Bushido - Inazo Nitobe - E-Book

Bushido E-Book

Inazo Nitobe

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Beschreibung

Bushido ist der Schlüssel zum Verständnis der Besonderheiten Japans. Das Buch "Bushido – Die Seele Japans" von Inazo Nitobe brachte, als es im Jahr 1905 veröffentlicht wurde, die reiche Ethik und Tradition der Samurai erstmals einem westlichen Publikum nahe. Niemals zuvor hatte ein Autor das Leben der Samurai auf Englisch derartig detailreich geschildert und zugleich nachgezeichnet, wie dieser Kodex den Charakter des japanischen Volkes über Jahrhunderte geprägt hat. Nitobe erklärt alle Aspekte des Samurai-Lebens, vom Schwerttraining bis zur kulturellen Erziehung. Dieses Buch ist ein Klassiker, auf den sich Generationen von Gelehrten und Laien gleichermaßen beziehen, um Einblicke in den Charakter des japanischen Volkes zu erhalten.

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BUSHIDODie Seele Japans

von Inazo Nitobé, A.M., Ph.D.(1899)

 

 

 

Übersetzung Heike Wolf (2021)

Copyright© Aureon Verlag GmbH

 

Ich widme dieses kleine buch meinem geliebten onkel Tokitoshi Ota der mich lehrte, die vergangenheit zu ehren und die taten der samurai zu bewundern

 

VORWORT

Als ich vor etwa zehn Jahren einige Tage unter dem gastfreundlichen Dach des angesehenen, mittlerweile verblichenen, belgischen Juristen M. De Laveleye verbrachte, wandte sich unsere Unterhaltung bei einer unserer Plaudereien der Religion zu. „Wollen Sie damit sagen“, fragte der ehrwürdige Professor, „dass es in Ihren Schulen keine religiöse Unterweisung gibt?“ Als ich dies bestätigte, hielt er plötzlich erstaunt inne und wiederholte mit einer Stimme, die ich nicht so schnell vergessen werde: „Keine Religion! Wie vermitteln Sie moralische Erziehung?“ Damals verblüffte mich die Frage. Ich konnte sie nicht umgehend beantworten, denn die moralischen Prinzipien, die ich in meiner Kindheit gelernt hatte, wurden nicht in den Schulen gelehrt, und erst als ich anfing, die unterschiedlichen Elemente zu analysieren, die meine Begriffe von Recht und Unrecht geformt hatten, stellte ich fest, dass es Bushido war, das sie mir eingegeben hatte.

Der unmittelbare Anlass für dieses kleine Buch liegt in den häufigen Fragen, die meine Frau mir über die Gründe stellte, warum diese und jene Gedanken und Gebräuche in Japan vorherrschen.

Durch meine Versuche, M. De Laveleye und meiner Frau zufriedenstellende Antworten zu geben, stellte ich fest, dass die moralischen Grundsätze des heutigen Japans ohne ein Verständnis von Feudalismus und Bushido1 ein Buch mit sieben Siegeln sind.

Angesichts Lafcadio Hearn und Mrs. Hugh Fraser einerseits und Sir Ernest Satow und Professor Chamberlain andererseits ist es allerdings entmutigend, etwas Japanisches auf Englisch zu schreiben. Der einzige Vorteil, den ich ihnen gegenüber habe, ist, dass ich die Rolle eines persönlich Angeklagten übernehmen kann, während diese bedeutenden Autoren höchstens Anwälte darstellen. Ich habe oft gedacht: „Wenn ich ihre sprachliche Begabung hätte, würde ich die Sache Japans mit eloquenteren Begriffen vertreten!“ Aber jemand, der in einer geliehenen Sprache spricht, soll dankbar sein, wenn er sich überhaupt verständlich machen kann.

Ich habe in der gesamten Abhandlung versucht, all meine Punkte mit entsprechenden Beispielen der europäischen Geschichte und Literatur zu unterlegen, da ich glaube, dass diese dabei helfen, das Thema dem Verständnis ausländischer Leser näherzubringen.

Sollte irgendeine meiner Anmerkungen zu religiösen Themen und religiös Tätigen als beleidigend verstanden werden, vertraue ich darauf, dass meine Haltung zum Christentum an sich nicht infrage gestellt werden wird. Es sind die kirchlichen Methoden und die Arten, auf welche die Lehren Christi verschleiert werden, für die ich wenig übrig habe, nicht die Lehren selbst. Ich glaube an die Religion, die Er gelehrt und uns im Neuen Testament übermittelt hat, ebenso wie an das mit dem Herzen geschriebene Gesetz. Außerdem glaube ich, dass Gott ein Testament verfasst hat, das vielleicht von jedem Volk und jeder Nation „alt“ genannt werden kann – nichtjüdisch oder jüdisch, Christ oder Heide. Was den Rest meiner Theologie betrifft, muss ich die Geduld der Öffentlichkeit nicht strapazieren.

 

Inazo Nitobe

 

[1]Aussprache Boó-shee-doh'. Wenn ich japanische Worte und Namen ins Englische übertrage, wende ich das Hepburn-System an, gemäß welchem die Vokale wie in europäischen Sprachen und die Konsonanten wie im Englischen benutzt werden sollen. Anmerkung der Übersetzerin: Das Hepburn-System gilt bei der Übertragung ins Deutsche entsprechend.

INHALTSVERZEICHNIS

BUSHIDO ALS ETHISCHES SYSTEM

QUELLEN DES BUSHIDO

RECHTSCHAFFENHEIT ODER GERECHTIGKEIT

MUT, DER GEIST DES WAGENS UND ERTRAGENS

GÜTE, DEM GEFÜHL DES LEIDS

HÖFLICHKEIT

AUFRICHTIGKEIT ODER EHRLICHKEIT

EHRE

DIE TREUEPFLICHT

BILDUNG UND ERZIEHUNG EINES SAMURAI

SELBSTBEHERRSCHUNG

DIE RITUALE DES SUIZIDS UND DER WIEDERGUTMACHUNG

DAS SCHWERT ALS SEELE DES SAMURAI

DIE ERZIEHUNG UND STELLUNG DER FRAU

DER EINFLUSS BUSHIDOS

LEBT BUSHIDO NOCH?

DIE ZUKUNFT BUSHIDOS

 

BUSHIDO ALS ETHISCHES SYSTEM

Ritterlichkeit ist eine Blume, die in der Erde Japans nicht weniger heimisch ist als ihr Symbol, die Kirschblüte, auch ist sie kein vertrocknetes Exemplar einer uralten Tugend, die im Herbarium unserer Geschichte konserviert wird. Sie ist bei uns immer noch ein lebendes Objekt der Macht und Schönheit, und auch wenn sie keine greifbare Form annimmt, reichert sie doch die moralische Atmosphäre an und macht uns bewusst, dass wir immer noch unter ihrem wirkungsvollen Zauber stehen. Die Gegebenheiten der Gesellschaft, die sie geschaffen und genährt haben, sind schon lange verschwunden, aber so wie die weit entfernten Sterne, die nicht mehr existieren, immer noch ihre Strahlen auf uns werfen, so beleuchtet das Licht der Ritterlichkeit, welche ein Kind des Feudalismus war und diese sie hervorbringende Institution überlebt, weiterhin unseren moralischen Weg. Es ist für mich ein Vergnügen, dieses Thema in der Sprache Burkes zu behandeln, welcher die bekannte berührende Eulogie an der Totenbahre ihres europäischen Vorbilds hielt.

Ein trauriger Mangel an Informationen über den Fernen Osten offenbart sich, wenn ein solch gelehrter Wissenschaftler wie Dr. George Miller nicht zögert, zu behaupten, dass weder unter den Völkern des Altertums noch der modernen Orientalen je Ritterlichkeit existierte2 . Solche Ignoranz ist allerdings vollauf entschuldbar, da die dritte Auflage des Werkes des guten Doktors im selben Jahr erschien, in dem Commodore Perry an die Portale unseres Exklusivismus pochte. Mehr als ein Jahrzehnt später, ungefähr zu der Zeit, als unser Feudalismus in den letzten Zügen lag, richtete Karl Marx in seinem „Das Kapital“ die Aufmerksamkeit seiner Leser auf den besonderen Vorteil des Studiums der sozialen und politischen Institutionen des Feudalismus, die zu jener Zeit nur in Japan in ihrer aktiven Form betrachtet werden konnten. Ich möchte die westlichen Studenten der Geschichte und Ethik auf die gleiche Weise dazu einladen, die Ritterlichkeit im heutigen Japan zu studieren.

So verführerisch eine historische Abhandlung über die Vergleiche zwischen Feudalismus und Ritterlichkeit in Europa und Japan wäre, ist es doch nicht der Zweck dieses Texts, ausführlich darauf einzugehen. Mein Bestreben ist es, folgendes darzulegen: erstens den Ursprung und die Quellen unserer Ritterlichkeit, zweitens ihren Charakter und ihre Lehren, drittens ihren Einfluss auf die Massen und viertens ihre Kontinuität und das Fortbestehen ihres Einflusses. Von all diesen Punkten wird der erste nur kurz und oberflächlich behandelt werden, sonst müsste ich meine Leser auf die gewundenen Pfade unserer Geschichte führen, auf den zweiten werde ich ausführlicher eingehen, da er wahrscheinlich für Studenten Internationaler Ethik und Vergleichender Ethologie hinsichtlich unserer Denkweisen und Handlungen am interessantesten ist, die restlichen Punkte werden begleitend behandelt.

Das japanische Wort, das ich grob mit Ritterlichkeit übersetzt habe, ist im Original ausdrucksstarker als Reitkunst. Bu-shi-do bedeutet wörtlich Militärische-Ritter-Verhaltensweisen – die Verhaltensweisen, welche adlige Krieger sowohl in ihrem Alltagsleben wie auch bei ihrer Berufung befolgen sollten, zusammengefasst, die „Gebote des Rittertums“, die noblesse oblige der Kriegerklasse. Nachdem ich somit die wörtliche Bedeutung erläutert habe, mag es mir von nun an gestattet sein, das Wort im Original zu benutzen. Die Benutzung des Originalbegriffs ist auch deshalb ratsam, weil eine so eingegrenzte und einzigartige Lehre, welche ein so besonderes, so lokales, geistiges und charakterliches Bewusstsein zur Folge hat, das Abzeichen der Einzigartigkeit tragen muss. Außerdem haben einige Worte ein nationales Timbre, das lokale Charakteristiken so gut ausdrückt, dass selbst die besten Übersetzer ihnen kaum gerecht werden können, sondern ihnen Unrecht tun. Wer kann durch eine Übersetzung verbessern, was das deutsche „Gemüt“ bedeutet, und wer spürt nicht den Unterschied zwischen zwei sprachlich so eng verbundenen Worten wie dem englischen gentleman und dem französischen gentilhomme?

Bushido ist also der Kodex moralischer Prinzipien, welche die Ritter zu befolgen hatten. Es ist kein schriftlicher Kodex, er besteht höchstens aus einigen Maximen, die mündlich überliefert wurden oder aus der Feder eines bekannten Kriegers oder Gelehrten flossen. Häufiger ist es ein unausgesprochener und ungeschriebener Kodex, welcher tatsächliche Handlungen beurteilt, ein Gesetz, das auf die fleischlichen Tafeln des Herzens geschrieben wurde. Er wurde nicht von einem Gehirn, wie fähig auch immer, oder dem Leben einer einzigen Person, wie angesehen auch immer, begründet. Er entwickelte sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte militärischen Lebens. Vielleicht hat er in der Geschichte der Ethik dieselbe Position inne wie die englische Verfassung in der politischen Geschichte, und doch ist er nicht mit der Magna Charta oder dem Habeas Corpus Act zu vergleichen. Es stimmt, im frühen siebzehnten Jahrhundert wurden Militärgesetze (Buké Hato) verkündet, aber ihre dreizehn kurzen Paragraphen befassten sich überwiegend mit Ehen, Schlössern, Bündnissen etc. und didaktische Regeln wurden nur knapp behandelt. Deshalb können wir keine spezifische Zeit, keinen spezifischen Ort nennen und sagen: „Da ist die Quelle.“ Nur im Hinblick auf das Bewusstsein für ihn im Feudalzeitalter, seine zeitlichen Ursprünge, kann er mit dem Feudalismus gleichgesetzt werden. Aber der Feudalismus selbst ist ein Geflecht aus vielen Fäden, ebenso wie Bushido. Während man sagen kann, dass die politischen Institutionen des Feudalismus in England auf die Zeit der normannischen Eroberung zurückgehen, können wir sagen, dass er in Japan zeitlich mit Yoritomo aufstieg, im späten zwölften Jahrhundert. Und doch, Elemente des Feudalismus sind in England weit vor der Zeit von Wilhelm dem Eroberer zu finden und die Saat des Feudalismus in Japan gab es ebenfalls schon lange vor der von mir erwähnten Epoche. Wie in Europa erlangten zudem auch in Japan die Berufskrieger mit der offiziellen Einführung des Feudalismus Bedeutung. Diese wurden als samurai bekannt, wörtlich bedeutet es wie das alte englische cniht (Knecht, Ritter) Wärter oder Begleiter – vom Wesen her den soldurii ähnlich, deren Existenz in Aquitanien Cäsar erwähnt, oder den comitati, welche laut Tacitus zu seiner Zeit germanischen Häuptlingen folgten, oder, um einen späteren Vergleich zu erwähnen, den milites medii, über die man in der Geschichte des mittelalterlichen Europas liest. Auch ein sino-japanisches Wort, Bu-ké oder Bu-shi (kämpfende Ritter) wurde in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen. Sie waren eine privilegierte Klasse und scheinen ursprünglich eine raue Gruppe gewesen zu sein, die das Kämpfen zu ihrer Berufung machte. Diese Klasse wurde in einer lange Phase ständiger Kriege natürlich aus den Männlichsten und Abenteuerlichsten rekrutiert und der Prozess der Eliminierung dauerte stetig an, die Zaghaften und Schwachen wurden aussortiert und nur „eine grobe Rasse, völlig maskulin, von animalischer Kraft“, um Emersons Ausdruck zu verwenden, überlebte, um Familien und die Reihen der samurai zu gründen. Nachdem ihnen große Ehren und zahlreiche Privilegien gewährt wurden, damit einhergehend große Verantwortung, verspürten sie bald das Bedürfnis nach einem gemeinsamen Verhaltensstandard, insbesondere da sie einander kriegerisch gegenüberstanden und zu unterschiedlichen Clans gehörten. Genau wie Ärzte aus beruflichem Entgegenkommen den Wettbewerb untereinander begrenzen, genau wie Anwälte sich im Fall verletzter Etikette vor einem Ehrengericht verantworten müssen, so müssen auch Krieger über eine Möglichkeit verfügen, über ihre Vergehen ein endgültiges Urteil sprechen zu lassen.

Anständiges Verhalten im Kampf! Welch fruchtbare Saat der Moral liegt in dieser schlichten Begrifflichkeit aus unzivilisierten Anfangszeiten. Ist es nicht die Wurzel aller militärischen und bürgerlichen Tugenden? Wir lächeln (als ob wir darüber hinausgewachsen wären!) über den jungenhaften Wunsch des kleinen Briten, Tom Brown, „als ein Bursche in Erinnerung zu bleiben, der nie einen kleinen Jungen gequält oder sich einem großen nicht gestellt hat“. Und doch, wer weiß nicht, dass dieser Wunsch der Eckpfeiler ist, auf dem moralische Konstruktionen von gewaltigen Ausmaßen aufgebaut werden können? Kann ich nicht sogar so weit gehen, zu behaupten, dass die sanfteste und friedliebendste aller Religionen diese Bestrebung unterstützt? Dieser Wunsch Toms ist die Grundlage, auf welcher die Größe Englands größtenteils ruht, und wir werden nicht lange brauchen, um zu erkennen, dass Bushido auf keinem geringeren Podest steht. Wenn das Kämpfen an sich, ob nun offensiv oder defensiv, brutal und falsch ist, so wie die Quäker zu Recht behaupten, können wir immer noch mit Lessing sagen: „Wir wissen, aus welchen Fehlern unsere Tugend keimt.“3 „Kriecher“ und „Feiglinge“ sind Schimpfnamen, die für gesunde, einfache Gemüter die schlimmste Schmähung bedeuten. Die Kindheit beginnt das Leben mit diesen Begriffen, das Rittertum ebenfalls, aber während das Leben sich ausdehnt und seine Beziehungen vielseitig werden, sucht der frühe Glaube bei höheren Autoritäten und vernunftbegabteren Quellen Bestätigung für seine eigene Rechtfertigung, Befriedigung und Entwicklung. Wenn militärische Interessen allein agiert hätten, ohne höhere moralische Unterstützung, wie weit wäre das Ideal des Rittertums von der Ritterlichkeit abgewichen! In Europa machte das Christentum der Ritterlichkeit bequeme Zugeständnisse, durchdrang sie aber trotzdem mit spirituellen Informationen. „Religion, Krieg und Ruhm waren die drei Seelen eines perfekten christlichen Ritters“, sagt Lamartine. In Japan gibt es zahlreiche

[2]History Philosophically Illustrated, (3. Auflage 1853), Band II, S. 2.

[3]Ruskin war einer der sanftesten und friedliebendsten Männer, die je lebten. Trotzdem glaubte er mit der ganzen Inbrunst eines Anhängers anstrengenden Lebens an den Krieg. „Wenn ich Ihnen mitteile“, sagt er in The Crown of Wild Olive, „dass Krieg die Grundlage aller Künste ist, meine ich auch, dass er die Grundlage aller hohen Tugenden und Fähigkeiten der Menschheit ist. Es ist für mich sehr seltsam, und sehr schrecklich, dies zu entdecken, aber ich erkannte, dass es eine unleugbare Tatsache ist. (…) Kurz gesagt fand ich heraus, dass alle großen Nationen die Wahrheit ihrer Worte und Stärke ihrer Gedanken im Krieg lernten, dass sie im Krieg genährt wurden und durch den Frieden abmagerten, durch den Krieg gelehrt und den Frieden betrogen, durch den Krieg geübt und den Frieden verraten wurden; in einem Wort, dass sie im Krieg geboren wurden und im Frieden starben.“

 

QUELLEN DES BUSHIDO

und ich werde mit dem Buddhismus anfangen. Er bot ein Gefühl ruhigen Vertrauens in das Schicksal, eine stille Unterwerfung unter das Unausweichliche, jene stoische Gelassenheit angesichts von Gefahr oder Unheil, jene Geringschätzung des Lebens und freundliche Beziehung zum Tod. Als ein führender Lehrer der Schwertkunst sah, wie sein Schüler den Gipfel seiner Kunst meisterte, sagte er ihm: „Ab nun muss mein Unterricht der Zen-Lehre Platz machen“ „Zen“ ist das japanische Äquivalent für das Dhyâna, welches „das menschliche Bemühen, durch Meditation Bereiche des Denkens zu erreichen, welche über die verbale Ausdrucksweise hinausgehen, repräsentiert.“ 4 Seine Methode ist die Kontemplation und seine Intention, soweit ich sie verstehe, ist es, von einem Prinzip überzeugt zu sein, welches allen Phänomenen zugrunde liegt, sowie, wenn es möglich ist, von dem Absoluten selbst, und sich in Harmonie mit dem Absoluten zu versetzen. Auf diese Weise definiert war die Lehre mehr als das Dogma einer Sekte, und wer immer die Erkenntnis des Absoluten an sich erreicht, erhebt sich über weltliche Dinge und erwacht „für einen neuen Himmel und eine neue Erde.“

Shintoismus bot das im Überfluss, was der Buddhismus nicht geben konnte. Solche Treue zum Souverän, solche Verehrung des Andenkens der Vorfahren und solcher Respekt gegenüber den Eltern, wie sie den Doktrinen des Shinto innewohnen, werden von keinem anderen Glauben gelehrt und verleihen dem ansonsten arroganten Wesen des Samurai Passivität. Die Shinto-Theologie kann mit dem Dogma der „Erbsünde“ nichts anfangen. Im Gegenteil, man glaubt an das angeborene Gute und die gottähnliche Reinheit der menschlichen Seele, verehrt sie als Allerheiligstes, von dem aus die göttlichen Orakel verkündet werden. Jeder hat gesehen, dass die Shinto-Schreine auffallend nicht mit Dekoration und Objekten der Verehrung ausgestattet sind und dass ein einfacher, im Allerheiligsten hängender Spiegel den wesentlichen Teil der Einrichtung darstellt. Das Vorhandensein dieses Gegenstands ist leicht zu erklären: er verkörpert das menschliche Herz, welches, wenn es absolut gelassen und rein ist, das Bild der Gottheit widerspiegelt. Wenn Sie also zum Beten vor dem Schrein stehen, sehen Sie auf seiner glänzenden Oberfläche Ihr eigenes Bild gespiegelt und die Handlung der Anbetung entspricht der alten delphischen Aufforderung: „Kenne dich selbst.“ Aber sich selbst zu kennen bedeutet weder in der griechischen noch in der japanischen Lehre das Wissen über den körperlichen Anteil des Menschen; nicht seine Anatomie oder seine Psychophysik, sondern das Wissen sollte moralischer Art sein, die Selbstbeobachtung unseres moralischen Wesens. Mommsen sagte, als er die Griechen und die Römer verglich, wenn Ersterer betete, hob er seinen Blick zum Himmel, denn sein Gebet war Kontemplation, während Letzterer seinen Kopf verschleierte, denn seines war Reflexion. Unsere Reflexion stellte, im Grunde wie das römische Konzept der Religion, nicht so sehr das moralische, sondern das nationale Bewusstsein des Einzelnen in den Vordergrund. Die Anbetung der Natur ließ uns in tiefster Seele Zuneigung für das Land empfinden, während die Anbetung der Vorfahren mit ihrer Rückverfolgung der Abstammung die kaiserliche Familie zum Ursprung der ganzen Nation machte. Für uns ist das Land mehr als Boden, aus dem man Gold abbauen oder Erde, aus der man Getreide gewinnen kann – es ist die heilige Wohnstätte der Götter, der Geister unserer Vorväter: für uns ist der Kaiser mehr als der höchste Marschall eines Rechtsstaats oder sogar der Schirmherr eines Kulturstaats – er ist der körperliche Repräsentant des Himmels auf Erden, der in seiner Person dessen Macht und Gnade vereint. Wenn das, was M. Boutmy 5 über das englische Königshaus sagt, wahr ist – dass es „nicht nur das Abbild der Autorität, sondern der Autor und das Symbol nationaler Einigkeit ist“, und ich halte es für wahr, dann kann dies doppelt und dreifach vom japanischen Königshaus behauptet werden.

Die Grundsätze des Shintoismus befassen sich mit den zwei vorherrschenden Aspekten des emotionalen Lebens unseres Volkes – Patriotismus und Treue. Arthur May Knapp sagt sehr richtig: „In der hebräischen Literatur ist es oft schwierig, festzustellen, ob der Autor über Gott oder das Gemeinwesen spricht, über den Himmel oder Jerusalem, über den Messias oder die Nation selbst.“ 6 In der Nomenklatur unseres Nationalglaubens kann ähnliche Verwirrung festgestellt werden. Ich sage Verwirrung, da es einem logischen Intellekt aufgrund der wörtlichen Ambiguität so erscheinen wird, trotzdem gibt der Shintoismus nie vor, eine systematische Philosophie oder eine rationale Theologie zu sein, er ist ein Gerüst nationalen Instinkts und nationaler Gefühle. Diese Religion – oder ist es nicht korrekter zu sagen, die Nationalgefühle, welche die Religion ausdrückte? – durchdrang Bushido vollständig mit Treue für den Souverän und Liebe für das Land. Diese wirkten eher als Impulse denn als Doktrinen, da Shintoismus, anders als die mittelalterliche christliche Kirche, seinen Anhängern kaum eine credenda vorschrieb und sie gleichzeitig mit einer direkten und schlichten agenda ausstattete.

Hinsichtlich grundsätzlich ethischer Doktrinen waren die Lehren des Konfuzianismus die ertragreichste Quelle des Bushido. Dessen Darlegung der fünf moralischen Beziehungen zwischen Herr und Diener (den Regierenden und den Regierten), Vater und Sohn, Ehemann und Ehefrau, älterem und jüngerem Bruder und zwischen Freund und Freund waren eine Bestätigung dessen, was der Nationalinstinkt erkannt hatte, bevor seine Schriften aus China eingeführt wurden. Der ruhige, gütige und lebenskluge Charakter seiner politisch-ethischen Gebote passte zu den Samurai, welche die herrschende Klasse bildeten, besonders gut. Sein aristokratischer und konservativer Ton war auf die Erfordernisse dieser Krieger-Staatsmänner zugeschnitten. Neben Konfuzius war Mengzi eine wichtige Autorität für Bushido. Seine überzeugenden und oft ziemlich demokratischen Theorien waren für Menschen mitfühlender Natur überaus überzeugend und wurden sogar als umstürzlerisch und gefährlich für die bestehende soziale Ordnung angesehen, deshalb waren seine Werke lange Zeit verboten. Trotzdem fanden die Worte dieses überragenden Geistes in den Herzen der Samurai eine dauerhafte Bleibe.

Die Schriften von Konfuzius und Mengzi wurden zu den wichtigsten Lehrbüchern für Jugendliche und der höchsten Autorität in den Diskussionen der Alten. Reine Bekanntschaft mit den Klassikern dieser beiden Weisen wurde allerdings nicht hoch geachtet. Ein gängiges Sprichwort belächelt jene, die nur intellektuelles Wissen über Konfuzius besaßen, als stets lerneifrige Männer, die aber die Analekten