Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Elisabeth Florin - E-Book

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton E-Book

Elisabeth Florin

5,0

Beschreibung

Einer der reichsten Unternehmer Merans wird tot im Hinterhof einer Weinstube aufgefunden. Der italienischstämmige Commissario Pavarotti und die deutsche Amateurdetektivin Lissie stehen vor einem Rätsel. Die Einheimischen haben die Reihen geschlossen und mauern eisern. Als auch der Vater des Toten stirbt, sieht es so aus, als hätte eine alte Schuld die Familie eingeholt. Lissie ist gezwungen, sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen - bis schließlich die Berge über Meran das Geheimnis der Stadt und ihrer Bewohner preisgeben.

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Beliebtheit




Elisabeth Florin wuchs in Süddeutschland auf und verbrachte als Jugendliche viel Zeit in Meran. Der Zauber dieser Stadt zog die Autorin auch als Erwachsene immer wieder magisch an. Ihre journalistische Laufbahn begann sie im nahen Bozen bei der Radiotelevisione Italiana (RAI). Meran und seine Menschen, ihre Geschichte und ihr Lebensgefühl sind für sie mittlerweile zu einer zweiten Heimat geworden. Elisabeth Florin arbeitet seit zwanzig Jahren als Autorin, Finanzjournalistin und Kommunikationsexpertin für Banken und Fondsgesellschaften in Frankfurt. Sie lebt mit ihrer Familie im Taunus.

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.

© 2013 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlagmotiv: Adriano Martini D’Amato Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-86358-244-9 Originalausgabe

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Der Tod ist groß.

Wir sind die Seinen

lachenden Munds.

Wenn wir uns mitten im Leben meinen,

wagt er zu weinen

mitten in uns.

Rainer Maria Rilke, »Schlussstück«

Prolog

Wie fühlt es sich an, wenn du glaubst, gleich sterben zu müssen?

Meiner persönlichen Statistik zufolge sind es ganz schön viele, die eines Tages völlig überraschend mit diesem Gefühl konfrontiert werden. Für einige bekommt der Moment der Wahrheit eine endgültige Bedeutung. Bei anderen verblasst die Antwort auf diese Frage wie eine alte Narbe, immer mehr, je länger es ihnen gestattet ist, weiterzuatmen.

Natürlich gibt es welche, an die schleicht sich dieses Gefühl immer wieder an, vielleicht im Flugzeug, wenn der Pilot die Passagiere mit betont ruhiger Stimme zum Anschnallen auffordert, weil eine Gewitterfront naht. Andere erwischt es frontal, in einem Auto am Rand einer Landstraße, kurz nach einem Beinahe-Zusammenstoß mit hundertzwanzig Stundenkilometern. Die Hände umklammern das Steuerrad, damit das Zittern aufhört, und man spürt diese eine Sekunde, als der Lkw um die Kurve biegt, noch ganz deutlich auf der Zunge, wie einen metallisch schmeckenden Belag. Und man würgt, kann sich aber keine Erleichterung verschaffen.

Woher ich so etwas weiß? Ich bin ein Nachrichtenjunkie, wenn’s um Katastrophen geht. Wenn Menschen am Bildschirm verunglücken oder sterben, bin ich am Start. Erdbeben, Massenkarambolagen auf der Autobahn, Amokläufer in Schulen, Fallschirmspringer, die wie ein Sack voll Knochen auf den Boden plumpsen. Ich bin da nicht wählerisch. Außerdem kriegt man in einem Beruf wie dem meinen viel erzählt und trifft eine Menge Leute. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, Menschen zu beobachten. Ich krieche in ihre Köpfe, taste ihre Gesichtszüge ab, lese ihre Gedanken.

Die Ängstlichen, die immer glauben, gleich geht’s ab in die Kiste, dünsten so eine Mischung aus Erleichterung und Scham aus, wenn sie das Flugzeug entgegen ihrer Erwartung mal wieder lebend verlassen. Ich sehe, wie sie sich verstohlen umsehen und kann fast hören, wie sie sich »Du Blödmann« zuflüstern, und der Himmel soll verdammt noch mal aufhören, so unverschämt blau zu sein.

Dann gibt es die richtigen Mannsbilder. Die legen schon eine halbe Stunde nach dem Beinahe-Crash eine geradezu lächerlich wirkende Protzerei an den Tag, dass die Sache eh gut ausgegangen wäre. Der neue Porsche beschleunigt und bremst schließlich phänomenal. Außerdem, mit seiner Knautschzone war er letztens Testsieger. Ich nicke dann stets zustimmend. Aber klar doch.

Ob so oder so, wenn es vorbei ist, wollen alle den ekligen Geschmack nach Tod möglichst schnell loswerden. Das eigene Gedächtnis klinisch sauber desinfizieren. Sicher, es gibt unter den ganz knapp Vorbeigeschrammten immer mal wieder welche, die ihr Leben völlig umkrempeln, aussteigen, religiöse Fanatiker werden oder so. Das ist aber die Ausnahme. Die meisten suchen fieberhaft nach der Löschtaste für die körpereigene Festplatte, sobald sie sich einigermaßen berappelt haben.

Sich auf das Gefühl einzulassen, dass die nächste Sekunde die letzte sein kann, ist wie ein gefährlicher Flirt mit dunklen Mächten, eine Art Ehebruch am eigenen piefigen Stück Lebensglück. Anschließend, bei hellem Tageslicht, kriecht man mit eingezogenem Schwanz zurück zum heimischen Herd. Ein Blick zurück, erleichtert, und dann verschämt pfeifend aus der Tür.

Für mich gilt das alles natürlich nicht. Diese eine Frage, wie es so kurz vor dem Sterben wohl ist, rumort unablässig in meinem Kopf. Seit ein paar Monaten ist sie geradezu, nun ja, zu einer fixen Idee geworden. Warum ausgerechnet dieses Thema mich derart beschäftigt, ist mir selbst ein Rätsel. Ich habe sonst wirklich Besseres zu tun, als im Innenleben meiner Mitmenschen herumzuwühlen.

Vor ein paar Wochen musste ich es mir dann eingestehen: Erlebnissen aus zweiter Hand hinterherhecheln, diese ameisenhafte Informationssammelei, das Beobachten und Ausspionieren, alles für die Katz. Auf diese Weise bleibe ich ewig der Gaffer am Rande. Ich recke und strecke mich nach der Wahrheit, doch sie bleibt unerreichbar hinter dem Absperrseil der Polizei und grinst mich an.

Ich brauchte nicht lang, um draufzukommen. Die Lösung liegt ja auf der Hand. Ich werde ein wissenschaftliches Experiment durchführen, eine Art Fallstudie, bei der ich die Versuchsanordnung genau bestimmen kann. Dass im Verlauf dieser Studie jemand zu Tode kommt, lässt sich natürlich nicht vermeiden, aber davon darf ich mich nicht abhalten lassen.

Gestern ist mir eingefallen, dass ich das perfekte Studienobjekt ja schon zur Verfügung habe. Vor Glück musste ich laut lachen. Es wird so einfach werden, weil ich ihn leicht beeinflussen kann. Und ich werde ganz nah dabei sein und in seine Augen sehen können, wenn es zu Ende geht.

Für mich selbst wird es ein Kinderspiel, ich muss praktisch kaum etwas tun. Auf mich wird nicht der geringste Verdacht fallen. Ich merke gerade, dass die Angelegenheit auch einen künstlerischen Aspekt hat. Ich werde den perfekten Mord begehen. Ein angenehmer Gedanke, der seinen Reiz hat, ohne Zweifel. Vor allem wenn ich an all die Stümper denke, die das schon probiert haben. Bloß dass dieser Aspekt für mich eigentlich keine Rolle spielt.

EINS

Samstag, 30.April

Nach dem Timmelsjoch begann deutlich erkennbar der italienische Teil der kurvenreichen Strecke. Die Straße wurde schlechter und noch schmaler. Die überhängenden Felswände, die den rechten Straßenrand säumten, kamen Lissies Jaguar häufig bedrohlich nahe und erforderten Konzentration beim Fahren. Links ging es in die Tiefe, die entgegenkommenden Wagen blieben deshalb meistens nicht brav auf ihrer Seite. Der Pass auf zweitausendvierhundert Meter Höhe war erst seit einigen Tagen wieder geöffnet; noch hielten sich hartnäckig Schneereste auf den kargen Bergrücken und zwischen einzelnen Felszacken in unmittelbarer Nähe der Straße.

Lissie bildete sich ein, trotz des diesigen Wetters die Dreitausender der Texelgruppe schemenhaft in der Ferne erkennen zu können. Da oben lag garantiert noch Tiefschnee. Und das würde sich trotz des milden Wetters im Tal, für das die Südtiroler Region Burggrafenamt zu dieser Jahreszeit berühmt war, noch eine ganze Weile nicht ändern.

Lissie bremste und steuerte die nächstgelegene Parkbucht an. Sie saß eine Zeit lang ganz still und starrte in den vom Tal heraufziehenden Nebel hinaus. Dann nahm sie den weiß-roten »Timmelsjoch«-Aufkleber, den sie oben auf der Passhöhe bekommen hatte, aus dem Handschuhfach und presste ihn mit festem Druck gegen die Frontscheibe. Sie war wer, und sie ließ sich nicht so schnell unterkriegen.

Nachdem sie das wieder einmal vor sich selbst klargestellt hatte, startete sie den Wagen, entschlossen, bloß noch an ihren Urlaub zu denken und die letzten Wochen einfach auszublenden. Wie gewöhnlich hatte sie damit aber keinen Erfolg, und ihre Gedanken rutschten sofort wieder in die bereits gut ausgetretene Spur. Die Grübelei war natürlich vollkommen sinnlos, denn es war klar, warum die Bank sie vor die Tür gesetzt hatte. Nach einem ungeschriebenen Gesetz startete ein neuer Vorstandsvorsitzender nun mal nicht mit einer Kommunikationschefin, die sein Vorgänger eingestellt hatte.

Trotzdem, diese Erklärung reichte in ihrem Fall vorne und hinten nicht. »Ich möchte es ja bloß verstehen«, murmelte Lissie wie eine Art Mantra vor sich hin. Wieso war der Neue nicht wenigstens fair gewesen? Stattdessen hatte er sie vor der ganzen Führungsriege beschuldigt, vertrauliche Informationen an die Presse weitergegeben zu haben, obwohl er ganz genau wusste, dass es nicht stimmte.

Ihr Freund Alexander hatte neulich einen ihrer Monologe zu diesem Thema mit einer ungeduldigen Geste unterbrochen: »Nun zieh doch mal einen Schlussstrich. Wieso der Kerl dich so behandelt hat? Das kann ich dir in einem einzigen Satz sagen. Er wollte, dass du von selbst gehst, damit er keine Abfindung zahlen muss. Dem hast du ganz schön die Suppe versalzen. Und jetzt hak das Thema ab. Es nervt langsam.«

Es war Alexanders Idee gewesen, dass sie zwei Wochen wegfahren sollte. »Bring ein paar hundert Kilometer zwischen dich und dieses leidige Thema, und komm wieder, wenn du dich abgeregt hast«, hatte er gesagt. Mitfahren wollte er nicht, angeblich weil er an einer großen Geschichte saß. Quatsch. Alexander wollte bloß seine Ruhe haben.

Lissie zuckte die Schultern. Sie gab der Beziehung ohnehin nicht mehr lange. Bald würde sie zu Hause im Taunus sitzen und vor lauter Langeweile die Blattläuse auf ihren Rosen zählen. Alexander dagegen würde als Finanzjournalist weiterhin mittendrin im Geschehen sein und den neuesten Gerüchten und Skandalen irgendwo zwischen Japan Tower, Skyper und den Zwillingstürmen hinterherhecheln. Sie hatte keine Lust auf sein mitleidiges Lächeln. Dann machte sie lieber gleich Schluss.

Frustriert trommelte Lissie mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. Besser informiert zu sein als andere Leute, das war der ultimative Kick. Dafür war sie ja schließlich in die Kommunikationsbranche gegangen. Doch damit ist es jetzt aus und vorbei, weil ich weg vom Fenster bin, nicht mehr relevant, dachte sie. Keiner wird mir mehr irgendwas erzählen. Und, noch schlimmer, bald will mich keiner mehr kennen. Lissie kam sich vor wie eine Schnittblume, die den Kopf hängen ließ, weil irgend so ein Idiot das Wasser aus der Vase ausgegossen hatte.

Vor ihrem inneren Auge tauchten Bilder und Szenen auf. Sie versuchte sie mit Gewalt wegzuschieben, aber es klappte nicht. Lissie sah sich den langen Mittelgang des großen Konferenzraums entlanggehen, ganz nach vorn zum Pult. Sämtliche Bereichsleiter der Bank drehten sich nach ihr um. Jetzt hast du’s wirklich geschafft, hatte sie damals triumphiert. Und nicht begriffen, wie abhängig ihre Stellung vom Wohlwollen ihres Chefs war. Ihr Damaliger hatte ihr von der ersten Sitzreihe aus noch zugeflüstert: »Lissie, go for it! The sky is the limit!« Dabei hatte er da schon den neuen Job gehabt und gewusst, was auf sie zukam. Verlogenheit, wohin man schaute.

Oben zu sein und runterzublicken, wie hatte sie das genossen. In der einsetzenden Dämmerung hatte sie aus den bodentiefen Fenstern ihres Büros im siebenunddreißigsten Stock auf die Leuchtstreifen der Autos und auf das Meer von Schirmen weit unter ihr geschaut und fasziniert das Gegaukel der Blätter beobachtet, die der Wind bis zu ihr heraufwirbelte und dann mit einem Mal wieder nach unten stieß. Jetzt hat auch mich so eine Böe voll erwischt, dachte sie.

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