Come on, Tiger! - Sara-Maria Lukas - E-Book

Come on, Tiger! E-Book

Sara-Maria Lukas

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Beschreibung

Mason Carter ist nicht nur Inhaber eines exklusiven BDSM-Resorts in der Nähe von Los Angeles, sondern auch reicher Miteigentümer eines Software-Unternehmens. Während eines Besuchs bei seinen Cousins in Deutschland, wird er von Steven Carter gebeten, sich als Obdachloser zu tarnen und undercover einen verdächtigen Mitarbeiter aus Stevens Firma zu beschatten. Antonia Ludwig arbeitet im Büro der Carter GmbH in Hamburg. Als sie eines Abends überfallen wird, rettet sie ein Mann, dessen Attraktivität und Dominanz sie in ihren Bann ziehen. Doch er ist ein Obdachloser, und sie hat sich geschworen, nie wieder einen Mann an sich heranzulassen, der sein Leben nicht im Griff hat. Rüde weist sie ihn ab. Mason beschließt, der arroganten kleinen Kratzbürste eine Lektion zu erteilen. Er ahnt nicht, dass Antonia kein zufälliges Opfer war, sondern als unliebsame Zeugin in Lebensgefahr schwebt ... Teil 6 der romantischen BDSM-Reihe rund um die Carter-Familie.

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Sara-Maria Lukas

Hard & Love 6: Come on, Tiger

© 2021 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

Covergestaltung: © Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.de)

Coverfoto: © Shutterstock.com

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-532-7

ISBN eBook: 978-3-86495-533-4

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses eBook darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Epilog

Autorin

Prolog

Vor ihren Augen flimmerte es und kalter Schweiß brach ihr aus. Sie glaubte, zu schwanken, und klammerte sich an die Kante des Empfangstresens der Carter GmbH, um darauf zu warten, dass ihr Kreislauf sich normalisierte.

„Hey, Antonia!“, hörte sie durch das Rauschen in ihren Ohren ihre Kollegin sagen und drehte den Kopf. Ihr Blick klärte sich. „Ja?“

„Du bist bleich wie eine Leiche. Hast du Fieber?“

Antonia konzentrierte sich. Der Eingangsbereich des Gebäudes schien heller als gewöhnlich, was ihr Kopfschmerzen verursachte, und das Grün des fast ein Meter fünfzig hohen Benjamini, der zwischen der breiten Treppe und dem Eingang stand, stach unnatürlich deutlich aus seiner Umgebung hervor. Beim Schlucken brannte es in ihrem Hals und sie fror. „Ich glaube, ich habe mir eine Grippe eingefangen.“

Silvia nickte. „Das glaube ich auch. Du musst nach Hause fahren und dich auskurieren!“

Antonia schüttelte energisch den Kopf. „Die paar Stunden bis zum Feierabend halte ich schon noch durch.“ Sie würde auf keinen Fall mitten am Tag ihren Arbeitsplatz verlassen. Da der Empfang immer besetzt sein musste, würde ihre Kollegin nicht mal zum Klo gehen können, wenn sie sie allein ließe.

Die Geräusche von Schritten auf der Marmortreppe und Männerstimmen wurden lauter. Antonia straffte sich und setzte ihr professionelles Lächeln auf, wie es sich für eine Mitarbeiterin am Empfangstresen gehörte.

Steven Carter, der Chef persönlich, begleitete einen Kunden zum Ausgang und nickte ihr im Vorbeigehen zu. „Ist das Taxi für Mr. Valentine schon da?“

Sie lächelte. „Es wartet vor der Tür.“

„Danke.“

Sie beobachtete, wie Mr. Carter seinen Gast und vermutlich neuen Geschäftspartner aus London bis zum Auto begleitete. Ihr Chef war gebürtiger Amerikaner und erst vor zwei Jahren, gemeinsam mit seinen Brüdern, nach Deutschland ausgewandert. Er hatte das damals marode Exportgeschäft gekauft und war auf dem besten Wege, es zu einem international erfolgreich agierenden Handelsunternehmen auszubauen.

Vermutlich war es die beeindruckende Souveränität, die Steven Carter stets ausstrahlte, die Kunden und Banken dazu brachten, mit ihm Geschäfte tätigen zu wollen. Wäre Antonia nicht mit Jonathan zusammen, der nach seinem Studium auf jeden Fall Karriere machen würde, würde sie sich in Steven Carter verlieben, denn sie fand bei Männern nichts anziehender als sichtbaren Erfolg und selbstsichere Gelassenheit.

Mr. Carter und Mr. Valentine verabschiedeten sich neben dem Taxi voneinander, dann stieg der Besucher ein und das Auto fuhr los.

Steven steckte die Hände in die Taschen seiner Anzughose, während er dem Taxi noch einen Moment nachsah, drehte sich schließlich um und schlenderte wieder herein.

In Antonias Nase kitzelte es, sie musste niesen. Schnell drehte sie sich zur Seite, zog ein Taschentuch aus dem kleinen Fach am Tresen und gab dem Reiz nach. In ihrem Schädel dröhnte es beim anschließenden Schnauben, als ob ihr jemand mit einem Hammer draufschlagen würde.

Ihr Boss trat an den Tresen heran. „Sind Sie krank, Frau Ludwig?“

Antonia schüttelte den Kopf und stopfte das Taschentuch in die Hosentasche, doch Silvia nickte eifrig. „Sie hat Schüttelfrost und wäre eben schon fast umgekippt.“

Er neigte leicht den Kopf, während sein Blick Antonia fixierte. „Fahren Sie nach Hause und legen Sie sich ins Bett.“

Antonia winkte hektisch ab. „Es geht schon. Es ist nicht so schlimm.“

„Es nützt uns gar nichts, wenn Sie Ihre Grippe verschleppen und dann später umso länger ausfallen. Ab nach Hause mit Ihnen.“

Er ging zwei Schritte Richtung Treppe, stutzte und drehte sich noch mal zu ihr um. „Sind Sie mit dem Auto hier?“

„Nein, ich fahre immer mit der U-Bahn.“

„Dann nehmen Sie ein Taxi.“

„Das ist nicht …“

„Auf Kosten der Firma natürlich.“ Er verschwand, ohne auf eine Antwort zu warten, und ehe Antonia sie stoppen konnte, hatte Silvia bereits den Telefonhörer in der Hand und wählte die Nummer des Taxirufs.

Fünfzehn Minuten später saß sie im Auto und ließ sich nach Hause fahren.

Sie sah auf ihre Armbanduhr. Es war erst kurz vor vierzehn Uhr. Jonathan würde frühestens in vier Stunden heimkommen. Mittwochs hatte er im Anschluss an die Vorlesungen immer ein Meeting mit seiner Arbeitsgruppe.

Seufzend lehnte sie sich zurück. Ein Jahr noch, dann wäre er mit seinem Studium fertig und sie könnte sich auf ihres konzentrieren, anstatt jeden Tag als ungelernte Kraft am Empfangstresen der Carter GmbH zu sitzen.

Ein Schaudern zog durch ihren Körper. Schüttelfrost.

Sie zog die Schultern hoch. Vermutlich hatte sie sich die Grippeviren in der U-Bahn eingefangen. Sie würde sich zu Hause gleich ins Bett legen, damit sie schnell wieder fit werden würde. Vielleicht sollte sie Jonathan anrufen, bevor sie sich schlafen legte. Er könnte ihr aus der Apotheke ein Schnupfenmittel mitbringen.

Sie erreichten ihre Straße in Ottensen und das Taxi hielt in der zweiten Reihe vor dem Haus. Als sie aussteigen wollte, wandte der Fahrer sich ihr zu. „Die Fahrt kommt auf die Monatsrechnung Ihrer Firma, wenn ich das richtig verstanden habe?“

Sie kannte den älteren Herren. Er war schon öfter für die Carter GmbH gefahren. „Ja. Genau.“

Er nickte. „Gute Besserung.“

„Danke.“

Antonia schlängelte sich zwischen den parkenden Autos hindurch und musterte irritiert einen Transporter mit offen Türen, in den zwei Typen Umzugskartons einluden. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass einer der Nachbarn seinen Auszug plante.

Stöhnend stieg sie die zwei Treppen zu ihrer Altbauwohnung hinauf. Es war anstrengend, und sie wollte schon erleichtert aufatmen, als sie um die Ecke bog und ihre Wohnungstür in Sicht kam. Doch dann stockte sie. Die Tür war offen und mehrere Umzugskartons und zwei gepackte Koffer standen mitten im Türrahmen, sodass der Weg hinein versperrt war. Was hatte das denn zu bedeuten?

Antonia kletterte über die Hindernisse und betrat den Flur. „Jonathan?“

Ihr Freund erschien im Türrahmen des Wohnzimmers und starrte sie an. „Was machst du denn schon hier?“

„Ich bin krank und früher gegangen. Was ist hier los?“

 „Fuck.“ Er stöhnte und fuhr sich mit den gespreizten Fingern durch die Haare. „Ich wollte es dir in Ruhe erklären, aber …“

„Was wolltest du mir erklären?“ Ihre Stimme klang schrill und jede Silbe schien in ihrem Kopf zu dröhnen.

„Ich … ähm … ich … habe ganz plötzlich ein irre gutes Jobangebot bekommen und muss dafür nach München ziehen.“

Sie starrte ihn an wie ein Alien. Sie musste Halluzinationen haben. Aber die Szene verschwand nicht; Jonathan, die Kartons und die Koffer waren keine Einbildung, er stand immer noch leibhaftig und deutlich nervös vor ihr.

„Ich verstehe nicht …“, stammelte Antonia. „Was für ein Jobangebot?“

Er fuchtelte mit den Armen herum. „Es ging alles ganz plötzlich. Ich bekam das Angebot und musste mich sofort entscheiden. Ich wollte es dir heute Abend am Telefon sagen.“

„WAS für ein Job? Du bist doch mit deinem Studium noch gar nicht fertig!“

„Es gibt eben manchmal Chancen, die muss man ergreifen, auch wenn man eigentlich was anderes geplant hat.“

„Du schmeißt das Studium und ziehst holterdiepolter mal eben nach München?“

„Ja.“

„Für wie lange?“

„Ähm. Ich weiß nicht.“

„Eine Wohnung in München ist teuer … Du verdienst so viel, dass du dir das leisten kannst?“

„Sicher.“

In ihrem Kopf rotierten die Gedanken.

„Du hast schon eine Wohnung?“

„Äh … nein. Noch nicht.“

„Du denkst auch an mein Studium? Du musst dann nächstes Jahr zwei Wohnungen finanzieren.“

Eine Fernbeziehung zwischen München und Hamburg, sie würden sich nicht oft sehen. Wie stellte er sich das vor?

Er winkte ab. „Das wird schon. Mach dir keine Sorgen. Jetzt, am Anfang, verdiene ich noch nicht so viel. Ich muss mich ja erst einarbeiten, aber das wird schnell gehen.“

„Und was tust du da?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich meine, als was arbeitest du da? Was für eine Firma ist das?“

„Anlagenvermittlung. Ich werde Finanzmakler.“

Sie runzelte die Stirn. „Wie hoch ist dein Gehalt?“

„Ähm. Provision. Ich kriege Provision.“

„Du hast kein festes Einkommen?“

„Noch nicht.“

„Und du schläfst im Hotel?“

„Nein, ich ziehe vorläufig zu einem Freund, der mir den Job auch verschafft hat.“

Fassungslos schüttelte sie den Kopf. „So was musst du doch vorher mit mir besprechen!“

Er wich ihrem Blick aus. „Ja, sorry, es ging alles so schnell, ich hatte keine Zeit, lange zu überlegen. Es gab mehrere Bewerber, die heiß auf die Stelle waren.“

Die eisige Kälte einer bösen Vorahnung breitete sich in Antonias Brust aus. Sie schluckte. Jetzt nicht ausflippen. „Unsere Abmachung war, dass ich unseren Lebensunterhalt finanziere, solange du studierst, und du anschließend alles bezahlst, damit ich studieren kann“, sagte sie so ruhig wie möglich. „Darauf kann ich mich doch noch verlassen?“

Er sah an ihr vorbei an die Wand. „Es hat sich vieles geändert. Wir leben doch nur noch nebeneinanderher.“

Die Worte hallten in ihrem Kopf wider. Sie klangen, als ob er … Nein … das konnte nicht sein … das konnte er nicht meinen …

„Was hat sich denn geändert?“, fragte sie atemlos und ließ ihn dabei nicht aus den Augen.

Er stöhnte genervt. „Fuck! Du musst es doch auch merken. Wir haben uns auseinandergelebt. Du arbeitest nur noch und willst abends früh ins Bett, wir haben nicht mehr die gleichen Freunde, wir machen nichts mehr zusammen.“

Erst jetzt kapierte Antonia in vollem Umfang, was hier gerade geschah. Jonathan trennte sich von ihr. Der Feigling hatte sie heimlich verlassen wollen, um einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Allmählich stieg brodelnde Wut in ihr auf, und das schien er ihr anzusehen.

Er verzog das Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen. „Ich wollte ja mit dir reden, aber du bist so bestimmend und dominant. Ich wusste einfach nicht, wie ich es dir sagen sollte.“

Hinter ihnen räusperte sich jemand und Antonias Kopf zuckte herum.

„War das alles?“, fragte einer der Umzugstypen im inzwischen leer geräumten Flur.

Jonathan nickte. „Ja. Sie können losfahren.“

Er nahm seine Jacke von der Garderobe und zog sie an. „Ich muss los. Ich rufe dich an und wir reden in Ruhe über alles.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, lief er an ihr vorbei, aus der Wohnung hinaus, und zog die Tür hinter sich ins Schloss.

Stille, Fassungslosigkeit. Leere im Kopf.

Wie in Trance ging Antonia ins Wohnzimmer, nahm halb unbewusst wahr, dass der Raum fast leer geräumt war, und trat an das Fenster. Sie sah auf die Straße hinunter. Der Umzugswagen fuhr gerade los, und ihr Blick fiel auf einen silbernen Sportwagen, der auf der anderen Straßenseite stand. Am Steuer saß eine blonde Frau.

Jonathan lief hinüber, stieg auf der Beifahrerseite ein und das Auto fuhr los.

In Antonias Ohren rauschte es. Sie drehte sich um, torkelte in den Flur und ihr Blick fiel durch die offene Tür in die Küche. Hier fehlten keine Möbel, aber auf dem Tisch lag sein Hausschlüssel.

In ihrem Magen rumorte es. Bittere Galle füllte plötzlich ihre Mundhöhle. Sie würgte, presste eine Hand vor die geschlossenen Lippen, rannte ins Bad, fiel vor dem Klo auf die Knie, beugte sich über die Schüssel und übergab sich.

Zwei Tage und Nächte lang lag Antonia im Bett und ihre Welt verschwamm in einem dichten Fiebernebel. Während sie schlief, hatte sie Albträume; wurde sie wach, quälte sie sich auf die Toilette, kochte sich anschließend Tee und zwang sich dazu, ihn auch zu trinken, bevor sie wieder unter die Bettdecke krabbelte.

Wäre sie nicht ein so disziplinierter Mensch gewesen, der es von klein auf gewohnt war, sich selbst an den Haaren aus dem Dreck zu ziehen, hätte sie sich vielleicht nicht allein ins Leben zurückkämpfen können. So aber stand sie am Samstagmittag geduscht und fieberfrei in ihrer Küche und kochte sich eine Suppe, um wieder zu Kräften zu kommen. Sie rief in der Firma an, um auf der Mailbox zu hinterlassen, dass sie am Montag wieder zur Arbeit kommen würde, und räumte die Wohnung auf.

Jonathan hatte die Schränke, die er nicht mitgenommen hatte, durchwühlt und alles eingepackt, was er gebrauchen konnte, egal ob er oder sie es in ihre Lebensgemeinschaft mitgebracht hatte. Immerhin war er nicht so frech gewesen, ihr das Bett wegzunehmen. Doch der Laptop, den Antonia ihm erst zwei Monate zuvor für die Erstellung seiner Diplomarbeit neu gekauft hatte, war natürlich nicht mehr in der Wohnung.

Er würde zur Vernunft kommen, sagte sie sich. Er konnte nicht so leichtsinnig sein und sein Studium ein Jahr vor dem Abschluss hinschmeißen. Und er konnte nicht so gemein sein, ihre Abmachung zu ignorieren. Er lebte seit vier Jahren von ihrem Einkommen und wusste, dass sie nur studieren konnte, wenn er im Gegenzug währenddessen für sie sorgen würde.

Am Abend setzte sie sich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an, um ihr Gedankenkarussell zum Schweigen zu bringen. Sie zappte zwischen den Programmen hin und her und blieb bei einem Sender hängen, auf dem gerade eine dieser Promi-Klatsch- Sendungen lief. Nach einem Bericht über eine Sängerin, die eine neue Platte produzierte, während sie ihr zweites Kind erwartete, erschien eine strahlende Blondine auf dem Bildschirm. Der Anlass war eine Theaterpremiere und sie lief auf einem roten Teppich entlang. Ein junger attraktiver Typ folgte ihr.

Der sieht aus wie Jonathan, dachte Antonia, und eine Zehntelsekunde später zuckte sie zusammen, setzte sich aufrecht hin und ihr Körper versteifte sich. Es war Jonathan.

„Elisabeth Kalamanie, die Millionenerbin des gleichnamigen Konzerninhabers aus München, zeigte sich erstmals bei einem offiziellen Anlass mit ihrem Verlobten“, erzählte die Sprecherin im Fernsehen. „Das neue Traumpaar hat sich im Februar während eines Empfangs in Hamburg kennengelernt und sich auf der Stelle ineinander verliebt, wie uns Elisabeth verriet.“

Antonia starrte auf den Bildschirm. Im Januar? Sie hatten sich im Januar kennengelernt? Jonathan betrog sie seit Monaten mit einer Millionenerbin? Er hatte keinen Job in München, sondern war zu dieser Frau gezogen? Das konnte doch nicht wahr sein!

Doch. Es war wahr. Es war bittere Realität. Bilder des jungen Paares in der Villa ihrer Eltern und während der Verlobungsfeier in einem Hotel flimmerten über den Bildschirm. Der Vater der Braut, der seinem zukünftigen Schwiegersohn auf die Schulter klopfte; das junge Paar, das sich anstrahlte und anschließend küsste; eine Jacht, auf der die beiden Urlaub machten …

Das musste im März gewesen sein, als Jonathan angeblich Studienfreunde in Bayern besucht hatte und mit einem Sonnenbrand nach Hause gekommen war, den er sich angeblich beim Bergsteigen geholt hatte.

„Gott, bin ich dumm und blind gewesen.“ Antonia schüttelte den Kopf und ihr Oberkörper fiel zurück gegen die Couchlehne. Es hatte genug Hinweise gegeben. Sein immer größeres Desinteresse an Sex, das sie auf Lernstress zurückgeführt hatte, seine häufige Abwesenheit auch an den Wochenenden, seine immer spärlicher werdenden Berichte über seinen Alltag in der Uni …

Mit einer heftigen Bewegung griff sie zur Fernbedienung, schaltete den Fernseher aus und starrte ins Leere.

Manchmal wünschte sie sich, wie andere Frauen zu sein, die nach einer solchen Verarschung stundenlang weinen würden, sich mit ihren Freundinnen betrinken und über die Männerwelt lästern oder sich in einer Bar einen Trostfick organisieren würden. Antonia weinte nicht. Ihre Tränen waren schon vor langer Zeit versiegt. Sie hatte bereits als Kind gelernt, dass man Gefühlen nicht nachgeben und im Selbstmitleid baden durfte. Das machte alles nur noch schlimmer.

Probleme löste man nicht durch Jammern, und, wie sie gerade mal wieder erfuhr, auch nicht, indem man sich auf einen anderen Menschen verließ. Probleme löste man mit einem eisernen Willen, Disziplin, klarem Verstand und Unabhängigkeit. Nur wenn man mit beiden Beinen fest und aufrecht im Leben stand und sich auf seine eigene Stärke konzentrierte, konnte man allen Anforderungen unbeschadet begegnen.

Verflucht, sie hatte diese Lektion doch schon als Kind gelernt, wieso war sie trotzdem so blöd gewesen und auf den blonden Schönling mit dem sympathischen Lächeln hereingefallen?

Das würde ihr kein weiteres Mal passieren. Nie wieder würde sie sich verarschen lassen, nie wieder würde sie der Versuchung nachgeben, sich auf einen Mann zu verlassen, anstatt ihr Leben selbst im Griff zu haben.

Kapitel 1

Acht Jahre später

„Toni, kannst du schon sagen, ob du mit diesem chinesischen Dialekt etwas anfangen kannst?“

Antonia steckte den Teebeutel in den Becher, in den sie gerade kochendes Wasser gegossen hatte, drehte sich halb und hob den Kopf. Steven Carter stand im Türrahmen der kleinen Kaffeeküche des Büros.

Sie nickte. „Ich habe dir die Übersetzung eben schon als PDF geschickt.“

„Tatsächlich! So schnell!“ Er riss die Augen auf. „Du bist ein Genie!“

Sie winkte lachend ab. „Fremdsprachen sind nun mal meine Leidenschaft. Achte auf die letzte Seite der Gerätebeschreibung. Wenn du die Dinger so importierst, wirst du Probleme mit den deutschen Sicherheitsbestimmungen bekommen.“

„Alles klar. Ich lese es mir morgen durch. Du bist ein Schatz. Hätte ich nicht schon eine Frau, würde ich dich heiraten!“

„Ich dich aber nicht. Emma passt viel besser zu dir.“

Er grinste. „Dem kann ich nicht widersprechen. Dafür bist du meine wichtigste Mitarbeiterin geworden. Ich bin wirklich froh, damals den richtigen Riecher gehabt zu haben.“

Er verschwand und Antonia lächelte. Ja. Sie war auch froh, dass er ihr damals das Jobangebot gemacht hatte.

Sie konnte sich noch gut an das Gespräch mit ihrem Boss erinnern. Acht Jahre war es inzwischen her.

Nachdem das Arschloch Jonathan sie hängen gelassen hatte, hatte sie beschlossen, ihren Traum, internationales Management zu studieren, aufzugeben. Sie wollte stattdessen ihre Leidenschaft für Fremdsprachen nutzen, indem sie sich zur Übersetzerin ausbilden ließ, denn das konnte sie neben dem Job in der Abendschule machen. Um sich nicht zu überfordern, plante sie, ein Zimmer ihrer Wohnung an eine Studentin zu vermieten und dafür weniger Wochenstunden zu arbeiten. Als sie Steven Carter von ihren Plänen erzählte und ihn um eine Änderung des Arbeitsvertrages bat, machte er ihr das traumhafte Angebot, auf Kosten seiner Firma die Ausbildung zu absolvieren und anschließend als Übersetzerin für ihn zu arbeiten.

Während die Carter GmbH in den folgenden Jahren konstant wuchs und sich weltweit vernetzte, bekam Antonia ein eigenes Büro, regelmäßige Gehaltserhöhungen und lernte zusätzlich zu ihren Englischkenntnissen neben Französisch, Polnisch und Russisch auch noch Japanisch und Mandarin. Außerdem beriet sie ihren Chef in internationalen Angelegenheiten, und er nahm sie bei Reisen nach Asien mit, wenn es dort zu Verhandlungen mit Geschäftspartnern kam.

Vor zwei Jahren war die Firma aus dem alten, eher schäbigen Hafengebiet in Innenstadtnähe in ein Gebäude mit einer riesigen Lagerhalle gezogen. Nun arbeiteten sie in einem piekfeinen Bürogebäude, das den Erfolg des Unternehmens sichtbar repräsentierte und damit die Zusammenarbeit mit anderen großen Firmen förderte.

Antonia liebte ihren Job. Er hatte sich so entwickelt, wie sie sich einen Arbeitsplatz nach dem Studium immer gewünscht hatte. Und nicht nur das, Steven Carter war auch noch ein toller Chef und seine Frau Emma, die die Marketingabteilung des Unternehmens leitete, eine ihrer liebsten Kolleginnen.

Sie zog den Teebeutel aus dem Becher, gab einen Löffel Zucker hinein, rührte um und schlenderte mit dem Getränk in der Hand zurück in Richtung ihres Büros.

Steven verließ seines schon wieder, zog im Gehen seine Anzugjacke an und öffnete die Tür zu Emmas Zimmer. „Wir müssen los, Sweetheart. Die Maschine landet in fünfundvierzig Minuten.“

„Bin schon fertig“, hörte Antonia Emmas helle Stimme und dann erschien sie auch bereits im Flur. Emma sah, wie immer, megaattraktiv aus. Sie trug einen dunkelroten wadenlangen leichten Rock, schwarze Stiefeletten und eine gemusterte Bluse mit gestickten Rändern im klassischen Schnitt. Einen schlichten Blazer hatte sie sich über den Arm gehängt. Sie mixte gern einen weiblichen Folklorestil mit geschäftlicher Eleganz und hielt nichts von den typischen Frauen-Büro-Outfits, wie unbequemen High Heels, langen Fingernägeln oder hautengen Röcken. Die Haare hatte sie zu einem lockeren Knoten am Hinterkopf zusammengefasst. Sie und Steven in seinem Businessanzug bildeten optisch ein absolutes Traumpaar.

Arm in Arm liefen sie Richtung Treppe.

„Viel Spaß!“, rief Antonia ihnen nach.

„Danke!“

Die Familie erwartete einen Verwandten aus den USA. Das hatte Emma bereits vor ein paar Tagen erzählt. Ein Cousin des Chefs kam zu Besuch. Den holten sie jetzt vom Flughafen ab und fuhren mit ihm raus auf den Resthof an der Elbe, auf dem Stevens Brüder mit ihren Frauen lebten.

Antonia setzte sich an ihren Schreibtisch, um den nächsten Auftrag zu bearbeiten. Während sie ein paar Notizen ordnete, die neben der Tastatur verstreut lagen, sah sie vor ihrem inneren Auge Emma und Steven noch einmal durch den Flur laufen. Sie seufzte. Vielleicht war sie ein klitzekleines bisschen eifersüchtig, denn die beiden bildeten nicht nur optisch ein perfektes Paar, sie waren auch für alle Welt sichtbar glücklich miteinander. Da Antonia so eng mit Steven und Emma zusammenarbeitete, erlebte sie die beiden häufig zusammen. Allein die Art, wie sie sich ansahen, und diese kleinen Momente, wenn er ihr einen Stuhl zurechtrückte, ihr mit einer beiläufigen Geste eine Haarsträhne aus der Stirn strich, seine Hand auf ihren Rücken legte oder wenn sie seinen Arm berührte und lächelnd zu ihm aufsah, während sie ihm etwas erzählte. In jeder dieser kleinen Gesten waren deutlich der gegenseitige Respekt und die Liebe zwischen ihnen zu sehen. Steven war ein dominanter, selbstbewusster Typ mit einem starken Willen, doch er schaffte es, Emma auch bei heftigen Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten stets mit Achtung und auf Augenhöhe zu begegnen. Er gab ihr mit seiner Männlichkeit Rückhalt, ohne sie wie eine schwache Frau zu behandeln. So sollte eine Partnerschaft sein.

Antonia seufzte noch einmal und musste über sich selbst lachen. Warum gab es nur so wenige Männer wie ihren Chef, die wussten, was sie wollten, die ihr Leben im Griff hatten und für eine Frau ein zuverlässiger Partner waren?

Sie lernte immer nur Typen kennen, die zwar auf den ersten Blick charmant und attraktiv wirkten, aber auf den zweiten zu den Kategorien der Loser, verwöhnten Mama-Söhnchen oder trägen Langweiler gehörten. Bei diesen Männern hatte sie immer das Gefühl, sie suchten eine Beziehung, um jemanden zu haben, der sie versorgte und ihnen abends den Rücken kraulte.

Sie schnaubte verächtlich. Seit ihren Erfahrungen mit Jonathan reagierte sie extrem empfindlich und allergisch auf Typen, die in einer Beziehung mehr nahmen, als sie geben wollten. Bevor sie sich noch mal auf so einen einließ, würde sie eher alleinstehend alt werden.

*

Mit über die Schulter gehängter Reisetasche schlenderte Mason gemächlich durch die Ankunftshalle des Hamburger Airports. Neben den Rolltreppen blieb er stehen und sah sich um. Er hatte mit Steven verabredet, dass sie sich am Info-Schalter für Touristen treffen wollten. Als er den entdeckte, winkte auch schon jemand von dort, und er erkannte seinen Cousin neben einer schlanken Frau mit braunen Haaren. Das musste Emma sein. Er hatte mehrere Bilder gesehen, auf denen sie abgebildet gewesen war, und ab und zu hatten sie in den letzten Jahren ja auch mit der ganzen Familie geskypt.

Sie gingen aufeinander zu und Steven öffnete die Arme.

„Welcome to Germany, old boy.“

Er zog Mason an seine Brust und sie klopften sich gegenseitig auf die Schultern. „Rede Deutsch, Stevie. Wenn ich schon mal hier bin, kann ich auch die Zeit nutzen, um meine alten Sprachkenntnisse aufzufrischen.“

„Alles klar, wird gemacht.“

Sie lösten sich voneinander und Mason streckte Emma die Hand entgegen. „Du bist zweifellos Emma. Schön, dass ich endlich die Frau persönlich kennenlerne, die unseren Steven zu einem seriösen Mann gemacht hat.“

Sie kicherte. „Ich glaube, er hat eher mich zu einer unseriösen Frau gemacht.“

Mason lachte, nahm sie in den Arm und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Du gefällst mir, Sweetheart.“

Steven deutete auf seine Reisetasche. „Ist das dein ganzes Gepäck?“

Mason nickte. „Ich mache Urlaub, da braucht man doch nur zwei Jeans, ein paar T-Shirts, Unterwäsche und Socken.“

„Wie war dein Flug?“, fragte Emma, während sie sich Richtung Ausgang in Bewegung setzten.

Steven winkte ab. „Das brauchst du ihn nicht zu fragen. Mason fliegt grundsätzlich First Class, trinkt literweise Champagner und lässt sich vom Personal ein Drei-Gänge-Menü servieren, bevor man ihm liebevoll sein Bettchen richtet, damit er den Rest des Fluges verschlafen kann.“

Mason seufzte. „Und das Schlaflied hat der Typ neben mir gesungen, als er wie ein Holzfäller geschnarcht hat.“

„Oh je, du Armer.“ Emma legte ihre Hand auf seinen Arm. „Dafür wartet auf dem Hof ein gemütliches Gästezimmer mit einem riesengroßen Bett auf dich. Cat hat sogar eine neue Matratze gekauft, damit du dich auch ganz sicher in der Familie wohlfühlst, obwohl du höchsten Luxus gewohnt bist.“

Mason lachte. „Das hört sich gut an.“

Sie verließen das Flughafengebäude. Ein frischer Wind blies um die Ecke und Mason schauderte. „Ganz schön kalt in Hamburg.“

Emma winkte ab. „Wir hatten gestern Abend ein Gewitter, dann ist es am nächsten Tag manchmal frisch. Für morgen haben sie wieder sommerlichere Temperaturen angesagt.“

Sie liefen zum Parkhaus hinüber und zehn Minuten später fädelte Steven den Wagen in den laufenden Verkehr des Autobahnzubringers ein.

Mason sah aus dem Fenster und ließ die ersten Eindrücke des fremden Landes auf sich wirken. Seit Ian und Annabell regelmäßig zwischen Los Angeles und Hamburg pendelten, hatten seine Cousins ihn immer wieder eingeladen, sie zu besuchen.

Doch dann war Mary krank geworden, und weil sie keine Familie hatte, hatte er sie in den Club geholt und sich um sie gekümmert, anstatt Urlaubsreisen zu unternehmen. Im letzten Jahr hatte der Krebs den Kampf gewonnen. Mary war gestorben, und für ihn wurde es Zeit, mal was anderes als den Club oder sein Büro zu sehen.

Seufzend rieb er sich über das Gesicht. Er hatte Mary nicht geliebt. Sie waren nie ein Paar gewesen. Sie hatte viele Jahre in seinem Club gearbeitet und dabei waren sie Freunde geworden, die, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab, angenehme Sessions miteinander zelebrierten. Dennoch war es hart für ihn gewesen, zuzusehen, wie die Krankheit sie allmählich zerstört hatte.

Steven knuffte gegen seinen Arm und holte ihn damit aus den Erinnerungen in die Gegenwart zurück. „Ich hoffe, du hast für deine Zeit hier noch keine Pläne gemacht.“

„Nein, warum sollte ich?“

„Cat hat eine lange Liste von Unternehmungen aufgeschrieben, die wir alle zusammen mit dir abarbeiten sollen.“ Emmas helle Stimme klang von der Rückbank nach vorn und er stöhnte.

„Dies ist seit Langem mein erster richtiger Urlaub. Ich wollte es eigentlich ruhig angehen lassen.“

Steven zwinkerte. „Wir passen auf, dass die Frauen dich nicht zu sehr vereinnahmen. Aber richte dich schon mal darauf ein, ein paar Kilo zuzunehmen. Cat backt den besten deutschen Butterkuchen, den du dir vorstellen kannst.“

„Das hört sich gut an. Seit eure Mutter damals gestorben ist, habe ich diesen herrlichen Kuchen nie wieder gegessen.“

*

Leise eine Melodie summend, räumte Antonia ihren Schreibtisch auf und verließ ihr Büro. Stevens Assistentin war auch schon gegangen und auf der ganzen Etage herrschte bereits abendliche Ruhe. Ihr gefiel die Atmosphäre in der Firma.

Antonia lief die Treppe hinunter, ging am Empfangstresen vorbei und wandte sich Richtung Hinterausgang. Durch einen schmalen Durchgang gelangte sie in die große Lagerhalle. Wenn man diese durchquerte, kam man an der dem Haupteingang gegenüberliegenden Hauptstraße heraus.

Sie steckte ihre Karte in das Lesegerät und die schwere Stahltür sprang auf. Auch im Lager arbeitete um diese Zeit niemand mehr, und ihre Schritte hallten auf dem grauen Betonboden, während sie durch die breiten Gänge mit den hohen Regalen rechts und links zum großen Tor auf der anderen Seite lief. Die Abkürzung durch die Lagerhalle nutzte sie immer, wenn sie, wie an diesem Abend, nicht nach Hause fuhr, sondern sich noch verabredet hatte. Sie gelangte so auf kürzestem Weg zu den Landungsbrücken und musste nicht um den gesamten Gebäudekomplex herumlaufen.

Vor der Halle an der Laderampe standen drei Lkws mit Containern, die vermutlich noch nicht entladen worden waren. Zwei der Lagerarbeiter waren noch da, obwohl sie längst Feierabend hatten. Sie lehnten an der Wand, rauchten und redeten mit drei anderen Männern, die dunkle Anzüge trugen. Antonia wunderte sich kurz, wurde jedoch abgelenkt, weil ihr Smartphone in der Tasche brummte. Sie blieb stehen und zog es heraus.

Eine Nachricht von Lilly. Ich habe uns schon zwei Cocktails bestellt.

Antonia schüttelte schmunzelnd den Kopf. Typisch Lilly, immer die Erste und immer ungeduldig.

Sie blieb stehen. Bin auch gleich da, tippte sie, ließ das Handy wieder in die Tasche fallen und setzte ihren Weg fort. Um das Grundstück der Carter GmbH durch den Fußgängereingang, der in das riesige geschlossene Schiebetor integriert war, zu verlassen, brauchte sie erneut ihre Magnetkarte.

Sie verließ das Gelände und schloss hinter sich die Tür. Ein Auto parkte an der Seite der Zufahrt. Da hatte wohl mal wieder jemand das Parkverbotsschild missachtet. Das kam häufig vor, denn viele Autofahrer glaubten, dass sie nach Geschäftsschluss in der privaten Einfahrt parken könnten, ohne Ärger zu bekommen. Manchmal standen die Autos jedoch morgens noch da und behinderten die Lkws, die sich an ihnen vorbeischlängeln mussten, um an die Lagerhalle heranzufahren.

Antonia ging an der Limousine mit den getönten Scheiben vorbei und holte ihr Handy heraus, um das Nummernschild zu fotografieren. Sie würde Steven das Bild mailen, dann konnte er entscheiden, ob er Anzeige erstatten wollte.

Sie erreichte die Hauptstraße. Hier wandte sie sich nach rechts. Die Leuchtreklame des Lokals, in dem sie sich mit ihrer Freundin verabredet hatte, war schon zu sehen. Wie auf Kommando knurrte ihr Magen und sie freute sich auf einen angenehmen Abend.

Es war wirklich ein Glücksfall gewesen, dass Lilly vor drei Jahren die Wohnung gegenüber von ihrer eigenen gemietet hatte. Sie hatten sich auf Anhieb supergut verstanden und verbrachten seitdem mindestens einen Abend in der Woche miteinander.

Gut gelaunt betrat Antonia das Restaurant, entdeckte Lillys weizenblonden Lockenkopf an einem Fensterplatz und setzte sich zu ihr.

„Heute also Mojitos.“ Antonia grinste, als sie sich Lilly gegenübersetzte und die beiden Cocktailgläser auf dem Tisch stehen sah.

Lilly zwinkerte. „Wir müssen doch unserem Rhythmus treu bleiben.“

„Aber vor dem zweiten muss ich erst etwas essen, sonst fange ich an, zu lallen.“

„Einverstanden.“

Sie ließen sich die Speisekarten bringen und bestellten.

Während sie aßen und sich anschließend einen weiteren Cocktail bringen ließen, hatten sie sich wie immer viel zu erzählen. Sie beachteten die anderen Gäste um sie herum nicht, bis plötzlich zwei Typen in Businessanzügen vor ihrem Tisch standen. Der Blonde mit sexy Wuschelfrisur zeigte ein charmantes, jungenhaftes Lächeln. „Hey, ihr Hübschen. Habt ihr noch Platz für zwei nette Jungs an eurem Tisch?“

Bevor Lilly reagieren konnte, scannte Antonia die beiden bereits mit einem schnellen Blick und traf ihre Entscheidung. „Nein. Alles besetzt“, antwortete sie, ohne eine Miene zu verziehen.

„Ups.“ Der Blonde grinste schief. „Stören wollen wir natürlich nicht.“ Er schlug seinem Freund auf die Schulter. „Lass uns lieber gehen, bevor die Dame noch aggressiv wird.“

Sie verzogen sich und Lilly gluckste. „Meine Güte,

du kannst aber auch arrogant rüberkommen. Hast du das vor dem Spiegel eingeübt oder ist das ein angeborenes Talent?“

Antonia verdrehte die Augen. „Sag nicht, ich hätte diesen Spinner an unseren Tisch lassen sollen.“

Lilly wiegte leicht den Kopf hin und her. „Ihn vielleicht nicht, aber sein Freund hatte dieses gewisse Etwas.“ Sie seufzte. „Ich mag ja diese harten Typen, die nicht lange fragen, sondern sich im Bett nehmen, was sie wollen. Und der sah so aus, als wäre er einer von dieser Sorte.“ Sie trank einen Schluck. „Außerdem hatte er eine teure Uhr am Handgelenk, er scheint also kein Loser zu sein.“

Unauffällig sah Antonia zu den beiden hinüber, die sich an den Tresen gestellt hatten und dort gerade Getränke bestellten. Lilly hatte recht. Der Begleiter des blonden Schönlings verkörperte das Gegenteil von Freundlichkeit. Er hatte ein ernstes, kantiges Gesicht, eine drahtige Figur und sehr kurze schwarze Haare. Ausgerechnet in diesem Moment sah er zu ihr hinüber. Ihre Blicke begegneten sich und seiner war nicht gerade freundlich.

Lilly hatte recht. Die Aura dieses Mannes verleitete eine Frau dazu, sich ihm unterzuordnen … wäre sie devot veranlagt. In Antonias geheimen erotischen Fantasien kamen solche Typen vor, aber in der Realität entsprach es nicht ihrer Natur, sich auf einen von ihnen einzulassen. Dafür war sie viel zu emanzipiert.

„Den findest du auch heiß, gib’s zu.“ Lilly kicherte und Antonias Blick zuckte herum. „Was?“

„Du hast ihn angestarrt. Du fährst auf ihn ab.“

„Quatsch.“

„Feigling.“

Kapitel 2

Mason trank einen Schluck von diesem herrlichen deutschen Bier und lehnte sich zurück. Acht Leute saßen um ihn herum am Tisch. Logan und Cat, Jason und seine Rosie, Tyler und Annabell, Steven und Emma. Mit den Brüdern hatte er seine halbe Kindheit verbracht, die Frauen hatte er erst an diesem Abend so richtig kennengelernt.

Cat wirkte weniger weiblich als Emma und auf sympathische Art frech jugendlich. Sie trug eine Brille mit runden Gläsern und bewegte sich energisch bei allem, was sie tat, während Emma das Gegenteil zu sein schien. Sie machte einen eher ernsten, lebenserfahrenen Eindruck. Sollte er Annabell beschreiben, fiele ihm als Erstes das Wort süß ein. Dass ausgerechnet diese zierliche, kleine Frau sich den harten und wenig sensiblen Tyler geschnappt hatte, war irgendwie rührend. Sobald die beiden sich ansahen, wurde seine Mimik weicher und ihr sanftes Lächeln erhellte den Raum.

So unterschiedlich die Frauen auch waren, so gut schienen sie sich miteinander zu verstehen.

Er lehnte sich zurück. Ja, die Atmosphäre zwischen den Mitgliedern seiner deutschen Verwandtschaft gefiel ihm definitiv sehr gut. Er fühlte sich wohl.

Aus L.A. kannte er vorwiegend eine Welt, nämlich die der Schönen und Reichen. In seinem BDSM-Resort ging es zwar familiär zu, doch um die Exklusivität zu finanzieren, mussten die Preise entsprechend sein, und so trafen sich auch hier nur Leute der gehobenen gesellschaftlichen Schichten.

In diesem norddeutschen ehemals landwirtschaftlichen Betrieb herrschte eine ganz andere Atmosphäre, und die gefiel ihm gut. Die Menschen lebten unkompliziert, genau so, wie sie sich wohlfühlten. Die Küche war riesengroß und nicht aufgeräumt. Auf dem Schrank lagen, neben zwei Pfeffer- und Salzstreuern, eine Handvoll Isolatoren für einen Elektrozaun, Papiertaschentücher, drei Kugelschreiber, ein Hammer und eine angebrochene Packung Kondome.

Mason hatte noch nie so unterschiedliche Dinge in einer Küche zusammenliegen gesehen.

Als sie am späten Nachmittag auf dem einsam gelegenen Hof angekommen waren, hatten Emma und Steven sich als Erstes aus ihren Businessklamotten befreit. Emma war mit einer appetitlich engen Jeans und fröhlich wippenden Zöpfen im Stall verschwunden, um sich um ihr Pferd zu kümmern und Cat zu helfen, die Esel, Schafe, Hühner, Kühe und Ponys zu versorgen, die hier ebenfalls logierten. Logan hatte ihn am Nachmittag auf dem Gelände herumgeführt und ihm alles gezeigt. Cat betrieb einen Tiererlebnishof. Nun konnte er sich gut vorstellen, wie Schulklassen herkamen, um die Tiere, deren Fleisch sie mittags auf dem Teller hatten, lebendig kennenzulernen. Die anderen Familienmitglieder waren erst später zum Essen zu ihnen gestoßen.

„Sollen wir morgen Abend einen Ausflug in die Hamburger SM-Szene unternehmen?“, fragte Logan, der links neben ihm saß.

Mason nickte gähnend. „Wenn ich bis dahin meinen alten Körper dazu gebracht habe, die geänderten Tageszeiten zu akzeptieren, gerne.“

Emma, auf seiner anderen Seite, kicherte. „Die Stadt-SMler sind doch langweilig.“ Sie beugte sich vor, um an Mason vorbei in Logans Gesicht zu sehen. „Hast du ihm schon die neue Liebesschaukel gezeigt, die Jason letzten Monat konstruiert hat? So was Geiles hat kein BDSM-Club in Hamburg.“

Logan zwinkerte ihr grinsend zu. „Ich glaube, einer meiner Brüder hatte für heute Abend angekündigt, das gute Stück benutzen zu wollen.“

Augenblicklich nahmen Emmas Wangen eine erfrischend rötliche Färbung an und ihre Augen begannen zu glänzen, während ihr Blick zu Steven huschte.

Mason schmunzelte. Da hatte ganz offensichtlich jemand Lust auf eine Session. Er drehte den Kopf und sah über den Tisch zu Steven hinüber. Der hatte anscheinend zugehört, denn seine Wangen zuckten, als er den Blickkontakt zu seiner Frau suchte. Schmunzelnd beobachtete Mason den stillen Flirt zwischen den beiden.

„Wir werden Mason die vielfältigen Funktionen des neuen Möbels vorführen“, sagte Steven mit undurchdringlicher Miene. „Geh schon mal rüber und schalte das Licht im Ausstellungsbereich ein, Em.“Emmas Finger spielten nervös mit ihrer Serviette, bevor sie aufstand, ein „Okay“ wisperte und Richtung Tür laufen wollte.

„Halt.“ Steven winkte sie zu sich, drehte sich halb vom Tisch weg, spreizte die Beine und deutete dazwischen. „Komm her.“

Sie eilte zu ihm und kniete sich zwischen seine Oberschenkel. Er griff in ihre Haare, zog ihren Kopf in den Nacken und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie schlug die Lider nieder und antwortete ihm genauso leise.

Er lächelte, küsste sie und ließ sie wieder los.

Sie lief hinaus.

Durch das Fenster beobachtete Mason, wie Emma über den Hof eilte und in der ehemaligen Scheune verschwand, in der Jason und Logan ihre Möbeltischlerei eingerichtet hatten. Es gab mehrere lange Fenster, die jedoch so hoch in der Wand eingebaut waren, dass man nicht hineinsehen konnte. Einen Moment später schimmerte Licht durch sie nach draußen, das nicht von hellen Neonröhren, sondern eher von zielgerichteten Spots zu kommen schien.

Während sich Steven weiterhin mit seinen Brüdern und deren Frauen unterhielt, stellte sich Mason vor, wie Emma jetzt neben den SM-Möbeln auf ihren Mann wartete, ohne zu wissen, welche fiesen sadistischen Spielereien er für sie geplant hatte. Bei diesen Gedanken begann sein Schwanz in der Hose zu zucken.

Gemächlich schlenderten Steven und Mason eine Viertelstunde später über den Hof.

„Als ich Emma kennengelernt habe, hatte ich keine Ahnung von ihren Neigungen“, erzählte Steven und lachte. „Sie hat für mich gearbeitet, und ich wäre im Traum nicht darauf gekommen, dass sie die Frau meines Lebens sein könnte.“

Mason zwinkerte und drückte kurz Stevens Schulter. „Sie hat dich verändert, du wirkst nicht mehr so rastlos wie früher.“

„Das stimmt. Em hat mich verändert.“

„Ich freue mich darauf, euch während der Session zuzusehen.“

Sie erreichten die Tür der Scheune und traten ein.

Links befand sich eindeutig der Arbeitsbereich, denn im Halbdunkel erkannte Mason jede Menge Werkzeug in Regalen lagernd oder an der Wand hängend und eine Hobelbank. Rechts ging es durch einen offenen Durchgang in den Ausstellungsbereich der gefertigten Möbel.

Als sie hineinschlenderten, sah Mason sich in Ruhe um. Das rustikale Ambiente der Scheune passte hervorragend zu den stabilen SM-Möbeln, die den Eindruck vermittelten, aus einer mittelalterlichen Burg entnommen worden zu sein. Ein gewaltiges Andreaskreuz aus dicken, dunklen Balken, mit klobigen Ketten und ledernen Manschetten bestückt, befand sich an der Wand. Ein breiter, gepolsterter Strafbock stand an der Seite, daneben ein langer, stabiler Tisch, der an eine Streckbank erinnerte.

Ein Käfig an der anderen Wand lenkte den Blick auf sich, und ihm gegenüber stand ein Thronsessel, der so geformt war, dass er sich bestens dazu eignete, eine Sub übers Knie zu legen.

Wie Mason es aufgrund des Lichtschimmers im Fenster vermutet hatte, wurden alle Möbel von kleinen Scheinwerfern angestrahlt, die raffiniert versteckt am Balkenwerk des alten Gebäudes installiert waren.

Der Stil der Möbel war Mason nicht fremd, denn nach teils gleichen, teils ähnlichen Plänen seines Cousins hatte er auch mehrere Spielzimmer in seinem Club eingerichtet.

Sie bogen um eine mobile Trennwand, und der Anblick, der sich ihm nun bot, veranlasste ihn dazu, zu schmunzeln. Das neue Spielgerät machte garantiert großen Spaß. Es bestand aus einem massiven mannshohen Gerüst in Form eines Würfels.

Von den oberen Balken hingen vier dicke eiserne Ketten herab, die mittig eine breite Holzplanke unter sich trugen, die etwas mehr als einen Meter lang war und wie eine Schaukel hin und her schwingen konnte.

„Das erinnert mich an die Schiffsschaukel, die es in unserer Kindheit auf den Jahrmärkten gab“, stellte Mason fest und Steven lachte.

„Stimmt, an die habe ich auch sofort gedacht, als Jason mir die Zeichnung für das Ding zeigte.“

Sie schlenderten näher. Mason strich mit der flachen Hand über die lackierten glatten Holzflächen, als sie davorstanden. „Wunderschön.“

Steven räusperte sich. „Komm raus, Em. Wenn ich dich holen muss, wirst du die nächsten drei Tage nicht gut sitzen können.“

In der Ecke raschelte etwas. „Fang mich doch!“

Ein leises Kichern folgte der Aufforderung.

Schmunzelnd lehnte sich Mason mit dem Hintern an einen Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust, um zu genießen, wie sein Cousin von seiner Sub an der Nase herumgeführt wurde. Aus der anderen Richtung drangen ebenfalls Geräusche an sein Ohr. War noch jemand im Raum?

Plötzlich klickte es und das Licht ging aus.

„Au!“ Das war Stevens Stimme. „Du hast mich gekniffen, du Biest! Wehe dir, du kleines Monster, das wirst du bereuen!“

Rascheln. Geräusche von Füßen auf dem Betonboden. Kichern.

Mason spürte einen Luftzug, dann zog ihn etwas an den Haaren und er griff reflexartig zu.

Eine Frau kreischte auf und strampelte. Er hatte sie am Arm erwischt und zog sie näher. Sie fiel halb gegen ihn, und er drehte sie mit einem geübten Griff um, sodass sie mit dem Hintern an seiner Vorderseite klebte. Er drehte ihren Arm auf den Rücken und legte den anderen um ihre Kehle. Sein Schwanz drückte sich fest gegen ihren Arsch.

„Aaah! Gnade!“ Das war nicht Emmas Stimme, doch Mason hatte keine Zeit, sich nach dem Namen seiner Gefangenen zu erkundigen, denn in diesem Moment schepperte etwas, ein Schrei ertönte und schrilles Kichern folgte. Das Licht ging wieder an. Steven stand am Schalter neben dem Eingang und hatte sich die splitterfasernackte Emma über die Schulter geworfen.

Mason senkte den Blick auf das Monster, das sich unter seinem Zwangsgriff herrlich aufreizend an seinem Körper wand. Leider war es nicht nackt wie Emma, sondern trug Jeans und ein T-Shirt. „Cat, was für eine nette Überraschung.“

Sie drehte halb den Kopf und zog die Nase kraus. „Mist. So hatten wir das nicht geplant.“

Mason legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Selten hatte er Frauen getroffen, die so herrlich entspannt mit ihren Neigungen umgingen.

Steven grinste ebenfalls. Er öffnete die Außentür und beugte sich kurz hinaus. „Lo! Deine Frau flirtet mit Mason.“ Er schloss die Tür wieder und seufzte. „Oh, oh, Cat, ich fürchte, an diesen Abend wirst du dich noch lange erinnern, denn wir werden uns sicher bald an hübschen knallroten Striemen auf deinem Hinterteil erfreuen dürfen.“

„Emma ist schuld! Die hatte die Idee, euch einen Streich zu spielen.“

„Das ist nicht wahr! Du Verräterin“, kreischte Emma und trommelte mit ihren kleinen Fäusten auf Stevens Hintern. „Lass mich runter!“

Die Tür ging auf und Logan schlenderte herein. „Ich habe mich schon gewundert, warum Cat nicht längst vom Klo zurückgekehrt ist.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Was hast du an Masons Körper zu suchen, Babe? Der Knabe ist doch viel zu alt für dich.“

„Zu alt? Du spinnst wohl“, murmelte Mason.

„Oh Scheiße“, fluchte Cat auf wenig weibliche Art.

Steven bugsierte Emma unter eine dicke, schwere Kette, die von einem Balken herabhing. „Gib mir ein paar Manschetten rüber, Bruder.“

Logan trat an einen Schrank und holte gepolsterte Lederfesseln aus einer Schublade heraus. Dann drehte er sich zu Steven um, reichte sie ihm und hielt Emmas Arme, während Steven ihr die Fesseln anlegte und mit Karabinern an das letzte Kettenglied hakte. Anschließend trat er an einen dahinter aufragenden Balken, an dem, wie bei einem Flaschenzug, das andere Ende der Kette befestigt war. Er zog sie so hoch, dass Emmas Körper gestreckt wurde, sie aber noch genügend Halt auf dem Boden hatte.

Logan stellte sich neben Mason, griff in Cats Haare und zog ihren Kopf zu sich herum. „Gib mir deine Brille, Sweetheart. Nicht, dass die noch kaputtgeht. Mein amerikanischer Cousin ist bekannt für eine äußerst effektive Schlagkraft.“

Mason spürte ein leichtes Beben in Cats Körper und strich mit der flachen Hand unter ihrem nach oben gerutschten T-Shirt über ihren Bauch. Die Berührung entlockte ihr ein Zucken.