Cölestine, oder der eheliche Verdacht; Erster Theil (von 2) - Chownitz, Julian - kostenlos E-Book

Cölestine, oder der eheliche Verdacht; Erster Theil (von 2) E-Book

Chownitz, Julian

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The Project Gutenberg EBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht;Erster Theil (von 2), by Julian ChownitzThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Cölestine, oder der eheliche Verdacht; Erster Theil (von 2)Author: Julian ChownitzRelease Date: October 5, 2016 [EBook #53217]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ERSTER THEIL ***Produced by the Online Distributed Proofreading Team athttp://www.pgdp.net (This file was produced from imagesgenerously made available by The Internet Archive)

Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der 1842 erschienenen Ausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert.

Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden beibehalten, insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich waren oder im Text mehrfach auftreten. Fremdsprachliche Begriffe und Zitate sowie eingedeutschte Fremdwörter wurden nicht korrigiert; einzelne unleserliche Buchstaben wurden aber sinngemäß ergänzt.

Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt.

Im Original wurde die Seitennummer 43 versehentlich zwei Mal vergeben. In der vorliegenden Fassung wurde dieser stattdessen die korrekte Seitenzahl 45 zugewiesen.

Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original gesperrt gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt erscheinen.

Cölestine,oderder eheliche Verdacht.

Von

Julian Chownitz,

Verfasser von: Moderne Liebe, Marie Capelle, Leontin, Eugen Neuland, Geld und Herz, Heinrich von Sternfels u. s. w.

Erster Theil.

Mit 3 Illustrationen.

Leipzig, Verlag von Franz Peter.

1842.

Gedruckt bei Friedrich Andrä.

Meinen Freunden

Carl Herloßsohn

und

Eduard Maria Oettinger

gewidmet.

Inhaltsverzeichnis.

Erstes Kapitel.

Eine Morgenszene auf dem Wasserglacis.

3

Zweites Kapitel.

Cölestine von Randow und Alexander von A—x.

31

Drittes Kapitel.

Die Trauung.

44

Viertes Kapitel.

Der Hochzeitsball.

55

Fünftes Kapitel.

Einige Lebensszenen.

85

Sechstes Kapitel.

Die ersten Tage eines jungen Ehepaars.

113

Siebentes Kapitel.

Ein

Tête à tête

— jedoch kein zärtliches.

136

Achtes Kapitel.

Der Chevalier von Marsan.

155

Neuntes Kapitel.

Die Thorheiten der Welt und die Leidenschaften des Herzens.

171

Zehntes Kapitel.

Ernste und heitere Zwischenszenen.

195

Elftes Kapitel.

Die beiden Gatten und der Verdacht.

231

Zwölftes Kapitel.

Die Beweise der Untreue.

261

Dreizehntes Kapitel.

Neue Proben — neue Beweise.

285

Vierzehntes Kapitel.

Die Morgenszene nach dem vorigen Tage.

322

Fünfzehntes Kapitel.

Abend und Nacht.

334

Cölestine,

oder

der eheliche Verdacht.

Erstes Kapitel.Eine Morgenszene auf dem Wasserglacis.

Die Morgensonne leuchtete mit goldener Klarheit über der schönen und großen Stadt Wien.

Es ist das Wasserglacis wohin wir uns zum Eingange dieser Erzählung versetzt sehen. Sie kennen doch das Wasserglacis, meine liebenswürdigen Leserinnen, oder mindestens haben Sie davon bereits gehört; Sie wissen also so viel als nöthig ist, nämlich: daß dieses Wasserglacis am Morgen und Vormittags einen der lieblichsten, der herrlichsten Plätze Wiens bildet — des Nachmittags und zur Abendzeit hingegen unter die abscheulichen und vermeidenswerthen Punkte der großen deutschen Metropole gehört — dies, meine holden Leserinnen, werden Sie wohl schon gehört haben. — O schreckliche Wasserglacis-Nachmittage — da sich dort parfumirte Ladendiener, geniale Vagabonden, gutmüthige Limonadetrinker und buntbetakelte alte Kokotten versammeln, in deren Reihen sich einige honette Menschen verirren, wie Fettaugen in eine Gasthaussuppe! — Wie oft hat man das Wasserglacis mit dem Volksgarten in eine Linie zu stellen versucht und diesen letzteren den Bruder von jenem genannt! Ach, das war ein schmähliches Unrecht, welches man dem ehrenwerthen Volksgarten anthat. In diesem hat zu jeder Zeit das bessere — um nicht geradezu zu sagen: das edlere — Element überwogen, was man vom Wasserglacis und dessen Abendunterhaltungen nicht sagen kann — außer, wir wiederholen es, am Morgen und dann noch allenfalls an gewissen Tagen, wenn nämlich von dem Entrepreneur eine Barriere rund um den Platz herum gezogen wird, welches das einzige Mittel ist, (nicht gewisse Leute abzuhalten, sondern) bessere Gesellschaft anzuziehen.

Zur Zeit des Frühjahrs werden jeden Tag hübsche Konzerte auf dem Wasserglacis abgehalten. Hieher strömen dann von der vornehmen und mittleren Welt alle Diejenigen, welche eine Morgenpromenade machen, das Frühstück im Freien nehmen, irgend eine Negotiation bei einem Glase Champagner verrichten oder aber — jetzt hat dieser Ort sogar seine ehrwürdige Seite — Mineralwasser trinken wollen, denn mit letzterem Artikel ist man hier in allen Sorten versehen.

— Es war an einem eben solchen Vormittage, als zwei Herren, deren einer älter, der andere noch ein Jüngling war, in raschen Schritten und eifrigem Gespräche sich dem Etablissement näherten und ungefähr in der Mitte desselben an einem kleinen Tische Platz nahmen. Zufällig oder absichtlich hatten sie sich in den am stärksten bevölkerten Theil des Ortes begeben, was jedoch — sollte es mit Vorsatz geschehen sein — nur durch den ältern Herrn bewirkt worden war, denn sein junger Begleiter schien seit einigen Augenblicken in tiefes Nachsinnen zu versinken.

Um die Gestalt der Beiden zu schildern, werden wenige Striche genügen. Der Aeltere, ein Mann von 50 bis 60 Jahren, ließ auf den ersten Anblick merken, daß es ihm vor Allem darum zu thun sei, so jung als möglich zu scheinen. Es war dies mit einem Worte einer jener greisen Stutzer und Liebesritter, von welchen die Residenzen wimmeln — namentlich seit dort die Schneider, die Friseure, die Zahnärzte und noch manche andere Künstler so große Fortschritte in ihren resp. Fächern gemacht haben. Unser alter Adonis war mittlerer Statur und ausnehmend wohlbeleibt, was weder seinen engen Kleidern noch dem Gurte, welchen er merkbarer Weise unter seinen Kleidern um die Taille oder vielmehr um den Bauch trug — noch auch dem Mieder in seiner Weste gelang, zu verbergen. Sein Gesicht glänzte von Gesundheit, Verliebtheit und jener Schlauheit — die sich selbst betrügt; auf dem Kopfe trug er eine kostbare schwarze Perücke, die von seinem rothen Gesichte abstach wie ein Rabe neben einem Papagei — — welchen Kontrast unser Mann jedoch dadurch zu vermitteln suchte, daß er seinen weißen Schnurbart (er trug einen Schnurbart!), und sogar seine Augenbraunen schwarz färbte. Es läßt sich denken, daß er stets nach der herrschenden Mode gekleidet war, auch Stock und Lorgnette trug, letztere um jede Dame zu begucken, ersteren um seinem ein wenig watschelnden Gange mehr Eleganz zu geben.

Was den jungen Mann betrifft, so wird es hinreichen, einstweilen zu bemerken, daß er ein schöner, schlanker, etwas bleicher Jüngling war, an welchem man weder eine Tugend noch einen Fehler mehr bemerken konnte, als an andern schönen, schlanken und bleichen Jünglingen. Nur melancholisch schien der Arme! Ach, er schien sehr melancholisch.

Einige Zeit hindurch herrschte zwischen beiden tiefe Stille. Der alte Seladon hatte mit seiner Lorgnette vollauf zu thun; er besah sich alle Frauen ringsherum, eine nach der andern — manche zwei, drei Mal, und dabei schnalzte er zeitweise leise mit der Zunge, lächelte verschmitzt und strich sich vorsichtig den gefärbten Schnurbart. Endlich blieb sein kleines Aeuglein mit sichtbarem Vergnügen auf einer von den anwesenden Damen haften und jetzt ließ er ein leises Husten vernehmen.

Dies brachte den Anderen aus dessen Träumereien. Er wandte sich nach dem Alten und sprach: „Also wirklich verhält es sich so, wie Sie mir vorhin erzählten? Wirklich? — — Nein, nein, ich kann es noch nicht glauben. Cölestine von Randow hätte die Absicht, jenem Menschen ihre Hand zu geben, wie? —“

„Nicht blos: Sie hätte, bester Freund! Sie hat, sie hat die Absicht, mein Lieber! Sie hat, sag’ ich — und setze noch hinzu: ihm höchstwahrscheinlich die Hand schon gegeben.“ Hier schwieg der Alte und fuhr auf seinem Sitze ungeduldig hin und her, weil sich zwischen ihn und seinen Gegenstand Jemand gestellt hatte, so daß er zu jenem durch seine Lorgnette nicht hinüber sehen konnte.

„Aber“ fuhr der Jüngling fort: „das ist ja ganz unmöglich! Sie sprechen da eine Absurdität aus, lieber Althing. — Es ist unmöglich, sag’ ich! ich kann es nicht glauben.“

Ohne sich an diese Rede zu kehren, rief der Seladon, der nunmehr wieder sein vis à vis sah: „Ach! Ach! Welche Formen! Welch herrlicher Wuchs! Welcher Gliederbau! Welche Taille — — und besonders, welches göttliche Gesicht! — Wahrhaftig, das ist eine Juno — oder nein eher noch eine Venus.... eine.... eine.... Allein, wer ist dort jener junge Gelbschnabel, der sich beständig an sie drängt? Offenbar mag sie nichts von ihm wissen — — und hat ihre Blicke beständig hierher nach mir gerichtet. O, glücklicher Althing! Du bist noch immer jener große Besieger der Weiberherzen........ Allein, bei Gott, diese verdient Dich auch im vollsten Maße.“

„Von wem reden Sie, Althing?“ erhob der Jüngling jetzt Kopf und Stimme: „Reden Sie von Cölestine von Randow?“

„Ei bewahre!“ entgegnete der Andere lachend: „Ich rede — — sehen Sie denn nicht dort, meine Göttin dort — von ihr dort rede ich — — sehen Sie dort — dort — bester Baron! dort sehen Sie sie, bester Leuben!... Ha, beim Himmel! so eben hat sie mir einen Blick zugeworfen; einen Blick sag’ ich Ihnen! Haben Sie ihn denn nicht bemerkt?“

Leuben, denn so hieß der Jüngling, hatte schon wieder das Haupt auf die Brust fallen lassen und fragte jetzt eintönig:

„Und Sie wissen es also wirklich?“

„Es ist so klar, wie die Sonne. Ueberzeugen Sie sich doch selbst, mein theurer Freund.“

„Man hat es Ihnen also nicht blos gesagt? Sie haben es nicht blos vom Hörensagen —?“

„Ei, was fällt Ihnen da ein, köstlichster Leuben! Vom Hörensagen! — Ich wiederhole Ihnen: diese meine eigenen Augen haben es gesehen, diese Augen hier, verstehen Sie mich? und Sie wissen doch, ich habe ein Paar Augen wie ein Adler, wiewohl, ohne daß ich darauf eitel wäre, auch noch von manchen andern Vorzügen meiner Gestalt die Rede sein könnte. — Allein...“

Der junge Mann stieß hier, als ganze Antwort darauf, einen schweren Seufzer aus, und als der einsammelnde Kassirer des Orchesters herbei trat, um seinen Groschen zu verlangen, warf Leuben ihm in der Zerstreuung einen Dukaten hin, was sonst für einen Morellischen Walzer doch wohl ein zu hoher Preis sein dürfte.

Mit einem Male fing Althing wieder an: „Ach! Ach! bei Gott — das ist zu stark! das war ein Blick so feurig wie eine Bombe! Du hast nicht nöthig, holde Zauberin, mein Herz mit so schwerem Geschütze zu bestürmen: es hat Dir seine Thore längst schon aufgethan. — Abermals! Abermals! — Ach, ich sehe, Du bist rasend in Deiner Zuneigung zu mir! Nun ja, Du bist ja erhört! — Ha! auch noch mit dem Fächer winkst Du mir? —“

„Wie?“ fiel Leuben träumerisch ein, „Sie hat Ihnen mit dem Fächer gewinkt?“

„Und das so stark — wie eine türkische Sultanin — hehehe! Das war aber Alles nicht nöthig!“

„Und dies Alles sagen Sie mir, mit so kaltem Blute — — mir mir?“

„Mein Gott, was soll ich thun? Kann ich’s denn ändern? Ich habe nun einmal schon das Fatum, liebenswürdig zu sein! Was kann man für seine Vorzüge, seine Eigenschaften!?“

„Alle Teufel! es wird mir endlich zu toll!“ rief der Jüngling jetzt aus und erhob sich rasch von seinem Sitze. „Mein Herr“ sagte er in einem Tone, der auf halbe Sinnesabwesenheit schließen ließ: „es ist Alles möglich, es kann Alles wahr sein, was Sie da erzählen. Wer kennt die Weiber und ihre Launen, ihre Leidenschaften! Es ist bereits da gewesen, daß eine Hebe sich in einen Vulkan verliebt hat — — und demnach kann es auch bei Ihnen wiederkehren. Allein was brauche ich dieses zu wissen? Wollen Sie mich kränken oder beleidigen? Wenn dies der Fall, so erfahren Sie, daß ich weder zu dem Einen noch zu dem Andern ruhig zusehen werde.... Ja, ja, ich weiß, jenes Mädchen, jenes Geschöpf ist ein weiblicher Dämon, den wenigstens ich nicht verstehe: tugendhaft, streng, unbefleckt — — und zugleich eitel, gefallsüchtig und noch Gott weiß was. Allein wenn ich von ihr, wenn ich von diesem Mädchen, die mir Alles war, auch noch so Manches hätte denken müssen, das Eine, fürwahr — das Eine wäre mir nie beigefallen: daß ein so junger und holder Engel fähig sei, einem alten Subjekt Ihrer Art Gehör zu geben, während sie mich....“

Hier hatte sich jedoch bereits auch Herr von Althing erhoben und in Positur gestellt. Zuerst schlug er mit seinem Fuße, woran sich ein klirrender Sporn befand, gewaltig gegen den Boden, dann stemmte er sich auf seinen Stock und endlich fing er mit einer Stimme an, die furchtbar sein sollte: „Wie mich dünkt, so haben jetzt Sie, mein bester Leuben, jene Absicht, welche Sie mir zuvor untergeschoben, nämlich zu beleidigen.... Mindestens begreife ich nicht, was sonst Worte wie: „ein altes Subjekt“ u. s. w., wie Sie solche so eben gegen mich gebrauchten, zu bedeuten hätten.... Wenn nun dies wirklich der Fall sein sollte....“

„Nun?“ lächelte Leuben spöttisch: „wenn es der Fall sein sollte?“

„Dann, dann“ polterte Althing und gab sich ungeheure Mühe, so wild als möglich die Augen zu rollen: „dann muß ich ihnen sagen, daß —“

„Weiter, weiter!“

„Daß ich das nicht — — — — begreifen kann.“

„Wie, Sie können es nicht begreifen, daß mich Ihre verdammte Liebesgeschichte in Wuth bringt?“

„Aber mein Gott, ist es meine Schuld, wenn man mich liebt, wenn man wahnsinnig vernarrt in mich ist? Sie wissen doch, wie ich die Weiber zu behandeln pflege — und doch ist diese da eine solche Närrin.....“

„Ha!“ schrie der Jüngling nun und das Aussehen, welches in der Umgebung entstanden war, vergrößerte sich von Augenblick zu Augenblick: „ha! Sie wagen es, mein Herr?“

„Allein, mein Himmel — ich begreife nicht, warum Sie sich so ereifern, Leuben. — Was gehen Sie meine Liebschaften, meine Eroberungen, meine Siege an —?“

„Elender — so wissen Sie nicht, daß ich Cölestine von Randow liebe, wie ein Wahnsinniger, wie ein Wüthender!?“

„Nun — und weiter?“

„Weiter? Noch weiter?“

„Nun ja, wozu erzählen Sie das mir? Weiß ich es denn nicht?“

„Nun ja — eben darum; und doch sprachen Sie eben —“

„Von —? —“

„Cölestine!“

„Ich? — Nicht eine Silbe.“

„Von wem also denn?“

„Ei — alle Wetter! von jenem allerliebsten Brünettchen, die dort vis à vis von mir, in der dritten Reihe, sehen Sie — mit Mutter und Vater sitzt. Von ihr, von ihr, die, wenn mich mein Kennerblick nicht ganz täuscht, eine kleine Bäckerstochter aus der Wipplinger Straße ist.... von ihr sprach ich, mein Freund, und nicht von Cölestine!“

„Hahahaha! Hahahaha!“ erhob jetzt der früher so düstere Leuben ein schallendes Gelächter: „hahahaha! Ist das das Ganze?“

„Das Ganze! Hahahaha!“ lachte der alte Ritter mit.

„Ein Mißverständniß also? Beim Himmel! das müssen Sie mir verzeihen, theuerster Althing!“

„Nun, nun es ist längst verziehen, verlassen Sie sich d’rauf. Uebrigens — da wir uns in dem anstrengenden Diskours beinahe die Kehlen ausgedörrt haben, so dürfte, wie mich dünkt, eine Flasche Tokaier oder so etwas dergleichen kein unebenes Anfeuchtungs- und Restaurationsmittel sein. Daher: Marqueur! Holla! — Johann! Oder wie der Bursche sonst heißt.“

„Befehlen Euer Gnaden? Schaffen Euer Gnaden! Womit können wir aufwarten?“

Mit diesen Worten und tiefen Katzenbuckeln waren zwei bis drei Aufwärter herbeigesprungen, so flink, so behend, so lustig, daß ein norddeutscher Kellner sich nicht einmal eine blasse Idee davon zu machen im Stande ist.

„Wie steht es mit Eurem Keller?“ nahm Althing das Wort: „Habt Ihr guten Tokaier? Was?“

„Aufzuwarten, Euer Gnaden. Er ist aus dem Keller Sr. Durchlaucht des Fürsten — —“

„Ach, wenn das ist, dann behaltet denselben für Euch; der Tokaier, welcher unter diesem Namen passirt, ist häufig der schlechteste. Es geht damit, wie mit den schlechten Büchern, die ein Verleger dadurch an den Mann zu bringen sucht, daß er zu denselben Vorreden von berühmten Literaten schreiben läßt. Also mit dem Tokaier ist es nichts; dafür bringst Du uns Champagner und zwar non mousseux. — —“

„Zu dienen, Euer Gnaden! Im Augenblick, Euer Gnaden!“

Und diese Leute sprangen wieder wie die Hirsche davon, so daß es wie eine Art von Jagdvergnügen war, ihnen zuzusehen.

„Ei, ei! — Schon wieder! — Das war noch deutlicher, als alles Frühere! — Jetzt winkte sie mir gar mit dem Finger und deutete auf ihre Mutter neben sich, gleichsam als wollte sie sagen: Diese da genirt unser Zusammentreffen, du mein holder Mann! — Nun, fürwahr, die hat an mir complett einen Narren gegessen.... Mein Gott, das ist jedoch für Unsereins etwas ganz Alltägliches.... Ha! da fällt mir etwas ein. Wissen Sie, was ich thun will, Leuben? Ich will jene verliebte Hexe noch rasender verliebt in mich machen — und zwar dadurch, daß ich dieselbe eifersüchtig mache. O, ich bin in diesen Dingen erfahren! — Also rasch auf irgend eine Zweite deine Blicke geworfen, Freund Althing — und sie wird wahnsinnig, sie wird unglücklich! — O, in dieser Beziehung bin ich ein ganz herzloser Gesell! — Allein man muß es bei dieser Zeit auch sein — sonst kommt man nicht fort. Nur den Ungeheuern in der Liebe sind die Weiber treu. Je beständiger man ist, desto wankender sind sie.... je gleichgültiger, um so mehr entbrennen sie für uns.... Meiner Treu, ich werde mich darüber weiter auslassen, wenn ich erst meine Memoiren unter dem Titel: „Casanova II.“ herausgebe....“

Der alte Schwätzer wäre noch lange in dieser Weise fortgefahren, indem er dabei seine lüsternen Blicke immerwährend von der einen seiner Auserkornen zur andern gehen ließ — — allein jetzt plötzlich schien er von einem neuen Anblick überrascht und mit lauter Stimme rief er aus: „Ah — da kommt unser theurer Freund Edmund von Randow!... Ah, das ist wirklich schön! Der Bursche ist mir so zu sagen ans Herz gewachsen: es ist ein köstlicher Junge, der Edmund.“

Die Person, von welcher Althing also deklamirte, näherte sich in raschen Schritten und verdoppelte dieselben noch, sobald sie die Zwei ansichtig wurde. Man denke sich einen jungen eleganten Mann von guter aber etwas leichtfertiger Haltung — dessen lachendes Auge kühn oder nach Umständen auch frech den Leuten bis zwischen die Zahnreihen sieht, dieser junge Mensch, ein Liedchen summend, eilte jetzt durch die Reihen der Gäste hin, indem er Diesem auf den Fuß trat, Jenen am Ellbogen anstieß — und auf alle Mahnungen die hierauf erfolgten nichts that, als daß er mit seiner dünnen Reitgerte in der Luft umherfocht, als wollte er Mücken vertreiben.

„Haha!“ ließ er sich mit einem Male so laut vernehmen, daß man es gewiß bis zum Zeughause hören konnte: „da sitzen sie ja beisammen die zwei Freunde, die zwei Kameraden..... Ach! und welche Blicke dieser alte Sünder wieder um sich herum wirft....“

In diesem Augenblick war er zu ihnen gelangt und ohne Weiteres warf er sich auf einen Stuhl, griff nach einer von den bereits herbeigeschafften Flaschen und schenkte sich ein Glas Champagner ein, das er auf einen Zug leerte; — dann streckte er die Beine von sich, erhob die Reitgerte und versetzte damit seinem Nachbar, dem Liebesritter Althing, einen leichten Schlag auf die Knie: „Nun, wie geht es? Was macht Ihr da? Was machen die holden Fräuleins — und wie viele hat ihrer dieser große Verführer bereits in einem Augenblick erobert? —“

Diese Apostrophe schien dem alten Seladon zu schmeicheln und mit den Lippen schmatzend versetzte er in geheimnißvollem Tone: „Bis jetzt ist es nur Eine — — aber diese kann für Tausend gelten, hahaha!“

„Wirklich?“ rief Edmund: „Das muß in der That ein kleines Weltwunder sein.... Nun und wo sitzt denn diese Helena — mein lieber Alter..?“

„Ich habe“ versetzte dieser mit gekränktem Tone — „Dich bereits zu oft gebeten, mich nicht „mein lieber Alter“ zu nennen; denn erstens bin ich noch in meinen besten Jahren — zwischen 30 und 40 — und zweitens haben wir uns, was man so sagt, conservirt — — endlich drittens — —“

Er hatte noch nicht ausgesprochen, als ein neuer Fall, den man wirklich Fall nennen konnte, sich ereignete; Edmund hatte nämlich seine Beine so weit ausgestreckt, daß ein Aufwärter, welcher eben mit einer Platte voll Confituren und Getränken vorübereilte und die sehr vernünftige Absicht hatte, auszuweichen — so unvernünftig war, es ein wenig allzu rasch thun zu wollen — solchergestalt mit seiner Platte hinfiel und den ganzen Inhalt der Gläser auf Edmunds Beinkleider und Althings Stiefel ausgoß — das Uebrige vermälte sich mit dem Staube auf dem Boden und wurde von zwei herbeieilenden Knaben und drei Hunden in friedfertiger Weise getheilt. Edmund lachte wie toll über das, was er „Impromptu“ nannte — hingegen war Althing über die Vertilgung des Glanzes auf seinen Stiefeln so untröstlich, daß er dem unseligen Aufwärter nicht nur einen Schimpfnamen nach dem andern — sondern zum Beschluß auch noch einen Tritt auf einen gewissen Theil des Körpers versetzte; eine Mode, die in Wien eben nicht ungewöhnlich ist, während man dergleichen Divertissements der großen Herrn in dem ganzen übrigen Europa bereits längst abgeschafft hat.

Die Unterhaltung erhielt demnach eine bedeutende Lücke, wenigstens in ihrer conversationellen Seite; das war jedoch Keinem angenehmer als unserm bleichen, melancholischen Freunde, unserm armen Freunde Leuben, der, während hier Alles lachte, auch nicht einmal das Gesicht verzog.

„Alle Donner!“ schrie Althing — „ich bin für diesen Augenblick ruinirt; meine Toilette ist hin! Und es ist doch ein so wichtiger Augenblick.... Jene kleine Brünette! — Jene, die ich schon besiegt hatte, kraft der Gewalt meiner Physiognomie, — wer weiß, ob sie nicht Anstoß nimmt an ungewichsten Stiefeln! O nichtswürdiger Marqueur! Dummkopf von einem Aufwärter — ich könnte Dich —“

Mittlerweile hatte Edmund dem armseligen Marqueur, dem all dies Unglück galt und der da stand vor seinen zerbrochenen Tassen und Gläsern wie Niobe, die ihren verfolgten Töchtern nachsieht, — diesem Unglücksmanne hatte der leichtfertige Edmund eine Banknote zugeworfen, die wohl den dreifachen Werth des Schadens enthalten mochte und daher ein ganz respektables Schmerzensgeld war. Der Unglücksmann verbeugte sich bis zu seinem Bauche und würde sich noch tiefer verbeugt haben, hätten ihn seine geschundenen Glieder daran nicht gehindert.

„Nun, bist Du zufrieden?“ rief Edmund.

„Vollkommen!“ versetzte der Kerl: „Wenn Euer Gnaden wieder ein ander Mal schaffen[A], so brauchen Sie mir’s nur sagen zu lassen. —“

Diese Replik versetzte Alles in heitre Laune, so daß sogar Leuben eine Anwandlung davon bekam; erst jetzt erwiderte er den Gruß Edmunds; doch plötzlich blieb sein Auge mit einem heftigen fieberhaften Ausdrucke auf demselben haften und ein leises Zucken der Lippen schien die gewaltsamen Gedanken, welche sich gerne in Worten Bahn brechen wollten, anzuzeigen.

„Was haben Sie, mein bester Leuben?“ fragte der Andere: „Was ist Ihnen? Sie sind heute bei sehr schlimmer Laune, wie ich merke — und ich finde deshalb den Einfall köstlich, sich dieselbe gleich am Morgen mit Champagner zu vertrinken.“

„O“ fiel der alte Dicke ein: „dieser Champagner hat etwas ganz Anderes zu bedeuten. Es ist ein Versöhnungstrank — eine Libation; denn wir hatten ein Rencontre, bevor Du kamst — und wenig fehlte, so hätten wir einander die Hälse gebrochen.“

Edmund schlug ein unsinniges Gelächter auf. „Wie — ein Rencontre? einen Streit? — Seid Ihr denn verrückt? Zwei alte Freunde und ein Streit!.. Macht doch keinen Narren aus mir.“

„Nein, nein, in vollem Ernste gesprochen, Du kannst Dich darauf verlassen — — und überdies, was hindert uns, Dir den Inhalt des Streites mitzutheilen. — Ohnehin betrifft er ja in entfernterer Weise sogar Dich. —“

„Wie?“ schrie jetzt Edmund aus Leibeskräften: „Mich, mich, sagst Du, — hahaha! — Der Fall wird interessant — doch bevor wir weiter gehn: Marqueur, noch eine Bouteille von diesem rothen Champagner — — er ist köstlich! — — So, und jetzt erzähle, mein Alter, erzähle!“

„Donnerwetter! noch ein Mal, Edmund, rede mich nicht immer so an, Alter! darauf werde ich künftig nicht mehr hören; verstehst Du? —“

„Also, mein Junge, wenn Dir dies lieber ist.“

„Das ist etwas Anderes. Ich verlange, wie Du weißt, nichts Unbilliges. Ich könnte zehn Taufscheine beibringen, worin mein Alter von 30 bis 40 Jahren bestätigt ist — und —“

„Schon gut — Alle Teufel! Wirst Du endlich zur Geschichte kommen, verd— Alter — Althing wollt’ ich sagen.“

„Nun ja, so höre: es handelte sich um Deine Schwester Cölestine.“

Bei diesen Worten nahm der Roué Edmund einen so ernsten Ausdruck des Gesichtes an, wie man ihn dessen nimmer fähig gehalten hätte: „Ueber diesen Gegenstand“, sagte er mit Nachdruck — „bitte ich Dich zu schweigen, mein Freund, und erkläre Dir ein für alle Mal, daß ich hierbei keinen Scherz verstehe.“

„Meinetwegen,“ bemerkte Althing; „was geht die Geschichte mich an? — Was mich betrifft, so will ich Dir gerne den Gefallen thun, darüber zu schweigen; jedoch ist hier Einer....“ und hierbei deutete er auf Leuben.

Edmund richtete sich auf; in der That schien jetzt dieser ganze Mensch verändert — die Lappen und Flitter der Liederlichkeit schienen alle von ihm gefallen zu sein und er stand so würdig da, als irgend Einer. Mit Ernst wandte er sich an seine beiden Gesellschafter: „Meine Herren,“ sprach er, „es ist da von einer Geschichte und dann von Ihnen, Herr von Leuben, die Rede. Wollten Sie wohl die Güte haben, mir hierüber einige nähere Aufklärung zu geben.“

Der junge Mann, dessen Namen er so eben genannt, hatte seinen festen, durchdringenden Blick von ihm noch immer nicht abgekehrt. Jetzt zitterte er an allen Gliedern — und schien mit unaussprechlicher Ungeduld den Moment erwartet zu haben, welcher so eben einbrach.

„Reden Sie doch! Reden Sie doch!“ rief Edmund, bald zu Leuben, bald wieder zu Althing gewendet, welch’ Letzterer, durch die Aufmerksamkeit, die er seinem vis à vis, oder seiner Brünette, schenkte, gehindert, hier am Tische nur mit halben Ohren zuhörte.

„Werden Sie mir endlich sagen —?“ wiederholte Edmund so heftig, daß der Dicke erschrack und nun rasch die Worte aussprach:

„Aber mein Gott, welche Aufregung bei einer so kleinen Sache? Nun denn, unser ganzes Gespräch, so weit es Ihre Schwester, Fräulein Cölestine, betraf, drehte sich um die Frage: ob sie wirklich, wie man sich erzählt, Braut geworden sei oder nicht. Das ist Alles.“

„Ja —“ wiederholte Leuben mit einer wilden, sonderbaren Unruhe: „ob sie Braut geworden sei, darum handelte es sich, und dies können Sie, Herr von Randow, uns mit der größten Bestimmtheit sagen.“

„Nun — wenn es sonst nichts ist!“ entgegnete Edmund in munterem Tone, „dann hatten wir freilich viel Lärmens um Nichts gemacht; denn es wird Ihnen Beiden doch wohl einerlei sein, ob oder ob dies nicht der Fall ist.“

„Nein, nein — es ist uns keineswegs so ganz gleichgültig, wie Du glaubst, mein Lieber,“ meinte Althing: „und so magst Du es uns nur sagen, was die Sache Wahres enthält.“

„Nun denn — Cölestine ist in der That die Braut des Grafen von A—x; diese Angelegenheit ist bereits abgeschlossen.“

Ein fahler Lichtschein fuhr über Leubens Angesicht, dessen Blässe jetzt eine todtenähnliche Farbe annahm. Dieser Mensch schien von einem elektrischen Schlag bis ins tiefste Leben hinein getroffen zu sein; die Veränderung, welche an ihm vorging, ward jedoch von keinem seiner beiden Nachbarn bemerkt — denn mit einer an’s Uebernatürliche streifenden Gewalt schien er sich zu beherrschen. Er blieb auf seinem Stuhle sitzen — bewegungslos, antheillos, und bis auf seine wechselnde Gesichtsfarbe, so unverändert, als wäre nichts vorgefallen.

Bald darauf erhob man sich; Edmund hatte Besuche bei Freunden und im Kaffeehause zu machen (er traf seine Freunde gewöhnlich an solchen Orten); Althing beobachtete den so eben erfolgten Aufbruch seiner „Brünette“ — natürlich, daß er Willens war, ihr zu folgen; was endlich Leuben betraf, so war demselben höchst wahrscheinlich wenig daran gelegen, dem einen oder dem andern dieser Herren zu folgen — und in der That, wir sehen ihn auch alsbald nach einer leichten Begrüßung sich einsam hinweg begeben und den Weg rechts nach den Vorstädten — vielleicht um in den nahen Garten des Fürsten Schwarzenberg zu gelangen — einschlagen.

Der Schwarzenberg-Garten ist ein allgemeiner Freund sowohl der glücklich wie der unglücklich Liebenden. Beide bergen sich in seinem Schatten.

Althing und Edmund waren eine Strecke gegangen; da sie jedoch verschiedene Ziele verfolgten, so trennten sie sich auch sehr bald und unser dicker Adonis ging nun allein klirrenden Trittes Derjenigen nach, welche, wie er glaubte, ihm so viele und so ausdrucksvolle Liebeszeichen auf dem Wasserglacis gegeben — und die, wie er nicht zweifelte, sich auch jetzt nur erhoben hatte, damit sie endlich ungestört mit ihm reden könnte.

Aber welche Ueberraschung für unseren heißblütigen Ritter, als er sich plötzlich von einem leisen Handschlage auf seiner Schulter berührt fühlte und nun einen ihm unbekannten jungen Herrn hinter sich sah, der folgende Worte zu ihm sprach:

„Mein bester Herr — ich rathe Ihnen, von der Verfolgung jener Dame abzulassen, denn es würde Sie zu nichts führen und wahrhaftig, Sie können Ihre Zeit auf andere Weise weit besser verwenden. Sollten Sie Zweifel in meine Worte setzen, so werden diese bald zerstreut sein. Blicken Sie mir gefälligst nach und überzeugen Sie sich, daß unter diesem Monde nichts häufiger vorkommt, als der Irrthum... Man glaubt den goldnen Schatz bereits mit der Hand zu erfassen — in diesem Augenblick jedoch entschlüpft er uns und im nächsten schon hat ihn derjenige, für welchen er bestimmt war.“

Dies sprechend, lachte der Fremde unserm dicken Freunde so recht ins Gesicht, verdoppelte seine Schritte, so daß er ihm bald vorkam und nach wenigen Schritten sich dicht hinter jener Dame, jener Brünette befand. Diese drehte sich rasch um, ließ ein Briefchen fallen, der Fremde hob es mit einer bewundernswerthen Geschicklichkeit auf und — bald war er mit seinem Schatze hinter einer Hecke verschwunden.

Herr von Althing blieb wie vom Donner gerührt auf dem Platze stehen — schüttelte das Haupt — ließ es ein wenig sinken — stieß einen schweren Seufzer aus und begab sich nach zwei Minuten Ueberlegung auf den Rückweg, indem er vor sich hin murmelte:

„Ei, ei, da glaubte ich ganz sicher zu sein. Meiner Treu, ich hätte eher meinen Kopf verwettet, als so etwas zu glauben.... Da seh’ man mal die Weiber an! Aber machen wir es mit ihnen denn besser? — Also Geduld, Freund Althing! — Du hast so manches Herz gebrochen — — gebiete dem deinigen jetzt Stillschweigen. Allons nach Hause! und neue Toilette gemacht. Ich wette darauf, an diesem ganzen Unglück waren meine begossenen Stiefel Schuld.“

Zweites Kapitel.Cölestine von Randow und Alexander von A—x.

Cölestine von Randow war eine der reizendsten Jungfrauen der Residenz. Ihre Familie gehörte zu den edelsten des Landes. Erst vor einem Zeitraum von 100 Jahren aus Polen eingewandert, hatte der damalige Stammhalter durch Dienste, die er dem Staate leistete, derselben schnell eine der glänzendsten Stellungen zu verleihen gewußt. Doch verlor unter seinem Sohne das Geschlecht wieder einen Theil seiner Geltung und seines Vermögens, und erst den beiden Nachfolgern gelang es — jene Fehler zu verbessern. Freilich ist ein Schade nicht so leicht gehoben wie gemacht, und noch bis zum heutigen Tage empfand die Familie Randow jene Nachwehen, die ihr von ihrem Großvater hinterlassen worden waren. — Ueberhaupt war es ein Familienfehler der Randow, den fast jedes Glied derselben mehr oder minder theilte — unüberlegt, ja leichtsinnig zu sein, und wiewohl sie alle von Herz und Geist edel und vortrefflich waren, so überwog in ihnen jenes Erbgebrechen oft so sehr, daß dadurch alle andern und bessern Eigenschaften häufig in Schatten gestellt wurden, wie dies z. B. gegenwärtig bei Edmund von Randow, dessen Charakter wir schon ziemlich deutlich bezeichnet zu haben glauben, der Fall war.

Was wir von Cölestine zu sagen haben, wird in Nachfolgendem bestehen. Sie war, wie gesagt, eine der schönsten, der glänzendsten Erscheinungen in der höheren Frauenwelt. Man begreift, daß, um in dem Kreise der Schönheiten Wiens auf jene Benennung Anspruch zu haben, man weit über den Verhältnissen eines gewöhnlichen Maaßes stehen müsse. In der That war Cölestine so schön, daß man aus ihrem Bilde einen modernen Canon für zeitgenössische Maler hätte machen können. Man stelle sich eine zarte, schlanke, feine und doch im höchsten Grade plastische Gestalt vor, als wäre sie aus einer Composition, die geschmeidiger als Marmor und fester als Wachs ist, von einem neuen Pygmalion gebildet worden.... Fürwahr, diese Frau schien nicht aus dem Alltagsmaterial, woraus uns der liebe Gott schafft, zu bestehen! — Das schmale Oval des Gesichtes wies einen wie mattes Silber schimmernden Teint, der so durchsichtig war, wie Florgewebe, und durch welchen an den Wangen ein zart geschämiges Inkarnat, auf den Lippen aber das brennende Roth der Granatblüthe durchdrang.... Diese mandelförmig geschnittenen Augen mit der feurig dunklen Iris, die einen stechend schwarzen von goldnem Schimmer durchwirkten Kreis bot — diese schweren dunklen Wimpern und diese dünnen gewölbten Brauen, die von Meistershand auf die glatte, nicht allzu hohe Stirne gezeichnet schienen — — diese feine, doch ein wenig gestülpte Nase, dieser nicht allzu kleine Mund, der geschlossen von einem eigenen unaussprechlichen Zauber — geöffnet es jedoch in einem noch höheren Grade war — da dann eine entzückende Kindlichkeit daraus sprach (eben so wie er, geschlossen, Ernst und Sinnigkeit ausdrückte) — — ferner dieses Kinn vom reinsten Ebenmaße, welches an einen Hals grenzte, der zugleich schlank und kräftig war.... wenn wir zu all diesem noch den prachtvollen, reichen Haarwuchs vom tiefsten Schwarz hinzuthun, der wegen seiner Ueppigkeit und strotzenden Fülle das Haupt nach hinten fast unverhältnißmäßig verlängerte, so daß er jenem der alten Griechinnen glich: so haben wir im Grunde nur erst einen Theil des reizenden Bildes Cölestinens gemalt. Es müßte uns jedoch ein weit kunstreicherer Pinsel als der, welchen die Muse unserer schwachen Hand anvertraut, zu Gebote stehen — um Alles, Alles, um jedes einzelne Attribut der Schönheit dieses Originals in den vergänglichen Rahmen dieses Gemäldes zu fassen....

Gewöhnlich war der Ausdruck von Cölestinens Gesicht still und ernst, ohne Trauer; zeitweise jedoch wurde er von einer Lebhaftigkeit und jenem muntern Wesen durchstrahlt, das nur einer Französin und einer Polin in so entzückender Weise eigen. Cölestine träumte und schwärmte nicht — sie emfang, sie faßte deutlich und zugleich tief auf; leicht aber gab sie sich der Wirkung irgend einer ungewöhnlichen Erscheinung in der Außenwelt hin und dann blitzte ihr dunkles Auge hell auf — ihr Mund öffnete sich — ihre Lippe verzog sich zum Lachen, zum Spott, zum Zorn, zur Zärtlichkeit, kurz zu dem Ausdruck jeder Empfindung.

Man erzählte sich von ihren Kinderjahren, daß sie zu jener Zeit ein kleiner Wildfang und dazu über alles Maß eitel gewesen sei. In Wahrheit, die letztere Eigenschaft hatte sie bei sich noch immer nicht gänzlich abgestellt, so große Mühe sie sich deswegen übrigens auch gab. Sie wußte recht gut, daß Eitelkeit, Gefallsucht und leichter Sinn ein so tüchtiges Gemüth und einen so glänzenden Geist, wie womit sie ausgestattet war, entwürdigen, und gleichwohl ertappte sie sich — mißtrauisch wie sie war — alle Tage wohl zehn Mal bei diesen Fehlern. Sie zürnte dann mit sich, sie schmollte, sie bestrafte sich sogar.... allein naturam si furca etc.

Allein welcher Charakter ist frei von Mängeln und welches Geschöpf tadellos in der Schöpfung? Ich mißtraue jenem Reinen und Fehlerlosen gar gewaltig und würde, hätte ich die Wahl frei, mich zehntausend Mal eher an diejenigen schließen, welche von irdischer Gebrechlichkeit nicht frei sein wollen. — O, der Mann, welcher Cölestine einst besitzen sollte, hätte sich wahrhaftig in lautem Dankgebet an das Schicksal dafür wenden sollen, daß es ihm ein solches Geschenk gewährt.

Dieser Mann nun, von dem wir reden, dieser Glückliche, der Cölestine als sein Weib in die Arme schließen sollte — es war, wie wir schon erfahren haben, der Graf von A—x. — Sein Geschlecht war inländischen Ursprungs und mindestens eben so glänzend wie jenes der Randow. Graf Alexander von A—x (denn das ist sein Vorname) war keineswegs mehr ein Jüngling; er stand im vollkräftigen Mannesalter von 36 Jahren — — und dieser Umstand war eine von den Ursachen, um derentwillen ihm die achtzehnjährige Cölestine den Vorzug vor dem Heere ihrer andern, theils stillen, theils ziemlich aufdringlichen Anbeter gegeben. — Alexander bekleidete eine wichtige Stelle im Staatsdienste und man glaubte ihn an dem Vertrauen hochmächtiger Personen betheiligt. Er war ein düsterer, kalter, verschlossener, fast schwermüthiger Charakter — falls man ihn blos nach der Oberfläche beurtheilte.... aber ach, welches Feuer von Liebe, welche Lava der Leidenschaft mochte da tief unten auf dem Grunde der Seele glühen! — Seine Gestalt war männlich und kräftig; eine nicht allzu hohe aber derbe Statur würde ihn als einen gewöhnlichen Kraftmenschen bezeichnet haben, wenn sein farbloses oder vielmehr braungelbes Angesicht, in welchem zwei gewaltig große, oft wildbewegte, oft düster starrende Augen wohnten — durch die mannigfachen Bewegungen, denen es zeitweise unterworfen war, nicht auf ein höchst bewegtes Seelenleben würde gedeutet haben. Zwar wollte die Welt damit — ein wüstes und wildes Sinnenleben in Verbindung bringen, welches der Graf in früheren Jahren und fremden südlichen Ländern geführt haben sollte; allein Niemand konnte hierüber etwas Bestimmtes sagen — und so dürfen diese Behauptungen eben sowohl in das Reich der Annahmen — wie in jenes der Wirklichkeit gestellt werden. — Mit Einem jedoch verhielt es sich