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Neue Gedichte der preisgekrönten Lyrikerin.
Kerstin Hensels neue Gedichte - entstanden in den Jahren 2015 bis 2020 - sind eine Entdeckung. Hier finden sich die Freude der preisgekrönten Lyrikerin am Sprachspiel wieder, das faszinierende Spektrum an Themen und Formen. Hensel widmet sich in »Cinderella räumt auf« Märchen und Mythen, thematisiert ein veraltetes Frauenbild sowie moralische Scheinheiligkeit. Sie macht »Tiefenbohrungen« und schürft im subjektiven Erleben. In ihren lyrischen Gruß-Postkarten wiederum gerät das übliche Belanglose des »Reisegrußes« mit Kerstin Hensels Sprachwitz zur grotesken und mitunter absurden Mitteilung. Ein Band, in dem sich die ganze kreative Schaffenskraft der Autorin wiederfindet.
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Seitenzahl: 66
Zum Buch
Kerstin Hensels neue Gedichte – entstanden in den Jahren 2015 bis 2020 – sind eine Entdeckung. Hier finden sich die Freude der Lyrikerin am Sprachspiel wieder, das faszinierende Spektrum an Themen und Formen. Hensel widmet sich in »Cinderella räumt auf« Märchen und Mythen, thematisiert ein veraltetes Frauenbild sowie moralische Scheinheiligkeit. Sie macht »Tiefenbohrungen« und schürft im subjektiven Erleben. In ihren lyrischen Gruß-Postkarten wiederum gerät das übliche Belanglose des »Reisegrußes« mit Kerstin Hensels Sprachwitz zur grotesken und mitunter absurden Mitteilung. Ein Band, in dem sich die ganze kreative Schaffenskraft der Autorin wiederfindet.
»Wohltuend unprätentiös und unsentimental. Nie schlägt sie einen falschen hohen lyrischen Ton an. Stattdessen spielt sie auf sämtlichen ihr zur Verfügung stehenden poetischen Registern.« Deutschlandfunk
Zur Autorin
Kerstin Hensel, 1961 in Karl-Marx-Stadt geboren, ist eine der angesehensten deutschsprachigen Lyrikerinnen, ausgezeichnet mit dem Anna-Seghers-Preis und dem Leonce-und-Lena-Preis. Sie studierte am Institut für Literatur in Leipzig und unterrichtet heute an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«. Hensel ist Mitglied in der Akademie der Künste Berlin und im PEN-Zentrum Deutschland. Bei Luchterhand sind zuletzt der Lyrikband »Schleuderfigur« erschienen sowie die Novelle »Regenbeins Farben«. Kerstin Hensel lebt in Berlin.
Kerstin Hensel
Cinderella räumt auf
Gedichte
Luchterhand
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Originalveröffentlichung Mai 2021
Copyright © 2021 Luchterhand Literaturverlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlaggestaltung buxdesign / München unter Verwendung eines Motivs von © Trevillion Images/Margarita Kareva; Shutterstock/topseller
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-641-27388-0V001
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HEUTE SIND DIE MIRABELLEN REIF
Heut frisst er mir aus der Hand
Der wechselwarme Sommer
Der mich so zärtlich
Verachtet
Daphnes Durst
Jeden Tag beginne ich das Jahr von vorn
Lasse den Kohl dampfen
Würze das Nonnensüppchen
Schmecke die Gäste ab Heute
Fehlt der auch morgen nicht essen wird
Ich
Räume den Tisch Auf
Mein kreuzstichumsticktes Herz
Lasse ich nichts mehr kommen
Das Habit meine Haut
Zeig ich
Zu viel davon
Reißen die Gebete
Klosterurlaub
Die Liebe schläft hinter der Wand
Drei Mal läutet der Morgenwächter
Das Kehrblech Die Reste der Nacht
Schwirren hoch zu den Fliedermücken
Noch einen Tag hält sich die Sonne
Im Kreuzgang Unter dem Traumlaken
Geht der Leib in die Lichtpause Jetzt
Wird nicht mehr gewartet Sag ich
In aller Andacht
Stimmenfang
Singen! Daphne! Aber der Irre
Auf Stimmenfang ist er
Singen!
Er spielt das Präludium des Todes
Der Liebeslügen Leier
Ich kenne das alles Ich habe uns
Unerhörtes zu bieten
Leise zwar und verhangen im Wunsch
Traumdrude! sagt mein Lebensverwalter
Singen sag ich
Daphne abgeschleppt
Im Apollosaal
Schleppt der Sammet schwer wie venöses Blut
Seine Sängerin ab Ihre Töne
Sitzen in der ersten Reihe
Das Pfeifenhansl
Winkt hinter der Säule
Oben auf
Platzen die goldenen Kapitäle
Daphnes Durst
Durchtriebener Wein
Gelächtertraubentraum
Vor Reblaushütten: unsre Feuerschlucker
Phoibosse deren Licht verstrahlt
Was das wohl war?
Die unterste der Fragen
Ein Ziel genügt nun: Leben das sich in uns spannt
Und das den Mond
Aus seinem Spiegelrahmen schießt
Heut Daphne ist es unsre Nacht
Der Durst der Wein die Kopfgewinne
Die herrlich unvernympht’schen Sinne!
Nachtgalle
Die Liebe ist mir nicht mehr erlegen
Sie macht die Augen dicht
Und wirft die Flügel hinter sich
Tandaradei
Und teert und federt und rädert mich
Den späten Vogel tandaradei
Der Lindwurm lässt ihn nimmer frei
Tandaradei tandaradei
Meine Schönheit
Heute fall ich aus der Zeit und morgen ziehe ich
Für gestern mich um: die versäumten Kleider
Hoch raschelnde Röckchen meine Pupillen
Pailletten – schön! bin ich
Ein Krinolinenkaliber
Paspelierendes da und dort Denkorgane
Versteifen sich Gefallen sollst du sollst ans Heute
Glauben! Was geht
Mich Kommendes an
UM UND UM DEUTE ICH
Die Kälte meiner Augen Merk
Würdiges nein alles mit der
Vorsilbe un deute ich unterwürfig
Dem Begehrbetrieb der geliebten
Kältegestalt meine
Merkunwürdigen Augen gehen über
Undeutliches untersuchend
In durcheistem Gebiet
Rollfeld
Kornblumen Vollmohn des Sommers
Reiserotoren
Ein Durchdieweltgedonner!
Geblitzte Hoffnung Europa
Das Rollfeld unter der Sonnenlupe
Vieles wird unreif geerntet
Das Tollkraut Vergißmein
Welket mir nimmer
Aber das Gradnochertragbare!
Bierblumen Halbmohn des Sommers
Das Rollfeld unter der Lupe
Märkisch
Ich sah die Kraniche in hohem Bogen
Was nun
Die Bockkäferin unterm Winterbirnbaum
Dreht ihre Antennen
Alles gut hier
Heuschanzen Hofhunde ein chinesischer Lauferpel
Eröffnet das fröhliche Jagen
Abtauchen ins Mark der Mark
Stichlinge Raubfliegen und der grüne
Streifen am Buckel schlägt mich
Zum Frosch
Alles gut soweit
Grätenhaftes Gewölk Die Liebenden
Gut alles gut
Welt was frag ich
Nach dir
Fallen Blindgänger
Birnen Birnen herab
Mahd
Aderngras Venenheu
Stocktränen Lumpen
Stellst du die Strohpuppe auf
Brennt mich die Stunde
Riesling & Reh
Horrido! Abendansitz
Sonnengesteuert die Freunde
Butterzart
Hängen im Arsenal
Trauben Keule und Herbstmond
Feinste Äsung für uns
Das Gelächter: kapitale
Befreiung aus
Schlingen Fallen Lappen – alles
Auftischen!
Den Gratulanten
Du hast mir deinen Raben geschickt
Mit nur einer Feder
Du hast mir dein Kohlenauge
In Silber geschlagen
Du hast mir eine große glänzende
Ausrede gehalten
Meine Wunschrute schlägt
Nimmer aus
wenn du du oder du
Das Amt feiert
Die lahmen blickdichten Schwungbeine
Polkazertanzt mit Herrn Nimmertod
Sind sie zugange zukreise zuallem
Hinaus geht’s ins hoch-
Gehißte Morgenrot
Brasstrunken Fiedelfunken
Selbst die Stempeldienerinnen
Doctores jurisprudentiae sowie sämtliche
Philosophische Recktoren wirbeln im Staubsturz
Hopsheister nach dem Hin-
Fall zu den Akten
Gelegt
Verzählvers
Ene mene Ruh und raus
Wird viel Gewesenes gekehrt
Um und um
So auch ein Schuh draus
Und der Würfel
Auf Sechs gedreht
Das Spiel am Ende
Hat hier
Nichts verloren
VATER STEHT NICHT MEHR
Am Bahnhof
Steht Vaters sorgendes Abbild
Das Kissentier Gewohnheit
Im Koffer
Der Herkunftsmagenkloß
Wie es uns geht?
Ach
Fragabtausch und ich geh
Auf Bahnhöfe annerswo annres zu suchen
Was willst du da
Fragt er zum letzten Mal
Als er seine Stimme
Anhebt für mich
Wesen
Vater geht
Sprachlos
Wie er
Gewesen
Ist
Er verwesen
Grabkehlchen
Rosenrost
DES TAGES GLÜCKLICHE FÜLLE
Verdünnt der Schlaf
Der Traum
Man wäscht mich
Mit eisernen Schwämmen
Im Fenster Ich das Kind
Mit weißer Haube
Großmutter warum springst du so hoch
Und so weiter
Anhalten wie? Ich selbst
Sende mir Zeichen
Freunde überall keiner
Der mit mir aufwachen will
Rückweg
An Windpylonen gezurrt
Hängt die Brücke Die Bretter
Klappern Holzschuh Holzschuh
Wankemutig gehe ich
Den zagen Rufen der Mutter nach
Da wächst ein Seil aus meinem Kopf
Aus Fadennudeln der Gretchenzopf
Mein verspannter Traum und ich setze Fuß
Vor Fuß
Jetzt
Regnet es – Napalm Birkenhaarwasser Vater
Verduftet wie der Verwandten Stimmen (hatten sie welche?)
Gusche halten! und Hand auf!
Schwärender Tortenfraß Frieden Die Brücke
Singt Komm her zu mir hier find’st du
Die Zither der Altzeit
Lockt in die Herkunftsküche ahnenvoll leer wie das
Gedächtnis Deine Ruh! Kein Schritt mehr Der Wind
Treibt das verlorene Haar meiner Mutter
Mir in die Arme
Bleiche
Auf der Wäscheplatzwiese friedensweiß
Bettbezüge und Laken
Am Heizhaus grinste der alte
Kohlenklau und winkte mir zu
Barfuß sappten wir über die Wolken
Aus Leinen und lasen unsere Fährten
Aus dem vierten Stock schien der Sonnabend
Strahlend Schlagkuchen Federball
Montags zur Mangel
Der Hausvertrauensmann zog seinen Tintenstift
Und mir hinter die Ohren
Schrieb er meldepflichtbewusst Vorfall um Vorfall
Im Heizhaus brannte der Kohlenklau
Stieg als Gerücht durch die Esse
Qualm legte sich
Auf die Wäsche
Zwölf Mal
Schlug die Sonnenuhr
Zur Back- und Trillerpfeifenzeit
Cinderella räumt auf
Und wie’s zur Welt kam war’s ein Mädchen
Und hatte keine Glückshaut um
Und ihre Rabenbrüder flogen auf und davon
Und da ist’s in den Brunnen gefallen
Und da war in der Tiefe ein Feld
Und die Roggenmuhme und ihr Gesindel
Zählten Blei aus den Ähren