Call it what you want - Für mich ist es Liebe - Alissa DeRogatis - E-Book
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Call it what you want - Für mich ist es Liebe E-Book

Alissa DeRogatis

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Beschreibung

Es ist wunderschön, es tut verdammt weh, es ist kompliziert: Call it what you want – für mich ist es Liebe.

Es ist ihr letztes Jahr am College – und Sloane will jede Minute davon genießen. Jede Menge Partys, billige Drinks und mit ihrer Mitbewohnerin zu The Chainsmokers singen, als ob die Nacht kein Ende hätte. Ihr Abschluss ist zum Greifen nah und sie träumt von New York und einer Karriere als Autorin. Das Letzte, was sie braucht, ist ein Mann, der ihren Zielen im Weg steht.

Dann trifft sie Ethan. Er ist groß, attraktiv und irgendwie geheimnisvoll. Die Anziehungskraft zwischen den beiden bringt ihre Welt zum Stillstand. Doch er kann und will ihr nichts versprechen. Zu groß ist seine Angst, sich zu öffnen. Sloane verliebt sich hoffnungslos, und mit jedem unbeantworteten Anruf und jedem unerwiderten Blick bricht ihr Herz noch ein bisschen mehr. Wird Ethan jemals bereit sein, sie aufzufangen?

Eine emotionale Achterbahnfahrt, herzzerreißend und healing, darüber wie wichtig es ist, seinen eigenen Wert zu kennen und sich mit nicht weniger zufrieden zu geben, als man verdient.

Der TikTok-Hit für alle Leser*innen von Laura Nowlin und Colleen Hoover und perfekt für dich, wenn du

-jeden Song von Taylor Swift feierst

-für Liebesgeschichten, die deine Welt ins Wanken bringen, lebst

-schon mal an jemanden geraten bist, der dich nicht so lieben konnte, wie du ihn geliebt hast …

Das sagen die Leser*innen: »Du weißt sofort, dass du Sloanes Geschichte kennst. Von deiner Freundin, deiner Schwester oder von dir selbst. Ihre Geschichte ist nicht einzigartig, aber genau das macht dieses Buch so einzigartig. Deshalb ist dieses Buch ein Muss für jede, die schon mal gedacht hat: Für mich wird er sich ändern.«

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 415

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Es ist wunderschön, es tut verdammt weh, es ist kompliziert: Call it what you want – für mich ist es Liebe.

Es ist ihr letztes Jahr am College – und Sloane will jede Minute davon genießen. Jede Menge Partys, billige Drinks und mit ihrer Mitbewohnerin zu The Chainsmokers singen, als ob die Nacht kein Ende hätte. Ihr Abschluss ist zum Greifen nah, und sie träumt von New York und einer Karriere als Autorin. Das Letzte, was sie braucht, ist ein Mann, der ihren Zielen im Weg steht.

Dann trifft sie Ethan. Er ist groß, attraktiv und irgendwie geheimnisvoll. Die Anziehungskraft zwischen den beiden bringt ihre Welt zum Stillstand. Doch er kann und will ihr nichts versprechen. Zu groß ist seine Angst, sich zu öffnen. Sloane verliebt sich hoffnungslos, und mit jedem unbeantworteten Anruf und jedem unerwiderten Blick bricht ihr Herz noch ein bisschen mehr. Wird Ethan jemals bereit sein, sie aufzufangen?

Eine emotionale Achterbahnfahrt, herzzerreißend und healing, darüber, wie wichtig es ist, seinen eigenen Wert zu kennen und sich mit nicht weniger zufriedenzugeben, als man verdient.

Alissa DeRogatis lebt und schreibt in Charlotte, North Carolina. Call It What You Want ist ihr erster Roman, und sie verarbeitet darin nicht nur ihre eigenen Erfahrungen, sondern wollte vor allem all denjenigen Leser*innen Mut machen, denen es schwerfällt, über den oder die Eine*n hinwegzukommen. Sie veröffentlichte Call It What You Want zuerst im self publishing, woraufhin der Titel die Amazon-Charts stürmte und zum TikTok-Hit wurde.

www.penguin-verlag.de

Alissa DeRogatis

Call It What You Want

Für mich ist es Liebe

Roman

Aus dem Englischen von Larissa Bendl

Die Originalausgabe erschien 2024

unter dem Titel Call it what you want

bei Sourcebooks, Naperville.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © der Originalausgabe by Alissa DeRogatis 2024

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2024

Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Lisa Wolf

Covergestaltung: bürosüd nach einem Entwurf und unter Verwendung einer Illustration von Hailey Moore

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-641-32365-3V001

www.penguin-verlag.de

Für eine jüngere Version meiner selbst.

Prolog

Sloane

Dezember 2018

Die Sonne scheint durch das kleine Fenster in meinem Schlafzimmer, als ich mich beim Klingeln des Sieben-Uhr-Weckers umdrehe und auf Snooze drücke. Die meisten New Yorker sind bereits hellwach und greifen zu ihren Hafermilch-Lattes und Avocado-Toasts, während mir von ein paar Gläsern Wein zu viel und nur drei Stunden Schlaf der Kopf dröhnt. Innerhalb eines Wimpernschlags kommen die Erinnerungen an die Ereignisse der vergangenen Nacht zurück, und ich spüre erneut den Schmerz durch meine Venen pulsieren.

Es hört einfach nicht auf. Ich weiß noch, wie weh es tat, ihn nur anzusehen. Ethan war immer derjenige, bei dem ich mich sicher fühlte, aber letzte Nacht hat sich das geändert. Es war, als hätte er ein Messer genommen und es mir wiederholt in die Brust gerammt. Jedes Mal, wenn ich ihn ansah, riss die Wunde erneut auf, der Schmerz war so frisch und roh wie beim ersten Mal. Als würde ich durch tausend kleine Schnitte verbluten.

Mitten im Satz hat er mich unterbrochen. »Ich kann das nicht mehr, Sloane. Ich glaube, das hier muss ein Ende haben.«

Ich hielt ein Glas meines Lieblings-Cabernets in der Hand, und innerhalb von Sekunden glitt es mir durch die Finger und zerschellte auf dem Boden. Instinktiv bückte ich mich, um die Scherben aufzuheben. Ich hasse Unordnung und hätte mich in dem Moment gern auf alles konzentriert außer auf dieses Gespräch. Ich schaute auf meine Hände hinunter und sah, dass aus meiner rechten Handfläche Blut quoll. Warum spüre ich es nicht? Warum kann ich nichts spüren? Ich beobachtete, wie er nach seinem Handy griff, um uns ein Uber zu rufen. Er bewegte sich schnell, aber in meiner Welt war es, als wäre die Zeit stehen geblieben.

Ich starrte ihn an, während er hektisch in meiner Küche hin- und herlief, um sich alles zu schnappen, was wir in der Notaufnahme gebrauchen könnten, und fragte mich, wo der Typ geblieben war, den ich auf dem College kennengelernt hatte – der Typ im verwaschenen Yankees-T-Shirt mit dem sanften Lächeln und den vertrauensvollen Augen. Ich hätte nie gedacht, dass ich ihn hassen könnte, und jetzt konnte ich ihn nicht mal mehr ansehen. Er sollte verschwinden, aber gleichzeitig wollte ich auch nicht, dass er ging. Niemals. Über zwei Jahre lang hatte ich ihn geliebt. Wie konnte er diese zwei Jahre mit fünf Worten beenden?

Ich kann das nicht mehr.

Die Worte liefen in einer Endlosschleife in meinem Kopf ab, als handele es sich um ein neues Taylor-Swift-Album, von dem ich versuchte, jedes Wort auswendig zu lernen. Ich glaube, das Schlimmste war die Erkenntnis, dass ich es irgendwo tief in mir drin längst wusste. Ich wusste, dass er nicht in der Lage war, dahin zu gelangen, wo ich ihn haben wollte. Da war nur auch die Hoffnung, ich würde mich irren.

Nein, wir waren nie zusammen. Er ist kein Ex-Freund. Er ist ein Ex-Vielleicht. Womöglich ist das alles, was wir je sein werden – ein unvollständiger Satz oder ein Buch, das jemand nach der Hälfte weggelegt und nie wieder zur Hand genommen hat, vorbei ohne Ende.

Teil 1: DAMALS

1

Sloane

August 2016

Plötzlich war er da, der erste Tag meines letzten Collegejahres. Mit einem aufgeregten Gefühl in der Brust und voller Vorfreude darauf, was das Jahr bringen würde, wachte ich auf. Ich spritzte mir Wasser ins Gesicht, tupfte etwas Mascara auf und bürstete mein natürlich glattes, rotbraunes Haar. Normalerweise trug ich nicht viel Make-up, und für die Vorlesungen beschränkte ich mich auf das absolute Minimum. Dazu zog ich ein weites Verbindungs-T-Shirt, Sportshorts und Sneaker an, bevor ich meinen Rucksack packte und mein Zimmer verließ.

In der Wohnung war es ruhig. Meine beiden Mitbewohnerinnen hatten sich – deutlich tapferer als ich – für Acht-Uhr-Kurse entschieden und waren längst unterwegs. Ich hingegen war eher der Neun-Uhr-dreißig-Typ. Ich suchte in der Küche nach einem Kaffeebecher zum Mitnehmen und brühte mir eine Tasse auf, scrollte durch mein Handy und wippte mit dem Fuß, während die Maschine sich Zeit ließ.

Sobald ich aus der Tür war, rannte ich zur Haltestelle des Shuttlebusses, und mein Herz setzte einen Schlag aus, als auf den letzten Metern die Türen bereits zuglitten. Ich hasste es, zu spät zu kommen, und bei der Vorstellung, mich allein und unpünktlich in eine Vorlesung zu stehlen, wurden meine Handflächen schwitzig.

»Halten Sie die Türen auf!«, rief eine Stimme hinter mir.

Ich drehte mich um und sah einen großen und (soweit ich das beurteilen konnte) attraktiven Mann auf den Bus zulaufen. Er überholte mich und schaffte es mit einem charmanten Lächeln, den Fahrer davon zu überzeugen, die Türen des Busses wieder zu öffnen.

»Nach dir«, sagte er auf der Trittstufe des Buseingangs und bedeutete mir einzusteigen.

Ihn einfach nur als groß und gut aussehend zu beschreiben, wäre ihm nicht gerecht geworden. Sein gewelltes dunkelbraunes Haar umrahmte sein markantes Gesicht mit der starken Kieferpartie. Dem Blick aus seinen tiefbraunen Augen konnte man sich unmöglich entziehen. Er hatte so eine coole und selbstbewusste Ausstrahlung, die mein Herz höherschlagen ließ.

Ich quetschte mich an ihm vorbei, während mein Blick schnell die Auswahl an Sitzen überflog. Es war nur noch eine Zweiergruppe in der letzten Reihe frei. Ich wusste genau, mit wem ich mir den Platz teilen würde. Während ich mich in den Fenstersitz gleiten ließ, sah ich ihm dabei zu, wie er zielstrebig den Gang entlangschritt. Ich versuchte, ihn nicht anzustarren, bis ich sein T-Shirt bemerkte.

»Ist hier noch frei?« Er näherte sich dem Ende meiner Reihe.

»Klar. Immerhin hast du dafür gesorgt, dass der Bus nicht ohne uns abfährt.« In meiner Stimme lag ein Unterton von Nervosität. »Bist du aus New York?«

Er schien von der Frage überrascht.

»Dein Shirt.« Ich zeigte auf sein abgetragenes graues T-Shirt mit dem New-York-Yankees-Logo auf der Vorderseite. Obwohl es aussah, als hätte es ein paar Waschdurchgänge zu viel hinter sich, schmiegte es sich noch immer schmeichelhaft an seinen Körper.

»Ach, das.« Er schaute an sich herunter, um zu überprüfen, was er anhatte. »Nein. Mein Vater ist Fan. Du auch?«

»Ob ich Fan bin oder aus New York?«

»Eins davon? Beides?« Er lachte.

»Weder noch. Aber seit ich denken kann, will ich schon dorthinziehen.«

Als er sich in den Sitz zwängte, berührte sein Bein meines, und mein ganzer Körper glühte. Wie konnte es sein, dass ich mich dermaßen zu jemandem hingezogen fühlte, dessen Namen ich nicht mal kannte?

Als könne er meine Gedanken lesen, stellte er sich vor. »Ich bin übrigens Ethan. Ethan Brady.«

»Sloane Hart.«

»Ist das dein erstes Jahr im Ascent?«, fragte er. »Wir sind gerade in eines der Gebäude in der Nähe des Pools gezogen.«

»Meine Mitbewohnerinnen und ich wohnen auch dort hinten. Apartment 3221. Es ist unser zweites Jahr hier. Wir haben zwar versucht, ein Haus in Wrightsville zu bekommen, hatten aber kein Glück. Die waren anscheinend schnell weg. Aber es gefällt uns«, sagte ich.

Seine Augen weiteten sich. »Ich schätze, wir sind Nachbarn – ich wohne in dem Apartment über euch. Ruft besser nicht die Polizei, wenn unsere Partys zu laut werden.«

»Das würden wir nie tun. Wenn wir mitfeiern dürfen …«

»Zur Kenntnis genommen.« Ethan nickte. »Was studierst du?«

Während ich antwortete, musterte ich ihn von der Seite und bemerkte, wie seine Augen funkelten, wenn er lächelte, und wie selbstbewusst seine Haltung war. »Kommunikation. Ich hätte mich für Journalismus entschieden, aber das Wilmington College bietet das nicht an, also musste ich mich damit als Nebenfach begnügen. Lass mich raten … du studierst Finanzmanagement oder Wirtschaft?« Ich zog eine Augenbraue hoch.

»Steck mich doch nicht gleich in eine Schublade, Hart.« Der Name kam ihm über die Lippen, als hätte er sein ganzes Leben darauf gewartet, ihn auszusprechen. »Ich studiere auch Kommunikation. Bin von der Wirtschaftsschule geflogen, nachdem ich zweimal in Mathe durchgefallen bin.«

»Du glaubst nicht, wie oft ich das schon gehört habe. Ich bin furchtbar in Mathe, ich könnte mir nicht mal vorstellen, den Kurs ein Mal, geschweige denn zwei Mal zu belegen. Statistik hab ich gerade so bestanden.« Es fiel mir leicht, mich ihm zu öffnen.

»In welchen Kurs gehst du jetzt?« Ich mochte es, dass er viele Fragen stellte und mir damit das Gefühl gab, wichtig zu sein.

»Kreatives Schreiben für Fortgeschrittene. Und du?«

»Einführung in die Rhetorik.« Er schaffte es kaum, die Worte herauszubringen, ohne zu lachen.

»Ist das nicht ein Erstsemesterkurs?«

»Ich hab es immer wieder aufgeschoben. Ich hasse es, vor anderen zu reden. Gerade wünsche ich mir wirklich, ich hätte es schon vor vier Jahren hinter mich gebracht.«

»Sieh es mal so: Du wirst wahrscheinlich vor einem Raum voller Achtzehnjähriger sprechen, die von dir viel eingeschüchterter sind als du von ihnen.«

»Danke für die aufbauenden Worte, Hart.«

Da war er wieder. Der Name, der mein Herz zwei Schläge aussetzen ließ. Der Shuttlebus kam quietschend an der Nordseite des Campus zum Stehen. Wir warteten darauf, dass alle anderen ausstiegen, bis wir die Einzigen waren, die noch im Bus saßen. Ethan ging voran, und ich folgte ihm, da ich wusste, dass wir zum selben Gebäude unterwegs waren, in dem die meisten Kommunikationskurse stattfanden.

»Tja, hier muss ich rein.« Ich sah zu ihm auf. Er war sicher um die eins neunzig groß. »Hast du nachher noch Vorlesungen, oder gehst du zurück ins Ascent?«

»Ich hab noch einen Kurs und dann eine Besprechung.«

»Ich schätze, dann fahre ich allein zurück. Wir sehen uns, oder, Hart?« Er stellte eine Frage, auf die er die Antwort bereits kannte.

***

Kurz nach fünfzehn Uhr kam ich in den Ascent-Wohnkomplex zurück. Als ich die Treppe zu unserem Apartment hinaufging, hörte ich bereits, wie meine Mitbewohnerinnen sich mit Drake beschallten. Am liebsten hätte ich die Zeit angehalten. Obwohl ich mich auf das kommende Jahr freute, stimmte es mich auch traurig, dass die Collegezeit zu Ende ging.

Ich hatte Lauren Ellis und Jordan Coleman durch einen glücklichen Zufall kennengelernt, als die Universität uns Moore Hall zugewiesen hatte, dem schlimmsten Erstsemesterwohnheim. Es war das einzige Hochhaus auf dem Campus, das noch nicht abgerissen und neu gebaut worden war, und wir gehörten zu den Unglücklichen, die in seinem letzten Jahr darin hatten leben dürfen. Ich sagte mir einfach, dass die Erfahrung, die wir gerne Moore Hell nannten, uns zusammengeschweißt hatte.

Lauren war meine beste Freundin. Sie war auffallend schön, mit langem platinblondem Haar und dem süßesten Lächeln der Welt. Wann immer etwas Schlimmes (oder Gutes) passierte, war Lauren die erste Person, der ich es erzählte. Sie war die Art von Mensch, die einen nie im Stich lässt. Als Studentin der Erziehungswissenschaften hatte Lauren eine Leidenschaft für die Ausbildung junger Menschen. Sie war ehrlich, aber sanft und konnte auch bittere Wahrheiten mit Sorgfalt vermitteln. Lauren war wirklich der aufrichtigste Mensch, den ich kannte. Jordan hingegen war der Sonnenschein unserer Gruppe. Sie war die Freigeistigste und Selbstloseste von uns allen. Ihre Unbekümmertheit passte zu ihren dunkelblonden Beach Waves und ihrer gebräunten Haut; man sah ihr sofort an, dass sie aus Wrightsville Beach stammte. Wir drei waren so unterschiedlich und passten doch perfekt zusammen.

»O mein Gott, endlich bist du zu Hause!« Laurens Hang zur Dramatik war eines der Dinge, die ich am meisten an ihr liebte.

»Hat sie schon angefangen zu trinken?«, fragte ich an Jordan gewandt.

»Noch nicht, aber bald.« Jordan lachte.

»Wahnsinnig witzig«, spottete Lauren. »Darf man nicht einfach mal aufgeregt sein? Wir haben gerade unseren vorletzten ersten Unterrichtstag hinter uns gebracht! Das ist monumental. Und auch traurig. Aber lasst uns versuchen, nicht daran zu denken. Ich will nicht, dass irgendwas die erste Nacht unseres Abschlussjahrs ruiniert!«

»Ist es nicht seltsam, an einem Mittwoch ins Jerry’s zu gehen? Komisch, dass die Studentenverbindungen keine Semesterstart-Partys veranstalten«, sagte Jordan.

»Leute.« Lauren warf sich auf die Couch. »Semesterstart-Partys sind was für die Kleinen. Wir sind immerhin schon einundzwanzig! Deshalb geht es heute Abend ins Jerry’s. Reißt euch zusammen.«

»Ergibt Sinn«, antwortete ich, während Jordan nickte.

»Wir haben ungefähr drei Stunden, bis wir losmüssen. Was wollt ihr zum Abendessen? Tiefkühlpizza?« Lauren war eindeutig die Planerin der Gruppe.

»Ja, Tiefkühlpizza klingt perfekt«, stimmte Jordan zu.

»Warte«, unterbrach ich sie. »Ich muss erst noch von dem Typen erzählen, den ich im Bus getroffen habe.«

»Moment mal. Du bist schon seit über fünf Minuten zu Hause und hast noch keinen Ton gesagt?! Schieß los!« Lauren war ganz aus dem Häuschen. Sie liebte die Liebe und wusste, wie schwer es für mich war, sie zu finden.

In meiner Kindheit war ich oft umgezogen. Meine Mutter war Chirurgin; zu Beginn ihrer Karriere wechselte sie alle paar Jahre das Krankenhaus. Das machte es für mich extrem schwer, Freunde zu finden, geschweige denn einen Freund. Carter war dem am nächsten gekommen.

Er war genau dann in mein Leben getreten, als ich ihn gebraucht hatte. Unsere Dates waren spontan, jede Nacht mit ihm angetrieben von Adrenalin, da ich nur erahnen konnte, was als Nächstes passieren würde. Mit ihm zusammen zu sein, war aufregend und machte mich gleichzeitig nervös. Obwohl unsere Beziehung eher locker war, lud er mich zum Abschlussball ein. Er tauchte bei mir zu Hause auf, mit seiner Mom und einem Anstecksträußchen, das nicht zu meinem Kleid passte, aber natürlich trug ich es trotzdem. Wir machten Fotos und stiegen mit meinen Freunden in eine Limousine, in der wir Wine Cooler und kleine Schnapsflaschen herumreichten. In dieser Nacht verlor ich meine Jungfräulichkeit. Ich hatte mir das alles ganz anders vorgestellt. Ich hatte eine große romantische Geste erwartet, und stattdessen waren es nur ein paar Minuten in einem Gästezimmer im Haus einer Freundin, die mit einem kaputten Kondom endeten.

Einige Wochen nach dem Schulabschluss setzten meine Eltern sich mit mir zusammen und teilten mir mit, dass sie sich scheiden lassen würden. Ich war völlig überrumpelt. Zwanzig Jahre Ehe einfach so vorbei. Hatte ich die Warnzeichen übersehen? Sicher, sie hatten ihre Probleme, aber mussten sie deswegen gleich ihr Eheversprechen zurücknehmen? Die Scheidung an sich war schon schlimm für mich, doch noch schlimmer war der Zeitpunkt. Nur wenige Monate später würde ich aufs College gehen, ein paar Stunden von zu Hause entfernt, und nun hatte ich das Gefühl, nicht zu wissen, ob es dieses Zuhause überhaupt noch gab. Meine Eltern waren so sehr damit beschäftigt, ihre Besitztümer aufzuteilen und das Haus zu verkaufen, dass sie keine Zeit hatten, mich in einer Übergangsphase zu unterstützen, in der ich sie wirklich gebraucht hätte.

Für den Rest des Sommers hatte ich Sex mit Carter, wann immer es möglich war – meistens dann, wenn unsere Eltern arbeiteten –, in Autos auf Parkplätzen, auf Partys, nach Partys. Ich war bereit, es immer und überall zu tun, weil ich dachte, dass er mich dann lieben würde. Ich wollte auf keinen Fall allein sein. Spoiler-Alarm: Sex bringt niemanden dazu, einen zu lieben.

Auch wenn wir nicht »zusammen« waren, traf ich mich in den Semesterferien immer noch mit Carter, vor allem, um meinen Eltern aus dem Weg zu gehen, die bereits neue Partner hatten. Im ersten Collegejahr hatte ich noch die Hoffnung, dass aus uns mehr als nur eine Affäre werden würde, und in dem Jahr danach versuchte ich etwas zu finden, das mit dem berauschenden Gefühl, das er mir gegeben hatte, vergleichbar war. Schließlich begann das dritte Studienjahr, und ich legte eine Datingpause ein. Die Liebe meines Lebens befand sich vermutlich nicht in Wilmington. Vielleicht gab es sie ja in einer Großstadt oder an einer anderen Küste. Eines Tages würde ich es herausfinden. In den verbleibenden zwei Semestern am College würde ich mich auf das Studium konzentrieren und danach meinen Traumjob finden, um aus North Carolina wegzukommen. Das Leben wurde so viel besser, als ich aufhörte, in jedem Kerl, den ich kennenlernte, nach der großen Liebe zu suchen.

»Tja, dank unserer Kaffeemaschine war ich mal wieder zu spät dran. Ich schwöre, sie braucht ganze zehn Minuten für eine einzige Tasse. Wir sollten uns wirklich eine neue zulegen.« Mir fiel selbst auf, dass ich um den heißen Brei herumredete.

»Komm zum Punkt!«, warf Jordan ein.

Aufregung kochte in mir hoch. »Jedenfalls ging ich auf den Bus zu, und die Türen schlossen sich bereits. Ich war mir sicher, dass ich ihn verpassen und zu spät zur Vorlesung kommen würde, bis dieser Typ hinter mir auftauchte und den Fahrer dazu brachte, die Türen noch mal zu öffnen. Es waren nur noch zwei Plätze nebeneinander frei, also haben wir uns zusammengesetzt und uns während der gesamten Fahrt zum Campus unterhalten. Er ist ein Senior, studiert Kommunikationswissenschaften wie ich, und das Beste daran ist, dass er direkt über uns wohnt.«

»Nicht dein Ernst.« Laurens Augen weiteten sich mit jedem Wort etwas mehr.

»Hoffentlich sind seine Mitbewohner heiß!«, mischte sich Jordan ein.

»Gut möglich, dass er der attraktivste Mann ist, den ich je gesehen hab …«, schwärmte ich. »Ohne Witz. Er hat wuscheliges braunes Haar und ein tolles Lächeln, und es ist ziemlich offensichtlich, dass er mindestens fünf Tage die Woche trainiert.«

»Okay, also genau wie jeder andere Verbindungstrottel auf dem Campus.« Lauren rollte mit den Augen.

Jordan dagegen war bereits hin und weg: »Ich finde, er klingt heiß!«

»Hast du den Bustypen gefragt, ob er heute Abend ins Jerry’s geht?«, fragte Lauren.

»Nein. Mist, das hätte ich tun sollen!« Ich schnappte mir ein Kissen, das neben mir auf der Couch lag, und vergrub mein Gesicht darin.

»Ich bin sicher, er wird da sein!« Jordan war wie immer die Optimistin unter uns. »Laut Laur kommen alle Seniors.«

»Stimmt, und wir müssen heiß aussehen. Also hör auf zu schmollen. Lass uns lieber überlegen, was wir anziehen!«

Ich folgte Laurens Beispiel und ging in mein Schlafzimmer, wo ich unsere Get Ready-Playlist abspielte. Bei dem Gedanken, Ethan zweimal an einem Tag zu begegnen, musste ich lächeln. Hoffentlich.

2

Ethan

August 2016

Während der gesamten Stunde konnte ich an kaum etwas anderes denken als an Sloane. Sie war eher ruhig, wirkte aber trotzdem offen und zugänglich. Sie war schön, aber anders als die meisten Mädchen auf dem Campus. Es war offensichtlich, dass sie sich nicht zu sehr anstrengte oder sich selbst zu ernst nahm; das musste sie auch nicht. Ich hatte mich noch nie zu Rothaarigen hingezogen gefühlt, aber irgendetwas an ihr war besonders. Ich versuchte, sie mir aus dem Kopf zu schlagen. So ein Typ war ich nicht – ich ließ mich nicht einfach so auf ein Mädchen ein. Vor allem nicht auf eins, das ich respektierte. Das klang zwar schlimm, aber es war die Wahrheit. Ich war ziemlich verkorkst, doch am schlimmsten war, dass ich bisher nicht ein einziges Mal so etwas wie eine gesunde Beziehung zu jemandem gehabt hatte. Das hatte ich meinen Eltern zu verdanken.

Sloane behielt recht; in meinem Rhetorik-Kurs waren außer mir nur Erstsemester. Das war allein daran zu erkennen, dass sie sich alle das Lehrbuch gekauft hatten. Ich würde nie mein Geld für Lehrbücher verschwenden. Dafür gab es meine Verbindungsbrüder und die süßen Mädchen, die im Unterricht neben einem saßen. Ich versuchte der Professorin zuzuhören, die gerade die sechs Reden vorstellte, die wir im Laufe des Semesters halten sollten: eine informative, eine überzeugende, eine unterhaltsame, eine demonstrative, eine motivierende und eine improvisierte. Gott, ich hasste mich wirklich dafür, dass ich diesen Kurs so lange vor mir hergeschoben hatte.

Unsere Professorin beendete die Stunde weit vor Ablauf der fünfundsiebzig Minuten, sodass ich noch viel Zeit bis zum nächsten Kurs hatte, also ging ich in die Bibliothek. Ich war mir nicht sicher, ob am ersten Tag der Vorlesung jemand da sein würde, aber der dritte Stock war der Ort, wo die Verbindungsleute normalerweise tagsüber abhingen.

»Brady!«, rief jemand von der anderen Seite des Hofs. Ich drehte mich um, damit ich erkennen konnte, wer da gleich meinen Weg kreuzen würde. Es waren meine Mitbewohner Graham und Jake.

»Was macht ihr zwei so früh auf dem Campus? Vor allem du.« Ich nickte in Jakes Richtung.

»Du tust so, als wäre es acht Uhr morgens«, spottete er.

»Holen wir uns was zu essen. Bei Chick-fil-A gibt’s noch Frühstück, wenn wir uns beeilen.« Graham wies uns den Weg.

Er war wie ein Bruder für mich. Ich hatte seit der achten Klasse bei seiner Familie gelebt, weshalb es sich nur natürlich anfühlte, auch am College mit ihm zusammenzuwohnen. Von uns dreien war Graham der Intelligenteste. Er stammte aus einer Familie mit guten Genen, hinzu kam, dass sie reich waren. Graham und ich waren in fast jeder Hinsicht gegensätzlich, und doch war er der einzige Mensch, den ich jemals an mich herangelassen hatte. Wir hatten Jake im ersten Studienjahr kennengelernt, als wir alle der Verbindung Pi Kappa Alpha beigetreten waren – die Erinnerung daran jagte mir manchmal Schauer über den Rücken. Dadurch freundeten wir uns auf eine Weise an, wie es nur die wenigsten tun. Jake war der Typ fürs Jagen und Angeln, während Graham und ich unsere Zeit lieber damit verbrachten, uns einen Football zuzupassen oder ein paar Wellen zu reiten.

»Gott sei Dank, die Schlange ist nicht lang«, sagte Jake, als wir durch die Türen des Studierendenzentrums gingen. »Ich könnte gerade zehn Chick-n-Minis verschlingen.«

Während wir in der Schlange auf unser Frühstück warteten, kam mir meine Begegnung mit Sloane wieder in den Sinn.

Wieso hatte ich sie noch nie auf einer unserer Partys oder in einer Bar gesehen? Sicherlich würde ich mich an sie erinnern. Ein kleiner Teil von mir hoffte, dass sie heute Abend im Jerry’s sein würde oder, noch besser, beim Vorglühen im Pike House.

3

Sloane

August 2016

»Das Uber ist da!«, brüllte ich über die Musik hinweg.

Unsere Wohnung war noch voller als sonst. Obwohl wir unsere Studentinnenverbindung nach der Hälfte des zweiten Studienjahres aufgegeben hatten, waren wir mit vielen Mädchen, die mit uns eingetreten waren, noch eng befreundet. Taylor und Hailey wohnten auch im Ascent, aber im vorderen Teil des Komplexes. Ich konnte mich immer darauf verlassen, dass wir fünf vor jeder Veranstaltung zusammen abhingen.

»Also gut, Ladys, packen wir’s.« Lauren trennte ihr Handy vom Lautsprecher und stellte ein paar leere Becher in die Spüle. »Sloane, du hast doch ein großes Auto bestellt, oder?«

»Ja, wir passen zu fünft rein, ohne dass jemand auf einem Schoß sitzen muss!«, versicherte ich ihr.

Ich führte die Mädchen die Treppe hinunter und auf den Parkplatz, wo der Minivan auf uns wartete.

»Niemand hat Alkohol dabei, richtig? Mein Uber-Profil überlebt keine weitere Ein-Stern-Bewertung, nachdem ich auf dem Heimweg vom White Trash Bash im ersten Semester auf die Rückbank gekotzt hab.« Ich schauderte bei dem bloßen Gedanken an die Erinnerung.

»O Gott, erinnere mich bloß nicht daran.« Taylor tat so, als müsse sie würgen. Die anderen schüttelten die Köpfe und stiegen dann eine nach der anderen ins Auto. Ich nahm den Vordersitz, und der Fahrer bot mir ein Aux-Kabel an.

»Irgendwelche Wünsche?«, fragte ich und drehte das Kabel zwischen meinen Fingern.

»Der neue Chainsmokers-Song!«, flehte Jordan. »Ich liebe den!«

»Genau! ›Closer‹!«, wiederholte Lauren.

»From your roommate back in Boulder, we ain’t ever getting older!«, schrien wir aus vollem Hals. Das waren die Momente, die ich nicht vergessen wollte.

Die Fahrt vom Ascent zur Bar dauerte etwa fünfzehn Minuten, und wir ließen die ganze Zeit »Closer« in Dauerschleife laufen. Ich war ziemlich sicher, unser Fahrer hasste uns mittlerweile, aber das war egal. Der Song war ein Ohrwurm, und wir hatten große Erwartungen an den ersten Abend des Abschlussjahres. Das konnte er uns wohl kaum übel nehmen.

Wir kamen absichtlich zwanzig Minuten früher beim Jerry’s an, um nicht in der Schlange warten zu müssen. Ich war mit unserer Entscheidung zufrieden. Die Türsteher schauten kaum auf unsere Ausweise, obwohl wir zum ersten Mal als Volljährige hier waren. Es war mehr los, als ich erwartet hatte.

Kurz vor dem Eingang gab es eine Außenterrasse, auf der ich mich normalerweise gern aufhielt, aber nicht in einer schwülen Augustnacht. Das Jerry’s war genau wie jede andere unscheinbare Collegebar. Nachts wurden die Stehtische und Barhocker weggeräumt, damit genug Platz zum Tanzen war. An den Wänden hingen Flachbildfernseher und Neonschilder mit Bierlogos, und es wurden keine Getränke über zehn Dollar ausgeschenkt. Jedes Mal, wenn ich die Bar betrat, überkam mich eine Welle der Nostalgie. Ich konnte nicht glauben, dass wir nur noch ein Jahr in dieser Stadt leben würden. Von allen Orten, an denen ich gewohnt hatte, war Wilmington zu meinem Lieblingsort geworden.

»Gehen wir an die Bar!« Laurens Stimme hallte über die Musik hinweg. Sie verschränkte ihre Finger mit meinen, während ich Jordans Hand nahm, damit wir uns anstellen konnten.

»Zwei Wodka Soda und ein Michelob Ultra, bitte.« Lauren schob dem Barkeeper ihre EC-Karte zu und drehte sich zu uns um. »Ich verstehe immer noch nicht, wie du das Zeug trinken kannst.«

»Es ist Ein-Dollar-pro-Bier-Abend!«, hielt ich dagegen. »Und die gehen leicht runter.«

»Da Sloanes Getränk im Grunde kostenlos ist, übernehme ich die nächste Runde«, sagte Jordan.

Aus den Augenwinkeln sah ich Hailey und Taylor, die sich mit ein paar Jungs, die wir kannten, unterhielten. Nach etlichen Kennenlernveranstaltungen, Partys, Bällen und Spring Breaks waren die Sigma-Chi-Jungs im Grunde auch unsere Verbindungsbrüder geworden. Abgesehen von denen, mit denen wir geschlafen hatten.

»Mischen wir uns unter die Leute!« Lauren führte uns zu den anderen Mädchen.

»Da seid ihr!«, begrüßte uns Hailey.

»Wie geht’s?« Einer der Jungs kam auf uns zu und legte Lauren und mir je einen Arm um die Schultern.

»O mein Gott!«, quietschte Lauren. »Hab dich seit Monaten nicht mehr gesehen! Wie war dein Auslandssemester?«

Während um mich herum Sommerurlaube, Kurse und Pläne für die Zeit nach dem Studium besprochen wurden, entschuldigte ich mich auf die Toilette und fand dann meinen Weg zurück zur Bar, um mir noch ein Getränk zu holen. Das Jerry’s füllte sich schnell, aber von Ethan keine Spur. Vielleicht hatte Lauren sich geirrt. Vielleicht gingen nicht alle Seniors in die Strandbars, um den Semesterstart zu feiern. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, drückte jemand meine Schulter.

»Kann ich dir einen Drink ausgeben?« Sechs Worte, die jede Einundzwanzigjährige gerne hörte.

Ich drehte mich um und stand dem einzigen Mann gegenüber, den ich heute Abend sehen wollte.

»Wie kann ich da Nein sagen?«, fragte ich.

Ethans Reaktion war von selbstbewusstem Charme durchzogen. »Zu mir kann man nicht Nein sagen.« Er grinste. Sein Blick schweifte über den überfüllten Raum, während er hinzufügte: »Verdammt, ist das voll hier drin.«

»Ja, die Schlange an der Bar hat sich kein Stück bewegt.« Ich seufzte, denn das Warten ging mir langsam auf die Nerven.

»Mir nach.« Ohne zu zögern, ergriff er meine Hand und führte mich bis ans Ende der Bar. In Sekundenschnelle schaute eine der Barkeeperinnen in seine Richtung und machte sich auf den Weg zu uns.

»Ethan, was kann ich dir bringen, Süßer?«, fragte sie und klimperte mit den Wimpern.

Süßer? Natürlich kannte er die Barkeeperin. Hat er mit ihr geschlafen? Ich nahm jedes Detail wahr, von ihren blondierten Haaren bis hin zu den Brüsten, die fast aus ihrem Croptop herausfielen. Ist das die Art von Frau, auf die er steht? Wenn ja, habe ich wohl kaum eine Chance. Einen Moment lang überlegte ich, das Getränk abzulehnen und meine Freundinnen zu suchen … bis er wieder diesen Namen sagte.

»Also, Hart«, begann Ethan. »Magst du Bier, oder trinkst du es nur, weil es einen Dollar kostet? Wie wär’s stattdessen mit einem Wodka Cranberry? Wodka Soda?«

»Ich hab echt nichts gegen Bier. Schnaps und ich führen nicht die beste Beziehung. An die erste Nacht im letzten Collegejahr würde ich mich gern erinnern können, weißt du?«

»Also zwei Mich Ultras.«

Das Summen der Gespräche um uns herum war eine Sinfonie aus Flirtereien und dem Austausch mit alten Freunden. Aus einer Gruppe in der Ecke ertönte aufgeregtes Gebrüll, und als ich hinübersah, um zu erfahren, worum es ging, bemerkte ich zwei Jungs auf den Knien, die Smirnoff Ice exten. Ich wusste nicht mal, dass es im Jerry’s so was gab. Später musste ich Lauren unbedingt eins ausgeben. Das war Tradition bei uns – normalerweise an Geburtstagen und zu besonderen Anlässen.

»Prost«, sagte Ethan und reichte mir ein Bier.

»Danke.« Ich lächelte, als ich die Flasche an meine Lippen hob und einen kleinen Schluck nahm.

»Wo sind deine Freunde?«, fragte er.

»Als ich sie zuletzt gesehen habe, waren sie in der Nähe der Fenster, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Durch die ganzen Leute hier kann ich sie nicht sehen.«

»Na dann, lass sie uns suchen.« Er reichte mir erneut die Hand, und ich nahm sie, ohne darüber nachzudenken, während er mich durch die Menge führte. Obwohl ich Ethan erst seit weniger als vierundzwanzig Stunden kannte, hatte er etwas an sich, das mir Sicherheit vermittelte. Es war ein beruhigendes Gefühl, das ich in der Nähe eines Mannes noch nie gespürt hatte.

»Da sind sie!« Ich zerrte an Ethans Hemd und zeigte auf Lauren. »Die Blondine in dem blauen Top ist meine Mitbewohnerin. Danke, dass du mir geholfen hast.«

»So leicht wirst du mich nicht los. Du solltest mich wenigstens meinen anderen Nachbarinnen vorstellen, oder?«

Bei der Erinnerung flatterte mir der Magen. War das hier eine gute Idee? Mich in meinen Nachbarn zu verknallen? Es war ja nicht so, dass ich ihm ausweichen konnte wie meinen üblichen One-Night-Stands. Vor Ethan Brady gab es kein Entrinnen.

»Da bist du ja!«, rief Lauren. »Wir dachten, du wärst schon weg.«

»Weg? Warum sollte ich gehen?«, antwortete ich verwirrt.

»Komm schon, Sloane«, mischte sich Jordan spöttisch ein. »Du bist doch berühmt für deine Abgänge.«

»Wer ist das?« Lauren, die Geselligste von uns, stellte sich Ethan vor. »Hey, ich bin Lauren.«

»Ethan. Meine Mitbewohner und ich wohnen über euch.« Mehr fügte er seiner Vorstellung nicht hinzu.

»Oh, du bist der Bustyp! Ich heiße Jordan.«

Fragend drehte Ethan den Kopf in meine Richtung. »Bustyp?«, wiederholte er mit einem spielerischen Stirnrunzeln. »Was für ein schrecklicher Spitzname.«

»Daran ist Lauren schuld, sie hat ihn sich ausgedacht.« Mein Gesicht wurde heiß, also nahm ich einen Schluck von meinem Bier, um mir etwas mehr Mut anzutrinken.

»Wo sind deine Mitbewohner?« Mit ihrer Frage lenkte Lauren das Gespräch in eine andere Richtung.

»Sind sie heiß?« Jordan war direkter.

»Leute!« Wäre mein Gesicht nicht vorher schon rot gewesen, dann spätestens in diesem Moment. Gott sei Dank ist es hier so dunkel.

Ethan überragte die Menge, seine Körpergröße verschaffte ihm einen guten Überblick. »Sie sind hier irgendwo«, sagte er und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Er warf uns ein lässiges »Bin gleich wieder da« zu, bevor er in der Menge verschwand.

Ich sah ihm nach und hoffte, dass er es ernst meinte und meine Freundinnen ihn nicht abgeschreckt hatten. Es fühlte sich gut an, wieder verknallt zu sein. Seit Carter hatte ich versucht, mein Liebesleben zwanglos zu halten und mich nicht an irgendwelche One-Night-Stands zu binden. So war es einfacher, denn die meisten Collegejungs suchten nicht nach etwas Ernstem. Ich hatte diesen Fehler schon einmal gemacht und mir geschworen, es nie wieder zu tun. Aber irgendwas an Ethan gab mir das Gefühl, dass ich bereit wäre, mein Herz aufs Spiel zu setzen, nur um zu sehen, ob aus uns etwas werden könnte.

Innerhalb weniger Minuten kam Ethan mit zwei ähnlich attraktiven Typen zurück.

»Graham und Jake, das sind Sloane, Lauren und Jordan, unsere Nachbarinnen von unten.« Ethan begann sie einander vorzustellen. Graham sah mit seinem wuscheligen blonden Haar, den blauen Augen und der goldenen Bräune, die wahrscheinlich das ganze Jahr über anhielt, aus, als wäre er einer Billabong-Kampagne entsprungen. Es war offensichtlich, dass er am Strand aufgewachsen war und nicht vorhatte, ihn jemals wieder zu verlassen. Jake hingegen war das komplette Gegenteil – dunkler Teint, kurz rasiertes Haar und ein Dreitagebart.

Im Laufe des Abends verschmolzen unsere getrennten Freundesgruppen zu einer einzigen. Ich beobachtete, wie gut Lauren und Graham sich auf Anhieb verstanden und es im Laufe ihres Gesprächs so schien, als würden sie alle anderen ausblenden. Jordan schien nicht so ein großes Interesse an Jake zu haben, und so tanzten und redeten wir zu viert, bis das Licht anging.

Lauren flehte uns an, die Nacht noch nicht enden zu lassen, und die Jungs stimmten zu. Also entschieden wir uns für Trinkspiele bei uns zu Hause. Obwohl ich normalerweise kein Freund von Gesellschaftsspielen war, war es nicht schwer, mich davon zu überzeugen, mehr Zeit mit Ethan zu verbringen.

»Was wollt ihr denn alle trinken?«, fragte Lauren und ließ ihren Blick zwischen uns hin und her schweifen. Sie spielte bereits die Gastgeberin, als wir in unsere unbeleuchtete Wohnung stolperten.

»Ich gehe nach oben und hole eine Kiste Bier, damit wir nicht euren ganzen Alkohol wegtrinken«, bot Graham an, und bevor Lauren Nein sagen konnte, war er schon zur Tür hinaus.

»Sollen wir Circle of Death oder Busfahrer spielen?«, fragte ich.

»Busfahrer«, sagten Jake und Ethan unisono.

»Dann also Busfahrer.«

Graham kam in Rekordzeit mit dem Bier zurück, und wir quetschten uns alle auf unsere Couch, während Jordan uns daran erinnerte, wie man spielt. Nichts ist so typisch fürs College wie ein Raum voller betrunkener Einundzwanzigjähriger, die sich darüber streiten, nach welchen Regeln sie spielen wollen. Gegen Ende der letzten Runde entschuldigte ich mich, um auf die Toilette zu gehen. Lauren war Busfahrerin, womit sie immer das größte Pech hatte, also war klar, dass ich noch Zeit hatte, bis ein neues Spiel beginnen würde.

Ich schloss die Badezimmertür hinter mir ab. Erst als ich auf der Toilette saß, merkte ich, wie beschwipst ich war. Mein Gesicht war warm, mein Körper kribbelte, und meine Lider wurden langsam schwer. Obwohl ich es genoss, mit Ethan zu flirten, war ich mir nicht sicher, wie lange ich noch durchhalten würde. Als ich die Tür öffnete, stand Ethan in meinem Schlafzimmer. Er starrte die Bilder an, die ich auf meiner Kommode aufgereiht hatte, nahm sie in die Hand und untersuchte sie eins nach dem anderen.

»Hey«, machte ich mich bemerkbar.

»Sind das deine Eltern?«, fragte er, ohne von dem Foto aufzublicken.

»Genau.« Ich ging zu ihm hinüber, damit ich besser sehen konnte.

In dem Bilderrahmen, der geformt war wie eine Sonnenblume, steckte das letzte Foto, das von uns als intakte Familie aufgenommen worden war. Ich stand zwischen meiner Mom und meinem Dad und lächelte, obwohl ich Rot trug (meine Hassfarbe) und mir der Abschlusshut ständig vom Kopf gerutscht war. Ich erinnerte mich genau daran, wie ich mich an diesem Tag gefühlt hatte: aufgeregt, endlich die Kontrolle über meine Zukunft zu haben. Ein paar Wochen nach diesem Foto hatten meine Eltern mir mitgeteilt, dass sie sich scheiden lassen würden. Mein Dad hatte seinen Job verloren, war in eine Depression verfallen und hatte sich nicht darum bemüht, eine neue Stelle zu finden. Nachdem sie fast zwei Jahre lang versucht hatte, ihm zu helfen, verkündete meine Mom schließlich, sie habe genug. Ich konnte sie verstehen, trotzdem tat mein Dad mir leid.

Ethan stellte den Rahmen zurück auf die Kommode und drehte sich zu mir um. Es fühlte sich an, als könnten seine großen braunen Augen direkt durch mich hindurchsehen. Die Frequenz meines Herzschlags stieg von Sekunde zu Sekunde, und mit meinem neu gewonnenen, betrunkenen Selbstvertrauen schloss ich die Schlafzimmertür. Er verstand den Wink und kam näher, legte eine Hand auf meinen Rücken und die andere an mein Gesicht. Sanft strich sein Daumen über meine Wange, und ich spürte, wie der Rest seiner Hand in meinen Nacken griff. Gänsehaut.

Als sich unsere Lippen schließlich berührten, war es, als würden sie sich bereits kennen.

***

Erste Küsse sind entweder schrecklich oder unglaublich. Es gibt kein Dazwischen. Mein allererster erster Kuss war schrecklich. Ich war fünfzehn, und wir hatten Silvester. Ich wusste noch, wie ich Zahnpasta auf seiner Zunge geschmeckt und gedacht hatte, er hätte sich aus Höflichkeit die Zähne geputzt. Doch es stellte sich heraus, dass er betrunken war und sich kurz vor Mitternacht im Badezimmer übergeben hatte.

Dann gab es meinen ersten guten Kuss. Das Ganze hätte auch eine Szene aus irgendeinem Coming-of-Age-Film oder -Roman der letzten zehn Jahre sein können. An einem Samstagabend im Frühjahr des letzten Schuljahres war ich abends länger aus gewesen, als ich durfte. »Crazy Rap« von Afroman lief aus dem Bluetooth-Lautsprecher, während wir Whiskey und eine Flasche Dr. Pepper zum Nachspülen herumreichten. Ich wusste, es war falsch, mich von Carter nach Hause fahren zu lassen, nachdem er getrunken hatte, aber ich war siebzehn und traf nicht immer die besten Entscheidungen. Er parkte sein Auto am Anfang meiner Einfahrt und küsste mich dann. Ich erinnerte mich noch genau, wie in diesem Moment mein ganzer Körper aufleuchtete, so als wäre ich bis zu diesem Moment auf Autopilot durchs Leben gegangen.

So war der erste Kuss mit Ethan nicht. Ihn zu küssen, fühlte sich vertraut an, als wären unsere Lippen Puzzleteile, die genau zusammenpassten. Er machte mich nicht so nervös wie Carter. Bei ihm fühlte ich mich wohl. Als wäre ich endlich angekommen.

4

Sloane

September 2016

Drei Wochen nach Semesterbeginn kam Lauren mit Graham Clark zusammen – deutlich früher, als ich erwartet hätte. Im Laufe der Jahre waren wir nur auf ein paar wenige Partys der Pi-Kappa-Alpha-Verbindung, auch Pike genannt, gegangen, meistens auf die berühmt-berüchtigten zum Semesterstart, aber ansonsten waren wir nicht oft dort. Seit Lauren den neuen Titel Freundin trug, wurden wir jedoch ständig eingeladen – zum Vorglühen, auf Partys, auf Dating-Events und so weiter.

Jeden Freitag nach unseren Vormittagskursen trafen Lauren, Jordan und ich uns im Innenhof, um zum Mittagessen gemeinsam in die Mensa zu gehen. Die meisten Seniors aßen nicht auf dem Campus, es sei denn, sie holten sich etwas zum Mitnehmen, aber wir hatten diese Tradition im ersten Jahr begonnen, also mussten wir sie natürlich durchziehen. Außerdem würde ich niemals Nein zu Chick-fil-A sagen.

»Ich finde es immer noch kriminell, dass wir Freitagskurse haben. An so vielen Colleges gibt es gar keine oder wenn doch, dann zumindest nicht jede Woche. Warum konnten die Erstsemester-Paten uns nicht vorwarnen?«, fragte Lauren.

»Gestern Abend haben wir es aber auch ein bisschen übertrieben«, antwortete ich mit einem sanften Grinsen.

»Erinnere mich nicht daran«, stöhnte sie.

»Und genau deshalb sollten sie Chick-n-Minis mindestens bis mittags servieren – vor allem am Wochenende«, fügte Jordan hinzu.

»J, das ist womöglich die beste Idee, die du je hattest. Schreib ihnen das. Jedes Mal, wenn sie bei meiner Bestellung einen Fehler machen, schicke ich ihnen eine Nachricht und bekomme einen Gutschein«, sagte ich.

»O mein Gott, Sloane! Du bist echt schlimm.« Lauren schubste mich spielerisch, während Jordan lachte. »Ich bin froh, dass wir einen Abend haben, um uns zu erholen. Welches Trikot zieht ihr morgen an?«

»Basketballtrikot und Converse«, antwortete Jordan.

»Ich auch«, fügte ich hinzu.

»Das ist ja einfach.« Lauren lachte. »Mir kommt es vor, als wären wir schon seit Jahren nicht mehr auf einer Trikotparty gewesen.«

»Ich glaube, die letzte, bei der wir waren, war die von Pike. Wann war das – im zweiten Studienjahr?«, erzählte Jordan.

Lauren dachte eine Sekunde darüber nach. »Ich glaube ja.«

»Glaubt ihr, dass Ethan kommt?«, fragte ich.

»Wenn man bedenkt, dass er nicht nur zu Pike gehört, sondern auch Grahams Mitbewohner und bester Freund ist, würde ich sagen, ja. Wie ernsthaft ist deine Schwärmerei eigentlich?« Laurens Augen leuchteten auf.

»Ich weiß nicht, ob ich es als Schwärmerei bezeichnen würde …«, versuchte ich zurückzurudern. »Wir haben uns nur ein einziges Mal geküsst.«

Jordan beugte sich fasziniert vor. »Willst du, dass es noch öfter passiert?«

»Ich weiß nicht. Ich glaube schon«, gab ich zu und fummelte dabei am Saum meines T-Shirts herum. »Ich wünschte nur, ich wüsste, was er empfindet. Wenn er kein Interesse hat, verschwende ich nur meine Zeit.«

»Laur, jetzt, wo du und Graham offiziell zusammen seid, solltest du Sloane helfen.«

Dem konnte ich nur zustimmen. »Gute Idee, J.«

»Schon gut, schon gut.« Lauren zuckte mit den Schultern. »Ich weiß, dass ich in den letzten Wochen nicht die beste Mitbewohnerin war; die Sache mit Graham ist einfach von null auf hundert gegangen.«

Jordan rollte mit den Augen. »Wissen wir. Seit du den Kerl kennst, hast nicht mehr in deinem eigenen Bett geschlafen!«

»Sei nett.« Ich stupste Jordan an.

Lauren stand auf und streckte sich. »Ich werde versuchen, Graham nach der Party heute Abend ganz unauffällig darauf anzusprechen. Vielleicht kann er uns etwas über Ethan verraten oder noch besser: mir sagen, was er über dich denkt.«

»Das wäre fantastisch«, sagte ich und spürte eine Welle der Erleichterung.

»Betrachte es als erledigt«, sagte Lauren mit einem zuversichtlichen Nicken. »Jetzt sollten wir uns aber auf wichtigere Dinge konzentrieren. Womit glühen wir vor?«

***

Graham lud uns ein, vor der Trikotparty bei ihm abzuhängen, bevor uns die Bruderschaftsanwärter zum Verbindungshaus fuhren. Ich suchte den Raum nach einem Anzeichen von Ethan ab, als ich aus den Augenwinkeln sah, wie er sich auf den Balkon hinausschlich. Ich umarmte Graham, während Jake jedem von uns einen Becher PJ reichte – die Abkürzung für Party-Juice –, ein Gebräu aus Wodka, Rum, Tequila und Fruchtpunsch.

»Du bist Celtics-Fan?«, fragte eine Stimme hinter mir.

Ich drehte mich um und wurde von einem breit lächelnden Ethan begrüßt, der vermutlich high war. »Ob du es glaubst oder nicht, ich hab dieses Trikot vor ein paar Jahren bei Goodwill gefunden, kurz vor einer Pike-Party.« Ich nahm einen Schluck PJ.

»Verdammt, was für ein Fund. Ich bin allerdings überrascht zu hören, dass du auf einer Pike-Party warst. Ich dachte, du hättest damals nur mit Sigma Chis abgehangen.«

»Yo, Brady«, unterbrach uns Graham. »Die Anwärter fahren vor; du sitzt in unserem Wagen.« Wir folgten ihm auf den Parkplatz, wo eine Reihe von Autos wartete.

»Bitte stapeln!«, wies Jake uns an, als er auf den Vordersitz glitt. Jordan setzte sich in die Mitte, und Lauren nahm auf Grahams Schoß Platz, woraufhin mir klar wurde, dass ich dasselbe tun musste.

»Pass auf deinen Kopf auf«, mahnte Ethan, dessen Stimme in dem beengten Raum gedämpft und intim klang.

Ich duckte mich, und ein Schauer lief mir über den Rücken, nicht wegen der kühlen Septemberluft, sondern wegen der Vorfreude auf die Nähe zu Ethan. Als ich meine Beine über seine schwang und seine Haut meine berührte, durchlief mich eine Welle der Elektrizität.

Ethan legte die Hand auf meinen Oberschenkel, eine einfache Geste, die mit unausgesprochener Anziehungskraft behaftet war. Sein anderer Arm legte sich um meine Hüfte und umklammerte mich mit sanftem Druck, bei dem sich die Schmetterlinge in meinem Bauch vervielfachten. Er schloss die Tür, und ich beobachtete, wie sich die Muskeln in seinem Unterarm zusammenzogen, so wie es auch mein Herz zu tun schien, wenn ich in seiner Nähe war. Er hatte mich nur ein einziges Mal geküsst und mich kaum berührt, trotzdem schmolz ich nur so dahin.

Als wir gemeinsam auf die Party gingen, fühlte es sich an, als wären wir zusammen.

Das Haus war genau so, wie man es erwarten würde. Bierdosen und leere Schnapsflaschen lagen auf dem Boden, der noch mit einer klebrigen Schicht von der letzten Party überzogen war. Ethan führte mich zu einem Bierfass auf der hinteren Veranda und stellte mich jeder Person vor, an der wir vorbeikamen. Ich fühlte mich wichtig und wollte nicht, dass die Nacht zu Ende ging.

»Danke für den Drink.« Ich lächelte. »Ich muss die Mädels finden.«

»Ich komme mit. Vielleicht will Graham mit mir Bier Pong spielen.«

Wir machten uns auf den Weg zurück durch die Menge und in die Küche, wo Lauren und Graham bereits dabei waren, zu spielen.

Er beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr: »Wir sind als Nächstes dran.«

»Ich glaube, ich sollte dich warnen, dass ich ziemlich schlecht bin. Flip Cup ist eher mein Ding.«

»Gut, dann will ich dich dafür auch in meinem Team haben.«

»Jawoooohl!« Graham hielt seinen Becher hoch und exte den Inhalt, um allen Anwesenden mitzuteilen, dass er wieder mal gewonnen hatte. »Brady, bist du der Nächste?«

Ethan nahm meine Hand und führte mich auf die andere Seite des Tisches. Er ordnete die Becher neu, während ich sie mit Fassbier füllte.

»Bin gleich wieder da«, murmelte er. Kurz darauf kam er mit zwei frischen Getränken zurück. »Also gut, dann wollen wir mal.«

Es sollte wohl niemanden überraschen, dass wir verloren.

»Ich hab dir gesagt, dass ich schrecklich bin«, nuschelte ich und ließ den Kopf hängen.

»Nächstes Mal kriegen wir sie«, versicherte mir Ethan.

Ich schlängelte mich durch die verschwitzte Menge, bis ich die Schlange vor der Toilette fand, wo ich Jordan zu finden hoffte.

»Warum dauert das so lange?« Ein Mädchen, das ganz vorne in der Schlange stand, klopfte an die Tür. »Manche von uns hier müssen wirklich pinkeln!«

Nicht mal ein paar Sekunden später öffnete ein Typ Hand in Hand mit einem Mädchen die Tür. Dieses Mädchen war Jordan.

»Sloane!« Sie umarmte mich, während ich beobachtete, wie die Mädchen um mich herum mit den Augen rollten. Ich war zu nüchtern und zu peinlich berührt für diese Situation. »Wir gehen. Bleibst du schön brav?«

Ich schaute an ihr vorbei und musterte den Kerl aus dem Bad von oben bis unten. Bevor ich irgendwelche Fragen stellen konnte, näherte sich Graham von hinten, und sie stießen sich gegenseitig an.

»Gehst du schon so früh, Jordan?« Er zwinkerte.

»Jep«, erklärte sie. »Mit deinem guten Freund Pat hier.«

»Keine Sorge, Pat ist ein netter Kerl«, versicherte mir Graham. »Oben gibt es noch ein Bad, wenn du mitkommen willst.«

Ich folgte Graham die hölzerne Treppe hinauf, vorbei an all dem Verbindungskram der vergangenen dreißig Jahre, der dort ausgestellt war. Ich fragte mich, wo der Rest war, doch bevor ich es laut aussprechen konnte, kam eine Gruppe von Jungs mit einer Bierbong, die mindestens sechs Meter lang war, aus einem der Schlafzimmer.

»Was geht, Graham, wollt ihr ins Bad?«, sagte ein großer Blondschopf.

»Ja, ich wollte nicht, dass sie sich unten in die Schlange stellen muss«, erklärte Graham.

»Verständlich, aber wenn sie fertig ist, wartet die hier auf euch.« Er hielt die Bierbong hoch.

»Alter, hör auf, Bedingungen zu stellen, nur weil die Leute das Klo benutzen wollen«, sagte ein anderer. »Ihr könnt in mein Bad.«

»Danke, Reese«, sagte Graham, als er mir bedeutete, ihm zu folgen. »Reese, das ist übrigens Sloane. Sie ist die Mitbewohnerin meiner Freundin.«

»Mitbewohnerin klingt, als hätten wir uns auf Facebook kennengelernt oder so. Lauren ist meine beste Freundin«, warf ich ein.

»Schön, dich kennenzulernen, Laurens beste Freundin und Mitbewohnerin, Sloane.« Reese streckte seine Hand aus, und ich schlug ein. »Ich lass euch dann mal in Ruhe. Wir sehen uns unten.«

»Geh du vor. Ich warte auf dem Flur. Ich will nicht, dass du auf dem Rückweg zur Bierbong gezwungen wirst.«

Als er die Tür hinter sich schloss, machte ich mich auf den Weg durch den Raum, der ein Schlafzimmer zu sein schien. Es war ungewöhnlich ordentlich für einen Collegetypen. Er hatte ein Boxspringbett, vier Kissen und Vorhänge, die zu seinem Bettzeug passten. Als ich das Bad gefunden hatte, drehte ich das Schloss am Türknauf, damit niemand versehentlich hereinkam. Das Bad war genauso sauber wie das Schlafzimmer, was für eine Verbindungsparty eine nette Überraschung war. Bevor ich im Flur wieder zu Graham stieß, richtete ich meine Frisur und trug schnell noch eine Schicht Lipgloss auf.

Als Graham und ich die Treppe hinuntergingen, schüttete eine Gruppe von Jungs oben durch einen Trichter das Bier zu den Jungs nach unten. Ich konnte mir nicht ausmalen, was für eine klebrige Sauerei sie am Morgen vorfinden würden.

»Da seid ihr ja!«, begrüßte uns Lauren im Foyer. »Ich hab gerade einen ganzen Twisted Tea gebongt!«

»Das ist mein Mädchen! Und jetzt holen wir dir etwas Wasser.« Es machte mich glücklich, Graham und Lauren zusammen zu sehen. Laurens letzter Freund war furchtbar gewesen. Wenn man Betrüger, Lügner, Manipulator oder Gaslighter im Wörterbuch nachschlagen würde, würde sein Bild neben all diesen Begriffen auftauchen. Sie hatte ihn auf der Highschool kennengelernt, und er war ihr fürs College nach Wilmington gefolgt (wie es nur die toxischsten aller Leute tun). Während unseres gesamten ersten Studienjahres hatte er sie betrogen, und sie fand es erst heraus, als das Mädchen, mit dem er schlief, Lauren eine Nachricht schickte. Es war ein riesiges Drama. Aber zum Glück war sie sehr daran gewachsen und jetzt mit jemandem zusammen, der nicht netter sein könnte.