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Annabell ist Produktionsassistentin in Los Angeles und mehr als genervt, als man ihr die Betreuung eines Pressefotografen aus Deutschland aufs Auge drückt, der für einige Tage die Dreharbeiten zu einem Kinofilm begleiten wird. Doch als der Typ dann vor ihr steht, werden ihre Knie beim ersten Blick in seine Augen weich, beim zweiten streikt ihr Denkvermögen, und beim dritten spürt sie brennend Amors Pfeil in ihr Herz eindringen. Ian Carter ist Fotograf und wird von einem deutschen Filmmagazin engagiert, die Dreharbeiten zu einem Kinofilm in Hollywood zu besuchen. Seine Ansprechpartnerin am Set hat den Charme eines Geiers, zählt Schritte und wäscht sich alle fünf Minuten die Hände. Sie sollte ihm egal sein, doch sobald er in ihre meerblauen Augen sieht, juckt es ihm in den Fingern, sie in seine Welt des BDSM einzuführen, und er wäre kein echter Carter, würde er der Versuchung widerstehen. Wie passend, dass sein Cousin Mason Carter auf seiner Ranch außerhalb der Stadt ein exklusives BDSM-Studio betreibt ... Teil 5 der BDSM-Reihe rund um die Carter-Familie.
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Seitenzahl: 279
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Sara-Maria Lukas
Hard & Love 5: Trust me, Vögelchen!
Erotischer Roman
© 2020 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels
www.plaisirdamour.de
Covergestaltung: © Sabrina Dahlenburg (www.art-for-your-book.de) / Mia Schulte
Coverfoto: © Shutterstock.com
ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-437-5
ISBN eBook: 978-3-86495-438-2
Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden.
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Autorin
„Das Licht geht so nicht. Bob! Was sollen die verdammten Scheinwerfer auf der rechten Seite, wir drehen von DA!“
Trevor Quentin wedelt wild mit dem zusammengerollten Skript in seiner Hand in eine Richtung und Bob nickt. „Alles klar, Boss, kein Problem, geänderte Pläne müssen einem nur mitgeteilt werden, nicht wahr?“
Annabell presst die Lippen fest aufeinander. In ihr verkrampft sich schon wieder alles. Dabei hat sie nichts falsch gemacht. Allein die miese Stimmung, die Trevor verbreitet, reicht, um ihr Magendrücken zu verursachen. Es ist, als würde seine Laune die Luft verpesten, die sie einatmet.
Bob grinst nur. Wie beneidenswert. Keiner am Set ist so entspannt wie Bob, dabei ist er es, der die Allüren ihres Regisseurs am heftigsten zu spüren bekommt.
„Wo ist das Kostüm der Virginia? Annabell! Sage kann nicht auftreten, weil es nicht da ist! Du solltest doch dafür sorgen, dass es geändert wird!“
Sie zuckt zusammen, als die heisere Stimme Trevors in ihre Richtung dröhnt, und dreht sich schnell zu ihm um. „Annie ist dabei. Es muss jeden Moment fertig sein, aber zaubern kann sie nun mal nicht.“ Sie hält ihr Handy hoch. „Sobald sie sich meldet, laufe ich rüber und hole es.“
Trevor schnaubt. „Was muss die dumme Kuh auch schwanger werden, bevor die Kiste abgedreht ist!“
Annabell schluckt. Sie wird das Handy in der Hand behalten, um sicher zu sein, dass sie den Anruf der Kostümbildnerin nicht verpasst. Schließlich hat sie nur das Vibrieren, falls das Bluetooth ausfallen sollte. Einen Klingelton darf sie ja nicht einstellen. Trevor nervt es, Telefongebimmel zu hören, und die Gefahr, dass es eine Aufnahme stören könnte, ist natürlich auch riesengroß.
Sie greift an das kleine Bluetooth-Ohrding mit Mikro, das sie bei der Arbeit trägt, und rückt es zurecht.
Trevor blättert in seinem Skript und überfliegt ein paar Zeilen. „Wir drehen erst die Szene mit dem Cowboy und ihrem Dad.“
„Okay, ich sage allen Bescheid.“ Annabell geht hektisch die Tabelle auf ihrem Klemmbrett durch, um zu sehen, wer für diese Szene gebraucht wird, und rennt in Richtung der Wohnwagen außerhalb des parkähnlichen Grundstücks, die den Darstellern als Garderoben dienen. Hoffentlich sind noch alle da. Trevor würde den nächsten cholerischen Anfall bekommen, falls schon einer, in der Annahme, dass er erst am nächsten Morgen auftreten würde, nach Hause gefahren ist.
Aber zum Glück sind alle da. Als sie zurückkehrt, steht Trevor mit dem neuen Techniker Todd und den Kameraleuten auf der Terrasse der schlossähnlichen Villa. Sie brauchen für den Film eines dieser typischen protzigen Millionärshäuser aus dem letzten Jahrhundert, bei denen man von einem riesigen Garten direkt an den Strand gehen kann. Das Haus steht zum Verkauf, deswegen konnten sie es für die Dreharbeiten mieten.
Ein leichter Wind weht und macht die Hitze einigermaßen erträglich. Trotzdem klebt Annabells Kleidung an ihrer Haut. Sie muss jedes Mal durch den riesigen Garten bis vor das Haus laufen, um vom Set zum Quartier der Crew zu gelangen. Die Eigentümer haben Angst, dass der gepflegte Rasen zu viel Schaden nimmt, wenn die Wohnwagen und Container dort stehen.
Die Männer besprechen die nächste Szene. Das dürfte einen Moment dauern. Annabell nutzt die Zeit, um den Campingtisch aufzuräumen, der als Regieschreibtisch dient und den Trevor vermutlich innerhalb weniger Minuten erneut in ein chaotisches Durcheinander verwandeln wird, sobald er zurückkehrt, aber das ist nun mal ihr Job. Als sie sich unbeobachtet fühlt, zieht sie das Fläschchen mit Desinfektionslösung aus der Hosentasche, besprüht ihre Hände damit und verreibt alles. Trevor schwitzt immer gewaltig, und wenn er seine Arme auf den Tisch auflehnt und Annabell hinterher dort aufräumt, hat sie den Drang, sich zu reinigen.
Es sind nur noch drei Bleistifte da. Es müssen vier sein. Hektisch sucht sie den Fußboden unter dem Tisch ab und atmet erleichtert auf, als sie den Stift entdeckt. Schnell legt sie ihn in die Reihe zu den anderen auf der schmalen, grauen Ablage, die sie extra für die Bleistifte besorgt hat.
Ihr Handy brummt unter dem Oberarm. Wie immer hat sie es da eingeklemmt, wenn sie beide Hände frei haben muss. Zum Glück nimmt sie das Vibrieren wahr, obwohl der Stoff ihrer Bluse es dämpft. Vermutlich wäre es direkt auf der Haut deutlicher zu spüren, aber das kann sie nicht. Sie klemmt das Handy oft unter den Arm, und wenn da kein Stoff wäre, würde der Schweiß ihrer Haut am Smartphone kleben. Was für eine widerliche Vorstellung.
Emily, ihre Kollegin, steckt das Handy immer in die Gesäßtasche ihrer Jeans, wenn sie am Set arbeitet. Annabell ist das zu unsicher. Natürlich hört man über den Ohrstöpsel, wenn jemand anruft, aber was, wenn das Ding mal nicht funktioniert? Was, wenn sie das Handy in der Tasche stecken hat und nicht merkt, dass ein Anruf eingeht?
Annabell weiß, dass Emely sich über ihren Spleen amüsiert, und vermutlich tun das einige weitere Kollegen auch. Sollen sie, egal, Annabell kann nicht anders. Außerdem hat die Psychologin gesagt, sie dürfe sich nicht unter Druck setzen, sondern solle so leben, wie sie sich sicher fühle.
Auf dem Display erscheint nicht Annies Name, sondern der von Sandy. Mit gerunzelter Stirn meldet sie sich. „Was gibt’s, Schwesterchen?“
„Hi, Bella! Wollte nur mal hören, ob du noch lebst.“
Annabell stöhnt. „Ich habe gerade keine Zeit, um zu telefonieren.“
„Arbeitest du etwa jetzt noch?“
„Am Set haben wir keine festen Arbeitszeiten, das weißt du doch.“
Sandy seufzt. „Schade, ich dachte, wir treffen uns mal wieder auf einen Cocktail am Strand.“
„Ist mit Mike Schluss?“
„Wie kommst du darauf?“
Annabell verdreht die Augen. „Du meldest dich grundsätzlich nur bei mir, wenn du jemanden zum Ausheulen brauchst.“
„Der Mistkerl hat mich betrogen.“
Trevor hat seine Besprechung beendet und kehrt zu seinem Tisch zurück.
„Süße, ich rufe dich an, wenn ich Zeit habe, dann kannst du mir alles erzählen, okay?“, murmelt Annabell hektisch.
Sandy stöhnt theatralisch. „Okay.“
Annabell drückt den Anruf weg. Typisch ihre kleine Schwester. Wieso fällt Sandy immer wieder auf Typen herein, die sie dann doch nur verarschen? Warum kann sie nicht mal solo bleiben, bis einer kommt, der nicht so ein Fiesling ist? Nein, sie muss sich stets dem Erstbesten an den Hals werfen. Dabei stehen die Männer bei ihr Schlange, und sie könnte sich die Zeit nehmen, einen Typen erst näher kennenzulernen, bevor sie mit ihm ins Bett steigt, aber das macht sie nicht. Sobald einer nett lächelt, schmilzt sie verliebt dahin und vergisst, dass sie auch ein Gehirn zum Denken hat.
Sandy hat dieses gewissen Etwas, das Männer anzieht wie stinkendes Fleisch die Fliegen, doch wenn eine Frau so einfach zu haben ist, darf sie sich nicht wundern, wenn sie auch schnell wieder fallen gelassen wird.
Trevor hat es sich mit der Kameraposition doch wieder anders überlegt, er dreht noch mal um und ruft die Männer erneut zu sich. Annabell nutzt die Zeit und reinigt mit dem Spray schnell noch mal ihre Finger. Wer weiß, wann sie wieder die Gelegenheit dazu hat, und es gibt für sie nichts Widerlicheres als klebrige Finger.
Das Handy brummt erneut. Das wird Annie sein. Annabell sieht auf das Display. Nein, es ist Ken von der Produktionsfirma. Der hat ihr gerade noch gefehlt. Sie tippt auf die grüne Taste und drückt das Headset wieder in die optimale Position, um ihn gut hören zu können. „Hi, Ken!“
„Hi, Annabell, Darling. Gehst du heute Abend mit mir aus? Wir essen, trinken Schampus und haben wilden Sex am Strand.“
„Nein.“
„Okay.“
Annabell stöhnt genervt. Meine Güte, hält der sich mal wieder für lustig. „Was willst du?“
„Ich soll dir Bescheid geben, dass nächste Woche eine Fotojournalistin aus Germany anreisen wird.“
Na klasse. Wann soll sie für die denn noch Zeit haben? „Was will die bei uns?“
Ken gluckst. „Fotos machen?“
„Was du nicht sagst, aber ich muss doch wissen, was genau, wen, wann und ob ich auch Interviewtermine vereinbaren soll und ob ...“
„Keine Ahnung, sie kommt von einem deutschen Kinomagazin. Mehr weiß ich nicht. Du musst eben spontan organisieren, was sie braucht. Das wird ja nicht so schwer sein. Die genauen Flugdaten bekommst du noch, ein Zimmer hat der Auftraggeber aus Germany bereits reserviert.“
„Und wie lange bleibt sie?“
„Hier steht zehn bis vierzehn Tage.“
„Geht’s nicht genauer? Ich muss doch …“
„Nö. Ciao.“ Es klickt und Ken hat das Gespräch weggedrückt, ohne sich die Mühe zu machen, ihr zuzuhören.
„Arschloch“, knurrt sie leise, während sie das Telefon zurück unter den Arm klemmt. So ein Mist! Sie wird mindestens zehn Tage lang eine Frau am Hals haben, die sich bestimmt furchtbar wichtig findet und sämtliche Tagesabläufe durcheinanderbringt. Wahrscheinlich will sie wissen, wo die Stars abends anzutreffen sind, und Annabell muss mit ihr nächtelang in den Bars rumsitzen und ihr beim Flirten zusehen. Bei der Aussicht juckt es schon wieder in ihren Armbeugen und Kniekehlen. Sie hasst das! Es gibt zwei Worte, auf die sie allergisch reagiert: Spontan ist das eine und Improvisieren das andere. Um sich wohlzufühlen, braucht sie Pläne. Ablaufpläne, auf die sie sich verlassen kann. Tief in ihrem Brustkorb spürt sie die herannahenden Wellen einer Panikattacke. Oh nein! Tief atmen und die Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand richten. Die Kamera. Okay. Die Kamera steht auf einem stabilen Stativ. Einatmen. Ausatmen. Die Kamera ist schwarz. Einatmen. Ausatmen. Ein rotes Kabel hängt daran. Einatmen. Ausatmen.
Das Handy vibriert. Diesmal ist es eine WhatsApp von Annie. Das Kleid ist fertig. Endlich mal eine gute Nachricht. Annabell läuft los in Richtung des Containerbüros an der Straße, in dem sämtliche Kostüme aufbewahrt werden und in dem Annie auf einem kleinen Tisch ihre Nähmaschine stehen hat. Eins … zwei … drei … Annabell starrt vor sich auf den Boden und atmet bewusst bei jedem Schritt. Vier … fünf … sechs … es sind siebenundsechzig Schritte bis zum Container, und der Aufruhr in ihrem Brustkorb beruhigt sich, während sie zählt.
Aufatmend lächelt sie Annie an, als die ihr den Fummel entgegenhält.
Eine fröhliche Melodie vor sich hin pfeifend, steuert Ian den alten VW-Bus über die schmale Zufahrt auf den Hof und parkt vor seinem Atelier.
Hier ist alles wie immer. Außer dem Singen der Vögel und den Lauten der Tiere vom Hof herrscht Stille. Ein leichter Wind weht und macht die sommerlichen Temperaturen erträglich.
Er liebt dieses ganz besondere Klima, das es nur hier in Norddeutschland gibt. Selbst bei größter Hitze ist die Luft frisch und klar.
Auf der Weide grasen Cats Gnadenbrotpferde, im Obstgarten laufen die Schafe und Hühner durcheinander. Rosie, Jasons Allerliebste, ist dabei, eine Tür zu streichen, und Porky trottet heran, weil er das Auto kennt und ihn begrüßen will.
Es ist erst zehn Uhr. Ian hat den Wecker um drei Uhr klingeln lassen und ist um vier Uhr losgefahren. Die Mühe hat sich gelohnt, der Termin ist gut gelaufen. Seine Models und er haben den Sonnenaufgang über den zu dieser frühen Tageszeit fast menschenleeren Straßen der Stadt genutzt, was eine tolle Atmosphäre für die Fotosession schaffte.
„Na, alter Junge.“ Ian tätschelt Porkys Nacken, nachdem er die Autotür geöffnet hat und der Hund seine schon angegraute Schnauze hineingesteckt hat.
Ian steigt aus, und Porky beschnuppert die Reifen des Autos, die jetzt nach Großstadt und Hafen duften, sehr interessant für ihn.
„Schon zurück?“ Jason schlendert über den Hof auf ihn zu.
Ian nickt. „Die Damen und Herren waren gut vorbereitet und alle Bilder schnell im Kasten.“ Er öffnet die hintere Tür des Vans und greift nach den beiden großen Fotokoffern mit seiner Ausrüstung.
„Was war das für ein Termin?“, fragt Jason.
„Abschlusssemester der Designerinnen an der Hamburger Uni. Sie haben mich engagiert, um ihre ersten eigenen Kreationen in einen gemeinsamen Katalog zu bringen.“
Jason grinst. „Wie viele der jungen Frauen haben dich in ihr Bettchen eingeladen?“
„Zwei – und zwei Männer. Zumindest haben sie mir ihre Handynummern zugesteckt.“
Jason seufzt. „Manchmal möchte ich deinen Job haben.“
„Seit wann stehst du auf Männer?“
„Die hätte ich dir überlassen und mich um die Frauen gekümmert.“
„Sag das nicht, wenn deine Rosie in der Nähe ist.“
„Ich werde mich hüten!“ Lachend schlendert Jason los in Richtung des offenen Scheunentores.
Das Dröhnen einer Schleifmaschine ist von drinnen zu hören. Logan bastelt an dem neuen Strafbock-Modell, von dem er seit Wochen schwärmt. Vermutlich bekommt Cat bereits jedes Mal verstärktes Herzklopfen, wenn sie hört, dass ihr Liebster an dem Ding arbeitet.
Nachdem Ian seine Fotoausrüstung ins Atelier gebracht hat, sieht er auf die Uhr. Cat hat am Vorabend angekündigt, ihren legendären Streuselkuchen zu backen. Ob der wohl schon fertig ist? Er schlendert über den Hof ins Haupthaus. Bereits im Flur duftet es herrlich nach Frischgebackenem und ihm läuft das Wasser im Mund zusammen. Er betritt die Küche und tatsächlich, das Kuchenblech steht zum Abkühlen auf dem Herd. Perfekt. Er öffnet eine Schublade, holt ein Messer heraus und schneidet sich ein ordentliches Stück ab. Es gibt nichts Besseres auf der Welt als warmen Kuchen, den Cat gebacken hat. Er lehnt sich an den Küchenschrank und betrachtet das fluffige goldbraune Kunstwerk. Vorfreude ist die beste Freude. Das hat schon ihre deutschstämmige Mom gesagt, als die Carter-Familie noch in Amerika gelebt hat. Sie hat damals auch immer norddeutschen Butterkuchen gebacken.
Mit einem wohligen Stöhnen beißt er das erste Stück ab, schließt die Augen und genießt die Geschmacksexplosion in seinem Mund.
„Was machst du denn da?“, ertönt die Stimme der Hausherrin.
Ian beißt erneut ab. „Mhm. Köstlich“, murmelt er mit vollem Mund. „Deine Backkünste sind unschlagbar, liebste Charlotte.“
Ein Schlag auf seine Hand animiert Ian, die Augen zu öffnen. Cat steht vor ihm und hat die Fäuste in die Seiten gestemmt. „Der Kuchen ist für heute Nachmittag! Wir kriegen eine Schulklasse zu Besuch! Kann man denn hier nicht eine Sekunde vor euch Rüpeln sicher sein?“
„Hast du mir gerade auf die Hand gehauen?“
„Ja!“ Sie schiebt ihre Brille ein Stück höher.
„Hast du mich gerade als Rüpel bezeichnet?“
„JA!“
„Na warte.“ Ian legt das Kuchenstück zur Seite, bückt sich, packt sie und wirft sie sich über die Schulter. Sie schreit auf. Genüsslich umgreift er fest ihre drahtigen Oberschenkel, damit sie nicht wieder herunterrutscht.
„Hey!“, keift sie los. „Lass das! Lass mich los! Lass mich sofort runter! Du Mistkerl! Du Ratte! Loslassen, habe ich gesagt!“
Ungerührt nimmt er mit der freien Hand das Kuchenstück und beißt ab, während er losschlendert.
„Hör auf, zu zappeln, Cat“, nuschelt er mit vollem Mund.
„DU SOLLST MICH RUNTERLASSEN!“
Ian marschiert mit der wütenden Last auf seiner Schulter über den Hof in die Scheune. „Logan, dein Weib verlangt nach einem glühenden Arsch.“
Sein Bruder, der gerade sanft mit den Händen an dem neuen Gestell für den zusammenklappbaren Strafbock entlangstreicht, sieht auf. „Was hat sie sich erlaubt?“
Ian steckt das letzte Stück von seinem Kuchen in den Mund, kaut und schluckt. Mmmh. Soooo lecker.
„Sie hat mir auf die Hand geschlagen.“
„WAS!?“
„Der Arsch hat meinen Kuchen geplündert!“, keift Cat und donnert mit ihren kleinen Fäusten auf Ians Hintern.
Ian seufzt. „Und jetzt bin ich auch noch ein Arsch. Lo, Bruder, bei aller Liebe, das geht zu weit. Ihre Erziehung lässt definitiv zu wünschen übrig.“
Logan seufzt theatralisch. „Dabei sind die letzten Striemen erst seit zwei Tagen verheilt. Sie ist wirklich unbelehrbar.“
Jasons heiseres Lachen ertönt hinter ihnen. „Soll ich euch helfen, sie zu bändigen?“
„Gerne.“ Logan krempelt sich demonstrativ die Ärmel hoch und Cat hört auf zu strampeln. Ian grinst breit und zwinkert seinem Bruder zu. Er sieht zwar ihr Gesicht nicht, aber er kennt sie und weiß, dass ihre Wangen jetzt rötlich leuchten, ihre Augen sich weiten und sie sich gierig über die Lippen leckt. Sie liebt diese Art Spiel genauso sehr wie er und seine Brüder.
„Setz dich, Lo, wir legen sie dir über die Knie.“
Logan nickt und schlendert hinüber in den kleinen Ausstellungsbereich, in dem sie ihre BDSM-Möbel für Interessenten aufgestellt haben.
Er lässt sich auf einem breiten, thronähnlichen Sessel ohne Lehnen nieder und deutet auf seinen Schoß. „Bitte sehr.“
Ian hebt Cat von seiner Schulter, packt ihre Oberarme und schiebt sie vor sich her auf Logan zu. „Nimm ihr das Sichtfenster ab, nicht dass das gute Stück kaputtgeht.“
„Zu Befehl, Boss.“ Jason greift sich vorsichtig die Brille, zieht sie Cat von der Nase und legt sie zur Seite. Dann umfasst er ihre Handgelenke, Ian ihre Hüfte und gemeinsam heben sie sie hoch. Sie kreischt. Eine Sekunde später liegt sie lang ausgestreckt mit dem Bauch über Logans Oberschenkeln. Jason hält ihre nach vorn gestreckten Arme und Ian ihre Fußgelenke.
Logan schiebt seine Hand unter ihren Bauch und fummelt an ihrem Hosenknopf herum, dann streift er den Stoff samt Baumwollblümchenslip über ihren Arsch bis zu den Knien hinab. Ian übernimmt und zieht ihr beides inklusive Strümpfe und Schuhe ganz aus. Die zwei runden Halbkugeln ihres wunderschönen Pos liegen nackt vor ihnen, und das Höschen weist einen verräterischen nassen Fleck auf.
Jason stößt einen anerkennenden Laut aus. „Ich liebe deinen Arsch fast so sehr wie den meiner Frau, Cat.“
Logan streichelt sachte über die bebende helle Haut. „Willst du dich bei Ian entschuldigen, Weib?“
„IM LEBEN NICHT!“, keift Cat und Logan grinst. „Hättest du jetzt etwas anderes geantwortet, hätte ich mir Sorgen gemacht, Kleines.“
Er klatscht mit der flachen Hand locker auf ihren Po und sie kann ein genüssliches Seufzen nicht unterdrücken. Ian gluckst, hockt sich hin und hält weiter ihre Knöchel. „Bist du schon feucht, Süße?“
„Das geht dich einen Scheißdreck an!“
Lachend schüttelt er den Kopf. „Jason, gib mir einen Riemen.“
Jason greift neben sich und wirft einen Ledergürtel herüber, den Ian geschickt auffängt, um ihre Knöchel wickelt und stramm zuzieht. Dann beginnt er genüsslich, ihre Fußsohlen zu kitzeln.
Cat kreischt los und strampelt. „Nein! AH! Hör auf! Bitte! Nicht kitzeln, das ist unfair! NIIICHT!“
„Entschuldige dich.“
„ENTSCHULDIGUNG!“
Er kitzelt weiter. „Das geht höflicher.“
Cat keucht und stöhnt. „Biiiitte entschuldige, allerliiiiebster Ian, ich schlage dich niiiie wieder.“
Ian beendet die Folter. „Das mit dem nie wieder bezweifle ich, aber für den Moment soll es reichen.“
Seine Brüder grinsen und Cat grummelt irgendetwas Unverständliches.
Logan lässt seine Hand auf ihren Arsch klatschen, und sie seufzt so genüsslich wie andere Frauen, wenn sie gestreichelt werden.
„Bist du schon nass oder noch feucht, Darling?“
„Grrmpf.“
Logan lacht und deutet mit dem Kopf auf den Ledergurt um ihre Knöchel. „Ian.“
Ian nickt, löst den Riemen und drückt ihre Beine auseinander. „Halt still, du Furie, sonst hole ich eine Spreizstange.“
Cat gehorcht und hört auf, sich zu wehren. Zwischen ihren Schamlippen glitzert der Liebessaft, und in Ians Hose wird es verdammt eng. Fuck.
Logan streicht mit den Fingern durch ihre Spalte. Cats Körper bebt. Sie will ihm ihren Arsch entgegenstrecken und wimmert sehnsüchtig. Was für eine verflucht heiße Szene.
„Sehr schön“, lobt Logan. Mit deutlich sichtbarem Vergnügen macht er sich daran, seiner Frau einen rot glühenden Arsch zu verpassen. Nachdem er ihn mit wachsendem Genuss eine Weile lang abwechselnd geknetet und geschlagen hat, hebt er sie hoch, stellt sie auf ihre Füße und steht ebenfalls auf. „Das sollte reichen. Ab in unser Schlafzimmer, Süße.“
Sie grapscht nach Hose, Schuhen, Strümpfen und läuft kichernd los.
„Bis nachher, Jungs.“ Logan tippt sich an die Stirn und schlendert seiner Liebsten hinterher.
Jason stellt sich ans offene Scheunentor. „Rosie!“
Aus Richtung der alten Sattelkammer ist ein leises „Ja, hier“ zu hören. Ohne ein weiteres Wort marschiert er über den Hof und verschwindet im Stall. Kurz darauf tönt der spitze Aufschrei einer Frauenstimme über den Hof.
Ian seufzt. Die Glücklichen. Vielleicht sollte er mal darüber nachdenken, sich ebenfalls in eine feste Beziehung zu stürzen. Doch wenn er an die Frauen denkt, mit denen er sich trifft, ist keine dabei, die er jeden Tag um sich haben will. Er wird wohl nicht darum herumkommen, sich selbst um seinen erigierten Schwanz zu kümmern.
Sein Handy brummt. Er greift in seine Gesäßtasche, zieht es raus und meldet sich.
„Spreche ich mit Ian Carter?“, fragt eine näselnde Männerstimme.
„Da Sie meine Nummer gewählt haben, werden Sie das wohl tun.“
„Entschuldigung. Blöde Frage, Sie haben recht. Sorry, bin grade verschnupft und mein Job versinkt im Chaos, da funktioniert mein Gehirn nicht so, wie es soll. Mein Name ist Tim Spenger, Redaktion Yellow Light.“
„Das Filmmagazin?“
„Genau. Uns ist eine Mitarbeiterin ausgefallen, wir brauchen dringend und sehr kurzfristig jemanden, der einen Termin in Los Angeles wahrnehmen kann. Jan Beier von der Kunstakademie hat Sie uns empfohlen. Es geht um den neuen Wartenheimer-Film.“
Ian runzelt die Stirn. Das klingt nicht uninteressant. Jim Wartenheimer ist zurzeit der angesagteste Filmemacher der USA. Er lehnt sich in den Türrahmen. „Um was für ein Projekt handelt es sich?“
„Um eine Auswanderergeschichte. Da seine Familie ja deutschstämmig ist, wird das ziemlich authentisch. Sie ist 1938 rübergegangen, als abzusehen war, was Hitler plante. Wartenheimers Vater war Unternehmer und baute in den USA schnell ein kleines Imperium auf, doch während des Zweiten Weltkrieges wurde die Familie angefeindet und seine Tochter, Jims Schwester, nahm sich das Leben. Angeblich soll sein Vater vor ihrer Auswanderung Juden um ihren Besitz betrogen haben, um das nötige Startkapital für die USA zusammen zubekommen. Weltweit ist man gespannt darauf, wie der Sohn mit dem Thema umgehen wird. Regisseur ist Trevor Quentin, auch nicht gerade ein kleines Licht in der Branche. Die beiden arbeiten zum ersten Mal zusammen. Die Produktionsfirma hofft auf großes Interesse in Deutschland und hat uns gebeten, eine umfangreiche Reportage darüber zu machen. Könnten Sie sich vorstellen, nicht nur Fotos zu schießen, sondern auch Interviews zu führen?“
Ian zögert nur kurz. Er ist zwar Fotograf, aber kein Journalist, hat also keine Ahnung von Interviews und der Schreiberei, aber das würde er schon hinkriegen. Die Geschichte interessiert ihn, ein gesponserter Flug in die alte Heimat ist immer willkommen und die Termine der nächsten Tage können verschoben werden. „Kein Problem. Ich mach’s. Wann soll ich da sein?“
Durchs Telefon ist ein erleichtertes Seufzen zu hören. „Super. Sie sind meine Rettung. Der Flug ist für heute um fünfzehn Uhr gebucht und für den Job sind zehn bis vierzehn Tage eingeplant.“
Nachdem sie die nötigen Einzelheiten besprochen haben, beenden sie das Gespräch. Ian sieht auf seine Uhr. Viel Zeit zum Packen bleibt ihm nicht. Zügig marschiert er in sein Atelier, um die Fotoausrüstung vorzubereiten.
Anschließend läuft er rüber ins Wohnhaus. Inzwischen sitzen seine Brüder mit ihren Partnerinnen in der Küche und essen Kartoffelsuppe. Cat hat sich ein Kissen unter den Hintern geschoben und Ian wuschelt ihr grinsend durch die Haare. „Na, Sweetheart, alles klar?“
„Setz dich und iss.“
Er schiebt seinen Hintern auf die alte Küchenbank, zieht sich den leeren Teller, der auf dem Tisch für ihn bereitsteht, heran und schöpft Suppe hinein. „Kann mich einer von euch gleich zum Flughafen bringen? Ich muss nach L.A.“
Jason hebt die Augenbrauen. „So plötzlich?“
„Ein Filmmagazin hat angerufen. Denen ist eine Mitarbeiterin ausgefallen und sie brauchen jemanden, der bei Dreharbeiten fotografiert und Interviews führt.“
Rosie stutzt. „Etwa der neue Wartenheimer-Film?“
Ian nickt. „Genau der.“
„In der Uni haben wir darüber gesprochen. Spannende Geschichte.“
„Das denke ich auch, deswegen habe ich zugesagt.“
„Ich kann dich fahren“, sagt Jason, „habe heute nichts mehr vor.“
Logan grinst. „Du solltest die Gelegenheit nutzen und Mason besuchen, Ian.“
„Auf die Idee bin ich auch schon gekommen. In seinem neuen Club muss sich jeder BDSMler wie im Paradies fühlen.“
Rosie sieht auf. „Ist das der Cousin, von dem Steven letztens erzählte?“
„Genau. Er besitzt eine Ranch knapp eine Autostunde von L.A. entfernt. Nachdem sein Vater, der Bruder unseres Vaters, gestorben ist, hat er die Viehzucht aufgegeben und auf der Ranch einen Club eingerichtet“, erzählt Jason. „Er hat dort einige Möbel nach unseren Plänen bauen lassen.“
„Wie lange braucht man nach Los Angeles?“, fragt Cat.
„Ich fliege über Amsterdam und bin vierzehn Stunden unterwegs, aber durch die Zeitverschiebung schon um zwanzig Uhr da.“
Nervös starrt Annabell auf die Uhr in ihrem Armaturenbrett, während sie das Desinfektionsspray in ihren Händen verreibt. Sie muss in zwanzig Minuten am Terminal sein, hoffentlich würde sie das schaffen.
Das Team hat mal wieder länger gedreht als geplant. Jim Wartenheimer war persönlich am Set und hat mit Trevor ewig über eine Kameraeinstellung und einen Dialog diskutiert. Trevor wollte den Text kürzen, weil er der Meinung war, dass das Gespräch zu lang sei, und Jim hat sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Bei ihrem Streit war den wichtigen Herren natürlich scheißegal, dass sie, die unwichtige Produktionsassistentin, noch die Journalistin vom Flughafen abholen muss. Manchmal hasst Annabell ihren Job.
Sie wird die Frau nur kurz willkommen heißen, ins Hotel bringen und dann direkt zu Hause ins Bett fallen. Sie reibt sich über die Stirn und streicht ein paar Haarsträhnen zurück, die sich aus ihrem Zopf gelöst haben.
Ein Fußgänger überquert vor ihrem Auto im Laufschritt die Straße. Sie muss hart bremsen und donnert mit der Faust auf die Hupe. „HEY!“
Der Typ winkt gelassen ab und läuft auf dem Gehweg weiter. Arschloch.
Sie ist so schrecklich müde. Die Drehtage beginnen im Moment um sechs Uhr am Morgen und Pausen hat sie den ganzen Tag lang so gut wie keine.
Endlich erreicht sie die Abzweigung zum Flughafen und biegt ab. Zum Glück findet sie dort schnell einen Parkplatz. Wenn sie rennt, müsste sie es pünktlich ins Terminal schaffen.
Außer Atem und durchgeschwitzt hetzt sie durch die Drehtür in die Ankunftshalle, zieht das Schild mit dem Namen ihrer Produktionsfirma aus der Tasche und stellt sich gut sichtbar für die ankommenden Reisenden an die Seite.
Wie sie auf den Anzeigetafeln sehen kann, ist die Maschine vor einigen Minuten gelandet. Die Fotografin müsste also jeden Moment am Ausgang erscheinen. Angestrengt hält Annabell nach einer Frau Ausschau, der eine dieser typischen, riesigen Fototaschen über der Schulter hängt, wie Journalisten sie haben. Nebenbei reinigt sie noch schnell ihre Hände, denn es wäre wirklich peinlich, würden sie kleben, wenn sie der Fremden zur Begrüßung die Hand gibt.
Doch es kommt keine Frau mit einer solchen Ausrüstung durch die Tür, sondern ein sportlicher, drahtiger Kerl mit blonden Haaren, die nicht so aussehen, als hätte er sie sich innerhalb der letzten Stunden gekämmt.
Er trägt in der anderen Hand eine Reisetasche, bleibt am Durchgang zur Ankunftshalle stehen und sieht sich um. Nicht nur Annabell mustert ihn, auch zwei weitere Frauen drehen die Köpfe nach ihm um, denn er ist einer dieser Typen, auf die jede Frau abfährt. Er trägt ein schwarzes, enges T-Shirt, eine abgewetzte Jeans und Sneakers. Annabell kann den Blick nicht abwenden. Irgendetwas an ihm fasziniert sie auf fast hypnotisierende Weise.
Plötzlich sieht er zu ihr rüber und nickt ihr zu. Erschrocken wendet sie sich ab und hält wieder nach der Fotografin Ausschau.
Drei Minuten später steht der Typ vor ihr, und es ist ihr nicht möglich, seine Anwesenheit zu ignorieren.
„Hi. Ich bin Ian Carter.“
Ihr Kopf zuckt herum, und ihr Blick bleibt an einer Kette hängen, die er um den Hals trägt. Der Anhänger ist rund. In dem silbernen Rahmen, der ihn umfasst, befindet sich eine schwarze Fläche, auf der sich, als hell glänzende graue Linie, eine Triskele ausbreitet, die Ähnlichkeit mit dem chinesischen Yin-Yang-Zeichen hat.
Das Symbol kennt sie. Mittelalterfans und Esoteriker tragen so was, aber Annabell kennt es vor allem seit vielen Jahren aus der BDSM-Szene. Man findet es im Internet auf den entsprechenden Seiten.
Einen Moment lang ist sie völlig konfus, dann fängt sie sich, hebt den Kopf und sieht ihm ins Gesicht. Sein Kinn ist mit Bartstoppeln bedeckt, seine Lippen bilden eine geschwungene Linie und ein paar leicht wellige Haarsträhnen fallen ihm in die Stirn. Seine Haarfarbe ist ein Mix aus weizenblond mit dunkleren Strähnen, was seiner Person einen verwegenen Ausdruck verleiht. Er lächelt, während er aus braunen Augen auf sie herabsieht. Doch die freundliche Miene kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Blick auf fast arrogant wirkende Weise direkt und forschend auf ihr ruht.
Annabell runzelt die Stirn. Was will der Typ von ihr? Kennt er sie von damals? Quatsch. Die letzten Sessions hatte sie vor sieben oder acht Jahren, und sie hat sich seitdem viel zu sehr verändert, als dass sie jemand aus der Zeit erkennen könnte.
„Hi“, grüßt sie zögernd zurück und lässt den Blick an ihm vorbei, wieder durch die Halle gleiten.
„Warten wir auf einen weiteren Ankömmling?“ Seine Stimme ist tief und scheint die Luft zum Vibrieren zu bringen.
„Was?“
„Holst du nicht nur mich ab?“
„Ich verstehe nicht …?“
Er neigt leicht den Kopf zur Seite. „Du bist doch das Empfangskomitee, das mich ins Hotel bringen soll, oder nicht?“
„Ähm … ich warte auf eine Redakteurin von Yellow Light aus Germany.“
Er winkt ab. „Die kommt nicht, sie ist krank geworden. Ich bin der Ersatz.“
„Oh.“ In Annabells Nacken kribbelt es plötzlich und sie spürt Hitze im Gesicht. „Sorry, äh … das hat mir … äh … keiner gesagt.“
Seine Augenbrauen zucken höher. „Und ist das jetzt ein Problem?“
„Was? Äh … nein, natürlich nicht.“
„Dann können wir ja los.“
„Ja.“ Sie deutet zur Tür. „Mein Auto steht draußen.“
„Tatsächlich?“ Er grinst. „War hier drin kein Parkplatz mehr frei?“
Annabell verdreht die Augen. „Sehr witzig.“
Verdammt! Wo ist denn ihr Verstand geblieben? Der Typ muss sie für total bescheuert halten. Sie atmet tief durch und konzentriert sich. „Soll ich dir eine Tasche abnehmen?“
„Danke, geht schon. Sagst du mir deinen Namen?“
„Sorry, natürlich. Ich bin Annabell Walter, Produktionsassistentin und deine Ansprechpartnerin während deines Aufenthalts hier.“
„Hi, Annabell. Nett, dich kennenzulernen.“ Während er ihren Namen sagt, sieht er ihr in die Augen, als wäre es nicht nur eine Floskel, sondern eine tiefsinnige, wichtige Erkenntnis. In ihrem Bauch kribbelt es ganz unten, fast im Becken, da, wo es gefährlich wird, weil es mit Erregung zu tun hat und den Verstand durcheinanderbringt.
Sie verlassen das Terminal und er hebt den Kopf. „Ganz schön schwül bei euch.“
„Ja, wir haben einen heißen Sommer dieses Jahr. Du sprichst sehr gut Englisch.“
Ian fummelt eine Sonnenbrille aus seiner Reisetasche und setzt sie auf.
„Ich bin in den USA aufgewachsen und erst vor ein paar Jahren mit meinen Brüdern nach Deutschland ausgewandert.“
Natürlich. Sein Name ist amerikanisch, sie hätte auch selbst draufkommen können, dass er kein Deutscher ist.
Er atmet deutlich sichtbar tief durch. „Gutes Gefühl, mal wieder Heimatluft zu schnuppern.“
Als sie das Auto erreichen, öffnet Annabell den Kofferraum und Ian verstaut sein Gepäck. Dann steigen sie ein.
Während sie den Motor startet, bekommt sie bereits Platzangst. Die Nähe des fremden Mannes macht ihr zu schaffen. Sie greift zu ihrer Sonnenbrille, die wie immer über dem Rückspiegel hängt, und setzt sie auf. Dann sprüht sie noch kurz ihre Hände ein und verreibt das Desinfektionszeug, bevor sie losfährt. Seinen Seitenblick ignoriert sie dabei. Es geht ihn gar nichts an, was sie mit ihren Händen macht.
Der Typ ist für ihr kleines Auto einfach viel zu groß. Sie startet den Motor, fährt rückwärts aus der Parklücke und bremst, um in den Vorwärtsgang zu schalten. Zählen … ruhig atmen und zählen … eins … zwei … drei … einatmen … vier … fünf … sechs … ausatmen … sieben … acht … neun … einatmen … zehn … elf … zwölf … ausatmen. Ihr Puls normalisiert sich. Erleichtert fährt sie an und das Auto macht einen kleinen Ruck, weil sie versehentlich zu viel Gas gibt. Mist. Ob ihm was aufgefallen ist?
Sie wirft einen schnellen Blick zur Seite. Ian mustert sie. Durch die dunkle Brille kann sie seine Augen nicht sehen, aber der spöttisch verzogene Mund ist aussagekräftig genug. Arroganter Arsch.
„Alles okay mit dir?“, fragt er.
„Natürlich.“
„Dann ist es ja gut. Wohin fahren wir?“
„Wir drehen zurzeit in einer Strandvilla am Venice Beach und dein Hotel ist ganz in der Nähe. Ich bringe dich jetzt hin, damit du dich nach dem langen Flug ausruhen kannst. Morgen früh um sechs Uhr ist Drehbeginn. Ich hole dich um fünf Uhr dreißig ab, wenn das für dich okay ist.“
*
Ian seufzt. „Klar, ich liebe es, mitten in der Nacht aufzustehen.“
Sie runzelt die Stirn. „Ich habe den Drehplan nicht geschrieben.“
„Das weiß ich doch.“ Die kleine Annabell scheint ein Problem mit ihm zu haben. Sie ist bei der Begrüßung schon nicht gerade freundlich gewesen, und seit sie im Auto sitzen, ist ihre Gereiztheit nicht mehr zu übersehen.
Eigentlich hat sie ein nettes Gesicht, doch sie zieht die Stirn kraus und presst die Lippen fest zusammen, wenn sie ihm nicht gerade auf eine Frage antworten muss.
Ihr Blick zuckt hin und her, und wenn ihn nicht alles täuscht, hat sie sich erschrocken, als sie den Anhänger seiner Kette gesehen hat, den Cat ihm zum letzten Geburtstag geschenkt hat.
Vielleicht ist sie auch einfach nur müde. Dunkle Ränder unter ihren Augen zeugen von Erschöpfung. Der Job als Produktionsassistentin ist mit Sicherheit kein Zuckerschlecken, und Trevor Quentin hat nicht den Ruf, ein geduldiger, freundlicher Mensch zu sein. Was soll’s? Ihr Job, ihr Problem, nicht seins.
Ian lehnt sich zurück und lässt den Blick schweifen. Die Sonne ist gerade untergegangen und der Himmel tiefblau. Die Straßen von L.A. sind von Wolkenkratzern gesäumt. Was für ein krasses Gegenteil zu den schmalen Gassen der Altstadt von Stade. Fast muss er über sich selbst lachen, als ihm klar wird, dass es wohl kaum Sinn ergibt, die kleine Stadt an der Elbe mit der Metropole L.A. zu vergleichen.
Es ist schön, mal wieder in der Heimat zu sein. Sosehr ihm das Landleben in Norddeutschland auch gefällt, L.A. mit all seinen bunten Facetten ist amerikanischer Lifestyle pur, und er freut sich, hier zu sein.