Catpower - Benita Cantieni - E-Book

Catpower E-Book

Benita Cantieni

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  • Herausgeber: Südwest
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2010
Beschreibung

Erleben Sie Ihre CATPOWER!

In CATPOWER erzählt Benita Cantieni drei Geschichten:

Die Geschichte ihrer Verwandlung aus einer krumm verwachsenen Frau, die tagein, tagaus von Schmerzen geplagt wird, in eine fast 60-jährige, biegsame und dynamische Powerkatze.

Sie erzählt die Geschichte ihrer Körperforschung: Wie sie seit 16 Jahren die Fakten, Tatsachen und Beweise für ihre "logische Anatomie für Laien" zusammenträgt, ihre Anleitung zur Selbstheilung von sämtlichen Krankheiten, die durch Fehlhaltung hervorgerufen werden.

Und sie erzählt ihre eigene Lebensgeschichte, wie sie sich von der erfolgreichen Chefredakteurin großer Frauenzeitschriften zur streitbaren Körperforscherin wandelte, die sich durch Schwierigkeiten und Anfeindungen nicht von ihrem Ziel abbringen lässt: Die Gebrauchsanweisung des menschlichen Körpers entschlüsseln.

CATPOWER ist "typisch Cantieni", radikal ehrlich, herrlich provozierend und – selbstironisch. So ist auch zu erfahren, wie sie durch gezieltes Beckenbodentraining den multiplen Orgasmus entdeckte, weshalb Stöckelschuhe Frauen nicht schöner machen und warum sie Menschen mit Lachfalten schöner findet als botoxgelähmte Glattgesichter. CATPOWER enthält selbstverständlich typische CANTIENICA®-Übungen, damit Sie, liebe Leserin, lieber Leser sofort ausprobieren können, wie sich der gute Gebrauch des Körpers anfühlt – leicht, schön, kraftvoll. Erleben Sie Ihre CATPOWER!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 217

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Inhaltsverzeichnis
Ihr Meisterwerk
Kapitel 1. - Der Körper als Gefängnis - wie ich mir und der Welt vormachte, ...
Kapitel 2. - Das Leben wirft mir die Körperarbeit vor die Füße - von ...
Kapitel 3. - Der Beckenboden fordert sein Recht ein: Er will für mich arbeiten. ...
Copyright
»Die Körper wären nicht schön,wenn sie sich nicht bewegten.«
Johannes Kepler, deutscher Naturphilosoph, evangelischerTheologe, Mathematiker, Astronom, Astrologe und Optiker27. Dezember 1571 bis 15. November 1630
Ihr Meisterwerk
Die gute Nachricht: Sie besitzen ein echtes Meisterwerk, Ihren Körper. Die schlechte Nachricht: Sie haben wenig, sehr wenig bis keine Ahnung, wie dieses Meisterwerk behandelt werden will, damit es 100 Jahre funktionieren, damit es Ihnen jeden Tag Ihres Lebens Freude und Wohlbehagen schenken kann. Ihre Haltung im Moment ist eine mehr oder weniger körperfreundliche Gewohnheit, nicht Ihre Natur. Die Beschwerden im Fuß, im Knie, im Hüftgelenk, die Schmerzen im Kreuz, in den Schultern, im Handgelenk - alles hausgemacht.
Lassen Sie jetzt bitte nicht den Kopf hängen, denn Sie können nichts für Ihre Ahnungslosigkeit. Es hat Ihnen niemand die Gebrauchsanweisung für Ihr Meisterwerk Körper erklärt. Die Eltern nicht, die Lehrer nicht, der Physiotherapeut auch nicht, und schon gar nicht Ihr Arzt. Der interessiert sich für Sie und Ihren Körper erst, wenn das Meisterwerk beschädigt ist, nicht mehr reibungslos läuft. Dann wird geflickt und repariert, behandelt und operiert.
»Der Arzt«, sehen Sie mir die Verallgemeinerung bitte nach, tut in der Regel sein Bestes. Da er selber die Gebrauchsanweisung für das Meisterwerk menschlicher Körper nicht kennt, ist sein Bestes nur meistens nicht gut genug. Das ist eine vermessene Behauptung, ich weiß. Was ich meine: Der Arzt kennt den Körper, nicht den Umgang mit ihm. Sonst würde er Ihnen bei Kreuzschmerzen die richtigen Übungen verschreiben, nicht das Schmerzmittel. Sonst würde er Ihnen bei Spannungskopfschmerzen die gute Kopfhaltung zeigen, statt Medikamente zu verteilen. Sonst würde er Ihnen bei Organsenkungen den Levator Ani erklären, nicht die Operationstechnik.
Die moderne Medizin ist in vielerlei Hinsicht großartig, ich verdanke ihr wahrscheinlich jetzt schon die Hälfte meines Lebens. Meine Kritik bezieht sich auf den Umgang mit dem Bewegungsapparat, den Umgang mit Knochen, Gelenken, Muskeln, Sehnen, Bändern, Faszien. Da hat seit Leonardo da Vinci keiner mehr hingeschaut, da schreibt und zeichnet einer dem anderen ab. Im Computerzeitalter werden immer raffiniertere Roboter kreiert, indes existiert kein perfektes Skelettmodell - perfekt im Sinne von ideal. Pathologen und Präparatoren an anatomischen Instituten bestätigen mir das: Ihre Aufgabe ist die Sichtbarmachung oder Abbildung dessen, was sie finden, dessen, was ist, nicht dessen, was sein könnte. Daraus können auch nur bedingt Rückschlüsse und Schlussfolgerungen auf »die Menschheit« gemacht werden, denn wir sind körperlich so einmalig und unterschiedlich wie in den Gesichtszügen oder im Fingerabdruck.
Sehen Sie sich in der Praxis Ihres Arztes oder Physiotherapeuten oder Masseurs einmal um. Da hängen oder stehen S-krumme Wirbelsäulen herum, altersverformte Schlüsselbeine, verdrehte Schultern, Becken mit Schrauben mitten im Kreuzbeingelenk, das in Tat und Natur ein Meisterwerk an Beweglichkeit und Geschmeidigkeit ist. Hüften und Schultergelenke mit Schrauben und Drähten in chronischer Fehlhaltung erstarrt. Will ich Ihnen die Funktion einer gesunden Schulter zeigen, muss ich das Modell komplett auseinandernehmen...
Vor 16 Jahren fing ich aus eigener Not an, den Körper zu erforschen. Alles, was ich in den 16 Jahren gelernt, entdeckt und gefunden habe, verdanke ich lebendigen Körpern. Meinem Körper und den Körpern der Menschen, die sich auf meine Arbeit einlassen: Klientinnen und Klienten, Schülerinnen und Schüler, Kolleginnen und Kollegen (herzlichen Dank an alle). Die Theorie in den Anatomiebüchern, die Schulanatomie, zeigt, was ist. Da gibt es Abbildungen und Nachbildungen von Menschen, die mehr oder weniger zufällig in der Pathologie gelandet sind. Anatomiebücher zeigen nicht, was sein könnte.
Ich bin dabei, eine logische Anatomie zu erstellen, die jeder Mensch verstehen kann. Wichtiger: die jeder Mensch sofort umsetzen kann. Noch wichtiger: die jeder Mensch sofort am eigenen Leib auf ihre Funktionsfähigkeit prüfen kann. Und auch wichtig: die der Einmaligkeit jedes Menschen gerecht wird. Grob vereinfacht, handelt diese logische Anatomie davon, wie Sie aus Ihrem einmaligen Bauplan Leichtigkeit, Bewegungsfreude und Schmerzfreiheit herausholen können, indem Sie Ihre eigenen Knochen ideal ausrichten. In dieser idealen Ausrichtung sind alle skeletthaltenden Muskeln aktiv und sämtliche Gelenke jederzeit reaktionsbereit.
Das ist mein Angebot an Sie: Glauben Sie nicht an die trockene, zweidimensionale Schulbuchanatomie, an der Sie Ihr Arzt oder Therapeut vielleicht misst.
Arthrosen in den Gelenken sind nicht normal, nur weil so viele ältere Menschen daran leiden. Inkontinenz im Alter ist nicht normal, nur weil so viele daran leiden. Schulterverspannungen sind nicht normal, nur weil so viele daran leiden. Das alles und noch vieles mehr können Sie verhindern, wenn Sie die Wartung Ihres Bewegungsapparats selbst in die Hände nehmen. Entdecken Sie Ihre eigene Anatomie, die einmalig ist und wunderbar. Ich liefere Ihnen die Logik des Bauplans und seiner Funktionen, Sie und nur Sie können ihn für sich selbst umsetzen.
»... Ich war vor Kurzem im Krankenhaus und man unterrichtete mir genau das Gegenteil von dem, was Sie anleiten. Da soll ich beim Wasserlassen den Strahl anhalten, um den Beckenboden zu trainieren...«
»Alle anderen Bücher beschreiben das genaue Gegenteil Ihrer Ansicht zum Zwerchfell. Ich weiß nun nicht, was richtig ist...«
»Mein Physiotherapeut sagt etwas ganz anderes. Ich soll das Becken leicht kippen, um den Rücken zu entlasten. Ich bin ganz durcheinander. Was stimmt nun?«
»Der Physiologe hat den Kopf geschüttelt, als ich Ihre These über die Zusammenarbeit von Zwerchfell und Beckenboden erklärte. Er zeigte mir sogar sein Anatomiebuch. Da steht das Gegenteil von dem, was Sie anleiten. Daraufhin kam ich ins Grübeln: Was ist richtig und was ist falsch?«
Solche Zuschriften von verunsicherten Leserinnen und Lesern erhalte ich fast täglich. Ich verstehe die Irritation und empfehle: Ausprobieren.
Und wenn meine Methode auch bei Ihnen wirkt, die Schmerzen lindert, heilt, den Mut aufbringen, sich selbst zu glauben, nicht dem vermeintlichen Fachmann. Das ist mir ganz wichtig, das hat mir zum besten, leichtesten, gesündesten Körper verholfen, den ich je hatte: Die einzige Autorität für meinen Körper bin ich. Die einzige Autorität für Ihren Körper sind Sie.
Was ich Ihnen vorschlage, ist nicht neu, Sie konnten das alles schon mal, als Kind. Und falls Sie es, wie ich, als Kind nicht er- und ausleben konnten, so steckt es doch in Ihrem ursprünglichen Körperbauplan und wartet darauf, dass Sie es umsetzen. Wir hatten für die Entwicklung dieses Bauplans über vier Millionen Jahre Zeit. Die Evolution machte ihre Arbeit gut, der menschliche Körper ist perfekt - auch für 100 Jahre Lebenszeit. Höchste Zeit, dass Sie Ihre Gebrauchsanweisung zur Hand nehmen.
»Seit ich Ihre Methode konsequent umsetze, bin ich vollkommen schmerzfrei.«
»Sie haben mir Operationen erspart. Ich bin leichter, beweglicher und kräftiger, als ich mir je zu träumen wagte.«
»Danke für Ihre wirksame Methode! Wer diese nicht kennt, hat wirklich etwas verpasst.«
»Dank Ihres Trainingsprogramms kann ich wieder Bergwandern und Tanzen. Das hat auch meine Lebensfreude zurückgebracht.«
»Die Entdeckung meiner Natur mithilfe Ihrer Methode schenkte mir eine katzenhafte Leichtigkeit.«
»Es gibt eine Frau in der Schweiz, die ist unserer Zeit weit, weit voraus... Das Wahre, Echte und Einfache setzt sich durch - aber meist immer viel später... Die CANTIENICA®-Methode ist deswegen so großartig und herausragend, weil sie unserer einzigartigen Körperintelligenz entspricht. Frau Cantieni bewegt sich auf den Spuren dieser genialen Konstruktion.«
»Es geht meiner Meinung nach bei der CANTIENICA®-Methode um viel mehr als um reines Bodyworkout und körperliche Fitness - es geht um das Leben selbst, und das ist immer eine Einheit von Geist und Körper - eines ist ohne das andere nicht möglich - das ist die universale Intelligenz!«1
Sie finden zu allen meinen anatomischen Erkenntnissen ein paar meiner Lieblingsübungen zum Ausprobieren. Ich möchte erstens meine Erkenntnisse weitergeben, Sie zweitens damit unterhalten und Sie drittens und vor allem dazu verführen, das Beste aus Ihrem Körper zu machen: ein Meisterwerk in Aktion. Wecken Sie Ihre Catpower!
1.
Der Körper als Gefängnis - wie ich mir und der Welt vormachte, eine Intellektuelle zu sein
Malediven. In der Lagune einer Trauminsel. Ich stehe auf einem Surfbrett. Na ja, ich versuche, auf dem Ding zu stehen und gleichzeitig die Stange mit dem Segel zu halten. »Schatz, schau, so einfach geht das«, ruft der Ehemann L. vom benachbarten Brett. Elegant und aufrecht wie ein junger Bambus gleitet er an mir vorbei. Ein Spurenelement Wind reißt das Segel und meine Arme und meine Schultern nach vorn, mein Hintern versucht, den Zug auszugleichen, ruck, schnellen die Schultern nach hinten, ruck, schnellt das Becken nach vorn, ruck, knalle ich rücklings ins Wasser, ruck, Segel obendrauf. »Schatz, was hast du denn gemacht?«, ruft der Ehemann, der gerade gewendet hat und wieder an mir vorbeisegelt, »brauchst du Hilfe?«
Mit der Eleganz eines Nilpferds wuchte ich mich wieder auf das Brett, angle mit dem Seil das Segel, versuche, aus dem Zickzack meines Körpers irgendetwas Aufrechtes zu basteln, das wenigstens entfernt daran erinnert, dass ich zur gleichen Spezies gehöre wie der Mann, der mich gerade wieder kreuzt. »Schau, mach das doch einfach so wie ich. Füße fest und Scheitel...« Den Rest schluckt das Windchen, schwups, diesmal köpfle ich vorwärts ins Wasser, über das Segel hinaus. Nilpferd wieder aufs Brett, Ehemann mit besten Ratschlägen links und rechts und vorne und hinten an mir vorbei, als hätte er nie etwas anderes gemacht, dabei steht er heute zum ersten Mal auf einem Surfbrett, genau wie ich. Füße verankern, Hintern einziehen, Bauch einziehen, Schultern entspannen, platsch, Nilpferd aufs Brett. Immer mehr blaue Flecken, violette Flecken, Fingernägel ab, Zeh verstaucht. Ich lege mich aufs Brett und paddle an den Strand, schenke dem Ehemann die gebuchten Stunden und melde mich für den Tauchkurs an, da kann keiner sehen, was für ein Bewegungsidiot ich bin.
Im Tauchkurs hatte ich natürlich die Sauerstoffflasche als Erste leer, weil ich so rumzappelte. Ich machte blutige Bekanntschaft mit Feuerkorallen. (Ich sah allerdings auch als Erste den sehr seltenen Tigerhai, perfekt getarnt im Sand, denn beobachten, das kann ich.)
Als Kind war das nicht anders. Auf den Skiern schämte ich mich so, dass ich mich in Nasenbluten flüchtete, um von den Schulkameraden nicht für meine Plumpheit ausgelacht zu werden. Vor dem Schulturnen konnte ich mich dank meiner Skoliose drücken, traurig beobachtete ich die anderen Kinder, wie sie Räder schlugen, an Ringen und auf Barren herumturnten. Beim Gummitwist auf dem Pausenplatz flog ich als Erste raus. Ein einfacher Purzelbaum in Nachbars Garten ging knapp an einem Genickbruch vorbei. Also zog ich mich zurück. In mich und in Tagträume, in Lesebücher und Schreibhefte. Die Emigration nach innen gelang ganz gut, »du bist halt die Intellektuelle«, hieß es immer öfter.
Dabei sehnte ich mich so nach Körper, nach Leichtigkeit, nach Geschmeidigkeit und Kraft. Ich konstruierte aus mir eine Mogelpackung, die auf sexy und körperlich machte und hinter der Fassade nur litt. Ich nahm meine Wirbelsäulenverkrümmung persönlich, hielt sie für eine Strafe Gottes, und Gottesstrafen, das war mir mit meiner erzkatholischen Erziehung klar, waren immer gerecht. Und ich schämte mich für die Gottesstrafe.
Die Skoliose wurde festgestellt, als ich sechs Jahre alt war. Fortan hörte ich ständig: »Das kannst du nicht, dein Rücken ist nicht gesund.« Ich ging in die Falle, mit 18 war ich überzeugt: »Ich kann das nicht, ich bin nicht gesund.« Ich war mir sicher, dass ich mit der Skoliose und all ihren Folgeschäden würde leben müssen: Rückenschmerzen, Hüftgelenksarthrose, Kiefergelenksarthrose, Zähneknirschen, Spannungskopfschmerzen, Hallux-valgus-Bildung an den Füßen. Und unförmig sah das alles auch noch aus: Kopf schief, Mund schief, Nase schief, Rücken bucklig, Reiterhosen an den Oberschenkeln, Hintern zu groß und zu schlaff, Brüste ungleich groß...
Ich suchte Hilfe, gegen die Schmerzen, in der Sprachschule, in der Schauspielschule, in Psychodrama, beim Psychologen, Astrologen, im Krafttraining, im Samadhi-Tank, in Yoga, Feldenkrais-Methode, Alexander-Technik, Rolfing, in Meditation und Homöopathie, in Physiotherapie und Chiropraktik, in Akupunktur und Ultraschall, Neuraltherapie und Hypnose... (Weil oft die Frage kommt, was mich denn für meine Körperarbeit inspiriert habe: das alles. Alles, was ich erlebt habe.) Einige Therapien brachten kurzfristig Linderung, nichts half nachhaltig. Mein Körper war mein Gefängnis. Ich wachte mit Schmerzen auf, ich schlief mit Schmerzen ein. Der Schlaf dazwischen war die schmerzfreie Insel.
Mit 41 holte ich mir beim Umzug von München nach Zürich eine Kreuzbeinfraktur, einen haarfeinen Spalt innerhalb des rechten Kreuzbeins. Ich tat mit meinem Körper, was wir alle in solchen Situationen versuchen: kompensieren. Den Körper noch mehr verbiegen, um dem Schmerz auszuweichen. Doch der ließ sich nicht übertölpeln. »Endlich operieren oder für den Rest Ihrer Tage Schmerzmittel schlucken«, sagte der Arzt. Er sagte auch: »In Ihrem Alter haben die meisten Leute Rückenschmerzen.« Das war mehr Schock als Trost.
Heute weiß ich, dass er leider recht hat. Irgendwann fängt es mit den Zipperlein an: Das Knie muckt, die Füße schmerzen, die Hüfte tut bergauf und -ab weh, »das Kreuz« bietet mit seiner filigranen, vielgelenkigen Konstruktion viel Angriffsf läche, die Schultern, der Nacken, die Handgelenke. Und weil so viele an Ähnlichem leiden, gilt das Leiden als normal. Man gewöhnt sich daran: »Jeder hat sein Päckchen zu tragen, mit dem Alter kommt das halt.« Sehr beliebt ist auch: »Bei uns liegt der Hallux valgus (der Rundrücken, das Hohlkreuz, die X-Beine, die O-Beine) in der Familie, alle Frauen (alle Männer) haben ihn.«
Ich hatte schon auf den ersten Vorschlag, mein rechtes Hüftgelenk durch ein künstliches zu ersetzen - »dann haben Sie Ruhe und können wieder alles machen« -, geantwortet: »Was soll ich mit künstlichen Gelenken, wenn ich mit meinen eigenen nicht zurechtkomme?« Da war ich 27 Jahre alt. Nein, mit Mut hatte das nichts zu tun, für mich war es eine logische Folgerung. Ich wusste, mit einem künstlichen Hüftgelenk war die Wirbelsäulenverkrümmung zementiert. Wollte sie sich verschlimmern, musste sie neue Windungen suchen. Ich konnte nicht gewinnen.
(Zu Operationen kam es dann doch: Das Nasenbein war so schief, dass ich zu wenig Luft bekam. Zysten fraßen Löcher in die Kieferknochen, ein Dutzend kleine und ein großer chirurgischer Eingriff retteten mein Gesicht, und ich bin dankbar für die Möglichkeiten der modernen Medizin und Chirurgie.)
2.
Das Leben wirft mir die Körperarbeit vor die Füße - von Callanetics zur CANTIENICA®-Methode
Mit 16 ging ich von zu Hause weg, hatte eine Lehre als Verkäuferin im Schreibwarengeschäft meiner Mutter gemacht, dazu Maschinenschreiben und Stenografieren gelernt, jobbte als Sekretärin, wechselte in ein Modehaus, lebte mal in London, mal in Kapstadt, wurde Directrice in einem Modehaus an der Zürcher Bahnhofstrasse, bewarb mich 1972 für die Aufnahme in die Ringier Journalistenschule in der Schweiz, wurde angenommen, machte im Eilverfahren Karriere - es war Aufbruchszeit für Frauen im Journalismus, ich suhlte mich in den Möglichkeiten wie die Made im Speck -, wurde Chefreporterin, Mitentwicklerin der ersten Schweizer Sonntagszeitung, versuchte mich als TV-Moderatorin (unbegabt), wurde schließlich Chefredakteurin des Schweizer Frauenmagazins Annabelle, von da aus ging es nach München als Chefin der Vogue. Der Job, von dem ich noch nicht mal geträumt, der sich einfach ergeben hatte, entpuppte sich als Albtraum mit sexuellen Belästigungen. Raus aus dem schönen Schein, anhalten, nachdenken, was wollte ich wirklich vom Leben, Pause machen.
Zurück in der Schweiz arbeitete ich als freie Journalistin, schrieb für das Magazin Sonntags-Blick das, was ich am liebsten machte: Porträts, Interviews, Reportagen, unterrichtete nun selbst in den Journalistenschulen. Das Leben hätte so weitergehen können, ich war gerne Journalistin.
Das Jahr 1992 spülte mir Callanetics vor die Füße. Das war jene Trainingsmethode, die Aerobic ausläutete und allen sanften Ansätzen wie Core-Training, Pilates etc. den Weg ebnete. In genau vorgeschriebenen Positionen wurden klitzekleine Bewegungen 100-mal wiederholt. Der Typ, der im ersten Kapitel naturtalentiert windsurfte, inzwischen Ex-Ehemann, überre..., äh, überzeugte mich, mein Erspartes in eine Masterfranchise für die Schweiz zu investieren, damals sagenhafte 285.000 US-Dollar. Nun wollte ich wissen, in was ich so viel Geld gesteckt hatte, und reiste nach Denver, Colorado.
Dort turnte ich am ersten Tag in einem verspiegelten Gymnastikraum mit dunkelrotem Teppich an einer Stange, überzeugt, ich sei in den falschen Film geraten. Die Trainerinnen zupften an meiner Schulter, schoben mein Becken in Position, zerrten an meinem Kopf. »High touch, no Tech« hieß das im Marketingjargon, sinngemäß zu übersetzen mit »viel Berührung, keine Geräte«. Als ich an die Reihe kam, Teilnehmerinnen in der Gruppe in die richtigen Positionen zu bringen, hörte ich mich sagen: »Nein, das mache ich nicht, ich berühre doch nicht einfach fremde Menschen.« Jeanne, eine der Ausbilderinnen, lachte mich an und sagte: »Oh yes, Benita, you will. Give it a try.« Versuch’s doch einfach, Benita, es wird dir gefallen.
Es gefiel mir. Und wie. Am Ende der Woche war ich »Benita with the magic hands«, die mit den magischen Händen. Ich war auf ein Talent gestoßen, von dem ich keine Ahnung hatte, dass es in mir schlummerte. Im Schnellverfahren wurde ich Callanetics Teacher, Callanetics Senior Teacher, Callanetics International Senior Teacher. Ich arbeitete eng mit der Erfinderin, Callan Pinckney, zusammen, einer Südstaatenschönheit mit Südstaatenakzent (ungefähr so hatte ich mir immer die in die Jahre gekommene Scarlett aus »Vom Winde verweht« vorgestellt). Der Exmann adaptierte das Franchising-System auf die Schweiz, ich schrieb Handbücher, bildete Callanetics-Lehrerinnen und -Lehrer aus. Die Ausdehnung ins benachbarte Ausland ließ sich gut an, scheiterte allerdings an den Preisvorstellungen der Amerikaner. Der Exmann brach auf zu neuen Geschäften, die Schweizer Bank verwandelte sein Kontokorrent für mich über Nacht in Schulden, mit der klaren Ansage, als Frau in dieser Fitnessbranche sei ich nun mal ein Risiko...
Zusammen mit allem, was ich über Aufrichtung und Haltung gelernt hatte, brachte mir Callanetics in einigen Bereichen Linderung. Bestimmte Anweisungen, Positionen, Bewegungen in Callanetics bereiteten mir indes noch mehr Schmerzen. Ich beherzigte den Rat von Callan, die Position einfach um ein paar Millimeter zu verändern, bis sich Schmerzfreiheit einstellte. Es wurden Zentimeter, dann änderte sich die ganze Richtung: Statt das Bein einzudrehen, drehte ich es aus, statt den Rücken rund zu machen, spannte ich ihn auf. Ich probierte die veränderten Positionen in den Gruppenklassen aus, sie funktionierten! Für ausnahmslos alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Letztere waren damals an einer Hand abzuzählen)! So entstanden völlig neue Positionen. Immer mehr immer neue Übungen kamen dazu, ich kreierte NEW CALLANETICS®, schrieb ein Buch darüber2, Callan fungierte als stille Co-Autorin. Die Zukunft in und mit Callanetics schien besiegelt.
Callanetics boomte einige Jahre, die Studios schossen weltweit wie Pilze aus den Böden. Die Mutterfirma übernahm sich am schnellen Erfolg, floppte fast über Nacht (trotz meiner ach so hart erarbeiteten 285.000 Dollar) und wurde verkauft. Eine ehrgeizige Callanetics-Lehrerin mit reichem Mann übernahm die Marke, das Schaffen machte mich nun nicht mehr froh. 1997 trennte ich mich schweren Herzens von Callanetics, taufte NEW CALLANETICS® auf CANTIENICA® um, stellte es den Franchisenehmerinnen und Franchisenehmern frei, weiterhin Callanetics anzubieten oder auf die neue Methode umzustellen (und staunte, dass von zwei Dutzend Lizenznehmerinnen und -nehmern drei an mich glaubten). Callanetics arbeitet übrigens bis heute mit meinen Unterlagen für NEW CALLANETICS®.
1997 schrieb ich das erste CANTIENICA®-Buch: »Tiger Feeling - Das sinnliche Beckenboden-Training«. Zwei Verlage lehnten das Manuskript ab, ein kleiner Ex-DDR-Verlag, Gesundheit, druckte es - und verdiente sehr viel Geld damit. Ich konnte mit meinem Geld die junge Firma retten. »Tiger Feeling« war das erste populäre Buch über Beckenbodentraining, es begründete den ganzen Beckenbodenboom im deutschsprachigen Raum. Inzwischen ist die fünfte Überarbeitung in der ungefähr 30. Auflage auf dem Buchmarkt. Das Buch wurde und wird kopiert, imitiert und plagiiert, wie das mit sehr erfolgreichen Büchern nun mal passiert. Anfangs ärgerte es mich, dass ganze Passagen abgeschrieben und die gleichen Illustratorinnen zum Nachzeichnen angeheuert wurden, dass andere Verlage das Buchkonzept unverblümt kopierten. Schließlich beschloss ich, meine Methode einfach zur besten zu machen, denn nichts ist so schwer zu kopieren wie Qualität. An dieser Absicht hat sich bis heute nichts geändert.
Der geliebte Journalismus hielt mir die Treue. Ich bekam genau im richtigen Moment das Angebot, die Fitnesszeitschrift Shape in Deutsch zu konzipieren und für den Schweizer Verlag Marquard Media herauszugeben. Von 1998 bis 2003 konnte ich durch die schöne, herausfordernde Arbeit als Chefredakteurin die schöne, herausfordernde Arbeit in der Körperforschung gemächlich angehen, ich musste nicht von ihr leben. Der lange Abschied aus dem Journalismus ermöglichte es mir, die CANTIENICA®-Methode langsam und sorgfältig wachsen zu lassen.
3.
Der Beckenboden fordert sein Recht ein: Er will für mich arbeiten. Ohne Gegenleistung
Leseprobe

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