Christliche Soziale Arbeit - Roland Mahler - E-Book

Christliche Soziale Arbeit E-Book

Roland Mahler

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Beschreibung

Christliche Soziale Arbeit, wie sie seit den Anfängen des Christentums praktiziert wird, umfasst eine Vielfalt von Formen kirchlicher bzw. kirchennaher Dienstleistungen. Für Personen in der Ausbildung für gegenwärtige Berufe in diesen Arbeitsfeldern präsentiert dieser Band eine wissenschaftlich-theoretische Selbstbestimmung, sowohl im Rahmen der Professionalisierungsdebatte in der Sozialen Arbeit als auch auf der Ebene von Konzept- und Methodenfragen. Auf anthropologischer, philosophischer und theologischer Ebene geht es im Kern um den Menschen als soziales Wesen, der als Geschöpf stets mit Möglichkeiten und Grenzen konfrontiert ist, aber auch als verantwortliches Wesen handelt und dabei u. U. professionelle und institutionalisierte Unterstützung benötigt, die er auch im Rahmen christlicher Sozialer Arbeit erfährt. Deren Handeln zu reflektieren und systematisieren sowie als ein theoretisches, methodisches und praktischen Ganzes zu bestimmen ist das Bestreben des vorliegenden Bandes.

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Roland Mahler

Christliche Soziale Arbeit

Menschenbild, Spiritualität, Methoden

Verlag W. Kohlhammer

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-033373-4

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-033374-1

epub: ISBN 978-3-17-033375-8

mobi: ISBN 978-3-17-033376-5

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Christliche Soziale Arbeit, wie sie seit den Anfängen des Christentums praktiziert wird, umfasst eine Vielfalt von Formen kirchlicher bzw. kirchennaher Dienstleistungen. Für Personen in der Ausbildung für gegenwärtige Berufe in diesen Arbeitsfeldern präsentiert dieser Band eine wissenschaftlich-theoretische Selbstbestimmung, sowohl im Rahmen der Professionalisierungsdebatte in der Sozialen Arbeit als auch auf der Ebene von Konzept- und Methodenfragen. Auf anthropologischer, philosophischer und theologischer Ebene geht es im Kern um den Menschen als soziales Wesen, der als Geschöpf stets mit Möglichkeiten und Grenzen konfrontiert ist, aber auch als verantwortliches Wesen handelt und dabei u. U. professionelle und institutionalisierte Unterstützung benötigt, die er auch im Rahmen christlicher Sozialer Arbeit erfährt. Deren Handeln zu reflektieren und systematisieren sowie als ein theoretisches, methodisches und praktischen Ganzes zu bestimmen ist das Bestreben des vorliegenden Bandes.

Dr. Roland Mahler war Leiter des Instituts für christliche Psychologie, Therapie und Pädagogik, das eine Höhere Fachschule für Sozialpädagogik in Wisen, Kanton Solothurn betreibt.

Inhalt

Vorwort des Verfassers

Vorwort von Friedemann Alsdorf

Stiftungsrat der Stiftung »Institut für christliche Psychologie, Therapie und Pädagogik«

Einleitung

Teil 1:  Theoretische Grundkonzeption

0.  Einleitende Klärungen

0.1.  Was heißt »christlich« im Blick auf menschliches Denken und ­Handeln?

0.2.  Fragen und Anforderungen an eine christliche Soziale Arbeit

1.  Allgemeine und grundlegende Themen einer christlichen Sozialen Arbeit

1.1.  Die theologischen Wegmarken einer christlichen Sozialen Arbeit – ­Elemente einer Theologie der Sozialen Arbeit

1.2.  Der helfende Mensch – Christliche Soziale Arbeit zwischen Job und ­Berufung

1.3.  Eigentliches und Nachgeordnetes in der christlichen Sozialen Arbeit

2.  Theorie und Professionalisierung der christlichen Sozialen Arbeit

2.1.  Grundlagen professionellen Handelns in der christlichen Sozialen ­Arbeit

Teil 2:  Praxis der christlichen Sozialen Arbeit

3.  Methoden und Verfahren

3.1.  Einführung in den Methodenbegriff

3.2.  Diagnostisch-existenzerhellende Methoden

3.3.  Perspektivisch-wiederherstellende Methoden

3.4.  Entwicklung und Erziehung

3.5.  Autorität

3.6.  Koordinative und strukturierende Methoden

3.7.  Proximale Methoden

3.8.  Methoden zur Verwirklichung von Gerechtigkeit und ­Selbstbestimmung

3.9.  Evaluative Methoden

4.  Reflexionen zur Praxis (Praxeologie) christlicher Sozialer Arbeit

4.1.  Christliche Werthaltungen in einem multikulturellen und ­multireligiösen gesellschaftlichen Umfeld

4.2.  »Public Justice« und die christliche Soziale Arbeit

4.3.  »Fallen« und Risiken der christlichen Sozialen Arbeit

5.  Ethische Fragen der christlichen Sozialen Arbeit

5.1.  Christliche Ethik in der Sozialen Arbeit

5.2.  Praktische Herausforderungen ethischer Reflexion in der christlichen Sozialen Arbeit

5.3.  Christliche Ethik im Kontext einer »Human Rights Profession«

Vorwort des Verfassers

Das vorliegende Buch ist Ausdruck eines jahrzehntelangen Weges, den die christliche Soziale Arbeit im 20. und im 21. Jahrhundert in verschiedenen Bereichen gesellschaftlicher und kirchlicher Aufgabenstellung zurückgelegt hat. Dabei hat sie sich mit ihrer eigenen Professionalisierung angesichts eines reichen Erbes aus der Geschichte der Diakonie auseinandergesetzt und daraus eine entsprechende Handlungskonzeption nach den Anforderungen eines zunehmend komplexen und diversifizierten gesellschaftlichen Umfeldes entworfen.

Zweifellos muss für die vorliegende Monografie die Einschränkung gemacht werden, dass möglicherweise nicht alle Aspekte einer christlichen Sozialen Arbeit angemessene Berücksichtigung gefunden haben, handelt es sich doch primär um ein Lehrbuch für Studentinnen und Studenten sowie um eine Orientierung für die Praxis, wie wir sie aus dem Blickwinkel einer Höheren Fachschule für Sozialpädagogik während der letzten zwei Jahrzehnte wahrgenommen haben. Um der Unterschiedlichkeit der Interessen Rechnung zu tragen, wurde der Inhalt in zwei Hauptteile unterteilt: In einen ersten Teil zur grundlegenden Konzeption der christlichen Sozialen Arbeit und in einen zweiten, eher methodischen bzw. praxisorientierten Teil.

Auszubildende und Orientierung suchende Praktiker sind also in erster Linie die Zielgruppen der nachfolgenden Bemühungen um eine systematische Darstellung der christlichen Sozialen Arbeit. Darüber hinaus soll das als Buch vorliegende Resultat auch als ein Beitrag zur generellen Diskussion um Theorie und Methodik Sozialer Arbeit in einer postindustriellen und postmodernen Gesellschaft verstanden werden. Dies gilt besonders im Blick auf die zweifellos angezeigte Integration spiritueller Themen und Anliegen in eine professionelle Soziale Arbeit.

Ein besonderer Dank gebührt dem Stiftungsrat der Stiftung »Institut für christliche Psychologie, Therapie und Pädagogik«, den Fachlektorinnen und Fachlektoren Nathalie Fülbeck, Thomas Herzog und Friedemann Alsdorf, dem didaktischen Berater des Projekts Matthias Schlagmüller und der fachlichen Begleitgruppe aus Praxis und Lehre, die das Projekt während anderthalb Jahren begleitet hat.

Wisen ob Olten, im Februar 2018 Der Verfasser

Technische Anmerkung: Die genderbezogenen Formen sind unsystematisch gewählt und meinen immer sämtliche in Frage kommenden Geschlechter.

Vorwort von Friedemann Alsdorf

Stiftungsrat der Stiftung »Institut für christliche Psychologie, Therapie und Pädagogik«

Was kann man von einem Buch über christliche Soziale Arbeit erwarten? Ist es in der heutigen Zeit überhaupt sinnvoll, die so unterschiedlich gelagerten Begriffe »christlich« und »Soziale Arbeit« in einem Atemzug zu nennen?

Unbestritten ist, dass in der westlichen Welt viele Institutionen der Sozialen Arbeit aus der Initiative von christlich geprägten Einzelpersonen und Gruppen hervorgegangen sind und dass auf dieser Grundlage sehr viel Hilfe geleistet wurde. Unbestritten ist aber auch, dass im Namen des Glaubens in Pädagogik und Sozialer Arbeit viel Unheil angerichtet wurde, Menschen verletzt, unter Druck gesetzt oder in ihrer Persönlichkeitsentfaltung behindert wurden. Sollte sich heutige Soziale Arbeit angesichts dessen nicht ganz auf empirisch-wissenschaftliche Grundlagen stellen und sich möglichst von allem weltanschaulichen und ideologischen Überbau freimachen?

Verfolgt man den gesellschaftlichen und fachlichen Diskurs hierzu, könnten die Ausgangspositionen kaum unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite gibt es nach wie vor die christlich geprägten Initiativen, die aus entsprechenden Überzeugungen hilfsbedürftige Menschen unterstützen und dabei oft viel ehrenamtliches Engagement einbringen. Dabei stellt sich (vielleicht) nicht so sehr die Frage nach dem »Ob«, sehr wohl aber nach dem »Wie« christlicher Sozialer Arbeit. Wann ist es beispielsweise angebracht und hilfreich, von dem Gott, der einen selbst begeistert, zu reden, und wann ist es besser, einfach zu schweigen und in Liebe und Barmherzigkeit zu handeln? Wie verhalten sich Gottes Wirken und menschliches Bemühen zueinander? Und Ähnliches mehr.

Auf der anderen Seite stehen Menschen und Organisationen, die spirituell geprägten Ansätzen in sozialen Professionen eine tiefe Skepsis, ja Ablehnung entgegenbringen. Für viele von ihnen bedeutet die Verwissenschaftlichung des Berufsstandes (über Störungsmodelle, Methoden, Evaluation, etc.) eine Befreiung von jahrzehntelanger ideologischer Bevormundung. Doch auch diese Gruppen werden sich fragen, welche Menschenbilder und Werte ihr Handeln leiten – Fragen, welche die empirischen Wissenschaften letztlich nicht beantworten können. Und wenn Soziale Arbeit bestrebt ist, die ganze Lebenswelt ihrer Klienten in den Blick zu nehmen – wie sollte man dann religiöse Fragen ausklammern oder spirituelle Ressourcen unberücksichtigt lassen? Doch wie könnte ein geeigneter Rahmen hierzu aussehen?

Dazwischen gibt es jene, die sehen, dass spirituelle Bezüge für viele Menschen existenziell wichtig sind und somit auch in der professionellen Begleitung zum Thema werden können und sollten. Sie äußern aber Bedenken, professionelles und spirituelles Arbeiten zu vermischen und halten eine personale oder institutionelle Trennung dieser Themen für notwendig, um Rollenkonfusionen und einem unerwünschten übergroßen Einfluss des Helfers vorzubeugen. Eine Reihe von ihnen befürwortet daher die Delegation von geistlichen Fragen an einen priesterlichen oder seelsorgerlichen Begleiter. Doch mit einer strikten Trennung von pädagogisch-therapeutischen und geistlichen Lebenswelten wird man wiederum vielen Klienten nicht gerecht und »verschenkt« mögliche Synergien. Wie lassen sich also fachliches und spirituelles Arbeiten unvermischt und ungetrennt denken?

Natürlich gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Positionen und Perspektiven, die aufzuführen den Rahmen dieses Vorwortes sprengen würde. Die Frage ist, ob sich angesichts der hier nur angedeuteten Komplexität der Zusammenhänge der Versuch lohnt, eine vom »Christlichen« her gedachten Soziale Arbeit zu entwerfen? Wir meinen Ja!

Der Autor, Dr. theol. Roland Mahler, Psychotherapeutischer Psychologe MSc, Dipl. Sozialmanager, hat sich jahrzehntelang aus ganz unterschiedlichen Perspektiven mit christlicher Sozialer Arbeit auseinandergesetzt und verbindet daher verschiedene fachliche Sichtweisen auf die Thematik.

Das vorliegende Buch ist keine starre Darlegung eines in sich geschlossenen Systems. Vielmehr ist es als Zwischenbilanz eines jahrzehntelangen Diskurses mit vielen Fachkolleginnen und Fachkollegen zu sehen und lädt seinerseits dazu ein, weiterzudenken, auszuprobieren und mit Klienten und Klientinnen sowie Fachpersonen in einen gemeinsamen Lernprozess zu treten. Dazu möchte ich alle Leser ermutigen!

D-Kitzingen, im Februar 2018

Einleitung

Wenn es um ein wissenschaftlich fundiertes professionelles soziales Arbeiten geht, dann sollte dieses mit Weltanschauungsfragen eigentlich nichts zu tun haben – so will es zumindest unser Verständnis von Objektivität, welches unser modernes Weltbild geprägt hat. Wissenschaft ist bekanntlich gerade darum scheinbar wahr, weil sie keine subjektiven Ansichten, sondern objektive Fakten zur Geltung bringt.

Es gibt nach Ansicht des Verfassers jedoch drei begründende Überlegungen, die ein Unterfangen, wie es das vorliegende Buch darstellt, rechtfertigen:

1. Es besteht in allen Sozialwissenschaften ein tiefgreifendes Problem bezüglich des Menschenbildes. Letzteres wird wie in anderen Humanwissenschaften meist unreflektiert von den biologischen Modellen abgeleitet oder (seltener) in geisteswissenschaftlicher Tradition eher als philosophisches Problem verstanden. So oder so scheint dabei eine geschöpfliche Wirklichkeit für das Verständnis des Menschen keine Rolle zu spielen. Da es bei der Schöpfung um personale Ordnung geht, scheint jedoch gerade dieser Ansatz für eine christliche Soziale Arbeit ganz neue Impulse zu verheißen. Dem soll nachgegangen werden.

2. Die Soziale Arbeit als euro-amerikanisches Phänomen hat ihre historischen Wurzeln tief in einem christlich und diakonisch geprägten kulturellen Selbstverständnis. Es ist daher naheliegend, nach dem zu fragen, was im Verlauf einer säkularen Integration des sozialen Unterstützungsgedankens möglichweise an Wesentlichem verlorengegangen oder erhalten geblieben ist. Auch dies versucht die christliche Soziale Arbeit.

3. Spiritualität ist eine allgemeinmenschliche Thematik, welche gerade in der Gegenwart im Rahmen von transkulturellen Herausforderungen verstärkt ins Bewusstsein tritt. Sie in die soziale Begleitung und Hilfeleistung mit einzubeziehen, ist bis heute eigentlich nur eine Absichtserklärung geblieben, ohne konkrete Handlungsmodelle und ohne die entsprechenden sozialagogischen Werkzeuge. Auch hier versucht die christliche Soziale Arbeit konkret zu werden und einen Einbezug spiritueller Aspekte methodisch und praktisch zu bedenken.

Wir hoffen, mit dieser ersten und vorläufigen Begründung einer explizit christlichen Sozialen Arbeit zum Lesen und Nachdenken anzuregen.