Ceisteanna agus freagraí - Anja Michaela Joris - E-Book

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Anja Michaela Joris

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Beschreibung

Der Allon-Zyklus: In der künstlichen Welt Allons, auf der Technik als Magie gilt, steigt eine Bedrohung aus längst vergangener Zeit empor, um alles Leben zu vernichten. Die Cyborgs, die Hüter der Welt, einst geschaffen, die Welt zu beschützen, müssen mit den Menschen, den Drachenvögeln und den Raubkatzen zusammenarbeiten, um ein Überleben aller zu gewährleisten. Band 2 - Fragen und Antworten: Was auch immer von der Vergangenheit Einfluss auf die Gegenwart nimmt, greift tiefer und tiefer in die Systeme ein und bedroht das Leben aller. Auch wenn nun die Hüter der Inseln ihr Wissen und ihre Fähigkeiten kombinieren, um der Bedrohung Einhalt zu gebieten, wird doch immer deutlicher, dass es auch die Welt der anderen Spezies des Inselreiches ist. Die Zwölf müssen erkennen, dass Bedrohungen nicht nur aus der Tiefe kommen. Unterstützung jedoch auch nicht.

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Danksagung

Meiner Familie und meinen Freunden für ihre Geduld und Unterstützung und meinen – wenn auch wesentlich kleineren – ‚Zebals‘ für die Ablenkungen und Pausen.

Die Inseln

System 1:

Arkana (Shalima)

Kantarra (Celyn)

Osgabu (Allija)

Umurra (Kiara)

System 2

Borkan (Athana)

Nokbar (Telka)

Ukbar (Rimek)

System 3

Cataqua (Cos)

Persania (Gronk)

Ypor (Jupp)

System 4

Caschonien (Finnja)

Smirno (Kimri)

Die ZWÖLF:

ERSTER der ZWÖLF: Alexander Konstantin Gronelus (Gronk)

ZWEITE der ZWÖLF Finnja Svenson

DRITTER der ZWÖLF: Costagan de la Rocha (Cos)

VIERTE der ZWÖLF: Athana Imani

FÜNFTER der ZWÖLF: Justus Peters (Jupp)

SECHSTE der ZWÖLF: Kiara Leyla Aziz

SIEBTE der ZWÖLF: Allija Sinèad O’Shaughnessy

ACHTER der ZWÖLF: Kimri Dupont aka Kevin Richard

NEUNTE der ZWÖLF: Tatjana Lukjanowna Katzinowa (Telka)

ZEHNTER der ZWÖLF: Moh Shalima Mongkon Chaipatana

ELFTE der ZWÖLF: Ulrike Magdalena Rimek (Rimek)

ZWÖLFTER der ZWÖLF: Celyn Maddox O’Shaughnessy

Liste wesentlicher Personen:

Arcor: Persania, Leutnant der Wache

Ari’Shakur: Kantarra, Kronkönigin, Partnerin von Zila

Bärwulf (Bor D’Gas): Kantarra, Bruderschaft

Basco: Osgabu, Leiter der Akademie, Gatte Allijas

D’Gas, Alana: Kantarra; Artokratin

Der Professor: Alte Welt, Celyns Mentor

Ela’Bur: Kantarra, Partner eines Krons

Hinnek: Kantarra, Wirt, Gatte Mahas

Imos: Cataqua, Hohepriester der Kirche von Cos

Kat’Ja: Osgabu, Schülerin der Akademie, Bruderschaft

Maha: Kantarra, Wirtin; Gattin Hinneks

Miranäe: Kantarra/Isma’Lome; Künstliche Intelligenz

Nierratte: Kantarra, Bruderschaft

Pir’Lak: Kantarra, Artokrat

Ren’Ard: Umurra, Freund und Ziehvater Celyns

Ruik’San: Kantarra Meister der Dragonaten

Silbersperling: Kantarra, Bruderschaft,

Smetlen, Thomas: Alte Welt, Leiter des Projektes

Sumtra: Osgabu, Bruderschaft

Tes’Lar (Kron): Kantarra, Bruderschaft

Thalia: Persania, Dragonatin, Kapitänin von Gronks Flaggschiff

Ty’Ron: Kantarra, Nachfolger Ruik’Sans, Partner Zilas

Urish: Persania, General der Wache

Wen’Ban: Kantarra, Dragonat; Lehrer und Gelehrter

Zabot: Kantarra, Zebal, Partnerin von Celyn

Zila’Lak: Kantarra, Dragonatin, Partnerin von Ari‘Shakur

Inhalt

Osgabu

Cataqua

Kantarra

Cataqua

Osgabu

Kantarra

Cataqua

Osgabu

9Cataqua

Persania

Osgabu

Kantarra

Osgabu

Kantarra

Umurra

Kantarra

Alte Welt, Umurra

Kantarra

Caschonien

Kantarra

Osgabu

Isma‘Lome

Isma‘Lome, Osgabu, Persania

Kantarra

Osgabu

Kantarra

Osgabu

Kantarra

Isma‘Lome

Arkana

Osgabu

Kantarra

Osgabu

Kantarra

Osgabu

Kantarra

Osgabu

Kantarra

Isma‘Lome

Kantarra

Zwischen den Inseln

Nokbar, Kantarra

Kantarra

1. OSGABU

„Nehmt, was ihr tragen könnt und dann Rückzug.“ Die Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

„Ich weiß nicht, wie viele Häuser wir jetzt schon durchsucht haben“, meldete sich eine weitere leise Stimme zu Wort. „Ich weiß nur noch immer nicht, was genau wir suchen.“

„Du sollst weniger fragen, sondern nehmen, was wir tragen können. Sumtra hat gesagt, wir sollen ruhig auch Beute machen, während wir die Häuser durchsuchen. Das sei eine gute Tarnung.“

Eine dritte Gestalt wirbelte geschmeidig herum. „Du musst zugeben, Tal, dass eine Aussage wie ‚ihr werdet wissen, was ihr gesucht habt, wenn ihr es seht‘, doch sehr vage klingt.“

Tal, ein schmaler zierlicher Mann, mittleren Alters schmunzelte.

„Unter uns gebe ich das zu. Noch. Wenn ich es sehe und sich die Aussage als richtig erweist, gibst du einen aus.“

Alle drei zuckten zusammen, als plötzlich eine zittrige Stimme von der Tür rief: „Ist da jemand?“

Eine Vase fiel zu Boden und zerbrach. Eine alte Frau trat durch die Tür, einen Leuchtstab in der Hand.

Schanta, eine junge Frau und Teil des Teams, die in das Haus der alten Dame eingedrungen waren, nahm kurz Blickkontakt mit Tal auf und war dann mit einer schnellen Bewegung bei der Tür und schlug der Alten den Leuchtstab aus der Hand. Diese taumelte und griff sich ans Herz.

„Los raus hier.“ Tal gab das Zeichen zum Rückzug.

„Sag mal, was ist denn heute für ein Aufruhr in der ganzen Stadt? Überall schwirrt es vor Gerüchten und Gerede über einen Einbruch in der Stadt, bei der jemand zu Tode gekommen sein soll? War das eines der Häuser der Studenten?“

„Ich habe nichts Genaues gehört, es muss eine Villa gewesen sein, die von einem der Lehrer bewohnt wird. Gestorben ist wohl seine Mutter. Sie hatte einen Herzanfall.“

Eine Gruppe junger Leute diskutierte lebhaft einen Vorfall, der sich den Gerüchten nach in der Stadt ereignet hatte.

„Wegen des Schrecks?“, Basco blieb kurz bei der Gruppe stehen und das Mitgefühl in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Die Gruppe sah kurz zu dem ältlichen Herrn hinüber, grüßte den Lehrer und Leiter der großen Akademie und des Hauptspitals, ging aber auf seine Frage nicht ein, sondern setzte ihr Gespräch fort, das sich alsbald allgemeinen Fragen des Studienstoffs zuwandte.

Basco lächelte und war keineswegs irritiert, dass seine Studenten ihn ignoriert hatten. Dies war nicht Missachtung, sondern lediglich ihrer Jugend geschuldet. Typisch hierfür war es auch, dass sie so schnell das Thema gewechselt hatten. Er allerdings dachte noch einige Zeit über die Serie von Einbrüchen der letzten Monate und Wochen nach. Man kam nicht dahinter, wie die Diebe in die Häuser kamen. Gemunkelt wurde, dass die Bruderschaft ihre Aktivitäten auf Osgabu ausgebaut hatte, niemand wusste jedoch etwas Genaues, denn bis jetzt hatte man keinen der Diebe jemals gefasst. Sie kamen in der Dunkelheit und gingen wieder, ohne dass sich Spuren fanden. Keine Tür war aufgebrochen, kein Fenster eingeschlagen. Die Ordnungshüter und Wachleute, die auf Osgabu eine eigene Organisation waren, hatten bislang noch keine Spur gefunden, die ihnen auch nur den kleinsten Hinweis auf die Täter gegeben hätte. Die Bevölkerung war gebeten worden, verdächtiges Treiben sofort zu melden, damit Osgabu bald wieder friedlich und störungsfrei funktionieren konnte. Doch nichts.

Osgabu war eine der kleineren Inseln, deren breite ausgebauten Straßen von schattenspendenden Bäumen gesäumt wurden. In der Hauptstadt, Osgabu Stadt, dem Sitz der Akademie und der großen Heilstätten, für die die ganze Insel berühmt war, waren die Straßen nachts beleuchtet und auch die großen Wohnhäuser der Studenten und des Lehrpersonals hatten eigene Energiequellen. Die Heilstätten, von denen es fünf Stück in der Stadt gab, waren sauber und hell erleuchtet. Sie lagen ebenso wie die Lehranstalt der Akademie in großen Parks, die gepflegt und von schönen Blumen und Anlagen gesäumt waren. Die Menschen, die in den Spitälern oder dem Lehrbetrieb arbeiteten, lebten zumeist in der Stadt selbst oder den umliegenden Orten in kleinen Häusern oder in Wohnungen. In diesen bis zu drei Stockwerken umfassenden Häusern, die zumeist bis zu sechs Familien Platz boten, gab es bequeme Wohnungen. Das Leben Osgabus außerhalb der Stadt dagegen war einfach, aber nicht ärmlich. In kleinen schmucken Dörfern wohnten und arbeiten die Bauern der Insel. Sie bestellten die Felder und ernteten das Getreide, das sowohl den Eigenbedarf als auch den Bedarf der Akademie und der Spitäler deckte. In der letzten Zeit waren zudem einige dazu übergegangen, aus Getreide oder der Restmaische eine Art Trunk zu brauen, der den Salb ersetzen sollte, der immer schwerer zu bekommen war. Ihre Kinder spielten nach der Schule an den Weihern und auf den Wiesen der Umgebung.

Allija, eine mittelgroße Frau und die Lebensgefährtin Bascos, verließ den Saal, in dem sie gerade den Neuzugängen die Begrüßungseinführung gehalten hatte. Die Jungen und Mädchen, die von den anderen Inseln hierher gesandt worden waren, um ihre Ausbildung zu vervollkommnen, strömten rechts und links an ihr vorbei, um ihre Quartiere zu beziehen. Sie waren zudem begierig, sich einen ersten Überblick über das Angebot, das Osgabu ihnen bot, zu verschaffen. Neben Lernen sollte es hier viele Annehmlichkeiten geben, die den meisten von ihnen unbekannt waren.

Die Akademie nahm jedes Jahr bis zu zweihundert neue Schüler auf, um ihnen die neueste Erkenntnisse der Heilkunst zu vermitteln, damit sie auf ihren Heimatwelten den Kranken und Verletzten die beste Hilfe bieten konnten. Neben den Künsten der reinen Medizin, gab es Kurse zur Herstellung von Tränke und Giftkunde, Hebammenkurse, Säuglingspflege, Chirurgie, Zahnmedizin, Pflege und vieles mehr. Fast alle Teilnehmer waren schon im Vorfeld auf ihren Heimatinseln von den dortigen Heilern ausgebildet worden, denn auf den meisten Inseln endet die Kindheit früh. Meist schon mit dem vierzehnten Lebensjahr. Der Zugang zur Akademie setzte jedoch ein Mindestalter von achtzehn voraus.

Allija sah Basco den Weg hinaufkommen und lächelte. Als er sie erreichte, sagte er: „Sie werden jedes Jahr jünger oder kommt es mir nur so vor?“

Allija musterte ihren Gatten und plötzlich stellte sie fest, dass er alt geworden war. Sie sah ihn selten so genau an. Mit einem Male wurde ihr schlagartig klar, dass es nicht mehr viele Jahre geben würde, die sie mit ihm verbringen würde. Eine Welle von Traurigkeit durchfuhr sie. Sie schluckte. Diese Abschiede waren immer das Schlimmste. Sie schob ihren Arm unter den seinen und griff nach vorne zu seiner Hand durch, um die ihre mit seiner zu verschränken. Er sah sie erstaunt an. Allija zeigte normalerweise ihre Zuneigung nicht in der Öffentlichkeit, obwohl sie seit vielen Jahren ein Paar waren, hatte sie noch niemals seine Hand ergriffen, dass jemand es sehen konnte. Sie sagte immer, sie wolle nicht, dass jemand denke, sie habe sich den Direktor geangelt. Dabei kannten sie beide die Wahrheit.

„Ja, Basco, sie werden immer jünger und wir werden wieder viel Arbeit haben, ihnen die Flausen aus den Köpfen zu treiben, die ihnen die einheimischen Quacksalber eingetrichtert haben.“ Sie seufzte. Egal, wie viele sie auf Osgabu ausbildete, die einheimischen auf Aberglauben und Traditionen basierenden Heilmethoden waren einfach nicht auszurotten. Man kam nicht gegen sie an. Man konnte den Leuten hundert Mal erklären, dass ein Mensch mit Krämpfen nicht besessen war, dass man sie nicht verhexen oder sie allein durch Blicke krankmachen konnte, sie glaubten es einfach nicht.

Auf dem Weg nach oben in ihre Räume passte sie ihre Geschwindigkeit der seinen an. Auch hier traf es sie wieder wie ein Blitz. Früher hatte er zwei Stufen auf einmal genommen, nun hielt er sich am Geländer fest. Sie erreichten die oberste Etage und betraten die große Wohnung, die sich im Hauptgebäude der Lehranstalt über zwei Etagen erstreckte. Sie durchquerten den Flur und Allija zog bereits dort ihre Dozentenrobe über den Kopf. Dann ging sie nur in Unterwäsche zum Schlafzimmer durch. Er blieb an der Tür stehen und sah ihr hinterher. Seit über dreißig Jahren bewunderte er ihre Schönheit, die niemals welkte. Sie wurde nicht alt. Er wusste es bereits seit langer Zeit. Sie hatte ihm erzählt, was sie war. Sie hatte es ihm nicht verheimlichen wollen, als es klar war, dass diese Beziehung dauerhaft wurde. Bis, dass der Tod uns scheidet, hatte sie ihm versprochen und ihm war klar, heute viel mehr als damals, dass sie seinen gemeint hatte.

Kurz darauf trafen sie sich beide in bequemer Kleidung in der Küche. Diese war hell und weiträumig aus hellen glänzenden Materialien und einer große Kochinsel, die sie erst ein Jahr zuvor hatten einbauen lassen. Allija lehnte sich kurz dort an und rieb sich kurz die Augen. Dann griff sie nach dem Gemüse und begann, dieses zu putzen.

„Hast du es bereut, dich an mich gebunden zu haben?“ Basco setzte sich auf einen Hocker und zog das Fleisch zu sich heran.

„Niemals. Wie kommst du jetzt darauf?“

„Du hast noch nie meine Hand in der Öffentlichkeit genommen. Ist etwas passiert?“

„Irgendwie schon.“ Sie betrachtete ihn. „Ich hatte dir von Celyn erzählt?

Er sah sie an und nickte. „Immer mal wieder. Sporadisch. Andeutungen. Doch du bist nie richtig mit der Sprache rausgerückt.“

„Ich habe mir Sorgen gemacht.“

„Ja, ich weiß.“ Basco presste kurz die Lippen aufeinander. „Schon seit Jahren versuchst du immer wieder, mit dieser Person Kontakt aufzunehmen. Ich wollte dich immer mal fragen, aber du warst so in dich gekehrt, wenn es auf dieses Thema kam, dass ich dich nicht zusätzlich belasten wollte.“ Basco wusste, dass er die Wahrheit etwas verbog. Er hatte Allija deshalb nie direkt gefragt, weil er Angst hatte, dass diese Person jemand war, der so war, wie sie und sie ihm wegnehmen würde. Er hatte es nicht genauer wissen wollen. War das jetzt der Grund dafür, dass sie seine Hand genommen hatte? Die Vorbereitung eines Abschieds? Er atmete tief ein. „Aber er war doch wieder da? Du hattest doch mit ihm gesprochen.“

Sie ignorierte die Frage und sagte gedankenverloren: „Ja, er war wieder da. Ich habe ihn erreicht. Endlich. Plötzlich antwortet er wieder. Etwas schmaler, mit einer abstrusen Geschichte. Aber glaube mal nicht, dass ich mir jetzt weniger Sorgen mache.“

„Er ist doch wie du, nicht wahr? Was soll ihm schon gefährlich werden?“

„Auf Allon? Im Prinzip nichts, doch selbst wir sind aber nicht unzerstörbar. Nichts ist das. Auch wir können uns verletzen, krank werden. Warum sollten wir nicht sterben können oder verloren gehen?“ Sie atmete tief ein und wieder aus. „Ich verrate dir ein Geheimnis. Ich fand die Teleporter immer unheimlich. Die eine Sekunde hier und in der nächsten ganz am anderen Ende des Systems.“

Basco sah sie an. „Was für ein Drachenboot soll denn das sein?“

Allija lachte bitter: „Kein Drachenboot. Ein Teleporter ist etwas ganz anderes. Du trittst hier hinein und auf der anderen Seite, auf Kantarra zum Beispiel, hinaus. Es ist als ginge man durch eine Tür.“ Sie überlegt einen Moment. „Ja, als ginge man durch eine Tür, nur ganz anders.“

„Verstehe ich nicht.“

„Mach dir nichts draus. Ich habe das Prinzip auch nie verstanden. Celyn hat gefühlt tausend Mal versucht, es mir zu erklären.“ Nun schlich sich ein Lächeln in ihr Gesicht. „Jetzt denke ich mir einfach, es ist Magie und damit geht es auch. Es funktioniert auch, wenn man nicht genau weiß, wie. Wenn du eine wissenschaftliche Erklärung haben willst, frag ihn. Wenn du ihn mal erwischst. Er ist schon wieder verschwunden. Ohne ein Wort zu sagen.“ Das Lächeln erlosch.

„Ja, ich das habe ich mitbekommen. Er wird schon wieder auftauchen.“ Er presste für einen Moment die Lippen aufeinander. Dann sagte er verhalten: „Du vermisst ihn sehr? Willst du jetzt zurück zu ihm? Ich würde es verstehen. Dann hast du jemanden, dem du nicht beim alt werden und sterben zusehen musst.“

Allija sah ihn überrascht an. „Liebling, ich gebe zu, es ist hart, dir beim alt werden zuzusehen und ich will gar nicht daran denken, dass eines Tages der Augenblick kommen wird“, sie stockte, „da ich dich gehen lassen muss. Aber mit Celyn leben? Das will ich sicher nicht.“

„Ich verstehe, ihr wart schon mal…“

„Nein, natürlich nicht.“ Sie klang perplex. „Ich meinte, er ist mir viel zu anstrengend. Nicht zu vergessen, das Chaos, das er überall hinterlässt.“ Sie zuckte mit den Schultern und schüttelte dann den Kopf, als wollte sie Erinnerungen abschütteln. „Ich mache mir nur immer Sorgen um ihn. Er hat leider ein Händchen dafür, dass seine Pläne schon deshalb nicht aufgehen, weil er nie welche macht. Er macht seine Pläne, während er handelt und das ist …“, ihre Stimme verklang.

„… riskant?”

„… eher misslich, weil er sich gewissen Dingen ungern stellt. Selbst bei Kleinigkeiten.”

„Kannst du deine Sachen bitte mal zusammenräumen. Ich bin nicht dazu da, hinter dir herzuräumen.” Allija kochte vor Wut. „Du kommst rein, wirfst deine Dreckssachen in die eine Ecke, den Rest deines Zeugs in die andere. Erwartest du, dass ich die jetzt wegräume? Was willst du hier? Das ist meine Wohnung! Geh nach Hause.”

„Da war ich, nur …“ Celyn verstummte.

„Sag nicht, ihr hattet schon wieder Streit?”

„Dafür müsste er mir in einziges Mal auch zuhören, statt nur eine Anweisung zu geben.” Er knallte die Tür zum Schlafzimmer hinter sich zu. Allija schüttelte entnervt den Kopf. Dann folgte sie ihm. „Hat er rausgefunden, dass du dein Studium schleifen lässt? Als hättest du dir nicht denken können, dass er dir irgendwann auf die Schliche kommt. Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst es ihm sagen?”

Die Stimme klang gedämpft aus dem Kissen.

„Ich hasse dieses Studium und ich will seinen Konzern nicht. Ich will…“

„…was? Werde endlich erwachsen! Du musst dir doch selbst auch langsam sagen, dass du mal was zu Ende bringen musst. Du fängst alles Mögliche an und kaum hast du eine Ahnung wie es funktioniert, schmeißt du wieder hin.“ Allija seufzte. „Du treibst dich in allen möglichen Fachrichtungen um, nur nicht in der, für die du eingeschrieben bist.“

„Besserwisserin!” Er hob den Kopf. „Professor Sauter auch.”

„Wie bitte?” Allija sah ihn fragend an.

„Hat gesagt, ich soll endlich mit ihm reden. Er würde mich schon nicht fressen. Der kennt deinen Vater schlecht.”

Allija sah ihn tadelnd an: „Meinen? Weißt du eigentlich, wie unfair du bist? Du hast es also ignoriert und gehst der Sache aus dem Weg? Wie üblich.“

Celyn zog eine Grimasse und nickte. „Es ist ja nicht so, als sei er grundsätzlich an irgendwas interessiert, was ich mache. Wie hätte ich ahnen können, dass das jetzt mal anders ist.”

Allija sah ihn völlig entgeistert an. „Er tut alles für dich und er ist sehr interessiert, an dem, was du tust. Das ist sonst genau das, was dich stört.” Sie lachte. „Was er ignoriert ist, was du möchtest. Das zu berücksichtigen, ist auch schwierig, denn das weißt du selbst nicht. Also weiß er es jetzt?“ Sie nippte an ihrem Tee. „Ich werde es sicher bereuen, dich zu fragen, mit welchem abwegigen Fach lenkst du dich gerade von deinem richtigen Studium ab?“

„Nein, noch nicht. Ich habe irgendeinen Termin verpasst. Physik und Computerwissenschaften. Nicht, dass der mich interessiert hätte. Wir haben auch nicht gestritten. Er wird aber sicher bald. Er hat allein geredet.“

Allija sah ihn verwirrt an.

„Was denn nun? Habt ihr gestritten oder nicht? Und welcher Termin? Physik? Seit wann interessiert dich das nicht? Das ist eins der wenigen Dinge, die dich immer – was?“ Dann wurde ihr plötzlich klar, dass die Reihenfolge und Zusammenhänge in seiner Antwort mal wieder heillos durcheinandergeraten waren.

„Himmel! Celyn! Bitte konzentriere dich und spring nicht mitten im Thema.“

Sie schüttelte dann den Kopf, um die Erinnerung loszuwerden.

„Du hast recht, so wie es heute ist, kann es auch gefährlich sein.

„Ich dachte, ihr wurdet damals ausgewählt, weil ihr besondere Fähigkeiten hatten, besonders intelligent wart? Kann er da nicht auf sich selbst aufpassen?“

„Er kann durchaus auf sich aufpassen. Er ist ein Chaot, aber brillant. Die Frage ist nur: Wird er es auch tun?“

„Egal, ob er es tut oder nicht, du fühlst dich für ihn verantwortlich. Richtig?” Er lächelte. „So bist du eben. Das macht dich aus. Du empfindest noch Verpflichtung, auch wenn die Liebe“, er beendete den Satz hoffnungsvoll, „vergangen ist?“

Sie stand auf und schlang die Arme eng um ihren Partner. „Diese Liebe vergeht nicht“, neckte sie ihn. Dann wurde sie ernst, als sie sein Gesicht sah. „Für dich ist er kein Rivale. Das war er nie und wird er nie sein. Das verstehst du völlig falsch. Ja, ich mache mir Sorgen um ihn. Ich fühle mich für ihn verantwortlich, sehr sogar.

Das habe ich immer getan und werde ich immer tun.“ Sie küsste ihn innig. „Celyn ist mein kleiner Bruder.“

Einige Zeit später hatte sich Basco nach oben in das Labor zurückgezogen. Von der Wohnung, die er mit Allija teilte, hatten sie zusätzlich noch Zugang zu einem Turm, in dem sich Allija ein Arbeitszimmer eingerichtet hatte. Nicht nur, dass es ein ruhiger und friedvoller Ort war, es bot auch einen unglaublichen Ausblick über die Stadt. Er liebte das Labor. Es war ein großes helles Zimmer, immer aufgeräumt und wurde beherrscht von einem großen Schreibtisch in der Mitte und einem Torbogen, der in einer Ecke stand. Er hatte sie mal gefragt, was es damit für eine Bewandtnis hatte und sie hatte einen abwesenden Blick bekommen und geantwortet: „Keine. Nur Schmuckwerk.“ Sie verbrachte viel Zeit dort und er hatte sich angewöhnt, das Gleiche zu tun.

Basco, der von Ukbar, einer Insel des zweiten Systems stammte, dachte heute mit einem Schmunzeln daran zurück, welche Einstellungen und Ansprüche er anfangs gehegt hatte. Ukbar war ein Matriarchat und Männer hatten dort eine gänzlich andere Stellung. Sie hatten kaum Rechte und zugetraut, wurde ihnen auch nichts. Sie durften kein Eigentum haben und waren weitgehend die Diener ihrer Frauen. Dafür wurden sie oft verwöhnt und umsorgt. Das war weit besser als auf Nokbar, wo Männer nicht viel mehr galten als Vieh. Noch schlimmer war Borkan. Ihn schauderte, wenn er sich deren Leben nur vorstellte. Der Wechsel nach Osgabu, wo beide Geschlechter als gleichberechtigt galten, hatte ihm einen großen Schock versetzt. Zum Glück war es anderen, die damals als Schüler nach Osgabu kamen, ähnlich ergangen, wenn auch bei vielen die Vorzeichen andere gewesen waren. Sein Erstaunen war groß gewesen, als er erfahren hatte, dass auf den meisten Inseln nicht Frauen herrschten, sondern die Männer das Sagen hatten.

Allija hatte ihm dann die Geschichte Allons nahegebrach, als sie ein Paar geworden waren. Auf Umurra, Osgabu, Ypor, Caschonien und, warum sie hier die Augen gerollt hatte, war ihm nicht klar geworden, zeitweise Kantarra, waren Frauen und Männer gleichberechtigt, im zweiten System, in dem es nur weibliche Protektoren gab, herrschten die Frauen, auf den anderen Inseln hatten sich die Männer durchgesetzt. Auf der Ursprungswelt jedoch hatte war es gewesen, wie auf Osgabu. Dort waren die Geschlechter gleich gewesen.

Vier Inselsysteme, die sich um Yetaan drehen, was müssen das für Menschen gewesen sein, die fähig waren, so etwas zu bauen. Er konnte sich nicht einmal vorstellen, was dafür notwendig gewesen sein mochte. Daher stammt meine Allija. Sie ist die Beschützerin des Systems und Bewahrerin des Wissens. Jetzt musste er über sich selbst lachen. Und ich bin ein romantischer und sentimentaler Narr. Er hatte sich bereits in seinem ersten Jahr in diese Frau verliebt, sich aber keine Chancen ausgerechnet, doch dann plötzlich schien es, als erwidere sie seine Gefühle. Kurz nach seiner Berufung zum Lehrer waren sie sich nähergekommen und ein weiteres Jahr später war er eingezogen. Noch heute glaubte er es manchmal nicht. Er lehnte sich in dem bequemen Sessel zurück, der in einer Ecke des Labors stand und sagte das Stimmkommando, um die Leuchte einzuschalten, die neben ihm stand. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und so war es angenehmer. Er vertiefte sich in das Buch und plante die Vorlesung der kommenden Langwochen.

Plötzlich schreckte er hoch. Draußen war es vollständig dunkel geworden. Er war wohl über seinen Vorbereitungen eingenickt, das Buch lag in seinem Schoß. Seine Nase nahm deutlich angenehme Gerüche wahr, die durch die Suite liefen. Er stand auf und ging in die Küche hinunter.

„Liebling, es tut mir leid. Ich muss eingeschlafen sein.“ Er sah zerknirscht aus.

„Kein Problem. Ich habe die Suppe fertiggemacht. Ich mache das gerne. Es ist so was herrlich Alltägliches. Es lenkt mich auch so nett von den Studenten ab. Die sind nervtötend. Sie sind zwischen 18 und 20 Jahren alt und sie wissen alles, wirklich alles, besser.“

„In dem Alter muss man so sein. Das ist das Alter, dem man glaubt, unsterblich zu sein und alles zu können. Man ist berufen, die Welt zu retten. Leider weicht dieser Idealismus irgendwann der Erfahrung.“

„Basco, wann bist du so weise geworden?“ Allija wusste, dass er recht hatte, jedes Semester war es die gleiche Leier mit den Studenten und Studentinnen. „Ob ich auch mal so war? So naiv und enthusiastisch?“

„Du bist es noch, sonst würdest du dich nach all dieser Zeit nicht ständig aufs Neue mit den Kindern abmühen. Wie viele sind es?“ „Mehr als im letzten Jahr. Dabei kommen sie nur noch aus diesem System und deinem. Aus den anderen zwei Systemen kommt niemand mehr, seit die Dragonaten kaum mehr über die Systeme hinausfliegen. Es ist eine Schande.“

Sie wirkte nachdenklich. „Man hört nicht mal mehr was aus den anderen Systemen. Für diejenigen, die von dort stammen, ist es hart. Sie sind hier gestrandet. Nicht mal mehr die kleinste Nachricht von ihren Familien.“

„Sind denn die Klassen ausreichend gefüllt?“ Basco erinnerte sich an das Jahr zuvor, in dem sie kaum einen Saal hatten füllen können.

„Ja, auch wenn von Arkana dieses Jahr niemand dabei ist. Was denkt Shalima sich nur? Von Kantarra kam eine große Anzahl. Die eine, Ri’Sa, macht einen guten Eindruck. Aus ihr kann was werden. Ein anderer dagegen, Tel’Ar, kommt aus einer strenggläubigen Gemeinde und wollte heute in Anatomie nicht mal zuhören und hat den Saal verlassen, weil ein anständiger Mensch solches Wissen nicht haben darf.“ Sie sah ihren Partner entrüstet an. „Wissen ist was Gutes, verflucht noch mal. Was soll daran schlecht sein? Man kann einfach niemanden mit Zaubersprüchen krank oder gesundmachen. Aber er glaubt an Hexerei und die Kraft der Gebete.“ Sie stutzte für einen Moment über ihre eigenen Worte. Dann begann sie zu kichern.

Ihr Lebensgefährte sah sie erstaunt an. „Wer weiß, was man ihm erzählt hat. Die letzten Jahre hat es viele Veränderungen gegeben. Man denkt, sie entwickeln sich weiter, doch die jungen Leute werden immer rückständiger oder kommt mir das nur so vor?“ Er unterbrach sich selbst, als sie nicht aufhören konnte zu glucksen.

„Was ist gerade so witzig?“

Zwischen zwei Lachern presste sie raus: „Du weißt doch, dass die Menschen auf anderen Inseln oft diesem Glauben an die ZWÖLF anhängen?“

„Ja, weiß ich. Ich war auch ein Anhänger dieser Lehre, bis ich mit einer der ZWÖLF zusammengezogen bin und gemerkt habe, dass sie manchmal sehr wenig göttlich ist.“ Er schüttelte amüsiert den Kopf. „Ich glaube dir auch, dass die Magie, keine ist, sondern Wissenschaft. Ich bin jetzt ein gebildeter Mann. Doch selbst für mich sieht es oft wie Zauberei aus. Wie muss es erst auf die Menschen auf den anderen Inseln wirken.“ Dann wurde sein Ton tadelnd. „So oder so finde ich es unhöflich, sich über den Glauben anderer lustig zu machen.“

„Ja, ja, entschuldige bitte. Dieser Tel’Ar ist ein glühender Anhänger des Glaubens an die ZWÖLF und er glaubt, an die Wirksamkeit von Gebeten. Nun ist der Gott, den er vor allem anbetet und verehrt, natürlich der Gott von Kantarra, C’Liën.“

„C’Liën? Ich verstehe den Witz immer noch nicht. Das ein oder andere könnt ihr schon bewirken, oder?“

„Ja, und auf einigen Inseln kannst du mit einem Gebet sogar Glück haben. Doch nicht auf Kantarra. Nie im Leben. Celyn hat mit Göttern nichts am Hut und würde kein Gebet erhören, nicht mal, wenn man ihn unter der Folter dazu zwingt. Wenn du von ihm etwas haben möchtest, ist beten der falsche Weg.“ Sie kicherte wieder. „Folter könnte sogar funktionieren. Beten? Niemals!“

„C’Liën ist Celyn? Wieso verschiedene Namen?“

„Keine Ahnung. Avatar? Alter-Ego? Er hat es nie richtiggestellt. Sowas interessiert ihn nicht?“

„Was meinst du damit, man könne auch mit einem Gebet Glück haben? Willst du damit sagen, ihr könntet Wunder wirken? Krankheiten heilen? Tote erwecken? Wenn man euch bittet? Jede Krankheit?“

„Nein, natürlich nicht jede. Oft können wir, und das können wir alle, nicht nur ich, Krankheiten und Verletzungen erkennen, und dann auch heilen, an denen die Menschen sonst normalerweise sterben. Das können wir, weil wir noch altes Wissen haben. Wir wissen noch über Methoden Bescheid, die es auf Allon nicht mehr gibt und wir alle haben Grundkenntnisse in Medizin eingespeist, die oft über das hinausgehen, was einfache Heiler auf den Inseln können.“ Sie sah ihn an. „Vieles ist verloren gegangen und viele der Medizinen gibt es nicht mehr. Deshalb versuchen wir hier, sie neu zu erfinden oder besser wiederzufinden oder ein Surrogat zu entdecken. Ich war schon in der alten Welt in dem Bereich tätig. Es ist meine Primärfähigkeit. Wir können auch andere Dinge tun, die euch wie Magie oder Wunder erscheinen.“

„Warum lehren wir dann nicht allen das, was ihr wisst?“

Allija seufzte.

„Wir tun es hier, soweit es möglich ist. Die Gesellschaft ist nicht immer bereit dafür.“

„Willst du damit sagen, dass ihr uns kleinen einfachen Menschen Wissen und Fortschritt vorenthaltet? Sag bitte, dass das nicht stimmt.“

„Das ist nicht so einfach, wie du denkst. Nach der Katastrophe ist viel verloren gegangen oder wir haben den Menschen vieles vorenthalten, weil es einfach nicht möglich war, es für alle verfügbar zu machen. Überleben war und ist wichtiger. Dabei müssen wir langfristig denken.“ Bei sich dachte sie. Sie haben einfach die Fähigkeiten nicht oder nicht mehr. Es fehlt Allon an den Ressourcen. Und ihnen an den Kapazitäten. Ihr wäret überfordert und denkt nicht weit genug in die Zukunft. Laut fuhr sie fort. Dann habt ihr angefangen, euch anzupassen und eure eigenen Fortschritte zu machen. Nicht auf dem Stand wie vorher, aber genug für ein gutes Leben.“

„Das entscheidet einfach ihr? Was glaubt ihr, wer ihr seid?“

„Wir sind die Hüter. Wir wollen euch schützen.“

„Wir sind doch keine Kinder.“

„Jetzt klingst du wie Celyn. Er wiederholt das auch immer wieder und hält sich dann aus allem raus.“

„Also würde er uns dieses Wissen geben?“

Allija schüttelte den Kopf.

„Nein, würde er nicht. Das verstehst du falsch. Lass uns nicht streiten. Ich kann nicht anders sein, als ich nun mal bin. Außerdem stehen wir vor anderen Herausforderungen als Fortentwicklung. In den letzten Jahrzehnten fallen wir wieder zurück.“

„Du übertreibst, ich kann keine großen Veränderungen erkennen.“ Er war immer noch sauer. Sie hielte ihm und den Menschen Wissen vor. Er konnte dies nicht gutheißen. Welche Logik sollte darin stecken? Konnte es sein, dass er den Teil von ihr, der Computer war, nicht verstand? Konnte er überhaupt erfassen, was es bedeutete? Sie fuhr inzwischen mit ihrem Thema fort und seine Wut verrauchte. Er konnte nie lange böse auf sie sein.

„Auch hier auf Osgabu verändert sich alles. Wir waren einst die fortschrittlichste Insel. Nur die Besten kamen hierher. Heute können die Studenten, die kommen, oft nicht mal mehr lesen und schreiben. Ich habe dieses Jahr einen Kurs eingerichtet, in dem sie es lernen. Der Kurs ist so voll, dass wir ihn teilen und einen zweiten einrichten werden.

„Du machst Witze.“

Ich wünschte, es wäre so. Dann die Versorgungslage. Es wird immer schwieriger, Nachschub zu organisieren.“

Allija stellte das Essen auf den Tisch und setzte sich. Er goss den Wein ein und nahm ihr gegenüber Platz.

„Das war sicher auf der alten Welt nie ein Problem. Ich kann mir gar nicht vorstellen, eine Welt, die nicht aus Inseln besteht.“

„So unterschiedlich ist das gar nicht. Nur das da, wo jetzt Luft und Nebel sind, war Wasser. Inseln gab es dort auch und Kontinente. Das sind – im weitesten Sinne – Inseln nur unendlich viel größer. Glaube mir, lesen und schreiben konnten dort auch nicht alle und die Verteilung der Lebensmittel war über weite Strecken der Geschichte auch dort ein Problem. Eigentlich …“, sie überlegt kurz,

„… hatten wir diese barbarischen Zeiten noch gar nicht lange überwunden, in dem die Stärkeren die Schwächeren ausbeuteten, als sich die Katastrophe ankündigte.“

Er sah sie an und hörte die Trauer, die auch nach so langer Zeit noch in ihrer Stimme mitschwang.

„Immerhin Zeit genug, um einen Plan zu schmieden, die Menschen zu retten.“

„Wir mussten zusammenarbeiten, um wenigstens die Art zu retten. Doch es waren wenige. So wenige und davon starben noch so viele in dem, was danach folgte.“ Ihre Stimme erstickte. Basco musterte sie und sah ihre Blässe. Er stand auf und ging den Rickish holen. Eine Flasche stand noch im Regal des Labors. Sie sah aus, als könne sie einen Schluck vertragen.

Er nahm sie und wollte schon den Raum verlassen, als er ein Geräusch hörte und sich umdrehte. Der Bogen in der Ecke hatte sich verändert. In ihm blitzte es. In seinem Inneren entstand ein etwas, das Basco noch niemals zuvor gesehen hatte. Es war grau und verdichtete sich zu einer schwarzen Masse, die hin und her waberte. Blitze zuckten von einer Seite zur anderen. Gleichzeitig fasziniert und voller Grauen schaute er auf das Schauspiel, das sich ihm bot. Er wollte nach Allija rufen, aber er musste erst zweimal schlucken, bevor er einen Ton herausbrachte. Dann rief er ihren Namen.

Wie immer hörte er sie nicht, als sie den Raum betrat.

„Wie lange ist der Teleporter schon offen?“ Sie klang zutiefst beunruhigt.

„Der was? Das Ding, das du vorhin schon mal genannt hast?“

„War er schon schwarz, als du reinkamst oder wurde er es gerade erst?“ Ihre Stimme hatte einen furchtsamen Unterton. Der Teleporter begann nun zu flackern und die Schwärze verlor ihre Tiefe. „Er war erst grau, dann schwarz. Da waren Blitze. Was passiert da? Was ist das?“

Sie reagierte nicht. Sie starrte nur auf den Bogen und stammelte:

„Bitte nicht dort drin feststecken, bitte nicht feststecken. Mach schon. Los. Bitte, bitte, komm schon durch.“

Allijas Gesicht war wächsern. Sie rührte sich nicht und ließ keinen Blick von dem Torbogen, dessen Feld langsam erlosch. Das Feld wechselte nun zu einem hellem grau und die Blitze, die bereits am Anfang des Schauspiels den Bogen gefüllt hatten, zuckten immer schneller von einer Seite zur anderen. Ihr entrang sich ein Ton, der fast wie ein Schluchzen klang. Dann trat eine Person durch die Öffnung. Sie befand sich etwa eine Handbreit oberhalb des Bodens. Den Sturz gerade noch vermeidend, stolperte sie nach vorn, fing den Sturz aber noch ab. Der Torbogen sah nun wieder aus wie zuvor.

„Verrechnet oder die Parameter haben sich verändert.“ Die Worte waren kaum mehr ein Hauch. Die Gestalt taumelte und machte zwei ungelenke Schritte nach vorne. „Kalt, saukalt.“ Dann brach sie zusammen.

Basco hatte völlig fasziniert, den gesamten Vorgang beobachtet. Er hatte sich immer für einen Menschen gehalten, den so schnell nichts erschüttern konnte. Nun löste sich für ihn das Rätsel um die Einbrüche, welches erst letzte Nacht eine Tote gefordert hatte. Dieses Ganovenpack hatten eine Möglichkeit gefunden, die es ihnen erlaubte, durch eine Wand oder wie hier durch einen Torbogen zu gehen. Er fasste sich und sah sich nach etwas um, das er als Waffe einsetzen konnte. Nach dem Schürhaken greifend, plante er bereits die nächsten Schritte. Die Lage sichern, die Ordnungshüter rufen. Sie werden aus ihm oder ihr schon rausbekommen, was oder wer dahintersteckt und was es mit der schwarzen Wand auf sich hat. Vorsichtig stieß er mit dem Schürhaken die schwarzgekleidete Gestalt an, die sich nicht rührte. Ohnmächtig. Über die Schulter rief er Allija zu.

„Schnell, sieh, ob du etwas findest, was wir als Fesseln verwenden können und dann ruf die Ordnungshüter.“

„Bist du verrückt geworden?“

Allija, die zunächst völlig bewegungslos seinen Aktivitäten gefolgt war und die Gestalt, die dort auf ihrem Laborboden lag, angestarrt hatte, erwachte wieder zum Leben und überwand die Distanz und kniete nieder. Sie drehte die dunkel gekleidete Person vorsichtig herum und wischte ihr sanft eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. Die Gestalt entpuppte sich als Mann, vielleicht Anfang dreißig und sehr bleich mit tiefen dunklen Schatten unter den Augen, die Lippen waren blau. Allija führte eine schnelle vorläufige Untersuchung durch.

„Hypothermie. Atmung flach und unregelmäßig, Hypotonie, Bradykardie, Pupillen erweitert.“

Basco sah ihr kopfschüttelnd zu. Wie typisch für seine Gefährtin selbst einem Verbrecher, ihre Hilfe nicht zu verweigern.

„Glaubst du, er wird aufwachen oder kann ich dich kurz mit ihm allein lassen? Ich rufe Hilfe.“

„So ein Blödsinn. Hilf‘ mir lieber ihn in ein Bett zu schaffen. Er ist stark unterkühlt. Ich muss sehen, ob er weitere Verletzungen hat.“ „Darum können sich die Offiziellen kümmern.“ Basco fand, dass sie ihre Hilfsbereitschaft jetzt übertrieb. Der Bruderschaftler atmete noch. Weitere Hilfe konnte ihm auch im Gewahrsam der Wachleute gewährt werden.

„Du weißt, wir sollen Verdächtiges melden und jetzt da wir wissen, wie die Einbrecher in die Häuser kommen …“

Allija unterbrach ihn entnervt.

„Hör mit dem Mist auf. Das ist nicht der Weg, den die Einbrecher nehmen. Nicht in jedem Haus steht ein Teleporter. Außerdem fällt mir momentan niemand ein, der ihn in Funktion setzen könnte. Außer Celyn.“ Sie sah auf den Bewusstlosen hinunter.

„Offensichtlich nicht einmal er, ohne sich in Gefahr zu bringen.“ Nur langsam sickerten die Worte in Bascos Bewusstsein.

„Du willst damit sagen, das ist er?“ Er sah auf den Mann hinab.

„Das ist Celyn? Von Kantarra?“

2. CATAQUA

General Urish betrat in Begleitung von Leutnant Arcor und vier Soldaten der neuen Stadtwache pünktlich zur Mittagsstunde die Fatima, Thalias Flugschiff. Im Schlepptau führten sie sechs in Ketten gelegte Gefangene, die eindeutig Priester von Cos´ Kirche der Tempel des Lichtes waren.

„Kommandant Urish zum Report, führt uns zum Lord“, sagte er in seinem gewohnten Befehlston der Schiffswache, die ihnen pflichtgewohnt, wenn auch unsicher in den Weg trat und den Zutritt auf das Schiff verwehrte. Als der Soldat sich umdrehen wollte, um seinen Kollegen mit der Aufgabe zu betrauen, den Kommandanten anzukündigen, ergänzte er in einem schärferen Tonfall: „Unverzüglich“, wobei seine Ungeduld seinem Blick dabei den entsprechenden Ausdruck verlieh.

Der Wachsoldat reagierte sofort, wobei er einen Seitenblick auf die Gefangen warf, die, bis auf einen fettleibigen, kleineren Mann, sichtlich von der Situation überfordert waren. Der Kommandant reagierte nicht auf den Seitenblick, was den Wachsoldaten dazu veranlasste zu vermuten, dass anscheinend die ganze Truppe vom Lord erwartet wurde. Schulterzuckend machte er eine einladende Handbewegung in Richtung Kapitänskabine: „Hier lang, Kommandant.“

Ohne auf eine Bestätigung zu warten, setzte er sich in Bewegung. Der Kommandant schritt neben ihm, gefolgt von seinen Soldaten, die die Gefangenen an ihren Ketten hinter sich herzogen. Als sie die Kapitänskabine erreicht hatten, stand die Tür bereits offen, der Lord selbst, wie immer ganz in schwarz gekleidet, wartete, mit dem Rücken zu ihnen an einem Tisch in der Mitte des Raumes, auf dem sich Stapel von Karten und Dokumenten türmten. Ohne sich umzudrehen, richtete der Lord seine Worte an den Kommandanten:

„Kommandant Urish, pünktlich, genau wie immer. Mit den Gästen, die ich Euch beauftragt hatte, schnellstmöglich zu mir zu bringen. Ich sehe mit Freuden, dass sie der Einladung so zahlreich gefolgt sind. Ich darf annehmen, dass der Fürst und die Fürstin im Palast meiner Gesellschaft harren?“

Damit drehte er sich um, bevor der Kommandant eine Erwiderung aussprechen konnte. Der Lord betrachtete die Gruppe seiner Soldaten, die alle mit geneigtem Haupt Haltung angenommen hatten. Die Gefangenen, unschlüssig darüber, was von ihnen erwartet wurde, sanken auf die Knie. Alle, bis auf den fettleibigen, kleinen Mann, der den Lord aus funkelnden Augen wütend anstarrte. Dieser lächelte ihn jedoch einfach freundlich an, so als freue er sich auf diese Begegnung.

„Hohepriester Imos, wie schön, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid und ich Euch in meiner bescheidenen Kabine begrüßen darf“, dabei schien er vollkommen zu ignorieren, dass die Gefangenen in Ketten gelegt waren.

Der fettleibige Mann nahm seinen Mut zusammen: „Ich bin kein Hohepriester. Seit dem Tag, an dem uns der Gottvater verließ, hat die Kirche des Tempels des Lichtes keinen Hohepriester mehr ernannt.“ Immer noch wütend, konnte er sich nicht stoppen. „Woher kennt ihr überhaupt meinen Namen? Sind wir uns schon einmal begegnet? Wer seid Ihr? Was wisst ihr von unserem Glauben? Was wollt ihr in Axata?“

Als der Lord nicht reagierte, fügte er in einem beleidigten Tonfall hinzu: „Eine schöne Einladung! Ich und meine Brüder wären ihr auch freiwillig gefolgt, doch Eure Häscher mussten uns ja gleich in Ketten legen.“

Der Lord reagierte prompt: „Entschuldigt vielmals, meine Soldaten sind oft sehr, oder sollte ich besser sagen, zu genau bei der Ausführung meiner Befehle. Kommandant, nehmt ihnen bitte die Ketten ab und entschuldigt euch bei … ja, beim wem denn eigentlich. Wie darf ich Euch anreden, werter Imos? Zumindest damit liege ich anscheinend richtig …“

Kommandant Urish kannte seinen Lord zu lange, um auf die leichte Belustigung in den Worten seines Lords noch zu reagieren. Mit einem einfachen: „Selbstverständlich Eure Lordschaft“ gab er einem der Wachsoldaten ein Zeichen, woraufhin dieser den Gefangenen die eisernen Fesseln abnahm, gefolgt von einem: „Entschuldigt vielmals das Missverständnis, werte Herren“

„Jünger Imos, wenn es Eurer Lordschaft beliebt. Ich bin der rangälteste Priester der Kirche des Tempels des Lichtes. Ich stehe in den Diensten des Gottvaters Cos. Dies sind meine Brüder: die Jünger Eli, Somund, Gerom“, wobei er auf die drei älteren der fünf knieenden Priester deutete, während er seine Handgelenke abwechselnd mit der jeweils anderen Hand rieb. „Und dies Brüderanwärter Kaijnin und Larcus“, beendete er die Vorstellung seiner Begleiter, mit seiner Hand zu den beiden sehr viel jüngeren Knieenden zeigend. Dann verstummte er und beobachtet den Lord und dachte dabei:

Woher kennt er meinen Namen? Weiß er, dass ich aus der Fürstenfamilie stamme? Hat er bereits Kenntnis von der Flucht des Fürsten erhalten? Kennt er meine Rolle bei dessen Flucht?

Der Lord reagierte nicht, und es schien, als denke er über das soeben gehörte nach. Als mehrere Minuten verstrichen waren, meldete sich Imos nochmal zu Wort: „Eure Lordschaft, was genau verschafft uns das Vergnügen Eurer Gastfreundschaft oder soll ich lieber sagen, Eurer Invasion?“, unüberhörbarer Spott klang dabei in den Worten mit.

Mutig, mutig, oder einfach nur verblendet. Wenn es etwas gibt, was ich noch mehr verabscheue als kriechende, willenlose Sklaven, sind es diese gottesfürchtigen Gläubigen, und insbesondere die Priester. Andererseits haben sie ihre Vorteile. Zwar sind sie schwer zu überzeugen, doch leicht zu kontrollieren, noch leichter zu manipulieren. Hier bietet sich eine ungeahnte Möglichkeit. Vielleicht gibt es einen einfacheren und schnelleren Weg Cataqua einzunehmen, dachte er, bevor er erwiderte und dabei absichtlich die gleiche Anrede wie zuvor für den rangältesten Priester verwendete:

„Hohepriester Imos, ich muss Eure Geduld noch ein wenig strapazieren, bevor ich Euch meine geschätzte Aufmerksamkeit widmen kann, doch dringende Staatsangelegenheiten bedürfen derer leider vorerst noch“ und ergänzte im Gedanken, und ich brauche etwas Zeit, um eine Planänderung durchzudenken, bevor er fortfuhr, „Bitte folgt Leutnant Arcor, er wird derweil dafür Sorge tragen, dass ihr versorgt werdet und ihr in Sicherheit seid. Wir wollen doch nicht, dass Euch etwas zustößt, bei all den Unruhen in der Stadt. Leutnant Arcor, bitte die Offiziersmesse“, und ohne eine Antwort abzuwarten, winkte er Kommandant Urish an den Tisch zu treten und drehte sich um.

Imos, der dadurch gezwungen war, seine weiteren Fragen auf später zu verschieben, machte eine beruhigende Geste in Richtung seiner Brüder und gemeinsam folgten sie dem Leutnant. Als sei dem Lord noch etwas Wichtiges eingefallen, rief er Ihnen noch, anscheinend darauf bestehend, Imos Erklärung zu seinem Status innerhalb seiner Kirche zu ignorieren, hinterher: „Hohepriester Imos, ich bringe wichtige Botschaften, auf die Ihr und eure Kirche schon so lange wartet. Diese ‚Invasion‘, wie ihr sie bezeichnet, geschieht im Auftrag des Glaubens. Seit versichert, das Warten wird sich lohnen.“

Die Brüder, die den rangältesten Priester jetzt mit einer neuerwachten Bewunderung ehrfürchtig ansahen, bestätigten seine Vermutung. Sie dürsten nach jemandem, der ihrer Kirche wieder Sinn gibt. Ach Cos, guter alter Cos, schade, dass du das nicht persönlich erleben kannst. Deine Kirche erfüllt in Kürze tatsächlich mal einen realen Zweck.

Das letzte, das Imos vernahm, bevor die Tür hinter ihm geschlossen wurde, war: „Euer Bericht Kommandant, wenn ich bitten darf“, wobei nicht die Spur einer Bitte in der Stimme des Lords lag.

Als Imos mit seinen Brüdern die Offiziersmesse erreicht hatte, traten sie der Reihe nach in den Raum, der spartanisch und nur mit dem Nötigsten ausgestattet war. Der Leutnant verabschiedete sich förmlich und erlaubte sich den Hinweis, dass er zu ihrer Sicherheit eine Wache an den Ausgängen der Offiziersmesse positioniert hatte, die Jünger des Tempels mögen warten, bis seine Lordschaft die dringenden Staatsangelegenheiten erledigt habe, und sich dann mit seiner vollen Aufmerksamkeit ihnen widmen könne. Speisen und Getränke würden in Kürze aufgetragen. Sollte es ihnen an etwas fehlen, mögen sie bitte die Dienerschaft in Kenntnis setzen und diese würde das Möglichste versuchen, um die Wünsche zu befriedigen. Imos eisiger Blick versicherte ihm, dass die Jünger verstanden hatten, was er ‚zwischen-den-Zeilen‘ angedeutet hatte, dann drehte er sich um und verließ den Raum.

Kaum waren die Jünger und Brüder allein, stürmten alle auf Imos zu und begannen ihn mit ihren Fragen zu löchern: was diese Einladung zu bedeuten habe, ob das die erwartete Antwort von Cos sei, ob er sie für alle Verfehlungen der Vergangenheit bestrafe, und ob sie Buße tun und Cos um Vergebung bitten sollten. Imos hob beschwichtigend die Hände und sprach zu seinen Brüdern:

„Ruhe, bewahrt Ruhe meine Brüder. Lasst mich einen Moment nachdenken und mich sammeln“, dann schloss er wirkungsvoll die Augen und verschränkte die Arme, nur um sie kurz darauf wieder zu öffnen, „Schon bald, sehr bald, werden wir alle Antworten erhalten, die wir seit so langer Zeit begehren.“ Im Gedanken fügte er hinzu: Ich fühle eine Stärke bei diesem Lord, die ich schon lange nicht mehr gespürt habe.

Der Bericht des Kommandanten war wie immer präzise und knapp: Axata sei fest in der Hand der persianischen Armee. Erste Verbände seien bereits auf dem Weg in das Umland, Fürst und Fürstin flüchtig. Nach Aussage einer intensiven Befragung unterzogener Diener seien diese mit kleinem Gefolge kurz vor der Landung aus dem Palast und der Stadt über Geheimgänge geflohen. Man habe deren Spur bereits aufgenommen, und er gehe davon aus, dass die Einheit, die er zu Ihrer Verfolgung ausgesendet habe, ihrer vor Anbruch der Dunkelheit habhaft werde.

Der Herrscher Persanias nickte und dachte. Sei es drum Die Fürstin soll für ihr Alter zwar immer noch sehr attraktiv sein, doch sie ist nicht die einzige Frau im Palast. Heute Abend beim Essen kann mir der zukünftige Hohepriester Gesellschaft leisten.

Dann wandte er sich dem Soldaten zu: „Sichert die Stadt. Beordert die Einheiten aus dem Umland zurück in die Stadt und dringt nicht weiter in das Fürstentum vor. Wenn die Herrscherfamilie samt Gefolge gefunden ist, bringt sie hier auf dieses Schiff. Legt sie im Frachtraum in Ketten. Unbemerkt von Dritten. Niemand darf erfahren, dass wir ihrer habhaft geworden sind. Meldet mir umgehend, wenn dies geschehen ist.“ Er machte eine unmerkliche Pause. „Leutnant Arcor soll mir diesen Jünger Imos bringen. Wegtreten.“

Als der dicke Priester eintrat, winkte er ihm näherzutreten. „Bitte schließt Euch mir zum Essen an.“

Imos trat vorsichtig näher und sah sich unsicher um.

Der Lord zeigte auf einen Platz am Tisch und füllte dann höchstpersönlich den Weinkelch des dicken Priesters, bevor er sich selbst an das Kopfende setzte. „Versteht mich als Euren Verbündeten im Kampf für den wahren Glauben. Ich bitte Euch mir zu berichten, was damals in Eurem Tempel des Lichtes geschehen ist und welche Umstände dazu geführt haben, dass Gottvater Cos“, innerlich konnte er sich ein schwaches Lachen nicht verkneifen, als er den Titel aus seinem eigenen Munde hörte, „sich von seinen Schützlingen abgewendet hat.“ Im Gedanken schob er nach: Gottvater, lächerlich. Wenn du ihn jetzt sehen könntest. Da ist nicht mehr viel von einem Gott, geschweige denn von einem Vater der Götter.

Imos erzählte ihm, was aus seiner Sicht damals vor etwa vierzig Jahren geschehen war und schloss mit den Worten, „… doch warum der heilige Cos uns verstoßen hat, entschließt sich meiner Erkenntnis. Salomon, Hohepriester und die Stimme von Cos in jener Zeit, der hätte es bestimmt gewusst. Ich jedoch? Ich kann nicht einmal spekulieren. Vielleicht haben wir, seine Priester, ihn gefehlt. Ihm nicht den gebührenden Respekt und die notwendige Aufmerksamkeit entgegengebracht. Ich weiß nicht, warum er uns verließ. Bedenket bitte, dass ich damals noch ein junger und unerfahrener Priester war. Vielleicht waren wir nicht stark genug in unserem Glauben, Eure Lordschaft“ Dann wartete er.

„Warum geht ihr davon aus, dass die Schuld bei den Gläubigen zu suchen ist? Wo wären die Schuldigen zu suchen, wenn das Versagen nicht bei Euch, den ehrenhaften Priestern und Dienern des Glaubens gelegen hat?“

„Ihr meint …“, doch Imos vollendete den Satz nicht.

„Ich meine was?“ Werter Hohepriester?“, entgegnete der Lord,

„habt ihr einen Verdacht?“

„Ihr meint, dass die Menschen im Fürstentum nicht gläubig genug waren? Dass sie sich von ihm abgewendet haben?“

„Wessen Fehler wäre das?“

„Auch der unsere! Wir sind seine Diener und es wäre unsere Schuld, wenn wir seine Kirche hätten schwach werden lassen. dann hätten wir versagt, nicht im Glauben, sondern dabei, seinen Glauben zu verbreiten und zu festigen.“ Er schluckte. „Ich sehe es nun. Wir waren zu weich, zu schwach …, wir haben die Entfremdung des Glaubens durch die Obrigkeit zugelassen.“

Genau, weiter so, guter Imos. Genau das solltest du denken. Wie einfach es doch ist Also lassen wir die Falle zuschnappen. Versetzen wir den unabhängigen Fürstentümern ihren Todesstoß. „Und was genau müsste geschehen, um das zu ändern? Um dem Gottvater zu zeigen, dass die Menschen von Cataqua es doch wert sind, von ihm beachtet zu werden?“, fragte der Lord.

„Wir, die wahren Priester des heiligen Cos, müssen die Menschen läutern. Wir müssen sie in den Schoß der Kirche zurückführen. Sie den Klauen der Weltlichkeit entreißen. Wir müssen stark und unnachgiebig sein. Ja, Läuterung der Ungläubigen. Festigung der Gläubigen. Ein Leben im Einklang mit den Regeln seiner Kirche und unseres Glaubens“, und seine Augen blitzten vor Begeisterung und Furcht zugleich, denn eine Frage wollte nicht aus seinem Kopf weichen. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen: „Darf ich Euch eine Frage stellen, Eure Lordschaft?“

„Selbstverständlich, werter Imos, nur zu“, erwiderte der Lord.

Imos zögerte und wusste nicht so recht, wie er seine Frage formulieren sollte, ohne den Zorn des Lords zu erwecken oder auf sich zu ziehen. Der Lord bemerkte dessen Unsicherheit und nickte Imos aufmunternd zu.

„Woher wisst Ihr so viel über uns, unseren Glauben und den Gottvater? Ich meine, Ihr kommt nicht einmal aus Cataqua? Woher können wir wissen, dass Ihr tatsächlich in seinem Namen sprecht?“

Der Herrscher Persanias konnte sich ein innerliches Grinsen nicht verkneifen: Wüsstest du die Wahrheit, wärest du nutzlos für mich und meine Zwecke. Laut sagte er: „Habt Ihr schon einmal von Yetaan, der Insel der Götter und den ZWÖLF gehört, Hohepriester?“ und ließ die Worte mit der entsprechenden Redepause wirken.

Imos zitierte, ohne zu zögern:

„Und es begab sich zur dunkelsten Stunde der Welt, dass der Gottvater seinesgleichen, zwölf an der Zahl, nach Yetaan, der Insel der Götter, rief und zu Ihnen sprach: Wisset, wir sind auserkoren, den Menschen meinen Frieden zu bringen. Gehet in die Welt hinaus, und verkündet meinen Glauben. Und es begab sich, dass die Zwölf auszogen, um die Kirche des Tempels des Lichtes nach ganz Allon zu bringen. Vers Eins aus dem Zweiten Buch des Glaubens“.

Na ja, nicht so melodramatisch wie ich hoffte, aber ausreichend für meine Zwecke, dachte der Lord und nahm eine Körperhaltung an, die gleichzeitig präsentierend und fragend wirkte.

Imos begriff und warf sich auf die Knie: „Ihr! Ihr seid einer der ZWÖLF. Ein Gefährte des Gottvaters. Bringt Ihr Nachricht von ihm? Wie kann ich Euch dienen?“, und Imos senkte seine Stirn auf den Boden der Kapitäns Kabine.

„Ja, ich bin einer der ZWÖLF. Direkt gesendet vom heiligen Gottvater, der Allon Frieden und den Glauben brachte“, erwiderte der Lord. Dabei dachte er: Wenigstens der Teil mit den ZWÖLF stimmt. Auch wenn der Rest totaler Humbug ist!“, um laut fortzufahren, „und ich verkünde Euch seine Weisungen, Hohepriester Imos. Im Namen des Gottvaters“, hierbei konnte er nicht verhindern, dass seine Gedanken für einen Moment zu dem Freund abschweiften, doch er hatte sich schnell wieder im Griff, „bringe ich Euch folgende Botschaft: Ihr seid derjenige, den Cos auserwählt hat, um seine Kirche in einem neuen Glanz auf ganz Cataqua erscheinen zu lassen. Ihr wurdet für würdig empfunden, die Bevölkerung von Cataqua, sowohl als ihr oberster Priester seiner Kirche, als auch als leuchtendes Vorbild, zurück zu ihrem Glauben zu führen und unter dem Gottvater und den ZWÖLF als ein Volk zu einen!“ Imos erschauderte. Ehrfurcht erfasste ihn. Ganz Cataqua? Wie sollte er das bewerkstelligen? Er hatte keine Armeen oder Soldaten, geschweige denn Waffen. Als habe der Lord seine Gedanken gelesen, endete er seine Ankündigung mit den Worten:

„Ich darf Euch ebenfalls berichten, dass Ihr auf meine Unterstützung bei der bedeutendsten Aufgabe Eures Lebens vertrauen dürft. Was sagt Ihr, Hohepriester?“, in seinen Gedanken formte sich so etwas wie Achtung für Shalima und Cos, denen er neidlos zugestand, dass beide wahre Meister im Spiel der Religionen waren. Er sah Imos direkt an.

Imos ließ seinen Gedanken freien Lauf, während er sich erhob und die Falten seines Gewandes glättete: Hohepriester Imos? Das klingt doch gar nicht schlecht. Renn du nur, Bruderherz, renne so schnell und soweit du kannst. Axata und danach ganz Cataqua werden bald im wahren Glauben vereint sein. Denn dann lieber Bruder, brauchen wir dich nicht mehr und unsere Kirche kann endlich die Rolle in unserer Gesellschaft einnehmen, die sie verdient und zu der Größe aufsteigen, zu der sie bestimmt ist. Die Augen des frischernannten Hohepriesters, der vor weniger als einem halben Tag noch ein Jünger war, leuchteten im Glanz eines Fanatismus, den nur ein Glaube erzeugen konnte. Das hier würde ein Kinderspiel werden, das eine Menge Spaß versprach. Gleichzeitig ermahnte der Lord sich selbst, die Sache nicht zu weit gehen zu lassen. Es war ihm klar, dass die Feuer des Glaubens, einmal entfacht, nicht so leicht zu löschen waren.

3. KANTARRA

Zila stand am Rand der Shuka°Ahka. Sie ahnte den Schnee schon, konnte ihn riechen. Wahrscheinlich würde er bereits ihn dieser Nacht fallen und das Land rundherum mit einer weißen Decke einhüllen, die alles Schlechte und auch das Schöne zudeckte. In ein paar Wochen würde der Winter dann auch in den flacheren Teilen der Insel Einzug halten.

Sie sog die kalte klare Luft in ihre Lungen und genoss die Frische, zog dann ihre Jacke enger um sich. Es breitete sich Wärme in ihrem Geist aus, als sie die vertraute Berührung spürte. Sie begrüßte Ari mit einer geistigen Umarmung, der sie gleich darauf die tatsächliche folgen ließ und sagte: „Selbst bei dieser Kälte, brennst du. Wie macht ihr das bloß?“

Ari sah sie aus ihren schönen Augen an und drehte den Kopf, der eine Mischung aus Echsen und Vogelkopf war von rechts nach links, um sich selbst zu betrachten. „Ich weiß nicht, was du meinst. Ich sehe kein Feuer.“

„Nein, ich meinte, du bist so warm. Nicht dass du tatsächlich brennst. Das Ei hat schon wieder die Farbe geändert.“ Zila war aufgeregt. Das erste Kronei, dem vielleicht noch viele folgen würden.

„Ja, es wird bald schlüpfen. Spürst du es nicht. In diesem Winter. Aber es wird noch ein bisschen dauern. Doch die Gedanken formen sich immer deutlicher.“

„Ela wird von Tag zu Tag nervöser. Er verhält sich wie eine schwangere Frau kurz vor der Niederkunft.“ Zila kicherte. „Sag ihm das bloß nicht. Er würde platzen, wenn er wüsste, dass ich das gesagt habe.“

„Wer würde platzen? Was plauderst du denn wieder Schönes mit deinem wunderschönen Kron.“ Ty trat zu den beiden auf die Plattform hinaus und streckte die Hand aus. Ari senkte den Kopf und ließ sich von dem menschlichen Gefährten ihrer Partnerin kurz den Hals liebkosen.

„Hallo Ari, schön dass du hier bist. Zila vermisst dich immer sehr.“ Ty hatte sich mittlerweile an Ari gewöhnt. Immer noch aber beneidete er insgeheim Ela und Zila, um die Möglichkeit der Kommunikation mit den Drachenvögeln.

„Warum sieht er immer so traurig aus, wenn er mich ansieht oder verstehe ich da etwas falsch?“ Ari legte den Kopf fragend schief.

„Ich denke, er ist traurig, weil er von der Kommunikation ausgeschlossen ist. Er sieht dich und mich. Auch Ela ist ganz anders, seit er auf das Schlüpfen des Kleinen wartet.“ Zila dachte an den früher oft depressiven zornigen Freund zurück, der jetzt seine Lebensfreude zurückgewonnen hatte.

„Er wäre gern ein Teil davon. Aber da wird er wohl auf neue Eier warten müssen.“ Zila merkte auf einmal, dass Ari sich von ihr geistig abwandte. „Was verheimlichst du mir?“

„Es könnte schwieriger sein, als du denkst.“

„Wie meinst du das?“

„Ihm könnte es bestimmt sein, der Partner meines Partners zu sein. Nur Bre’Gorukan ist nicht mehr.“

„Du findest jemand Neuen. Du musst nicht allein bleiben.“

Eine Welle von Traurigkeit traf Zila und sie schluckte. „Es tut mir leid.“

„Was tut dir leid? Dass ihr zwei mich so ausschließt?“ Ty zog eine Grimasse. „Nicht eure Schuld.“

Gleichzeitig antwortete Ari. „Ich hatte schon großes Glück dich zu finden. Zwei Gefährten in einem Leben. Das ist selten. Aber ein junger Kron, der jetzt erst schlüpft?“ Jetzt konnte sie ihre Erheiterung, die die Trauer verdrängte, nicht mehr verbergen. „Das möchte ich dann eher doch nicht.“

Zila sah beide an und fragte sich, ob eine Viererverbindung einfacher oder komplizierter wäre. Dann wandte sie sich an Ty.

„Was führt dich hierher?“

„Ich soll nachsehen, ob Ari wirklich da ist und wenn ja, nochmals Maß nehmen.“

Wen’Ban und Ela’Bur versuchten seit Tagen unter Zuhilfenahme der Bücher aus den Archiven, herauszufinden, ob und wie man mit den Kron fliegen konnte und welche Hilfsmittel hierbei sinnvoll waren.

Es war nicht so, dass Schmerzen ihm unbekannt waren, auch Hunger und Durst hatte er nicht nur in den letzten fünf Jahren bereits gekannt. Nicht so jedoch. Zumindest hatte er immer gewusst, wobei er versagt hatte, was er hätte besser machen können oder wofür er bestraft wurde.

Der Schmerz in seinen Rippen und Bauch, wo die Wächter ihn getroffen hatten, war schon längst abgeflaut oder vielleicht, überlagerte diesen auch nur der heftige Schmerz in seinen Schultern. Seine Arme waren über seinem Kopf an die Wand gekettet worden. In einer Höhe, dass er gerade noch Bodenkontakt herstellen konnte, wenn er sich auf Zehenspitzen stellte. Tat er dies nicht, so hing sein ganzes Gewicht an seinen Armen. Die Stiefel, die er getragen hatte, hatte sich eine der Wachen genommen. Dies trug erheblich zu seinem Unbehagen bei, denn es gab einfach zu viele Nierratten in diesem Loch und offensichtlich fanden diese seine nackten Füße einfach zu anziehend. Er versuchte zu schlucken, doch sein Mund und Hals waren ausgetrocknet. Er könnte schwören, dass die Wachen ihn beim Austeilen von Wasser und Brot regelmäßig übersahen. Dabei sehnte er die Momente herbei, denn dann wurden die Ketten soweit gelockert, dass er für kurze Zeit eine angenehmere Position einnehmen konnte. Zwar war der Schmerz, wenn seine Arme endlich sanken, so stark, dass er jedes Mal dachte, er verliere das Bewusstsein, aber es ließ immer wieder nach und dann kam dieser Moment, in dem es einfach nur guttat, die Anspannung nicht halten zu müssen und er genoss den Augenblick. Doch viel zu schnell wurde er immer wieder in die Höhe gezogen und musste weitere endlose Stunden, die Schmerzen ertragen, die die Position mit sich brachte, die man ihm aufgezwungen hatte. Dazu kamen der Gestank und der Dreck, in dem er stand. Und die Nierratten. Anfangs waren sie noch nicht so schlimm gewesen, nur es schienen immer mehr zu werden. Er konnte nicht ausmachen, woran es lag, aber ab und zu, vor allem in den Momenten, in denen ihn nicht Hunger und Durst zusätzlich zu dem Schmerz peinigten und den Verstand vernebelten, schoss ihm eine Erklärung durch den Kopf: Ich werde schwächer. Die Viecher wittern leichte Beute. Die Einkerkerung nimmt mir meine letzten Kräfte. Wenn ich hier rauskommen will, so muss es bald sein.

Er trank durstig von dem brackigen Wasser, das die Wachen ihn bei diesem Turnus wieder hatten zukommen lassen, konnte sich jedoch nicht überwinden, das Brot zu essen. Es war schimmelig und hart und er konnte es nicht beißen. Es war einfach zu anstrengend. Er wusste, er musste essen, denn sonst würde er alle Kraft verlieren, um hier im Kerker weiter durchzuhalten, bis die Wachen kamen und ihn zum Verhör holten. Da lag seine Chance für einen Fluchtversuch oder die Möglichkeit jemanden zu überzeugen, dass er nicht der Mörder des Fürsten war. Er lag am Boden in seinem eigenen Dreck und versuchte weiter, sich selbst zum Essen zu überreden. Darüber schlief er ein. Als er erwachte, lag er immer noch am Boden. In Ketten zwar, doch er war nicht wieder in die stehende Position gezwungen worden.

Er spürte einen grauenhaften Schmerz in seinem Fuß und trat aus. Ein Quieken, dann hörte er ein Trapsen. Nierratten, diese kleinen Mistviecher, dreckiges Ungeziefer. Er richtete sich schwerfällig auf. Die Ketten, die ihn mit der Wand verbanden, schienen ihm bleischwer. Wann waren die Ketten gelockert worden? Eine kleine Gnade, nur eine sehr kleine, denn die Ketten waren immer noch eng und scheuerten seine Haut wund, das Stroh in diesem Loch von einer Zelle war faulig und feucht. Es stank erbärmlich. Oder bin ich das? Tes wollte gar nicht wissen, wie viele Leute vor ihm, schon ihre Notdurft in dieses Stroh verrichtet hatten. Wie lange bin ich schon hier? Er kämpfte darum, nicht wieder in den Dämmerzustand der letzten Zeit abzugleiten.

Wie lange war er jetzt bereits hier unten. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Sie müssten mich doch längst zu einem Verhör geholt haben. Er wusste gar nichts mehr. Wieso redet nur keiner mit mir? Er versuchte sich abzulenken und einen Plan zu machen. Was war passiert? Er hatte den Fürsten sprechen wollen. Mein Vater. Er keuchte. D’Gas schon wieder, was hat er dort gemacht? Den Fürsten getötet. Klar, das habe ich ja gesehen. Dann hat er es mir in die Schuhe geschoben. Er trat ungelenk nach einer Nierratte, die ihn in seinem Zeh biss und stöhnte. Was habe ich diesem Kerl eigentlich getan? Wieder und wieder zerstört er mein Leben. Tes, konzentriere dich! Erstens, ich muss aus der Zelle raus. Zweitens: aus dem Palast entkommen und drittens! D’Gas muss sterben. Langsam, schön langsam.