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Die schönsten Ausflugsziele im Fünfseeland jenseits der touristischen Pfade. Entdecken Sie Künstler, die ihre Kunst vor Ort verkaufen und unbekannte Cafés deren Konzepte besonders sind. Orte, die oft nicht mal die Einheimischen kennen. Das Fünfseenland ist besonders. Noch besonderer sind die Menschen, die dort leben: Künstler und Cafébetreiber erzählen, welche Fußballstars bereits ihren Kuchen gegessen haben, wie ihre Kunstwerke nach Monte Carlo kamen und was sie mit den Rosenheim-Cops erlebten. Sie verraten ihre Lieblingsrezepte und ganz persönlichen Ausflugstipps in ihrer Nähe: Geheimtipps, die es zu entdecken gilt.
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Seitenzahl: 148
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Angelika Dietrich, Angelika Röder
Besondere Menschen und Orte laden ein
Begegnungen
Ammersee
Café Süßwahn
Keramik Lösche
Nuë Ammann
Café Tal des Lebens
SchokoSphäre
Katharina Haebler
Alexandra von Schönberg
Iris von Huene
Mattias Bischoff
Pilsensee, Weßlinger See, Wörthsee
Nele Spari
Andreas Huber
Café am See
Nicole Weiß
Starnberger See
Café Piccolino
Café Frühtau
Hans Panschar
Café Freiraum
Tom Carstens
Anna Bellmann
Corinna Post
SainerZeit – Café der schönen Dinge
Bernrieder Hofladen
Café Käthe
Johannes Hofbauer
Angelika Littwin-Pieper
Café im Waschhäusl
Josef Wagner
Die Seemadames
Noch mehr Begegnungen
Register
Impressum
Rund um die fünf Seen laden Menschen, Cafés und Ausflüge zu Entdeckungen ein.
Versteckte Plätze laden ein innezuhalten und ins Gespräch zu kommen.
Ja, wir waren neugierig: Wir wollten sie kennenlernen, die Menschen, die aus Überzeugung ein kleines Café betreiben und mit Liebe einrichten. Die Künstler, die ab und an ihre Ateliers öffnen, oft aber im Verborgenen ihre Kunstwerke anfertigen. Wir wollten diejenigen vorstellen, die besondere Dinge anfertigen, möglichst in kleinem Format: kleine Kunst »zum Mitnehmen«. Das Kunstwerk, das eine Erinnerung ist an die Region, in der man lebt oder in der man Urlaub gemacht hat.
Die Auswahl fiel uns nicht leicht. Es gibt ganze »Künstlernester«, wie Holzhausen am Starnberger See oder Dießen am Ammersee, über die man ein eigenes Buch schreiben könnte. Es gibt so viele Maler im Fünfseenland, dass man über sie mehrere Bände füllen könnte. Deshalb haben wir nur einen einzigen Maler porträtiert, der schon eine Institution am Starnberger See ist.
Viele Begegnungen hielten Überraschendes bereit: Wir trafen einen Schmied, der für die Regisseure Doris Dörrie und Oliver Hirschbiegel gearbeitet hat. Wir besuchten eine Papierkünstlerin, deren Werke jetzt in Monaco hängen. Wir trafen eine Konzeptkünstlerin, die vier Berufe ausübte, bevor sie ihre Berufung fand. Wir lernten Künstler kennen, die von ihrem Schaffen leben können, andere, die nebenbei noch Geld verdienen müssen. Wir besuchten Cafés, die ehrenamtlich betrieben werden oder zusätzlich als Touristenbüro oder Boutique fungieren. Wir trafen Cafébetreiber, die ausgebildete Konditoren sind und solche, die aus einer ganz anderen Branche kommen. Alle Cafébetreiber gaben uns das Rezept eines Kuchens mit, den sie für ihre Gäste besonders gern backen.
Obwohl wir beide hier aufgewachsen sind, entdeckten wir Orte, an denen wir noch nie waren und an denen wir die Zeit vergaßen. Wir lernten warmherzige Menschen kennen, die (zum Teil nach Umwegen) gefunden haben, was ihr Leben lebenswert macht. Jede Begegnung hat uns bereichert und ließ uns mit einem Lächeln nach Hause fahren.
Wir wünschen Ihnen, dass es Ihnen genauso geht. Lassen Sie sich auf die Begegnungen ein, ziehen Sie selbst los, kommen Sie ins Gespräch. Je besser man die Menschen kennt, desto vertrauter ist einem eine Gegend.
Als Denise Peters den Film Chocolat gesehen hatte, wusste sie, dass sie einmal ein eigenes Café haben wollte und wie es aussehen sollte. Die Möbel kaufte sie gebraucht oder baute sie selbst. Ihre Kuchen und Torten sehen aus wie kleine Kunstwerke.
Denise Peters mag es verspielt
Noch bevor sie lesen konnte, konnte Denise Peters schon backen. Ihre Mutter hatte ihr zum siebten Geburtstag einen kleinen Kinderherd geschenkt, mit richtigem Backrohr und echten Herdplatten. Da war Peters gerade in die Schule gekommen und lernte die ersten Buchstaben. Aber für einen Kuchenteig musste sie kein Rezept lesen können: Mehl, Eier, Milch, Zucker rührte sie nach Gefühl zusammen und füllte es in die kleine Gugelhupf-Form. Sie buk Pfannkuchen und kochte Suppe – es schien, als sei schon immer klar gewesen, was sie später mal zu ihrem Beruf machen würde. Und doch zögerte Denise Peters, als sie sich, gerade 18 Jahre alt, für eine Lehre entscheiden sollte: »Ich dachte, wenn Backen mein Beruf wäre, dann hätte ich vielleicht bald keine Lust mehr darauf.« Das, was man liebt, als Hobby bewahren. Aber die Praktika im Hotelfach, Betten machen und Bäder putzen, waren nicht ihr Fall. »Ich wollte kreativ arbeiten, etwas mit den Händen machen.« Also doch eine Konditorenlehre. In Landsberg, nicht weit vom heimischen Finning. Nach der Lehre wechselte die, nun ja, »frischgebackene« Konditorin, vom Ammersee an den Starnberger See: Im Starnberger Hotel La Villa schuf man für die damals 21-Jährige den Posten der Patissière – sie war zuständig für Nachtisch und Hochzeitstorten. Denise Peters durfte entscheiden, was auf die Dessert- und Kuchenteller kam. Kreierte einen gâteau au chocolat plus Sorbet, kredenzte Moussetörtchen mit filigranem Schokodekor, erfand ein salziges Vanillekrokant. Buk Hochzeitstorten, manchmal bis zu fünf Stockwerke hoch, die sie mal mit Zuckerrosen verzierte, mal mit lila Schokoblättchen und Zuckerschwänen dekorierte. Ein Traumjob. Aber ihr Traum war, sich mit dem Job selbstständig zu machen. Also folgte ein Meisterkurs und die Rückkehr an den Ammersee: Denise Peters wusste von einer ehemaligen Pizzeria, in deren Räumen sich verschiedene Handwerker und Künstler eingemietet hatten und dort ihre Sachen verkauften. Die einstige Küche stand leer – dort richtete sie sich eine Backstube ein, buk Kuchen und Torten auf Bestellung, gab Pralinenkurse, Backkurse, Cakepop-Kurse. Zum perfekten Glück fehlten nur Räume für ein Café. Die fand die Patissière im Jahr 2015 nur zwei Straßen weiter. Sie besorgte wuchtige Theken, rote Samtsofas und -sessel im Stil der Gründerzeit. Kronleuchter und Teekannen-Lampen. Eine alte Registrierkasse. So wie sie es sich immer für ihr Café vorgestellt hat, seit sie den Film Chocolat gesehen hatte: eine Mischung aus Wiener Kaffeehaus und französischer Patisserie mit einem Schuss Vintage-Look. In der Vitrine leuchten gelb Zitronentarte und Käsekuchen, rosa die Eclairs und Himbeertorte.
Denise Peters' Tipp:
Spazierengehen im weitläufigen Schacky-Park bis hin zum Teehaus; oft stellen Künstler im Park ihre Skulpturen aus.
Die Lage ist perfekt – auch deshalb, weil sich rund um Dießen mit seinem prächtigen barocken Münster die Hochzeitslocations reihen: Wer hier heiratet, feiert oft bei Ammersee-Events in der Alten Brauerei in Stegen, im Seehaus in Riederau, beim Schreyegg in Stegen. Und wer heiratet, braucht eine Torte, braucht Denise Peters. Ihr Geschick und ihre Beratung. Der Trend derzeit: der naked cake. Kuchenböden pur, ohne Überzug, mit vielen Früchten, Beeren, Blüten garniert. Ohne aufwendigen Zuckerüberzug. Peters stimmt das Dekor auf die Farben von Blumen, Deko, Tischschmuck des Brautpaares ab. Sie liebt die diffizilen Dekorationen, wie kleine Kunstwerke sehen ihre Torten, Eclairs und Törtchen aus – schon als Kind hat sie viel gemalt und gezeichnet. »Aber es ist wichtig, dass es nicht nur gut aussieht, es muss auch schmecken.« Denise Peters macht sich die Rezepte passend, verwendet weniger Zucker, verfeinert den Teig mit natürlichen Aromen wie Vanille, Erdbeere oder Tonkabohne, bäckt nur mit Dinkelmehl und Bioeiern. Und am liebsten nach Rezepten aus der französischen Küche: Die Familie ihres Vaters stammt aus der Karibik, aus Guadeloupe. Zwei Tanten leben dort, zwei in Paris. Klar, dass sie dort gerne in den Patisserien unterwegs ist: »Die Franzosen probieren mehr aus«, findet sie. Wie sie den Dießenern die französischen Backwerke näherbringen kann, daran tüftelt die Konditorin noch: Noch essen sie lieber Käsekuchen als Petit Fours oder Eclairs.
Eine Sache immerhin hat sie schon eingeführt: Ihre Patisserie schmückt sich gleichzeitig mit dem Titel Spielecafé – ein Trend, der im Norden der Republik schon weit verbreitet ist. In ihrer Familie wurden schon immer lang und ausdauernd Gesellschaftsspiele gespielt, knifflige Strategiespiele haben es Denise Peters besonders angetan. Zwar war das Haus immer voll, aber um noch mehr Leute dafür zu begeistern, gründeten Mutter und Tochter vor ein paar Jahren in Finning einen Spieleverein. »Spielen verbindet«, sagt Peters. Alle zwei Wochen treffen sich die Mitglieder von Spielkultur samstags im Haus von Denises Mutter, dort wird ab 17 Uhr gewürfelt, gezogen und strategisch gedacht, stundenlang. Mehr als 300 Spiele gibt es dort, im Café finden sich immerhin ein Zehntel davon: Klassiker meist, wie Scrabble oder Die Siedler von Catan. Spielen kann jeder, der Lust hat. Dazu ein selbst gebackenes Stück Kuchen. Und es ist, als säße man daheim im Wohnzimmer.
CAFÉ SÜßWAHN
Schützenstraße 32 • 86911 Dießen am Ammersee Tel.: 08807/946 80 64 • www.suesswahn.de Öffnungszeiten: Mi–Fr 10–13 Uhr und von 14–18 Uhr, Sa–So 10–18 Uhr aktuelle Angaben auf der WebseiteTIPP Schacky-Park, Vogelherdstraße, 86911 Dießen am Ammersee
Denise Peters will ihren Gästen die französische Patisserie schmackhaft machen.
Zutaten für die Mandelmasse
(ergibt etwa 20 Macarons)
2 Eiklar (60 g)
40 g Zucker
70 g gemahlene und geschälte Mandeln
140 g Puderzucker backfähige Lebensmittelfarbe (etwa über www.pati-versand.de oder www.backtraum.eu)
Zutaten für die Himbeer-Marzipancreme
50–60 g gefrorene
Himbeeren für 30–50 ml
Himbeerpüree
100 g Marzipan
40 g Puderzucker
Vanille und/oder
1 TL Himbeergeist
Außerdem
Spritzbeutel und Lochtülle (8–12 mm)
Zubereitung
Die Mandeln und den Puderzucker mischen und mit dem Mixer noch feiner mahlen – nicht zu lange! Es soll schön pudrig bleiben.
Das Eiweiß mit dem Handrührer anschlagen und den Zucker hineinrieseln lassen, weiterschlagen. Wenn das Eiweiß Spitzen bildet, die rote Lebensmittelfarbe kurz unterrühren.
Nun den Mandelpuder nach und nach zur Eischneemasse sieben und behutsam unterheben, bis eine glatte Masse entsteht, die nur langsam vom Spatel tropft.
Diese Masse sofort in eine Spritztüte mit Lochtülle füllen (Achtung, die Masse trocknet schnell aus) und auf ein mit Backpapier belegtes Blech spritzen. Dazu die Spritztüte senkrecht etwa 1 cm über das Backpapier halten und die Mandelmasse gleichmäßig aus der Tüte drücken. Für das nächste Macaron neu ansetzen und einen Fingerbreit Abstand lassen. Der Durchmesser der rohen Macarons sollte etwa 2 cm betragen.
Dann die Macarons 45 Minuten bei Raumtemperatur antrocknen lassen, sodass eine leichte Fingerberührung die Oberfläche nicht mehr verletzt. Das ist sehr wichtig, denn so reißt die Oberfläche der Macarons beim Backen nicht auf und die gewünschten »Füßchen« entstehen.
Die angetrockneten Macarons 15 Minuten bei 150–170 °C backen.
Wenn die Macarons beim Backen zu stark aufgehen, ist die Backtemperatur für diesen Ofen zu hoch! Beim nächsten Mal eine niedrigere Temperatur wählen.
Die fertig gebackenen Macarons mit dem Backpapier vom Blech ziehen und auskühlen lassen.
Aufgetaute Himbeeren mit einem Pürierstab pürieren und durch ein Sieb streichen. Das so entstandene Himbeerpüree mit dem Marzipan und dem Puderzucker per Hand zu einer zähflüssigen Masse kneten. Dann mit dem Handrührgerät gut durchrühren, um letzte Klümpchen zu zerkleinern. Mit Vanille- und/oder Himbeergeist abschmecken. Falls die Masse zu flüssig ist, noch etwas Marzipan mit einkneten. Die Creme in eine Spritztüte füllen und auf jede zweite Macaronhälfte spritzen. Dann zusammensetzen.
Der Keramikbetrieb ist seit Generationen eine archäologische Fundgrube
Man mag es Schicksal nennen, Zufall oder Fügung: Es war im Jahr 1938, da ließ sich der Professor für Bildhauerei, Karl Lösche, in Dießen nieder. Und ab diesem Moment begannen sich die Geschichte eines Grundstücks mit der Geschichte einer Familie eng zu verweben. Ja sogar mit der Geschichte des Ortes und einer ganzen Zunft.
Die Familie bezog das Haus am Kirchsteig 19. Die Dorfleute nannten es das »Hafnerhaus«. Denn einst hatten hier Töpfer gelebt – oder Hafner, wie man früher sagte. Aber das erfuhren die Lösches erst viele Jahre später. Dießen zog stets schon viele Keramiker an, schließlich wurde hier Ton abgebaut, eine besondere Sorte, die beim Brennen schön hell wird. Ideal, um Fayencen herzustellen – eine bestimmte Art weißer und bemalter Tonwaren. Auch das erfuhren Lösches erst viel später. Wie das Schicksal (oder der Zufall) es wollte, begann sich auch Karl Lösches Sohn Ernst für die Keramik zu interessieren. Vielleicht weil die Familie des Vaters bereits als Maler und Modelleure in den Thüringer Porzellanmanufakturen tätig war und ihm das Interesse für dieses Handwerk sozusagen mit in die Wiege gegeben wurde. Wie auch immer: Ernst Lösche baute die ehemalige Wagenremise auf dem Grundstück um und eröffnete dort im Jahr 1945 eine Werkstatt. Er fertigte in den 50er- und 60er-Jahren knallbunte bauchige Bodenvasen und Krüge, schuf Gartenkugeln, Eulen und Elefanten, färbte mit Eichenasche, Brennnesselasche, Rosenasche. Er befasste sich mit der Technik des Schwarzbrandes: Hier wird der Ton im Holzofen und am Ende ohne Sauerstoff gebrannt. Es hätte so weitergehen können, hätte Ernst Lösche nicht 1962 einen Apfelbaum gepflanzt. Er grub ein Loch auf der Wiese hinter dem Haus, entfernte einen alten Wurzelstrunk und an diesem Strunk hing er: der Krug, nahezu unversehrt. Keramiker Lösche erkannte auf einen Blick: Das war kein fertiger Krug – es war das Abfallprodukt eines Keramikers. Ernst Lösches Forschergeist war erwacht. Er führte auf dem Grundstück systematische Ausgrabungen durch, vor allem seit Kanalarbeiten Ende der 70er-Jahre immer mehr Scherben an die Oberfläche brachten. Sein Sohn Wolfgang unterstützte ihn und begann Volkskunde und Vor- und Frühgeschichte zu studieren.
Eva Lösches Tipp:
Das Marienmünster besichtigen und dann nach Wengen laufen oder fahren. Von dort nach Bischofsried wandern: An der Kapelle Maria Schnee vorbei und weiter nach Bischofsried, die Anhöhe hinauf. Bei klarem Wetter hat man einen Blick über den Ammersee und die ganze Gebirgskette.
Die Keramikforschung war damals eine noch junge Disziplin. Wie bei einem Puzzle fügte sich langsam eins zum anderen: die vielen Scherben, die immer wieder beim Arbeiten im Garten aufgetaucht waren. Alles Reste von Fehlbränden und Zwischenprodukten: Werkstattbruch. Der Name »Hafnerhaus«. Die besonderen Muster und Farben, die auf den Scherben zu erkennen waren. Nun war bewiesen, dass Dießen eine der ersten Produktionsstätten für Fayencen in ganz Deutschland war. Schon im 17. Jahrhundert wurden diese weißen mit blauen Mustern versehenen Tonwaren in dem Ort am Ammersee gefertigt. Dabei wird das Gefäß nach dem ersten Brennen mit Zinnglasur weiß glasiert, dann malen Keramikmaler in die noch rohe Glasur hinein. Danach wird noch einmal gebrannt.
Das Landesamt für Denkmalpflege befand, die Scherben müssten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, und so richteten die Lösches auf ihrem Grundstück ein Museum ein: zwei kleine Räume über den Werkstätten. Man steigt die schmale Stiege hoch, vorbei an Weinranken, und betritt zwei Räume, die von der Geschichte der Dießener Keramikkunst vom 16. bis 18. Jahrhundert erzählen. Sogar ein Fundstück aus dem 11. Jahrhundert ist zu sehen. Kleine Apothekergefäße für Salben stehen in den Vitrinen, Stücke eines Kachelofens, die Figur der heiligen Judith mit dem Kopf des Heeresführers Holofernes in der Hand. Und immer wieder Fayencen aus dem 17. Jahrhundert. Bis auf wenige Ausnahmen alles Fundstücke vom eigenen Grundstück. Aus den Kirchenbüchern kennen Lösches inzwischen auch die Namen der Hafner: Wilhelm Rauch töpferte hier von 1679 bis 1693, ihm folgte bis 1726 Andreas Erntl.
Der Keramiker Ernst Lösche ließ die alte Tradition wieder aufleben: Fortan fertigte seine Werkstatt Fayencen, weiß mit blauen Mustern, originalgetreu, wie man sie auf den historischen Stücken gefunden hat. Die Blüten, erzählt seine Schwiegertochter Eva Lösche, Ehefrau von Wolfgang, hatte die Familie jahrelang für Tulpenblüten gehalten. Irgendwann erkannte man, dass es Granatapfelblüten waren. Man rekonstruierte Krüge, auf denen die Entwicklung eines Granatapfels von der Blüte zur Frucht dargestellt war und deren Rund an sechs Seiten platt gedrückt war, wie ein Granatapfel. Nichts, was Lösches heute auf die Fayencen malen lassen, ist zufällig, alles ist historisch belegt. Neben den historischen Formen werden in den Werkstätten aber auch klare, schlichte Vasen und Krüge gefertigt und neue Glasuren kreiert.
Wolfgang und Eva Lösche mit einem Fundstück von ihrem Grundstück: einem Apothekergefäß für Salben. Heute werden in den Werkstätten Fayencen nach alten Formen und historischen Mustern gefertigt, aber auch schlichte Gefäße und neue Glasuren kreiert.
Alle Muster, die Lösches auf die Fayencen malen lassen, sind historisch belegt. Die Keramikmaler zeichnen in die rohe Glasur hinein. Danach wird noch einmal gebrannt.
Als Ernst Lösche 2010 starb, war es keine Frage, dass sein Sohn Wolfgang und seine Tochter Dagmar Larasser mit ihren Familien die Werkstätte weiterführen. Erbe verpflichtet. Wolfgang Lösche selbst ist bei der Handwerkskammer München angestellt und leitet dort die Galerie Handwerk. Zudem ist er Marktleiter des Dießener Töpfermarktes. Seine Frau ist gelernte Textilkünstlerin und engagiert sich im Arbeitskreis Dießener Künstler. Im Pavillon am See, direkt am Dampfersteg, ist zu sehen, was der Künstlerort noch zu bieten hat – jenseits der Keramik: etwa die Broschen der Goldschmiedin Claudia Rinneberg, jede für sich eine kleine Szenerie. Die Ketten und Ringe der Goldschmiedin Magdalena Spensberger; die eisernen Schmetterlinge und Tiere ihres Vaters, des Kunstschmieds Walter Spensberger. Die Bilder von Annunciata Foresti und Martin Gensbaur, die Papierarbeiten von Marion Vorster, die Zinnfiguren der Familie Schweizer oder die eigenwilligen Holzrahmen und Figuren des Bildhauers Peter Wirsching – um nur ein paar der Künstler zu nennen.
Ganz selten denken die Lösches, was gewesen wäre, wenn damals nicht eine Keramikerfamilie das Haus bezogen und die Scherben so aufmerksam beäugt hätte. »Die Erde will, dass man hier was macht«, sagt Eva Lösche. An der Hauswand stapeln sich Obstkisten mit Tausenden Scherben, säuberlich beschriftet nach dem Fundort: »WBG 15«, »WGB 27«. WGB für Werkstattbruchgrube. »Man ist bei jeder Scherbe ehrfürchtig und findet sie interessant. Und man findet immer wieder ein Muster, bei dem man sagt: ›Oh, das haben wir noch nicht gehabt‹«, erzählt Eva Lösche. Wie einst Eva und Wolfgang Lösches Kinder bringt heute der Enkel gewissenhaft jede Scherbe: Sie wird abgespült, begutachtet und in die entsprechende Kiste gelegt. Ein Ende ist nicht in Sicht: Hinten im Garten wartet noch ein großer Berg Erde darauf, durchgesiebt zu werden. Die Erde gibt ihre Vergangenheit nur Stück für Stück preis.
KERAMIK LÖSCHE
Am Kirchsteig 19 • 86911 Dießen am Ammersee Tel.: 08807/18 77 • www.loesche-keramik.de Öffnungszeiten: Mo–Do 9–17 Uhr, Freitag und Samstag nach VereinbarungTIPP Marienmünster: Klosterhof 10a, 86911 Dießen am Ammersee
Nuë Ammann übte viele Berufe aus, bevor sie ihre Berufung fand. Sie war Designerin, Moderedakteurin, persönliche Assistentin von Strenesse-Chefin Gabriele Strehle, Heilpraktikerin und Drehbuchautorin. Heute gehört ihre Leidenschaft den Installationen.
Die Installationskünstlerin regt zum Nachdenken an
Nuë Ammanns Installationen sind so vielschichtig wie ihr Leben. Da ist etwa die Installation »vice versa«: Me We – zwei kleine neonorangefarbene Worte ragen aus aufgeklappten Büchern empor, spiegeln sich beim Näherkommen und bilden das Gegenteil ab: Aus Me wird We, aus We ein Me