sein, denn sie wollte im April nächsten Jahres zum ersten Mal am Boston-Marathon teilnehmen.

Jack nahm einen weiteren Schluck Wasser aus seiner Flasche und wischte sich den Schweiß von der Stirn. An diesem Teil der Strecke standen oder saßen Zuschauer in Liegestühlen, einige fächelten sich Luft zu. Es war noch nicht einmal Mittag und die Temperatur betrug gefühlt 40 Grad. Und natürlich durfte man die für den Süden typische erstickende Luftfeuchtigkeit nicht vergessen. Wie viele Läufe und Feldmanöver hatte er in Fort Bragg und Fort Benning bei solchem Wetter absolviert? Schweißgebadet, Wasser und Salztabletten schluckend.

»Hey, Jack. Ist das ein cooles Haus, oder was?«

Rastun drehte sich zu dem 11-jährigen Mädchen mit dem runden Gesicht und den dunkelbraunen Haaren um, das in dem Gartenstuhl neben ihm saß. Er folgte Emily Thatchers Blick zu einer der Villen, die den Golfplatz säumten. Das Gebäude hatte eine Backsteinfassade, große Fenster, schräge Dächer und Dachgauben.

»Ja, sieht wirklich ziemlich gut aus.«

»Meinst du, wir könnten eines Tages in so einem Haus wohnen?«

Er legte den Kopf schief und dachte nach. Mit dem Geld, das er und Karen mit ihren Buchverträgen für die Seeräuber-Expedition verdienten, konnten sie sich das sicher leisten.

»Wer weiß?«, antwortete er. »Vielleicht. Aber nicht an einem Golfplatz.«

Emily verzog das Gesicht. »Warum nicht?«

»Man muss Mitglied im Golfclub werden, wenn man ein Haus kauft, und Golf spielen macht ungefähr so viel Spaß wie Gras beim Wachsen zuzusehen.«

Rastun empfand das Gleiche für Fußball, sagte es aber nicht, da Emily eine der besten Spielerinnen in ihrer Jugendmannschaft war.

Ein Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht, als er Karens Tochter anstarrte und bemerkte, wie sie »wir« sagte, als sie vom Leben in einem Haus sprach. Das war ein weiterer Beweis dafür, wie sehr er ein Teil von Emilys Leben geworden war. Bis vor einem Jahr hatte er nie viel darüber nachgedacht, Vater zu werden. Selbst als er mit Marie verlobt war, hatten sie selten über Kinder gesprochen.

Glücklicherweise hatte sich Emily schnell in ihn verguckt. Das Mädchen kannte seinen Vater nicht, und je mehr Zeit Rastun mit ihr verbrachte, desto leichter fiel es ihm, diese Rolle auszufüllen. Außerdem war Emily einfach zum Abknutschen. Sie war klug, lebenslustig und gut erzogen – normalerweise.

Die Menge applaudierte und jubelte, als zwei Läuferinnen die Bäume umrundeten und auf die Ziellinie zustürmten.

»Kommt Mama?«, fragte Emily.

Rastun beugte sich vor und blinzelte. »Nö. Noch nicht.«

Zehn Minuten und siebzehn Läufer später entdeckte er sie. Die schlanke Figur, das glatte runde Gesicht, die festen Beine. Er lächelte, als Karen sich der Ziellinie näherte.

»Da kommt sie.« Er stand auf und knipste einige Bilder mit seinem Handy, als Karen an ihnen vorbeirannte.

»Juhu, Mama!« Emily warf eine kleine Faust in die Luft.

»Komm schon.« Rastun nahm sie an der Hand und manövrierte sie durch die Menge. Mehr als einmal schaute er sich mit kritischen, misstrauischen Augen um. Er musste an den Bombenanschlag auf den Boston-Marathon vor ein paar Jahren denken. Zugegeben, dieser Marathon war bei weitem nicht so groß oder berühmt. Die Chancen standen nicht sehr hoch, dass so etwas passieren würde, aber seine Erfahrungen im Irak und in Afghanistan sowie auf verschiedenen Expeditionen hatten ihn gelehrt, dass es sich immer lohnte, ein wenig paranoid zu sein.

Als Rastun und Emily sich der Ziellinie in der Nähe des Clubhauses näherten, explodierten keine Bomben. Ein paar freiwillige Helfer des Marathons halfen Karen auf die Holzveranda. Sie ließ sich schweißgebadet und mit offenem Mund auf den Boden plumpsen und saugte gierig Sauerstoff in ihre Lungen. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment ohnmächtig werden. Aber wer würde nicht so aussehen, nachdem er 26 Meilen gelaufen war?

Eine Freiwillige reichte Karen eine Wasserflasche, als Emily sie umarmte. »Hey, Mama.«

»Hi, Süße«, antwortete sie atemlos.

»Gut gemacht, Baby.« Rastun rieb ihren Arm, der von Schweiß glitschig war.

Karen nickte nur und nahm einen Schluck Wasser. Langsam erhob sie sich. Die Art, wie sie das tat, erinnerte Rastun an ein Zombie-Schlurfen. Während die meisten Leute dachten, dass man nach einem Marathon zusammenbrach und sich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr bewegte, wusste er es als Cross-Country-Läufer in der Highschool besser. Man musste sich nach einem Lauf etwa zehn bis fünfzehn Minuten lang bewegen, damit sich Herzschlag und Blutfluss wieder normalisierten.

Er ließ Karen allein, damit sie sich abkühlen konnte, während andere Läufer die Ziellinie überquerten. Als sie zurückkam, sah sie zwar immer noch erledigt aus, aber nicht mehr so schlimm wie zuvor.

»Geht’s dir gut?«, fragte er.

»Besser.« Karen klang nicht mehr atemlos, als sie sprach.

»Das hast du gut gemacht, Mom.«

»Danke, Süße.«

»Ja, das war ein toller Lauf«, bestätigte Rastun.

»Ich hätte besser abschneiden können. Ich lag etwa vierzig Sekunden unter meiner Durchschnittszeit. Das ist jetzt der zweite Marathon in Folge. Was ist da los?«

»Das nennt man Alter.« Rastun schenkte ihr ein schiefes Grinsen. »Eine tolle Sache, nicht wahr?«

Karen warf ihm einen bösen Blick zu. Obwohl sie nur drei Jahre älter war als er, konnte er es nicht lassen, sie mit ihrem Alter zu foppen. Zumindest bei den Gelegenheiten, bei denen er sich mutig fühlte.

»Vergiss die Couch, du schläfst auf dem Boden.«

Rastun zuckte mit den Schultern. »Für eine Nacht war es das wert.«

»Ich meinte für eine Woche.«

»Na, jetzt bist du aber grausam.« Rastun lächelte wieder und umarmte sie. »Durchschnittszeit oder nicht, das hast du gut gemacht. Wie viele andere Menschen können das?«

»Danke, aber genug der Umarmungen, bitte. Ich fühle mich, als hätte jemand eine Mülltonne voller Schweiß über mir ausgekippt.«

»Hast du etwas anderes erwartet, nachdem du sechsundzwanzig Meilen gelaufen bist? Komm, wir bringen dich zum Auto. Ich habe Bananen und Gatorade für dich.«

»Danke.«

Sie überquerten den Parkplatz, Karen lehnte sich dabei an Rastuns Schulter.

»Erst willst du nicht, dass ich dich umarme, weil du verschwitzt bist, und jetzt drückst du dich an mich. Entscheide dich mal, Frau.«

»Die Umarmung war etwas Intimes. Das ist, um sicherzustellen, dass ich auf den Beinen bleibe.«

»Wow, was werden die eingefleischten Feministinnen sagen? Dass du dich auf einen Mann stützen musst, um den Tag zu überstehen.«

Karen schnaubte. »Die können mich mal. Keiner von denen ist gerade einen Marathon gelaufen.«

Als sie ihren gemieteten Geländewagen erreichten, öffnete Rastun die Heckklappe. Karen setzte sich auf die Stoßstange, während er eine tragbare Kühlbox hervorkramte.

Der Klingelton seines Handys dröhnte Nightwishs »Dark Chest of Wonders.« Er schaute auf das Display.

RANDY E.

»Hey, Doc.«

»Jack«, antwortete Randy Ehrenberg, der Kryptozoologe, der die Searaptor-Expedition geleitet hatte. »Wie läuft’s in North Carolina?«

»Gut. Karen hat gerade den Marathon beendet. Sie ist Neunzehnte geworden.«

»Schön für sie. Hey, ich wünschte, ich würde anrufen, um einfach mal zu fragen, wie es euch geht, aber der eigentliche Grund hat etwas mit der Arbeit zu tun.«

»Was ist los?«

»Das Echsenwesen.«

Rastun erinnerte sich an den Namen aus Ehrenbergs wöchentlichen Einführungskursen bei der Foundation for Undocumented Biological Investigation über die zahlreichen Kryptiden der Welt. »Das ist das unten in South Carolina.«

»Ja«, antwortete Ehrenberg. »Das erste Mal tauchte es 1988 in der Nähe des Scape Ore Swamp in Lee County auf.«

»Sagen Sie nicht, dass jemand tatsächlich das Echsenwesen gefunden hat.« Rastun setzte ein breites Grinsen auf.

»Doch, eigentlich hat das jemand.«

Kapitel 3

»Ist das eine Art Dinosaurier?« Emily starrte auf Rastuns iPad. »Cool.«

»Wir wissen immer noch nicht, ob das echt ist.« Rastun saß neben Karen auf der Stoßstange ihres Geländewagens, als sie sich das Video ansahen, das Ehrenberg ihnen geschickt hatte. Es zeigte eine große, zweibeinige Kreatur mit dunkelgrüner Haut und einem echsenartigen Kopf.

»Ich fange mal damit an, dass dieses Ding keine Fälschung ist«, sagte eine männliche Stimme auf dem Video. »Es hat mich in meinem Hinterhof angegriffen. Ich brauchte drei Schüsse aus meiner Schrotflinte, um es auszuschalten. Ich weiß, dass ihr Jungs von der FUBI nach solchen Monstern sucht. Deshalb habe ich dieses Video an euch geschickt, nicht an die Bullen. Sie würden es mir einfach wegnehmen. Das könnt ihr nicht tun, weil ihr keine Cops seid. Ihr müsst einen Deal mit mir machen. Also, hier ist er. Ich will hunderttausend Dollar. Gebt mir mein Geld und die Sache gehört euch. Ihr seid am Zug.«

Der Mann hielt die Kamera noch einige Sekunden auf das Echsenwesen. Rastun bemerkte dunkelrote Flecken auf dem schuppigen Torso. Getrocknetes Blut, vermutete er. Oder rote Lebensmittelfarbe, wenn es eine Fälschung war.

Das Video wurde schwarz.

»Okay«, sagte Rastun zu Ehrenberg, den er auf dem Lautsprecher seines Telefons hatte. »Wir haben es gesehen.«

»Und wie lautet Ihr Urteil?«

»Ich habe nichts gesehen, was nach CGI aussieht«, sagte Karen. »Wenn man natürlich nur ein totes Monster zeigen will, könnte man es mit einer Puppe vortäuschen.«

»Wenn es sich um eine Puppe handelt, haben die das ziemlich gut hinbekommen«, warf Rastun ein. »Das macht es fast unmöglich zu sagen, ob es eine Fälschung oder echt ist.«

»Ich hoffe, es ist echt. Das wäre so cool.« Emily strahlte förmlich. In Rastuns Kopf entstand das Bild von Karens Tochter, die in fünfzehn Jahren in ihre Fußstapfen treten und für die FUBI arbeiten würde.

»Wenn es echt ist, müssen wir einen besseren Namen dafür finden«, sagte Ehrenberg. »Echsenwesen ist einfach zu einfallslos.«

»Ich nehme an, dass derjenige, der dieses Video gemacht hat, in der Nähe ist, sonst hätten Sie uns nicht angerufen«, sagte Rastun.

»Das ist wahr. Der Name des Mannes ist Phil Welsh. Er wohnt außerhalb von Bishopville, etwa neunzig Meilen von Ihrem Standort entfernt.«

»Haben Sie seine Adresse?«

»Ja. Natürlich hat Welsh gesagt, dass er uns die Leiche nur überlässt, wenn wir ihm die Hunderttausend zahlen.«

Rastun runzelte die Stirn. »Sie haben nicht wirklich zugestimmt, oder?«

»Roland Parker hat zugestimmt, es aus seiner eigenen Tasche zu bezahlen«, antwortete Ehrenberg.

Rastun atmete verärgert aus. Er hatte gedacht, dass der milliardenschwere Philanthrop, der die FUBI mit aufgebaut hatte, mehr Verstand hätte. »Wenn sich herumspricht, dass Parker diesen Kerl bezahlt hat, wird uns jeder Verrückte mit einer Kamera Videos schicken, in denen er Geld dafür verlangt, dass er diesen oder jenen gefälschten Kryptiden sieht. Wenn wir so vorgehen, wie wir diesen Kerl bezahlen, werden wir bis zum Ende des Jahres Insolvenz beantragen können.«

»Machen Sie sich keine Sorgen. Er bekommt nur fünfundzwanzig Prozent des Geldes. Erst wenn Sie bestätigen, dass diese Kreatur echt ist, geben wir ihm den Rest.«

Rastun gefiel das immer noch nicht, doch Roland Parker war der Chef. Es war dessen Entscheidung, ob Rastun damit einverstanden war oder nicht.

»Es tut mir leid, wenn dies Ihre Reise ruiniert«, fügte Ehrenberg hinzu.

»Nein, alles in Ordnung«, entgegnete Rastun. »Der Marathon ist vorbei und wir wollten den Rest des Tages einfach nur entspannen.«

»Gut. Parker hat das Geld per Western Union überwiesen.« Ehrenberg gab ihm die Adresse ihres Büros in Pinehurst, dann die Adresse von Welsh.

»Ich werde das Geld abholen und so schnell wie möglich nach Bishopville fahren.«

»Du meinst, wir fahren nach Bishopville?«

Rastun sah Karen an. »Vergiss es. Du musst dich ausruhen.«

»Jack, komm schon.«

»Nein. Du bist genügend Marathons gelaufen, um zu wissen, wie viel es dich kostet und wie wichtig die Erholung ist. Sag mir, dass ich falschliege.«

Karen runzelte die Stirn. »Du hast nicht unrecht.«

»Ich kann mitkommen.« Emily strahlte ihn voller Erwartung an.

»Tut mir leid, Kleine. Ich brauche jemanden, der sich um deine Mutter kümmert.«

»Aww.« Emily schmollte.

Um ehrlich zu sein, wollte er nicht, dass ein 11-jähriges Mädchen ihn zu jemandem begleitete, der nach allem, was er wusste, verrückt sein könnte.

»Danke, dass Sie das machen, Jack«, sagte Ehrenberg. »Rufen Sie mich an, sobald Sie wissen, ob es sich um einen Scherz handelt oder nicht.«

»Alles klar, Doc.«

Rastun steckte sein Telefon ein. »Kommt schon. Ich bringe euch zwei zurück zum Hotel, besorge ein paar Vorräte und fahre dann nach Bishopville.«

Karen stieß sich langsam von der Stoßstange ab. »Viel Glück. Hoffentlich entpuppt sich das nicht als Scherz.«

»Das hoffe ich auch, sonst bin ich sauer.« Er biss sich auf die Zunge und blickte Emily an. »Ähm … wirklich sauer.«

Kapitel 4

Rastun warf einen Blick auf den leeren Beifahrersitz, als er auf der US1 nach Süden fuhr. Er würde Karen bei diesem Auftrag definitiv vermissen. Nicht nur, weil sie seine Freundin war. Sie waren im Einsatz ein gutes Team. Karen hatte sich als klug, einfallsreich und mutig erwiesen.

Auf der anderen Seite hatte er die Kontrolle über das Autoradio. Das hieß, er konnte den Heavy-Metal-Sender einstellen.

Neunzig Minuten, einhundert Meilen, Iron Maiden, Metallica, Lacuna Coil, Pantera und Trivium, so laut er wollte. Er war im Himmel.

Rastun hielt bei einem Wal-Mart an, um notwendige Vorräte zu kaufen, darunter ein Whetstone-Jagdmesser. Er hatte weder seine Glock noch andere Waffen mit auf die Reise genommen. Er hatte keine Ahnung, ob Phil Welsh ein netter Kerl oder ein Verrückter war. Wenn letzteres der Fall war, wollte er etwas haben, mit dem er sich verteidigen konnte.

Er rief auch Arthur Sherlock Dunmore an, einen ehemaligen Ranger und jetzigen stellvertretenden US-Marshal, dessen Hilfe sich als unschätzbar erwiesen hatte.

»Entschuldigen Sie, dass ich an einem Wochenende störe, aber ich brauche Informationen über einen Mann namens Phil Welsh. Er wohnt in Bishopville, South Carolina.«

»Was macht ihn so besonders?«

»Er hat der FUBI ein Video geschickt. Er behauptet, dass er das Echsenwesen erschossen hat.«

»Das Echsenwesen? Ernsthaft?«

»Deshalb schickt mich Randy nach Bishopville, um zu sehen, ob die Sache ernst ist.«

»Seeungeheuer, Bigfoot und jetzt Echsenwesen.« Sherlock gab ein Geräusch zwischen einem Grunzen und einem Kichern von sich. »Sie haben definitiv keinen normalen Job.«

»Normale Jobs werden überbewertet«, antwortete Rastun.

»Gibt es etwas Bestimmtes, das Sie von Welsh suchen?«

»Was immer Sie finden können. Ich will nur sehen, mit was für einem Typen ich es zu tun haben könnte.«

»Ich werde sehen, was ich finden kann und es Ihnen so schnell wie möglich zukommen lassen.«

Rastun hatte die Stadtgrenze von Bishopville erreicht und wippte mit dem Kopf zu »Hellraiser« von Motorhead, als Sherlock zurückrief.

»Keine Auffälligkeiten bei unserem Mann. Arbeitsloser Abschleppwagenfahrer. Zwei Töchter, beide im College-Alter. Seine Frau ist vor ein paar Jahren verstorben.«

»Vorbestraft?«

»Ein paar Strafzettel für zu schnelles Fahren. Außerdem wurde er vor ein paar Jahren wegen Trunkenheit und Ruhestörung vorgeladen. Das fällt mit dem Tod seiner Frau zusammen, kann ich also sogar verstehen.«

Rastun nickte. Welsh hörte sich nicht wie ein Serienmörder an. Nur ein Mann, der vom Glück verlassen war und zwei Mädchen hatte, die er wahrscheinlich gern aufs College schicken würde. Hunderttausend Dollar wären eine große Hilfe.

Dennoch würde Rastun nicht unvorsichtig sein.

Er fuhr durch die Stadt Bishopville und betrachtete ein Schild in der Innenstadt mit dem Gesicht eines knurrenden Reptils.

WILLKOMMEN IN BISHOPVILLE. DER HEIMAT DES BERÜHMTEN EIDECHSENMANNS.

Nun, das wäre nicht die erste Stadt, die einen ansässigen Kryptiden zur Förderung des Tourismus nutzen wollte.

Rastun fuhr in Richtung Westen. Die kleine Stadt verschwand schnell und wurde von Bäumen, vereinzelten Häusern und Ackerland abgelöst, das teilweise so aussah, als wäre es seit Jahren nicht mehr bestellt worden.

Sie haben Ihr Ziel erreicht, piepste das GPS.

Er starrte durch die Windschutzscheibe. Es als bescheidenes Haus zu bezeichnen, wäre noch nett. Ein Großteil der Holzverkleidung war abgeblättert oder verrottet. Ein Teil der Dachrinne baumelte vom Dach herab. Ein alter, verblichener, ehemals roter Pick-up stand in der schmutzigen Einfahrt. Das hohe Gras sah eher braun als grün aus. Die Südstaaten hatten einen relativ trockenen Frühling gehabt und litten nun unter einer Hitzewelle.

Er kontrollierte die Temperaturanzeige des Autos. Die Temperatur betrug 42 Grad.

Rastun stieg aus dem kühlen, klimatisierten Geländewagen und trat in die alles umhüllende Hitze. Er nahm einen langen Zug aus seiner Wasserflasche und ging auf das heruntergekommene Haus zu.

Ein Anflug von Mitleid durchfuhr ihn für Phil Welsh.

Es sei denn, es stellte sich heraus, dass es sich um einen Scherz handelte, dann würde sich diese Sympathie in Luft auflösen. Die ganze Zeit, die er mit der Fahrt hierher verbracht hatte, und die ganze Zeit, die er mit der Rückfahrt verbringen würde, war Zeit, die er mit Karen und Emily hätte verbringen können.

Er klopfte an die Tür.

»Ich komme«, rief eine Stimme von drinnen.

Die Tür öffnete sich. Ein korpulenter Mann mit schwarzem Haar und einem Bart stand vor ihm.

»Phil Welsh?«

»Der bin ich.«

»Jack Rastun, FUBI.« Jack zeigte ihm seinen Ausweis.

Die Augen von Welsh weiteten sich. »Jack Rastun? Sie sind der Typ, der das Seeungeheuer in New Jersey getötet hat.«

»Das ist richtig.«

»Verdammt, ich wusste nicht, dass man Sie schickt.« Welsh schüttelte Jacks Hand. »Kommen Sie rein, kommen Sie rein. Möchten Sie etwas? Ich habe ein paar Bier im Kühlschrank.«

»Nein, danke. Ich würde gern das Wesen sehen, von dem Sie uns erzählt haben.«

»Haben Sie mein Geld?«

Rastun nahm den kleinen Rucksack ab, den er auf seiner Reise hierher gekauft hatte. Er zog einen Geldbeutel heraus und reichte ihn Welsh. Der Mann öffnete ihn und schaute hinein.

»Das sieht nicht nach hunderttausend Dollar aus.«

»Sind es auch nicht«, sagte Rastun. »Es sind fünfundzwanzigtausend Dollar.«

Falten zeichneten sich auf Welshs Stirn ab. »Ich habe euch gesagt, wenn ihr das Echsenwesen wollt, will ich hunderttausend.«

»Wissen Sie, wie viele Videos die FUBI jeden Tag erhält? Wissen Sie, wie viele davon gefälscht sind? Meine Chefs haben mich hergeschickt, um zu bestätigen, dass Sie einen echten Kryptiden haben und nicht irgendeine Schaufensterpuppe, die Sie grün angemalt haben.«

»Vertraut mir, der ist echt.«

»Dann zeigen Sie es mir. Wenn es echt ist, bekommen Sie den Rest des Geldes. Wenn nicht, bin ich weg.«

Welsh seufzte und ließ die Schultern hängen. »In Ordnung. Abgemacht. Kommen Sie mit. Ich hab’s im Schuppen.«

Rastun folgte ihm in den Hinterhof, nahm sein Handy heraus und drückte auf die Videofunktion. Er gab die Uhrzeit, das Datum und seinen Namen an.

»Ich bin bei Phil Welsh in der Nähe von Bishopville, South Carolina, um seine Behauptung zu überprüfen, dass er den als Echsenwesen bekannten Kryptiden von Scape Ore Swamp erschossen hat und im Besitz seiner Leiche ist. Hier spricht Mr. Welsh.« Rastun richtete das Telefon auf ihn.

»Ähm, hi.«

»Sie sagten, Sie bewahren die Leiche der Kreatur in Ihrem Schuppen auf?«

»Ja. Aber bevor Sie sie sehen, sollten Sie sich vielleicht das ansehen.« Er zeigte auf eine Vertiefung im trockenen Gras. Ein Fußabdruck. Ein verdammt großer Fußabdruck.

Rastun nahm den Abdruck auf Video auf und schoss dann mehrere Fotos. Bei einer Aufnahme stellte er seinen Fuß neben den Abdruck. Dann holte er ein Lineal aus seinem Rucksack, legte es neben den Fußabdruck und machte ein weiteres Foto. Wie alle Außendienstmitarbeiter der FUBI hatte auch Rastun an einem zweiwöchigen Intensivkurs an der FBI-Akademie in Quantico teilgenommen, in dem es um die Sammlung von Beweismitteln und die Untersuchung von Spuren ging.

Die Ausbilder hatten ihm unter anderem gesagt, er solle immer etwas verwenden, das den Maßstab des fotografierten Objekts zeigt.

»Die Länge des Fußabdrucks beträgt ungefähr dreißig Zentimeter«, sagte er, als er die Videoaufzeichnung wieder aufnahm. »Drei Zehen, eher klauenartig als abgerundet.«

Aus den Augenwinkeln bemerkte er etwas, einen Hügel in der Mitte des Rasens mit einem kleinen, weißen Kreuz.

»Wer ist dort begraben?«

»Mein Hund, Ozzie«, antwortete Welsh. »Das Ding hat ihn getötet.« Er schluckte. »Hat ihn in Stücke gerissen.«

»Tut mir leid.« Rastun nickte ihm wohlwollend zu. Er notierte sich außerdem, dass er den Hund möglicherweise für eine gerichtsmedizinische Untersuchung exhumieren müsste.

»Also … die Kreatur. Sie ist da drin?« Er zeigte auf einen Schuppen mit abblätternder Farbe und verrottendem Holz.

»Ja. Kommen Sie.«

Ein Gestank umgab den Schuppen, der an verrottendes Fleisch erinnerte. Als Welsh die Tür aufstieß, war der Gestank noch viel schlimmer.

Rastun hielt sich eine Hand vors Gesicht.

»Entschuldigung. Das Ding stinkt zum Himmel.«

»Und es in einem Schuppen aufzubewahren, wenn es draußen über vierzig Grad hat, ist nicht unbedingt hilfreich.« Rastun verzog das Gesicht.

»Ich weiß, aber ich wusste nicht, wohin damit. Ich wollte es auf keinen Fall im Haus aufbewahren.«

Rastun konnte ihm das nicht verübeln.

Er begann zu bezweifeln, dass es sich um einen Schwindel handelte. Die meisten Scherzkekse hatten nie in Betracht gezogen, den Geruch eines Kryptiden nachzubilden.

Er starrte den Schuppen an und zog eine Grimasse. Schluck es runter, Jack. Wenn du die Tränengaskammer in der Armee überstehen kannst, dann kannst du auch das hier überstehen.

Rastun näherte sich der Tür. Der üble Geruch überwältigte ihn beinahe. Seine Nasenlöcher brannten. Übelkeit bedrängte seinen Magen.

Ich glaube, ich wäre lieber in der Tränengaskammer.

Er kämpfte gegen den Brechreiz an und betrat den Schuppen.

Die Kreatur lag aufgedunsen vor ihm, der Torso war mit getrocknetem Blut bedeckt. Die Haut war dunkelgrün, ähnlich der eines Alligators. Der Kopf erinnerte ihn an den eines Leguans … wenn der Leguan seine Augen vorn statt an den Seiten hätte … und wenn er messerscharfe Zähne hätte.

Rastun bewegte die Videokamera seines Handys langsam an dem Körper auf und ab und machte dann mehrere Fotos.

Die Beine ähnelten denen eines Velociraptors, nur dicker, und endeten in krallenbewehrten, dreizackigen Füßen. Genau wie der Fußabdruck draußen.

Auch die Hände endeten in Krallen. Scharfe Krallen. Er erinnerte sich an einen von Ehrenbergs Krypto-Kursen, wo erzählt wurde, dass das Echsenwesen angeblich mehrere Fahrzeuge in Lee County beschädigt hatte. Solche Klauen sahen danach aus, als könnten sie die dünnen Metallkarosserien von Autos und Lastwagen aufreißen.

Und was sie erst aus menschlichem Fleisch machen könnten.

Er setzte die Videoaufnahme fort und legte sein Handy auf den Boden. »Ich werde eine praktische Untersuchung durchführen, um festzustellen, ob diese Kreatur echt ist oder eine Puppe.«

Rastun nahm ein Paar Latexhandschuhe aus seinem Rucksack und zog sie an. Draußen hustete Welsh und schaute zu.

Rastun kniete nieder und verzog das Gesicht wegen des üblen Gestanks. Er winkte eine Wolke von Fliegen weg und legte eine Hand auf die Brust der Kreatur. Seine Ausbilder in Quantico würden ihn wahrscheinlich ausschimpfen, weil er Beweise gefährdete, aber dies war keine Mordermittlung, und seine Hände auf dieses Ding zu legen, war die einzige Möglichkeit zu beweisen, ob es echt war oder nicht.

Rastun drückte darauf und fuhr dann mit den Händen über Brust, Nacken, Schultern und Seiten. Schock und Erregung durchfuhren ihn gleichzeitig. Er fühlte kein Gummi oder Plastik oder das Metall eines Reißverschlusses. Er fühlte raues, schuppiges Fleisch.

Als Nächstes sah er sich die Blutflecken an. Er hatte genügend Schusswunden gesehen, um zu wissen, dass diese nicht mit einer Dose Sprühfarbe gemacht worden waren.

Rastun nahm das Lineal, hielt es neben die Füße, Hände und die Schnauze der Kreatur und machte Fotos. Dann legte er sich daneben und ließ Welsh ein Foto machen.

»Wie sieht das aus?« Er zeigte Rastun das Bild.

»Sieht gut aus.«

Die Kreatur war über zwei Meter groß und ließ Rastun im Vergleich dazu wie einen Zwerg aussehen. Nicht, dass er jemals ein großer Kerl gewesen wäre. Die Medien nannten ihn gern einen Actionhelden aus dem echten Leben. Im Gegensatz zu Hollywoods Actionhelden war Rastun nicht über zwei Meter groß, hatte kein kantiges Kinn und pralle Muskeln. Er war 1,70 m und wog etwa 75 Kilogramm. Ein recht schlanker, sehniger Mann von 75 Kilogramm.

Er hat in der Vergangenheit schon oft bewiesen, dass seine Größe ihn nicht weniger tödlich machte.

»Und?« Welsh sah besorgt aus.

»Nun, es sieht so aus, als würden Sie den Rest Ihres Geldes bekommen.«

Ein breites Grinsen fuhr über Welshs Gesicht.

Sie gingen zurück ins Haus, wo Rastun ihn am Küchentisch befragte. Welsh erzählte alles, was in der Nacht geschah, als er das Echsenwesen erschoss, einschließlich der Laute, die dieses von sich gab.

»Es war wie, ich weiß nicht, eine Kombination aus Rülpsen, Knurren und Zischen. Wirklich seltsames Zeug.«

Interessante Beschreibung. Rastun steckte sein Handy weg. »Ich denke, das sollte genügen. Ich werde die FUBI-Zentrale anrufen. Sie sollten in ein oder zwei Tagen ein Team hierher schicken.«

»Zusammen mit meinem Geld?«

»Sie werden Ihr Geld bekommen, Mister Welsh. Das ist eine ziemlich bedeutende Entdeckung. Es wäre schön gewesen, das Exemplar lebend zu bekommen.«

Welsh unterbrach ihn. »Hey, das Ding kam auf mich zu. Sollte ich einfach dasitzen und mich in Stücke reißen lassen, so wie es das mit Ozzie getan hat?«

Rastun hob seine Hände in einer beruhigenden Geste. »Ich stelle Ihr Handeln nicht infrage. Glauben Sie mir, ich bin schon vielen Menschen begegnet, die in Büros sitzen und meinen, sie wüssten besser, wie man sich in einem Feuergefecht verhält als ich. Nach allem, was Sie mir erzählt haben, war das ein gerechtfertigter Schuss.«

»Verdammt richtig, das war es.«

Rastun stand auf und schüttelte Welsh die Hand. »Vielen Dank für Ihre Zeit, Mister Welsh. Wie ich schon sagte, wird in ein oder zwei Tagen ein Team hier sein, um die Leiche der Kreatur abzuholen.«

»Sie sollten sich auch in der Gegend umsehen.«

»Warum das?«

»Nachdem ich das Ding erschossen hatte, hörte ich noch mehr dieser seltsamen Knurrgeräusche aus dem Feld. Ich glaube, das Monster, das ich getötet habe, hat Familie und Freunde.«

Kapitel 5

Vielleicht bin ich paranoid.

Welsh starrte aus dem hinteren Fenster, die Schrotflinte in der Hand. Im Schein des Verandalichts konnte er erkennen, dass der Schuppen noch genauso aussah wie bei seiner letzten Kontrolle vor zwanzig Minuten.

Er ging zurück ins Wohnzimmer. Der Fernseher war an, aber er schenkte ihm kaum Beachtung. Alles, woran er denken konnte, war sein großer Tag morgen. Jack Rastun und das FUBI-Team würden ihm den Rest seines Geldes für das Echsenwesen geben. Endlich könnte er der Welt davon erzählen. Reporter würden ihn interviewen. Er würde wahrscheinlich in Talkshows auftreten. Bezahlten die ihre Gäste?

Du kannst mir glauben, dass ich Geld bekommen werde.

Er fragte sich, ob er einen Buchvertrag wie Jack Rastun bekommen könnte. Welsh hatte ein paar Interviews mit ihm gesehen, in denen er über Warriors and Monsters: The Jack Rastun Story« sprach, das auf der Bestsellerliste der New York Times stand. Welsh war kein großer Leser und schon gar kein Schriftsteller. Aber diese Verleger würden wahrscheinlich einen echten Schriftsteller für sein Buch engagieren. Solange er seinen Anteil bekam, war das für ihn in Ordnung.

Er starrte auf das Telefon und überlegte, ob er Chloe und Vanessa anrufen und ihnen die große Neuigkeit mitteilen sollte. Nein. Rastun hatte ihm gesagt, er solle die Sache geheim halten.

»Wenn man anfängt, den Leuten ein Geheimnis zu verraten, gibt es keine Garantie, dass sie es nicht weitererzählen«, hatte er gesagt.

Ein guter Rat, vor allem für die Jugend von heute. Sie wussten nicht, wie man den Mund hält. Sobald sie etwas sahen oder hörten, plapperten sie es sofort auf Instagram oder Twitter in die Welt hinaus. Stattdessen würde er seine Töchter mit dicken fetten Schecks überraschen und ihnen zeigen, dass ihr alter Herr kein erbärmlicher Verlierer war.

Welsh ging in die Küche, um sich ein Bier zu holen. Er blieb am Kühlschrank stehen und ging dann zum Fenster. Wieder sah alles gut aus mit dem Schuppen.

Er schnappte sich ein Bier und nahm einen langen Zug. Er stellte sich all die Dinge vor, die er mit dem Geld, das er bekommen würde, tun könnte. An erster Stelle stand, seinen Töchtern das Studium zu finanzieren. Danach ein neues Haus für ihn. Er wollte auch einen neuen Hund. Ozzie war manchmal eine Nervensäge aber trotzdem ein guter Hund gewesen. Vielleicht konnte er dieses Mal …

Ein lauter Knall erschütterte die Wände.

Welsh schwang herum und verschüttete etwas Bier.

Ein weiterer Schlag erschütterte das Haus.

Er stellte sein Bier auf die Spüle und holte die Flinte. »Wer ist da?«

Keine Antwort.

Sein Herz schlug heftig, als er aus dem Fenster schaute. Draußen war niemand zu sehen. Der Schuppen sah gut aus.

PENG!

Welsh zuckte zusammen. Seine Hände zitterten. Wieder blickte er auf den Schuppen.

Diesem Monster darf nichts zustoßen.

Er holte schnell Luft und ging zur Tür. Er griff nach dem Knauf und versuchte, seine Hand zu zwingen, nicht mehr zu zittern.

Doch das klappte nicht.

Welsh griff nach dem Knauf, holte tief Luft und schwang die Tür auf. Er stürzte nach draußen.

»Hey! Umdrehen und …«

Die riesige, dunkle Gestalt drehte sich um. Welsh konzentrierte sich auf die glühenden, blutroten Augen.

Er entsicherte die Schrotflinte.

Etwas schlug gegen seinen Rücken. Schmerz schoss durch seinen Körper. Er stürzte von der Treppe und schlug auf dem Boden auf. Welsh schrie. Er konnte die Schrotflinte in seinen Händen nicht mehr spüren. Er rollte sich auf den Rücken. Der Schmerz zerschnitt seine Eingeweide. Er schloss die Augen und biss die Zähne zusammen. Was zum Teufel hatte ihn getroffen?

Welsh zwang sich, seine Augen zu öffnen. Eine weitere große Gestalt beugte sich über ihn. Er öffnete den Mund, um zu schreien, doch spitze Zähne bohrten sich in Phil Welshs Kehle, bevor er einen Laut von sich geben konnte.

Kapitel 6

»Sie haben nicht gescherzt, als Sie sagten, der Kerl lebt am Arsch der Welt.«

Rastun sah zu Ehrenberg hinüber, der aus dem Fenster ihres Suburban starrte, als sie die Landstraße hinunterfuhren. Nur Felder und Bäume begleiteten sie. Das letzte Haus, das sie passierten, lag zwei Meilen hinter ihnen.

»Ich glaube, manche Leute mögen wirklich ihre Ruhe«, sagte Karen.

»Er sollte es genießen, solange es noch geht.« Rastun wusste, dass die Medien nach Bishopville strömen würden, sobald die FUBI bekannt gab, dass sie die Leiche des Echsenwesens hatten. Welsh konnte sicher sein, dass man ihm Kameras und Mikrofone ins Gesicht halten würde.

Er warf einen Blick in den Rückspiegel und sah Karen an. Sie wirkte ein wenig erschöpft, nicht nur, weil sie vor zwei Tagen einen Marathon gelaufen war. Sie war mit Emily zurück nach Virginia geflogen, um sie bei den Eltern ihrer besten Freundin aus der Jugendfußballmannschaft abzusetzen, und dann mit dem Rest der FUBI-Expedition ins nahe gelegene Columbia geflogen.

Er wusste jedoch, dass Karen es durchstehen und ihre Arbeit machen würde.

Rastun überprüfte das GPS. Sie waren noch eine Meile von Welshs Haus entfernt. Er aktivierte das Freisprechtelefon. Sein erster Anruf bei Welsh, als sie Columbia verlassen hatten, ging auf den Anrufbeantworter.

Das galt auch für diesen Anruf.

»Mister Welsh, hier ist Jack Rastun. Sind Sie da?« Er wartete ein paar Sekunden, doch niemand nahm ab.

»Wir sind nur ein paar Kilometer von Ihrem Haus entfernt. Wir sollten in Kürze da sein.« Rastun legte auf.

»Man sollte meinen, dass der Kerl in freudiger Erwartung zu Hause ist«, sagte der kleine, hagere hispanische Mann, der neben Karen saß. Alfonso Herrera, ein ehemaliger Feldwebel der Army Rangers. Rastun hatte mit ihm einen Einsatz in Afghanistan absolviert und ihn als Sicherheitsspezialisten angeheuert. Ein weiterer Mann saß ganz hinten, noch kleiner als Herrera. Norgay, ein Nepalese, der 22 Jahre bei den Gurkhas gedient hatte. Rastun kannte den Ruf dieser Gruppe von Soldaten, die Großbritannien seit fast 200 Jahren dienten. Ihn zu engagieren, war ein Kinderspiel gewesen.

Rastun fuhr in die unbefestigte Einfahrt von Welshs Haus ein. Hinter ihm hielt ein Miettransporter mit Pete McClure, einem weiteren Sicherheitsspezialisten, der Kompaniechef in der 82. Airborne gewesen war, und Dan Plank, einem Absolventen der American University und angehendem Ermittler. Der Transporter hatte eine Gefriertruhe zur Konservierung der Leiche des Echsenwesens geladen.

»McClure. Norgay. Sichern Sie das Gebiet«, befahl Rastun.

»Ja, Sir«, antwortete McClure.

Rastun erwartete keinen Ärger im Hinterland von South Carolina. Doch nach den Ereignissen bei der Searaptor-Expedition wusste er, dass es Leute gab, die bis zum Äußersten gehen würden, um einen Kryptiden in die Finger zu bekommen. Er wollte nicht noch einmal unvorbereitet in so eine Situation geraten.

»Stellen Sie sicher, dass Sie alle Ihre Masken haben.« Ehrenberg hielt eine weiße chirurgische Gesichtsmaske hoch. »Nach dem, was Jack gesagt hat, ist dieser Kryptide ziemlich übel zugerichtet, wahrscheinlich noch mehr, weil er ein paar Tage in diesem Schuppen und dieser Hitze war.«

Herrera verzog angewidert das Gesicht. »Jetzt freue ich mich wirklich darauf.«

Rastun sah sich das Haus an. Hoffentlich würde das Geld, das Welsh bekam, ihm helfen … »Warten Sie.« Seine linke Hand schnellte nach oben. Alle blieben stehen.

»Was ist?«, fragte Ehrenberg.

»Das Fenster dort ist kaputt.« Rastun zeigte darauf.

Ein paar Meter von dem zerbrochenen Fenster entfernt lag ein DVD-Player im Gras.

»Was zum Teufel ist hier passiert?«, fragte Karen.

»Ich bezweifle, dass es etwas Gutes ist. Herrera, Sie kommen mit mir. Alle anderen bleiben hier. Halten Sie die Kommunikation offen.«

Rastun zog seine Glock und ging auf das Haus zu. Herrera war ein paar Schritte hinter und rechts von ihm, ebenfalls mit gezogener Pistole. Welsh war nicht an sein Telefon gegangen. Ein DVD-Player war aus dem Fenster geworfen worden. Könnte es sich um einen Raubüberfall handeln? Könnte der Räuber oder die Räuber noch hier sein?

Er wies Herrera den Weg zur Haustür, während er sich dem Fenster näherte. Rastun spähte hinein.

Das Wohnzimmer war ein einziges Durcheinander. Lampen, Möbel und Bilderrahmen lagen verstreut auf dem Boden. Er sah zu Herrera, der den Türknauf drehte.

»Es ist abgeschlossen.«

Rastun schlug das restliche Glas des Fensters mit dem Kolben seiner Pistole weg. Er kletterte hinein und stand schnell auf, die Glock im Anschlag. Wenn noch jemand im Haus wäre, hätte er das zerbrechende Glas gehört.

Herrera folgte ihm. Mit Handzeichen wies Rastun ihn an, die linke Seite des Hauses zu durchsuchen.

Sofa- und Sesselkissen waren zerrissen. Füllmaterial bedeckte den Boden wie dicke Schneehäufchen. Ein kaputter Fernseher stand an der Wand.

Rastun ging in die Küche. Die Kühlschranktür war offen. Bei einigen Schränken waren die Türen abgerissen. Kisten, zerbrochenes Glas, und Lebensmittel lagen auf dem gefliesten Boden herum.

»Wohnzimmer und Küche sind sauber«, funkte Rastun. »Völlig verwüstet, aber sauber.«

»Das Gleiche gilt für das Schlafzimmer und das Bad«, antwortete Herrera.

»Verstanden. Ich werde den Hinterhof überprüfen.«

Die hintere Tür lag auf dem Boden, mit einer großen Delle in der oberen Hälfte.

Rastun spähte durch den offenen Rahmen.

»Hinterhof sauber.«

Er wollte gerade nach draußen gehen, als er innehielt.

Sein Blick blieb auf einem großen roten Fleck im Gras hängen.

Blut.

»Herrera.«

»Hier, Sir.«

»Wir haben Blut im Hinterhof. Eine Menge. Kommen Sie hierher.«

»Bin auf dem Weg.«

Rastun bemerkte eine Blutspur im Gras. Sie endete beim Schuppen.

»Doc?«, funkte er an Ehrenberg.

»Hier, Jack.«

»Rufen Sie 9-1-1. Sieht aus, als hätten wir eine ernste Situation.«

»Ich kümmere mich darum.«

Als Herrera eintraf, folgten sie der Blutspur zu dem Schuppen. Eine der Türen war aus den Angeln gehoben. Sie schwankte leicht im Wind und knarrte bei jeder Bewegung. Rastun erwartete, dass sie jeden Moment herunterfallen würde.

Er schlich an der Tür entlang und lauschte auf Geräusche von drinnen. Aber alles war still.

Er holte tief Luft und schwang sich halb um die Tür, die Glock erhoben.

Das Echsenwesen war verschwunden.

Ein anderer Körper hatte seinen Platz eingenommen: der zerfetzte, blutige Körper von Phil Welsh.

Kapitel 7

»Wer könnte herausgefunden haben, dass die Leiche vom Echsenwesen hier lag?« Ehrenberg lehnte mit verschränkten Armen gegen den Kühlergrill des Suburban. »Wir haben alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um diese Entdeckung geheim zu halten.«

Rastun stieß einen scharfen Atemzug aus, während er das Haus anstarrte. »Ich gebe es nur ungern zu, aber vielleicht haben wir ein weiteres Leck in der FUBI.« Er hoffte, dass das nicht der Fall war. Es war mühsam gewesen, nach der Seeräuber-Expedition alle Maulwürfe von Gunderson ausfindig zu machen. Er hatte keine Lust, das noch einmal zu tun.

»Meine Güte«, sagte Herrera. »Ich glaube nicht, dass ich jemals jemanden gesehen habe, der so zugerichtet war wie der arme Kerl, und ich habe in Afghanistan einige ziemlich üble Sachen gesehen. Ich meine, wenn jemand das Echsenwesen haben wollte, warum hat er ihm nicht einfach einen Schlag auf den Kopf verpasst und das verdammte Ding weggeholt?«

Rastun antwortete nicht. Er starrte auf das Gras und dachte an Welsh. Wie Herrera hatte er in seiner Armeezeit alle Arten von Verstümmelungen gesehen. Menschen mit aufgerissenen Mägen und Brustkörben oder von Kugeln oder Schrapnellen zerfetzte Gesichter. Er hatte Eingeweide gesehen, die auf dem Boden lagen, und Männer, die mit herausgerissenem Kiefer zu schreien versuchten.

Der Tod von Welsh war genauso grausam wie die, die er im Irak und in Afghanistan gesehen hatte. Aber während diese durch Gewehre, Granaten und Bomben verursacht worden waren, schien das, was hier geschehen, eher … animalisch zu sein.

Karen machte Fotos von den Expeditionsmitgliedern und dem Haus von Welsh. Rastun nahm an, dass sie sich damit ablenken wollte, bis die Cops eintrafen.

Wenige Minuten später näherte sich ein weißes Auto mit schwarz-goldenen Verzierungen, gefolgt von einem zweiten. Sie stoppten hinter den FUBI-Fahrzeugen. Zwei Beamte des Lee County Sheriffs stiegen aus, einer groß und schwarz, der andere mittelgroß und weiß.

»Seid ihr die Monsterjäger?«, fragte der große Kerl.

»Sind wir. Doktor Randy Ehrenberg.« Er schüttelte die Hand des Polizisten.

»Deputy Clay. Das ist Deputy Wills. Der Detective und die Tatorttechniker sollten bald hier sein. Ich muss fragen, ob jemand im Haus war?«

»Das wären dann wir beide.« Rastun deutete auf sich und Herrera. »Wir sahen, dass das Innere verwüstet war und kletterten durch ein Fenster, um zu sehen, ob jemand verletzt war. Wir haben auch den Hinterhof und den Schuppen überprüft. Dort haben wir Mister Welsh gefunden.«

Clay nickte. »Okay. Wir müssen den Tatort absichern. Sagen Sie dem Detective, dass Sie dort durchgegangen sind.«

»Das werde ich.«

Die Hilfssheriffs gingen an ihm vorbei auf das Haus zu. Rastun hörte, wie Wills murmelte: »Zivilisten trampeln durch einen Tatort. Blefary wird einen Nervenzusammenbruch erleiden, wenn er das hört.«

Er stöhnte. Das klang nicht beruhigend.

Die Hilfssheriffs waren noch dabei, das Grundstück mit gelbem Absperrband zu sichern, als zwei weitere Fahrzeuge des Sheriffs ankamen. Aus einem stiegen ein Mann und eine Frau, die sperrige silberne Koffer trugen. Tatorttechniker, vermutete Rastun. Ein großer dunkelhäutiger Mann stieg aus dem zweiten Fahrzeug. Er schien Mitte bis Ende vierzig zu sein, etwa 1,80 m groß und mit einem dicken Bauch. Sein Gesicht war steif, er lächelte nicht. Er sah aus wie jemand, der in seinem ganzen Leben noch nie gelächelt hatte.

»Sie sind von der FUBI?«, fragte er mit rauer Stimme.

»Das sind wir.« Ehrenberg schenkte ihm sein typisches breites Lächeln. »Dr. Randy Ehrenberg. Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.« Er streckte seine Hand aus.

Der große Mann starrte sie einen Moment lang an, dann schüttelte er sie kurz. »Detective Bruce Blefary.« Er zog ein Notizbuch hervor und notierte die Namen aller Beteiligten. »Also, wer hat die Leiche von Welsh entdeckt?«

»Ich und Herrera«, antwortete Rastun.

»Um wie viel Uhr war das?«

»Gegen halb zwölf.«

»Warum interessieren sich ein paar Monsterjäger so sehr für einen Kerl, der auf dem Land lebt?« Blefary hielt inne. »Sagen Sie es mir nicht. Phil Welsh hat das Echsenwesen gefunden.«

Ehrenberg rieb sich den Nacken. »Nun, eigentlich …«

Der Ausdruck auf Blefarys Gesicht wurde noch härter. »Wollt ihr mich verarschen?«

»Auf keinen Fall.« Ehrenberg schüttelte den Kopf. »Mister Welsh hat uns ein Video gemailt, auf dem er behauptete, dass es sich um die Leiche des Echsenwesens handelt. Jack war zufällig in der Nähe, also habe ich ihn hierher geschickt, um es zu überprüfen.«

Blefary wandte sich an Rastun. »Wann war das?«

»Vor ein paar Tagen.«

»Und war es ein echtes Monster oder ein Typ im Anzug?«

»Es war echt.«

»Mm-hmm.« Blefary klang, als würde er es nicht glauben. »Und wo hat Welsh dieses Ding aufbewahrt?«

»In einem Schuppen in seinem Hinterhof.«

»Ist es jetzt dort?«

»Nein«, antwortete Rastun. »Jemand hat den Kadaver genommen.«

»Natürlich.« Blefary kritzelte in sein Notizbuch. »Hat jemand eine Ahnung, wer es genommen hat?«

Alle antworteten: »Nein.«

Blefary wandte sich wieder an Rastun. »Sind Sie sicher, dass das Ding echt war?«

»Ich habe es gefühlt und mir die Einschusslöcher angesehen …«

»Einschusslöcher?«

»Mister Welsh behauptete, die Kreatur habe ihn angegriffen, also hat er sie erschossen.«

Blefary schlug sein Notizbuch gegen seinen Oberschenkel. »Da ballert ein Typ angeblich ein Monster weg, stopft es in seinen Schuppen und Sie denken nicht daran, die Cops zu rufen?«

»Wir haben uns mit unserer Rechtsabteilung beraten«, schaltete sich Ehrenberg ein. »Alles deutet darauf hin, dass Mister Welsh in Notwehr gehandelt hat. Das Tier, auf das er geschossen hat, stand nicht auf der Liste der gefährdeten Arten, da seine Existenz bis heute nicht bewiesen ist. Und in Anbetracht dessen, was während unserer Expeditionen passiert ist, hielten wir es für das Beste, die Sache unter Verschluss zu halten.«

»Dachten Sie?«, bellte Blefary. »Für wen zum Teufel halten Sie sich eigentlich? Sie sind keine Gesetzeshüter. Sie sind nicht einmal eine offizielle Bundesbehörde. Sie sind Zivilisten. Zivilisten, die ihr Wissen über kriminelle Aktivitäten vielleicht für sich behalten haben!«

»Nun mal langsam, Detective.« Ehrenberg hielt beruhigend eine Hand hoch. »Wie ich schon sagte, haben wir mit den Anwälten der FUBI alles überprüft, und sie konnten keine Beweise dafür finden, dass Mister Welsh ein Verbrechen begangen hat.«

»Natürlich würde ein verdammter Anwalt das behaupten. Sagen Sie mir wenigstens, dass Sie keine Beweise manipuliert haben.«

»Wir haben versucht, das nicht zu tun«, sagte Rastun.

Blefarys Kopf drehte sich zu ihm um. »Was meinen Sie mit Sie haben versucht, es nicht zu tun?«