Cuddy. Echo der Zeit - Benjamin Myers - E-Book

Cuddy. Echo der Zeit E-Book

Benjamin Myers

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Beschreibung

Eine junge Frau, unterwegs in einer bedrohlichen Gegend, hat plötzlich das Bild einer Kathedrale auf einem Hügel vor ihrem inneren Auge. Sie wünscht sich nichts Sehnlicheres als den Schutz des heiligen Cuthberts, für dessen Gebeine sie und ihre Begleiter eine letzte Ruhestätte suchen. Die unterdrückte Ehefrau eines Bogenschützens hofft, die Wahrheit zwischen imposanten Kirchenmauern zu finden. Als sie erneut Quälereien durch ihren Ehemann ausgesetzt ist, sucht sie Hilfe bei einem der feinsinnigen Steinmetze. Ein Professor, der bei der Exhumierung von Cuthbert zugegen ist, erhält in den Nächten unwillkommenen, Angst einflößenden Besuch. Ein junger Hilfsarbeiter trifft bei der Arbeit in der Kathedrale nicht nur auf freundliche Menschen, sondern erlebt Momente der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. ›Cuddy – Echo der Zeit‹ verbindet Poesie und Prosa, verschiedene Textarten und reale historische Begebenheiten und spannt dabei einen Bogen über verschiedene Epochen zu einem außergewöhnlichen Roman.

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Eine junge Frau, unterwegs in einer bedrohlichen Gegend, hat plötzlich das Bild einer Kathedrale auf einem Hügel vor ihrem inneren Auge. Sie wünscht sich nichts sehnlicher als den Schutz des heiligen Cuthberts, für dessen Gebeine sie und ihre Begleiter eine letzte Ruhestätte suchen.

Die unterdrückte Ehefrau eines Bogenschützens hofft, die Wahrheit zwischen imposanten Kirchenmauern zu finden. Als sie erneut Quälereien durch ihren Ehemann ausgesetzt ist, sucht sie Hilfe bei einem feinsinnigen Steinmetz.

Ein Professor, der bei der Exhumierung von Cuthbert zugegen ist, erhält in den Nächten unwillkommenen, angsteinflößenden Besuch.

Ein junger Hilfsarbeiter trifft bei der Arbeit in der Kathedrale nicht nur auf freundliche Menschen, sondern erlebt Momente der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

›Cuddy. Echo der Zeit‹ ist ein Jahrtausende umspannendes Epos, das in einer Vielzahl faszinierender Stimmen erzählt ist und dessen Themen aktueller denn je sind.

© Alex de Palma

Benjamin Myers, geboren 1976, ist Journalist und Schriftsteller. Er hat nicht nur Romane, sondern auch Sachbücher und Lyrik geschrieben. Für seine literarischen Arbeiten hat er mehrere Preise erhalten. Sein Roman ›Offene See‹ (DuMont 2020) stand wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und wurde mit dem Preis des unabhängigen Buchhandels als Lieblingsbuch des Jahres ausgezeichnet. 2021 erschien ›Der perfekte Kreis‹, 2022 ›Der längste, strahlendste Tag‹. 2023 wurde ›Cuddy. Echo der Zeit‹ mit dem Gildsmiths Prize ausgezeichnet. Myers lebt mit seiner Frau in Nordengland.

Werner Löcher-Lawrence, geboren 1956, ist als literarischer Agent und Übersetzer tätig. Zu den von ihm übersetzten Autor*innen zählen u. a. John Boyne, Meg Wolitzer, Patricia Duncker, Hisham Matar, Louis Sachar, Nathan Englander, Nathan Hill und Hilary Mantel.

Benjamin Myers

CUDDY

Echo der Zeit

Roman

Aus dem Englischenvon Werner Löcher-Lawrence

Von Benjamin Myers sind bei DuMont außerdem erschienen: Offene See Der perfekte Kreis Der längste, strahlendste Tag

Die englische Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel ›Cuddy‹ bei Bloomsbury Publishing, London.

© Benjamin Myers, 2023

E-Book 2024 © 2024 für die deutsche Ausgabe: DuMont Buchverlag, Köln

Alle Rechte vorbehalten

Übersetzung: Werner Löcher-Lawrence

Umschlaggestaltung: Lübbeke Naumann Thoben, Köln

Umschlagabbildung: © J C Madgin, Durham Cathedral and South Baily with a View to St Cuthberts, 1979

Satz: Angelika Kudella, Köln

E-Book-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

ISBN E-Book 978-3-7558-1009-4

www.dumont-buchverlag.de

Für David Atkinson und Anna Barker.

Einleitung

Cuthbert wurde etwa 634 in Dunbar im Königreich Northumbria, im heutigen Schottland, geboren. Nach einer Erscheinung, die er als Schäfer hatte, trat er mit siebzehn Jahren ins Kloster in Melrose ein, dessen Prior er 661 wurde.

Seine bescheidene Art, seine Frömmigkeit, seine Liebe zur Natur und seine weiten Reisen, um entlegenen Siedlungen das Wort Gottes zu bringen, machten ihn bald schon zu einem bekannten Mann.

Im Jahr 665 wurde er Prior von Lindisfarne, einer Nordseeinsel vor der Küste von Northumbria, die bei Ebbe vom Festland über einen Damm erreichbar ist. Dort diente er viele Jahre.

Auf der Suche nach einem ruhigeren Leben zog sich Cuthbert 676 auf eine kleinere Insel bei Lindisfarne zurück und kurz darauf in eine einfache steinerne Einsiedelei auf der noch abgelegeneren Insel Inner Farne.

Beliebt, respektiert und liebevoll Cuddy genannt, wurde er 685 überredet, seine Zurückgezogenheit aufzugeben, und zum Bischof von Lindisfarne geweiht, kehrte aber bald in seine kleine Zelle auf Inner Farne zurück. Nach schmerzhafter Krankheit starb er dort am 20. März 687.

Über zehn Jahre später glaubte man, sein Leichnam sei nach wie vor unversehrt, und Cuthbert wurde heiliggesprochen.

Unter dem Angriff von Wikingern flüchteten die Mönche von Lindisfarne 793 von ihrer Insel und nahmen den exhumierten Sarg mit der Leiche Cuthberts sowie verschiedene Reliquien mit. Eine lange Wanderschaft begann, auf der eine Gemeinschaft aus Akolythen und Anhängern ihren Heiligen beschützte.

Seine sterblichen Überreste wurden zwischen verschiedenen Orten hin- und hergetragen, fanden aber keinen dauerhaften Ruheort. 995 schließlich ließ sich die »Cuthbert-Gemeinde« in Durham nieder, wo sie die erste mehrer Kirchen erbaute und später dann eine riesige Kathedrale, um ihm und seinen Gebeinen eine letzte Ruhestätte zu geben. Obwohl seine sterblichen Überreste in den nachfolgenden 1200 Jahren noch fünfmal exhumiert wurden und die Kathedrale über die Jahrhunderte hinweg unruhige Zeiten erlebte, befindet sich sein Schrein bis zum heutigen Tag dort und ist ein beliebtes Ziel für Pilger aus aller Welt. Saint Cuthbert gilt allgemein als der inoffizielle Schutzpatron von Nordengland.

Prolog

Inner Farne, A. D. 68720. März, ein Sonntag

Ein schleimiger, verklebter Schlitz.

Mein Auge.

Ein Tor vor der Ewigkeit.

Ich öffne es.

Alles, wie es war; Stein, Meer und Himmel

strömen herein.

Das andere bleibt zu,

damit die ewige Welt nicht in Stücke

gerissen wird,

in der Mitte zweigeteilt

wie eine Makrele für die Räucherkammer.

Und für einen langen, sanften Moment

verweilt ein Teil von mir im Dunkel,

der andere im Licht.

Für einen Moment lebt ein Teil von mir

im Tod, und der andere stirbt im Leben.

Schweigen in der Vorhölle,

dann wird dieses Schweigen gebrochen.

Eine Möwe kreischt –

ein aufgeblähtes weißes Ding aus Federn und Schnabel,

von einer unsichtbaren westlichen Böe zur Seite gerissen,

einer Seiner lustigen Einfälle.

Aber.

Aber es kann nicht länger hinausgezögert werden. Es ist Zeit, auch das andere Auge aufzuschlagen.

Das Gatter zu heben, das Tor zu öffnen. Es aufzubrechen.

Ich tu’s.

Und ich sterbe.

Jetzt liege ich hier,

etwas kitzelt mich am Ellbogen.

Es ist eine große         Spinne,

die die ansteigende Linie meines wächsernen

leblosen Arms hinaufklettert.

Selbst noch im Tod fühle ich es.

Selbst noch im Tod diene ich einem Zweck wie alles Lebende dir dient,

o Herr.

Ich denke: Was mir jetzt mehr als alles andere gefallen würde, wäre, von Hunden übers Gesicht geleckt oder von Coldinghamer Krabben in die Zehen gezwickt zu werden, die Ohrläppchen von Robben oder Seeottern beschnüffelt zu bekommen, die über die ebbetrockenen Uferbänke watscheln, vom Meer bis zum Himmel Muster hinter sich herziehend, manche von ihnen Tangstränge auf den Köpfen, wie in Vorfreude auf eine wunderliche Vorstellung, während einige kehlig ihr Entzücken hervorbellen, Augen so schwarz wie Torfklumpen, meergeschwollene Körper rutschen über den zischenden Sand. Die Sonne über dem Land.

Seltsam, wie der tote Geist arbeitet.

Solch merkwürdige Gelüste.

Solch

abstruse Gedanken.

Im Übrigen ist, wie gesagt, alles, wie es war, abgesehen vom Ton der Klosterbrüder, die jetzt so reden, als wäre ich plötzlich blind für ihre Umtriebe, taub für ihre Kritteleien und Nörgeleien, unempfindlich für ihr Gegacker, nur weil ich dahingegangen bin.

Der Bischof, es ist Cuddy, der Bischof.

Ich wage zu sagen, dass ich da auch etwas Wetteiferndes in ihrer plötzlichen Trauer erkenne.

Er ist tot.

O Herr, er ist tot.

O Herr, er ist tot, und wir sind es mit ihm,

O Herr, er ist tot, und wir sind es mit ihm, bringe uns

alle gemeinsam in Dein Himmelreich. Führe

uns, gelobet seist Du. Empfange ihn, Jesus Christus.

Ihre Stimmen überlagern sich im Klagegesang, jede übertrifft die vorhergehende.

Oh!, Cuddy dies, und oh!, Cuddy das.

Weiter und weiter

und weiter und

weiter.

Und nicht zum ersten

Mal dämmere

ich we

g.

Seht, wie sie mit ihren Ölen und ihren Verbänden um den Felsen herumeilen,

mit ihren Tinkturen, ihren Amuletten und ihren Klagen:

O weh, o weh,

wollene Priestergewänder flattern wie die Röcke von Fischerfrauen im Sturm –

seht, wie sie schluchzend im Gebet dahintaumeln, hört wie sie harpyiengleich lamentieren,

ihre Worte verwehen im Wind wie Talglichter im Dunkel der Nacht.

O Herr,

o Herr,

oh.

Ich meine. Was für eine Vorstellung. Was für ein Unsinn.

Und der Lärm,

der Lärm,

der von den Klosterwänden widerhallt,

Schreien aus dem Fegefeuer gleich –

dröhnende Stimme und kummervoller Speichel

flutet die Räume,

springt von Stein zu Stein

und über das Wasser,

wo die ersten Boote

bereits festgemacht haben,

doppelt vertäut

auf bewegter See,

um mich nach Hause

zu bringen.

Der Tod ist ein Überraschungsfest, von dem du schon immer

wusstest, dass es dir zu Ehren gefeiert werden würde.

Nun also.

Du hättest ein, zwei Kerzen früher bereits hier sein sollen.

Die Szenen der Verzweiflung unter den Mönchen in den letzten Tagen meines Rückzugs

auf diesen Felsen im schäumenden Meer waren ein denkwürdiger Anblick.

Zugegeben, der Tod kommt nur einmal,

und sie sind aufgeschreckt, doch ich bin froh, dass du jetzt hier bist, lieber Freund,

um mir, gefangen im Bernstein des Augenblicks, Gesellschaft zu leisten,

hältst meine rissige, schwielige Hand, während wir

ins fiebernde Hinterland schreiten.

Und mögen meine Hände auch

verwittert und welk sein,

sind sie doch sicher,

während ich über Abgründe setze,

die brennende Ebene überquere.

Flammen speie.

Ich bin Sonne, Mond und Regen.

Morgen ein in Seide gehülltes Skelett.

Aber du.

Du

darfst mich

Cuddy nennen.

ERSTES BUCH

Der heilige Cuddy Dunholme, A. D. 995

A furore Normannorum libera nos, Domine. Befreie uns vom Furor der Nordmänner, o Herr. Gebet aus dem achtzehnten Jahrhundert

I

»… Medcaut, der ›Insel der Gezeiten‹, wie die Angeln Lindisfarne nannten.« [1]

Norman Davies, Verschwundene Reiche. Geschichte des vergessenen Europa

»Eine riesige Weite aus Sand, Watt und Meer, die sich nach Süden und Osten in eine große Bucht ergießt und nach Norden und Westen in ein endloses Weiß von der Nordsee heranrollender Brecher; und in mittlerer Entfernung hinter Sand und Watt eine lang gestreckte flache Insel.«

Richard Perry, A Naturalist on Lindisfarne

»Alle vierundzwanzig Stunden wirft das Meer einen schimmernden Gürtel um seine sandige Grenze. Fünf Stunden sind nötig, um das Steigen und Sinken der Gezeiten zu vollenden.«

Sheila Mackay, Lindisfarne Landscapes

»Es heißt, der Name Lindisfarne kommt vom altenglischen ›lindon‹ – Wasser – und ›faron‹ – Insel –, obwohl es niemand genau weiß. Vor den Christen lebten Druiden auf der Insel.«

Peter Mortimer, 100 Days on Holy Island: A Writer’s Exile

»Die Insel bekam ihren Name von Lindis, einem nicht mehr als zwei Fuß breiten Bach, der sich an der gegenüberliegenden Küste ins Meer ergießt. Farne kommt vom keltischen Fahren, einem Ort des Rückzugs.«

James Raine, Saint Cuthbert, with an Account of the State in which his Remains were found upon the opening of his Tomb in Durham Cathedral

»In den ersten Jahrhunderten, nachdem die Römer Britannien verlassen hatten, erlangten die northumbrischen religiösen Zentren um Jarrow und Lindisfarne herum eine politische wie kulturelle Dominanz.«

Aus der Einleitung zu: The Anglo-Saxon Chronicles, übersetzt und zusammengetragen von Anne Savage

»Lindisfarne, oder die Heilige Insel, in Northumberland wurde 635 gegründet … Dies war der Beginn bemerkenswerter klösterlicher Entwicklungen in Northumbria, die sich in südlicher Richtung erstreckten und den Großteil Englands und am Ende auch den europäischen Kontinent erfassten.«

Mick Aston, Monasteries in the Landscape

»Die Klöster wurden gezielt auf Inseln oder an den Küsten als heilige Stätten des Lernens erbaut.«

Aus der Einleitung zu The Anglo-Saxon Chronicles, übersetzt und zusammengetragen von Anne Savage

»Das [ursprüngliche] Kloster stand geschützt hinter einem großen vulkanischen Felsgrat im Süden, dem Heugh, der es vom Meer trennt.«

Mick Aston, Monasteries in the Landscape

»Er wurde mit dem Schiff zu unserer Insel gebracht, aber zuerst wurde seine Leiche gewaschen, sein Kopf mit einem Tuch umwickelt und eine Oblate auf seine heilige Brust gelegt. Dann wurde er in seine priesterlichen Gewänder gekleidet, und er trug seine Schuhe, um vor Christus treten zu können.«

Unbekannter Mönch von Lindisfarne, Two Lives of St Cuthbert

»Wir legten den Körper unseres ehrwürdigen Vaters in das Boot und fuhren ihn hinüber nach Lindisfarne, wo er von Sängerchören und einer großen Menge empfangen wurde, die dort auf ihn warteten.«

Herefrith of Lindisfarne

»Wenn es die Notwendigkeit verlangt, zwischen zwei Übeln zu wählen, hätte ich es lieber, dass ihr meine Knochen aus ihrem Grab holt und sie an welche auch immer von Gott bestimmte Ruhestätte bringt, statt sie dem Frevel zu überantworten und euch dem Joch der Schismatiker zu ergeben.«

Cuthbert, zitiert nach: Bede, Life of Cuthbert

»Entgegen seinem Wunsch wurde Cuthbert in einem Steinsarg beigesetzt.«

Lindisfarne Priory: English Heritage Guidebook

»Der Sarg aus dem siebten Jahrhundert war ein großes Kunstwerk, das offenbarte, wie Cuthbert und seine Zeitgenossen sich ihre Götter, Engel, Apostel und die Muttergottes vorstellten … Ziemlich sicher war er bemalt und wirkte dadurch noch lebendiger, ein noch reicheres Objekt der Anbetung.«

Alistair Moffat, To the Island of Tides: A Journey to Lindisfarne

»Sie waren nicht gewillt, den Ruhm und die Ehre des Ortes preiszugeben, an dem er begraben lag. Er trug ihnen jedoch auf, sollten sie je von der Insel fliehen müssen, seine Gebeine mit sich zu nehmen.«

Henry Kelsey, St Aidan und St Cuthbert

»Es hatte seit über zweihundert Jahren keine bedeutenden Angriffe mehr über das Meer gegeben, und es wurden auch keine erwartet.«

Aus der Einleitung zu: The Anglo-Saxon Chronicles, übersetzt und zusammengetragen von Anne Savage

»Schreckliche Vorwarnungen kamen über das Land Northumbrias und versetzten die Menschen in Angst und Schrecken; es gab heftige Wirbelwinde und Wetterleuchten und über dem Meer wurden feurige Drachen gesichtet.«

The Anglo-Saxon Chronicle

»Die Mönche demontierten die Holzteile ihrer ersten Kirche und luden sie auf Karren; sie zerrten ihr uraltes Steinkreuz aus dem Boden und legten es oben auf die Ladung. Sie exhumierten die Knochen ihres Gründers … Schließlich präparierten sie eine große Truhe als Reisesarg, den sie mit Fellen bedeckten, um ihn vor den Elementen zu schützen. Darin transportierten sie den mittlerweile sehr alten Reliquienschrein, hinter dessen engelhaften apostolischen Schnitzereien das wertvollste und verehrteste Kernstück der Gemeinschaft lag: das Wunder wirkende, Zuflucht gewährende Tor, der unverwesliche Leichnam St. Cuthberts.«

Davis Willam, St Cuthbert’s Corpse: A Life After Death

»Weitere wichtige Schätze wurden in den hölzernen Sarg gelegt: der Kopf König Oswalds, die Knochen Aidans und die von Eate of Melrose.«

Philip Nixon, St Cuthbert of Durham

»Seine prächtigen Grabbeigaben, darunter Seidengewänder, ein goldenes, granatbesetztes Brustkreuz, ein elfenbeinerner Kamm, ein kleines Evangeliar und ein versilbertes Reliquiar, weisen darauf hin, dass er aus einem reichen Umfeld kam.«

Paul Fouracre (Hg.), The New Cambridge Medieval History I c. 500 – c. 700

»Im Wissen, dass St. Cuthbert leidenschaftlich verehrt wurde und dass wertvolle Schreine ein Lieblingsziel der von See angreifenden Wikinger waren, brachten die Mönche 793 seinen Leichnam von Lindisfarne weg, wanderten sieben Jahre damit umher und suchten nach einem sicheren Zufluchtsort, um zu verhindern, dass die Männer, die sie ›Wolfsmäntel‹ und ›Berserker‹ nannten, seinen sterblichen Überresten Schaden zufügen konnten.«

Simon Schama, A History of Britain: 1

»So große Drangsal traf die Kirche, dass viele Brüder sich entschieden fortzugehen, statt inmitten solcher Gefahr zu bleiben.«

Bede, Life of Cuthbert

»Sie verließen Lindisfarne, um vor den Barbaren zu fliehen.«

The Historical Works of Symeon of Durham

»Seeräuber aus Skandinavien drangen gegen Ende des 8. Jahrhunderts unter lautem Getöse ein.« [2]

Norman Davies, Verschwundene Reiche. Geschichte des vergessenen Europa

»Die Dänen kamen, plünderten und brannten alles nieder.«

Henry Kelsey, St Aidan and St Cuthbert

»Das Auftauchen der Wikinger geschah jäh und brutal. Lindisfarne und das Kloster wurden geplündert.«

The Anglo-Saxon Chronicles

»Die Heiden aus den nördlichen Regionen kamen mit einer Kriegsflotte nach Britannien, wie wilde Hornissen überfielen sie das County in alle Richtungen, bösen Wölfen gleich plünderten, zerstörten und töteten sie nicht nur Schafe und Ochsen, sondern auch Priester und Leviten, und zahllose Mönche und Nonnen …«

The Historical Works of Symeon of Durham

»Die wütenden heidnischen Männer zerstörten Gottes Kirche auf Lindisfarne durch brutalen Raub und Gemetzel.«

Alcuin of York in einem Brief an König Æthelred von Northumbria

»… einige Brüder töteten sie; einige trugen sie in Ketten davon; viele vertrieben sie, nackt und mit Beleidigungen überzogen; einige ertränkten sie im Meer.«

The Historical Works of Symeon of Durham

»Niemals zuvor ist Britannien von einem solchen Schrecken heimgesucht worden wie jetzt durch eine heidnische Rasse.«

Alcuin of York in einem Brief an König Æthelred von Northumbria

»Sie segelten von Norden her die Küste entlang und zerstörten 793 Lindisfarne.« [3]

Norman Davies, Verschwundene Reiche. Geschichte des vergessenen Europa

»Die Angreifer wollten plündern und ihre Macht als Eroberer zeigen. Die Insel wurde sorgfältig als leichtes Opfer und Exempel ausgesucht. Sie stahlen alles Silber und Gold, das zurückgelassen worden war, zertrümmerten Altäre und rissen das hohe Kreuz nieder, das dort stand.«

David Adam, Fire of the North: The Life of St Cuthbert

»›Wie kann man nicht glauben, dass ein Blutzoll aus dem Norden auf die Menschen herabkommen sollte?‹« [4]

Alcuin, zitiert nach: Michael Pye, Am Rand der Welt. Eine Geschichte der Nordsee und der Anfänge Europas

»Seht, die Kirche Cuthberts bespritzt mit dem Blut der Priester Gottes, allen Schmucks beraubt. Der Ort, verletzlicher als alle anderen in Britannien, wird Heiden zum Plündern überlassen.«

Alcuin of York in einem Brief an König Æthelred von Northumbria

»Auf jeder Straße lagen Leichen von Geistlichen und Laien, Adligen und einfachen Bürgern, Frauen, Jugendlichen und Kleinkindern. Tatsächlich gab es kein Dorf und keine Landstraße, wo keine Toten lagen.«

S. Coupland, Journal of Ecclesiastical History

»Die Heiden schändeten Gottes heilige Orte, vergossen das Blut von Heiligen um die Altäre und zerstörten die Häuser unserer Hoffnung. Sie trampelten über die Körper der Heiligen in Gottes Heiligtümern, als wateten sie durch den Kot auf der Straße.«

Alcuin of York in einem Brief an König Æthelred von Northumbria

»Wir können sicher sein, dass der seelische Schaden immens war – das heiligste Zentrum Northumbrias war geschändet worden.«

Richard Gameson, From Holy Island to Durham: The Contexts and Meanings of the Lindisfarne Gospels

»Ein Mann konnte die Wikinger ebenso wenig vergessen wie sein eigenes blutiges Spiegelbild.« [5]

Michael Pye, Am Rand der Welt. Eine Geschichte der Nordsee und der Anfänge Europas

»Eine fürchterliche Hungersnot erfasste das Land, hauptsächlich wegen des unaufhörlichen Wütens der Wikinger.«

Philip Nixon, St Cuthbert of Durham

»Der Großteil der bereits – stark – entvölkerten Gemeinschaft wurde von der Pest dahingerafft; die kurze Amtszeit Cuthberts als Bischof von Lindisfarne wurde von Uneinigkeit und dem darauffolgenden Interregnum stark beeinträchtigt.«

Richard Gameson, From Holy Island to Durham: The Contexts and Meanings of the Lindisfarne Gospels

»Selbst auf der abgelegenen Klosterinsel Lindisfarne hielt sich die Pest ein Jahr lang und tötete fast alle Bewohner. Auch Lindisfarne war in der Welt.« [6]

Michael Pye, Am Rand der Welt. Eine Geschichte der Nordsee und der Anfänge Europas

»Begünstigt durch die Verbindungen zum Kontinent und dessen Kultur (nicht zu reden von den Kodizes), wurde Lindisfarne schwächer, kämpfte immer noch darum, Stabilität zu erreichen und in der veränderten geistlichen Landschaft zu einer neuen Identität zu finden.«

Richard Gameson, From Holy Island to Durham: The Contexts and Meanings of the Lindisfarne Gospels

»Wenngleich sie von Zeit zu Zeit von vorübergehenden Niederlagen aufgehalten wurden, blieb die Bedrohung durch die Dänen doch bestehen.«

Richard Perry, A Naturalist on Lindisfarne

»Als der rohe Däne ihr Kloster verbrannt,

Sind die Mönche von der heiligen Insel gerannt,

Über nördliche Berge, Heide und Marschen,

Von Meer zu Meer, zu fernen Gestaden,

Sieben Jahre mit Saint Cuthberts Leiche beladen.«

Walter Scott, Marmion

»Während all dieser Entbehrungen und Gefahren blieb der Sarg des Heiligen sorgfältig geschützt. Kein Außenstehender durfte die Bahre berühren, auf der er von sieben sorgfältig ausgewählten Männern getragen wurde.«

Philip Nixon, St Cuthbert of Durham

»Zu den Trägern gehörten Hunred, Stitheard, Edmund und Franco. Auf ihren Reisen müssen sie jede Art von Wetter durch alle Jahreszeiten hindurch erlebt haben – ertragen als Ausdruck ihrer Treue und Hingebung an St. Cuthbert.«

Lionel Green, Building St Cuthbert’s Shrine

»Es gelang ihnen, kreuz und quer durch Northumbria zu ziehen, ohne gefangen zu werden. Das war offensichtlich immer wieder der Hingebung und Hilfe von anderen zu verdanken. Wohin immer sie kamen, trafen sie auf Gläubige.«

David Adam, Fire of the North: The Life of St Cuthbert

»Wohin immer die Gesellschaft kam, rief ihre wertvolle Last große Achtung und Rührung hervor, und sie wurden mit Geschenken überhäuft – Geld, Gewändern aus feinster Seide und Wolle, großartigen Vliesen und Gaben vom ärmeren Volk.«

Philip Nixon, St Cuthbert of Durham

»Gold, feine Kleider und sogar Land wurde ihnen geschenkt.«

David Adam, Fire of the North: The Life of St Cuthbert

»Sieben Jahre zogen sie rastlos dahin, durchquerten Cumbria und Galloway, ehe es über die Pennines nach North Yorkshire zurückging und schließlich im Jahr 882 in den Norden von Chester-le-Street. Hier, in einer neuen, St. Mary und Cuthbert geweihten Kirche, fand der Leichnam für mehr als hundert Jahre seine Ruhe.«

Douglas Pocock, (Hg.), St Cuthbert and Durham Cathedral, A Celebration

»Hier zeigte sich Cuthbert mehr als fähig, sich selbst zu verteidigen. Jene, die ihn nicht mit dem nötigen Respekt behandelten, wurden mit Wahnsinn und einem abscheulichen Gestank geschlagen.«

Tom Holland, Æthelstan: The Making of England

»Eine Zeit lang nannte man die Bewohner der zwischen dem Tyne und dem Tees gelegenen Güter von St. Cuthbert das ›Haliwerfolc‹ [das Volk des heiligen Mannes].«

Douglas Pocock (Hg.), St Cuthbert and Durham Cathedral, A Celebration

»Haliwerfolc – das ›Volk des heiligen Mannes‹. Das County Durham scheint diesem Namen nur knapp entgangen zu sein, genau wie Norfolk und Suffolk.«

D. W. Rollason, The Wanderings of Saint Cuthbert, in: D. W. Rollason (Hg.), Cuthbert, Saint and Patron

»Cuthberts Gemeinschaft führte ein Buch – sie nannten es ›Das Buch des Lebens‹ –, in dem die Namen der Wohltäter aufgeführt waren, für die sie beteten … Der Kult um Cuthbert symbolisierte die Identität einer ganzen Region.«

Nigel Saul (Hg.), The Oxford Illustrated History of Medieval England

»Der Kult um Cuthbert breitete sich im Land aus.«

David Adam, Fire of the North: The Life of St Cuthbert

»Männer, die den unverweslichen Körper Saint Cuthberts mit den Händen berührt, ihn mit ihren treuen Augen erkundet, ihn angehoben und mit ihren zugreifenden Armen gehalten hatten, kannten jedes Geheimnis, das ihn umgab.«

Reginald of Durham

»Der Leichnam war ein sichtbares Symbol der Macht über Menschen: über das Haliwerfolc, das Volk des Heiligen.«

D. W. Rollason, The Wanderings of Saint Cuthbert

»Wisset und denkt daran, wenn es die Notwendigkeit verlangt, zwischen zwei Übeln zu wählen, hätte ich es lieber, dass ihr meine Knochen nehmt, von hier weggeht und euch niederlasst, wohin immer Gott euch schicken mag.«

Cuthbert, zitiert nach: Bede, Life of Cuthbert

II

Irgendwo, A. D. 995

Ich sage, da entlang.

Wo entlang?

Da.

Da?

Ja.

Hier entlang?

Ja. Da vorn.

In den Wald?

Ja.

Den Wald dort?

In genau den.

Bist du dir sicher?

In einen Wald, aus einem Wald, sicher oder unsicher. Was macht es für einen Unterschied?

Was es für einen Unterschied macht?, fragt er. Was es für einen Unterschied macht?

Es zweimal zu sagen macht es nicht richtiger.

Trotzdem.

Trotzdem was?

Trotzdem tu ich recht daran zu fragen. Gelobt sei Gott.

Was zu fragen? Gelobt sei Gott.

Zu fragen, ob du uns blind in einen stinkenden Sumpf führst oder in eine von Flammen versengte schwarze Höllengrube, uns in einen Abgrund stürzen oder einen Hinterhalt bewaffneter Nordmänner geraten lässt?

Keine Nordmänner hier, Bruder.

Wie kannst du dir da sicher sein?

Gott führt uns weg vom Dänen-Teufel.

Das stimmt. Er sieht alles. Amen.

Also dann. Amen.

Trotzdem.

Trotzdem was, lieber Bruder?

Trotzdem tu ich recht daran zu fragen.

Ich wünschte, du würdest aufhören, das zu sagen.

Wohin also?

Ich sage, da entlang. Gelobt sei Gott.

Wo entlang? Gelobt sei Gott.

Da. Gelobt sei der heilige Cuddy.

Da? Gelobt sei der heilige Cuddy.

Ja.

Da entlang.

Ja. Dort entlang. O Gott, gib mir die Kraft, die ewige Qual der Dummheit zu ertragen. Amen.

Amen.

Beide zusammen: Amen.

Weiter

und weiter

gehen sie:

Dahin, dorthin,

Tag für Tag,

nur zwei Stimmen, die Amen sagen,

von den vielen

in dieser bunten Karawane der Gefolgsleute Cuddys,

dieser mit dem Sarg beladenen verschworenen Gemeinschaft, ewig umherziehend,

ewig Lager aufschlagend und Lager abbrechend,

Karten befragend, nur mit krummen Stöcken

in die nördliche Erde gezeichnet,

und kein Mangel an Unsicherheit,

während sie

diese höchste Last tragen:

den in Tücher gewickelten Leichnam des

auf einer Bahre liegenden Heiligen.

Er ehedem der ernsteste, demütigste

Cuthbert von Melrose und Dunbar,

von dort oben an der Mündung des Forth, dann später ein wandernder

Hirte

verlorener Seelen und ein Mann großer Visionen und Wunder

und noch später der Bischof von Lindisfarne,

dann Einsiedler auf einem großen Felsen

dann Einsiedler auf einem kleinen Felsen

dann Leichnam in einem steinernen Kasten

Cuddy.

Ich nehme mein Bündel vom Rücken und setze es ab.

Es ist recht geschickt aus einer Hummerreuse gefertigt

und etwa halb so groß wie ich.

Ich bin die Kleinste von denen, die sie Haliwerfolc nennen,

das wandernde Volk des heiligen Mannes, und die einzige Frau,

aber kein einziges Mal hat mir einer geholfen, meine atemlos machende Last zu tragen.

An solche Gespräche wie das gerade niedergeschriebene

habe ich mich fast gewöhnt.                Egal

über welchen Pfad wir getrampelt sind,      an welchem

kalten, düsteren See wir vorbeikamen            immer

das Gleiche.        Männer

in Gewändern und mit schrundigen Köpfen.      Fromme

Männer.            Die Besetzung mag wechseln,

aber die Wortwechsel      bleiben      die gleichen.

Diese Gemeinschaft ist wie Regenwasser auf einem Felsen, das zu immer neuen Ausformungen findet, nur dass sie im Gegensatz zu Regenwasser selten den Weg des kleinsten Widerstands nimmt. Die Geistlosigkeit der Mönche ist die einzige Gewissheit.

Etwas, was noch größere Verwirrung stiftet als die Frage, in welche Richtung es weitergeht

und aus welchem Grund,

und was den

größten Wettstreit auslöst,

ist die Frömmigkeit. Das heißt:

Wer ist der frömmste Bruder in seiner

Hingabe an den, der dort aufgebahrt ist

im Zentrum unserer zusammengewürfelten Menagerie

wandernder Seelen. Ich spreche von den Knochen

unseres geheiligten Cuddy, unserer einzigen Konstante.

Und während sie sich streiten,

sitze ich da, sehe zu und warte.

Und spreche im Geiste mit ihm.

O Cuddy, erzähl

mir von deinem

Dahinscheiden,

sage ich.

Gut, Ediva, dann erzähle ich dir, wie der Tod

gleich einer Welle über mir zusammenschlug.

Zwei Jahreszeiten vor meinem langsamen körperlichen Ableben

zog ich mich nach Jahren auf jenen Felsen zurück

und erfüllte meine Pflichten Ihm gegenüber.

Stille und Einsamkeit suchend, kehrte ich

zurück zum Glockenspiel der Klippenmöwen

auf dieser Felsnase im brodelnden

trüben Salzwasser.

Die Brüder wollten mich einfach nicht in Ruhe lassen,

genau wie sie bald schon mit meiner Leiche hantieren sollten

(flink schlugen sie ihn in Tücher ein, balsamierten ihn verschwenderisch

und hatten bereits am Tag meines Dahinscheidens ein Grab ausgehoben

und zwei Mal zankten sich zwei um einen Spaten

oder fielen im nassen Dreck auf die Knie,

um an der Erde zu kratzen,

als wäre die Trauer eine Schatzsuche

und die Frömmigkeit der Preis).

Sie sind absolut gewissenhaft, diese Burschen:

Die Boote wurden bereitgemacht für meine kurze Überfahrt vom Felsen,

obwohl ich denke, ich bliebe lieber da draußen als Futter für die Möwen,

um zerpickt und zerfleddert und weggetragen zu werden,

Nahrung für meine alten Freunde,

die Klippenmöwen,

statt in die Erde hinabgelassen zu werden.

Meine Mönche –

sie dachten, mir wäre nicht bewusst,

dass des Klosters bester Handwerker

seit Epiphanias Siegel und Runeninschriften

in meinen Sarg geschnitzt hatte:

Matthäus, Markus, Lukas und Johannes,

sorgfältig mit dem feinsten Schnitzmesser.

Ich roch, verstehst du, Ediva, das Bienenwachs,

das er in die neuen Kerben rieb.

O Cuddy, antworte ich.

Ich werde

eine wahre Heimat

für dich finden.

Ich recke Rücken und Arme. Trinke aus meiner Flasche.

Meine jungen Knochen knarzen alt, und wunde Haut juckt an Stellen

so intim,

dass ich nicht darauf hoffen kann, mich vor Sonnenuntergang zu kratzen.

Und ich fürchte,

ich habe

Gewicht zugelegt.

Diese treuesten aller Brüder müssen es ausfechten, bis einer von ihnen ein Zeichen empfängt oder zu großen Hunger hat, um weiterzumachen, aber das kann oft Stunden dauern, Tage sogar.

Einmal warteten wir

an einer Weggabelung

bei einem verlassenen Kuhstall

vierzehn Monde lang,

während gestritten wurde,

wobei ich wette, die Verzögerung

hatte viel mit der Bauernfamilie in der Nähe zu tun,

deren Vater sieben schöne, kräftige Töchter gezeugt hatte

– sieben ist freilich eine heilige Zahl –,

und den Butterklumpen, die sie aus

ihrer gedrungenen Kate aus Gras und Torf brachten.

Bottichweise, in köstlichster Buttermilch schaukelnd.

Meine Kochtöpfe und Gerätschaften klappern ein wenig,

als ich den Korb im hohen Gras abstelle,

das diesen kaum genutzten Weg säumt, und allein der

Herrgott weiß, ob ich ihn schon einmal gegangen bin,

denn in meinem kurzen Leben muss ich eine Spur in dieses Land gezogen haben, die von Coldingham bis Carlisle, von Cartmel bis Chester-le-Street und an bestimmten Wintertagen bis zur Hölle selbst reicht.

Das Haliwerfolc ist alles, was ich kenne,

in dessen Dienst ich, wie man mir gesagt hat, verkauft wurde: für ein halbes Schwein und ein paar Salzziegel.

Der Beginn meiner traurigen Geschichte: unbekannt.

Ich bin die Köchin, wenn man es denn Kochen nennen kann, denn oft kann man es kaum Essen nennen, was ich aus dem Nichts zusammenzaubere. Ein Fraß aus Brei. Ein Breifraß. Wenigstens ist es immer warm.

Und doch bemerken die Brüder, dass

ich an Umfang und Gewicht gewonnen habe.

Ich fühle mich auch anders, vielleicht

ist es der Frühling, der ringsherum alles verändert.

So sitze ich, schlürfe und warte und bete stumm:

O Herr, o Gott, o Jesus,

o Cuddy, geheiligte Seele,

auf dieses karge Land geworfen,

bitte ich nicht zum ersten Mal

nicht um ein Zeichen, sondern

um wächserne Stöpsel, damit

meine Ohren taub werden mögen

gegenüber dem höllischen Gegacker dieser

Wandermönche, die ich euch nun

vorstellen werde:

Edmund,

Hunred,

Stitheard,

Franco,

Chad,

Eadmer,

Bischof Aldhun

und dazu ein namenloser Junge, kaum älter als ich, der kürzlich erst zu uns gestoßen ist und den ich insgeheim

Eulenauge nenne.

Die Mission der Männer ist heilig,

ihre Fracht wertvoll.

Jeder Bruder ist aus Schatten gemacht,

in die Cuddys Licht scheint.

Und so schultern sie die Knochen eines Mannes,

der durch Wunder groß wurde,

und beschützen jene Teile, welche die Krähen

sonst als Aas aufpicken würden.

Sie sagen, Cuddy verwest nicht, aber

ich sehe nur einen steinernen Kasten

auf der Suche nach einem Ort.

Und so ziehen wir alle weiter.

Bischof Aldhun bleibt, zumindest für mich, eine Art Mysterium, denn in seinem Bestreben, zu allen Zeiten als Autoritätsperson für die zu gelten, die man das Volk des heiligen Mannes nennt, hält er sich fern von allen, ist immer einen Schritt vor oder hinter dem Tross. Bei jeder Kirche, jedem Gehöft oder Heim, an dem wir vorbeikommen, stellt er sich vor – erst jüngst habe ich erfahren, dass das Inselkloster, aus dem diese Mönche stammen, eine Diözese in Besitz von nicht wenig Land ist, das sich vom Tweed bis zum Tees hinunter erstreckt, was erklären mag, warum wir oft gefahrlos umherwandern können. Und immer wird er meist herzlich begrüßt, schließlich ist er ein Bischof, aber doch nie mit der Verehrung, die unserem wertvollen Sarg mit dem Leichnam eines Mannes erwiesen wird, der ebenfalls ein Bischof war, aber jetzt an einen Platz hoch oben erhoben wurde, den einer heiliggesprochenen, unberührbaren ewigen Seele.

Ich weiß nicht. Vielleicht spürt Bischof Aldhun die Last der Verantwortung für Cuddy. Da der teuflische Däne immer noch geneigt ist, unsere ungeschützte Küste anzugreifen und sich brandschatzend durch die kargen Küstenstreifen, die im Inland gelegenen Wälder und Hochmoore ziehen, wo auch wir unterwegs sind, sind wir niemals wirklich sicher, denn auch wenn wir Zuflucht auf geweihter Erde finden, sticht der Sarg mit Cuddys sterblichen Überresten hervor. Der teuflische Däne ist ein Heide, verstehst du, und er nimmt keine Rücksicht auf unsere Heiligkeit, Frömmigkeit, Hingabe und Güte, im Gegenteil, sie reizt ihn möglicherweise noch zusätzlich. Also können wir nur hoffen, dass unsere kleine Schar nicht auffällt.

Und wir alle tragen Cuthbert in uns.

O Cuddy, erzähl mir mehr

von der Freude des Sterbens.

Das werde ich, Kind.

Das werde ich.

Also: Fünf Tage und Nächte saß ich stumm da,

und um mich wütete der göttliche Sturm.

Der Wind pfiff durch mein Strohdach: Hörst du es?

O Cuddy,

ich kann es hören,

ich kann es hören,

jetzt.

Zweimal habe ich versucht, den Riegel meines Fensters zu öffnen, aber er klemmte: Sieh doch.

Von den gelöschten Kerzen wirbelte Rauch, zerstob: Riechst du es?

O Cuddy,

ich kann es riechen,

ich kann es riechen,

jetzt.

Der Seegang hielt die Schiffe zurück, und als ich, die Glieder steif, aufstand und zur Latrine ging und über die Uferböschung aus Erde und Stein kletterte, war das dunkle Meer ein einziges Gebilde aus Furchen, aufgetürmten Schatten, Bergrücken, und ich musste an die Windungen einer großen grauen Schlange denken, die mit dem Kopf unter Inseln wie diese taucht und mit dem Schwanz in Richtung der Küste der gottlosen Dänen schlägt. Und ich betete mit Macht gegen den Schmerz.

Ich wusste, meine Brüder sorgten sich

angesichts meiner Not in abgeschiedener Einkehr

und dass mein baldiges Dahinscheiden

ihrem verwöhnten Leben ein Ende setzen könnte,

wusste jedoch auch, dass der starrköpfigste

oder verwegenste Bruder, sobald sich der Wind zu legen begann, die Riemen in den Dollen befestigen

und losrudern, ja sich die Arme auskugeln würde, um zu mir zu gelangen,

aber noch war, in jenen letzten Tagen

der Vorbereitung,

ein Gefühl der Vollkommenheit

in mir.

Ich spüre es jetzt wieder.

Ich spüre

es.

Oh, der Tod,

Cuddy?

Oh, der Tod,

in der Tat.

Als wäre er hervorgegangen aus der Ehe eines gefiederten Vaters und einer Blutmond-Mutter, ist die Vergangenheit des merkwürdigen Jungen, den ich Eulenauge nenne, mir genau so ein Mysterium wie meine eigene Vergangenheit.

Auch ihn haben die Brüder unterwegs aufgegriffen, eine weitere dürre Waise, aber vielleicht war es ja auch Cuddys Ruf, den er gehört hat.

Wäre er des Nachts von einem Ast geflogen, um zu uns zu stoßen, hätte es mich nicht überrascht, denn er hat die stille, verstohlene Art eines einsamen Jägers, doch auch den Blick des Gejagten. Nichts entgeht seinen feuchten schwarzen, alles sehenden aufmerksamen Augen. Dazu ist er so selbstgenügsam und wunderbar wie ein winziger Vogel im Nest der Mutter, aber – wie ich Grund habe anzunehmen – auch so zerbrechlich.

Er versteht Pferde. Er hat eine Art mit ihnen, die mit Worten nicht zu beschreiben ist und ihn zu einem Gewinn für die Mönche macht. Er weiß mit ihnen umzugehen. Er kennt sie. Liebt sie sogar. Und auch sie reagieren auf Eulenauge auf außergewöhnliche Weise.

Wir haben alle unsere Rollen, und das ist seine. Das Füttern und Tränken. Das Flüstern und Zureden. Das Striegeln und die Hufpflege.

Er zeigt wenig Interesse daran, ein Mönch zu werden, und die Brüder haben längst aufgehört, ihn in diese Richtung zu drängen. Besser er verbringt seine Zeit mit den Tieren als im Gebet versunken; jemand muss dafür sorgen, dass Cuddys Gemeinschaft weiterziehen kann, und so zeigen wir beide, er mit seiner Sorge um die Pferde, ich mit meinem Kochen, uns den sargtragenden Geistlichen hinlänglich erkenntlich dafür, dass sie uns willkommen geheißen haben.

Die Pferde ziehen nämlich den Karren, den Karren, der den steinernen Sarg trägt, den geschätzten, wertvollen Sarkophag, in dem ein weder durch die Zeit noch durch Maden geschädigter Leichnam liegt, für dessen Sicherheit zu sorgen uns aufgegeben ist. Wir werden nicht ruhen, bis wir ein Zeichen erhalten, dass wir eine letzte Ruhestätte gefunden haben, frei von jeder Behelligung durch den teuflischen Dänen, eine Pilgerstätte, irgendwo unter Erde und Stein. Einen Berg, der durch Visionen zu einem Ort der Wunder geformt wurde, wie er einer seliggesprochenen Seele zukommt.

So füllt Eulenauge seine Rolle aus, und ich fülle meine aus, und wir werden mit Essen belohnt, mit Wissen und dem Schutz, den die Brüder uns bieten können, welcher groß ist, denn ihre Rüstung ist der Glaube an Gott, und als zwei Außenseiter, die es in ihre seltsame Bruderschaft hineinverschlagen hat, fühlen wir beide uns unausgesprochen wie zwei Verwandte, die beiden verlorenen Kinder des blutgetränkten Nordlands.

Was ich mein nenne:

Feuerstein und Zunderbüchse,

eine Schürze.

Flachssamen,

geflochtene Strohdamen.

Meinen Namen.

Anzündschnur,

Spielzeuguhr,

Haartinktur.

Gabelbein,

Kieselstein.

Ein Glöckelein.

Alles das ist mein.

Blitzhitze und Lichtblitze. Blau gegabelt. Schädelklappern und Schwefel. Erdflamme und Feuerstein. Türme. Brüllen. Tosen. Aufwärtsdrang. Und dann sprießt es wieder in dieser Nacht aus der schweren, nassen Erde, nicht zum ersten Mal, ein Berg aus Stein, wie der Baum, der aus einer Eichel drängt. Aufragende Steine, eine Höhle reckt ihr Inneres nach außen. Felsnadeln wachsen immer höher, Steintriebe so scharf wie Sicheln oder Krummaxtblätter, andere stumpf, gemeißelt, gebogen, sinnlich. Die große Masse Stein gestreckt, aufgetürmt, der Stein gesprengt, zu Sein geformt. Gehämmert, gemeißelt, vom Regen ausgewaschen wie aus einer Bergkuppe ragendes Felsgestein. Baumberge rundum, ein sich windender Flussarm erzeugt die Vorstellung einer Insel. Ein Fluss als Burggraben, ein Burggraben, der wie eine Schlange durch den Wald gleitet und eine hölzerne Schlucht in die Klippen schneidet. Knochen platzen, Knochen splittern. Engel in Flammen halten brennende Trompeten. Der gekreuzigte Christus strahlt vor Freude, als aus der Asche mächtige Steintriebe wachsen. Steinerne Ranken verweben sich zu einem Strang. Kies und Hammer. Steinerne Träume und Träume von Stein. Heraufbeschworen von einem Heiligen, vergegenwärtigt von einer Frau, gebaut von einem Mann, von Hand. Eine Kathedrale groß wie der Himmel. Ragt riesig über dem von Wald umgebenen Fluss Wear auf, über den der Ruf des Kuckucks schallt, und sein Lied klingt weit hinaus übers Eiland, während der Berg sich entfaltet und Ecken ausbildet. Die Form hat etwas Ausgeheultes, Ausgehöhltes, eintausend Kirchen zu Größe gebläht, ein gemeißelter höhlenartiger Ort der Anbetung von der Größe des Himmels. Schrein und Heiligtum, Zuflucht und Tempel, hohler Stein, um die Pilger aus aller Welt aufzunehmen. Die Elenden und die Geretteten, die Kranken und die Wilden. Dieser Ort. So kunstvoll geschmückt, wie um alle zum Verstummen zu bringen, die den Berg erklimmen und von Ehrfurcht ergriffen den Blick auf Fenster richten, die Geschichten erzählen und den Tag in wundersame Regenbögen zersplittern lassen. Balustraden hoch wie Wolken und Treppen, die sich spiralförmig zum Himmel schrauben. Stufen, die sich in schwindelerregende Höhen winden. Hoch und höher, höher, höher, bis zur himmlischen Ebene, eine Plattform, um Ihm ins Ohr zu flüstern und das Haar von Engeln kämmen zu können. Hitzeblitz und weiße Tücher. Blaue Gabel und schreiende Augen. Der Geruch von Stein, würzig. Ein Donnerschlag hinein in weitere Visionen hoher Quergewölbe und in Stein gebannter Stille, die ohrenbetäubend ist. Galerien und Schatten und Schreine und Weihrauch und Haupt- und Nebenschiffe, Arkaden und Krypten und Dormitorien, klösterliche Anbauten und mächtige geschnitzte Türen, auf denen Tiere und Laub dargestellt sind, und Gemälde und Friese und Kapellen, Ornamente und feste Säulen. Dutzende Säulen mit Fischgrätmustern und Rauten und Kannelierungen, ein Refektorium und ein Presbyterium mit angeschlossenen Apsiden, Küchen und Bibliotheken und Schlafsälen und Kapitelsälen, und überall Steintafeln, sorgfältig wie die Seiten eines Buches angeordnet. Flammende Visionen, die im Inneren wüten. Die verwirklichte Kathedrale. Wachsend. Brüllend. Dröhnend. Szenen mit Schreinen, so vielen Schreinen, aber keiner heiliger als der des heiligen Cuthbert, unseres Bischofs, unseres Heiligen, Cuddy of Melrose, Cuddy of Lindisfarne. Der Cuddy dieser Visionen, der Enten, der Otter, der Vögel, der Robben, der Sanddünen. Der Cuddy des Felsens in schäumendem Meer, des Dünengrases, der demütige, der liebe Cuddy. Das Licht, das Leuchtfeuer für die wandernde Gemeinschaft des heiligen Mannes. Der Cuddy dieser Visionen, der Kirche von Schottland. Der Cuddy des Nordens, der Cuddy Englands. Hirte, Bischof, Bruder, Freund, Mönch. Cuddy, der Schöpfer dieses Felsenberges im tiefen grünen Tal mit dem Fluss, der Schlucht und all den wilden Tieren, die sich auf dem Wasser tummeln, die stillen Lichtungen durchstreifen und sich tief in den Keller der Insel graben, sein perfekt konservierter Leichnam für immer in der kühlen Umarmung des sich sonnenden Berges, den der Mensch für tauglich hält, um ihn zu umfangen und in einen Ort der Ruhe zu verwandeln. Grabstätte für seine Knochen, seine Haut, Augen, Finger und seinen Glauben. Hier wird Stille einkehren, nach Jahrhunderten des Umherziehens über blutig zerrissenes und von den Fackeln der Teufel schwarz verbranntes Land. Stein auf dem Fundament des Glaubens. Steinerner Glaube, der uns jeden Morgen aufstehen lässt, um die Pferde zu füttern, die den Karren mit dem Sarg ziehen, der den Leichnam birgt, der eines nahen Tages ins Innere des Berges auf der bewaldeten Anhöhe über der Schlucht gesenkt und dort versiegelt werden wird, der Schlucht, durch die fortan der schönste Vogelgesang hallt, dort wird unser Heiliger schlafen. Cuddy. Schutzheiliger des Nordens. Menschenführer. Im Berg wohnender Prophet, aber demütig, ein guter Mann, ein Mann, dessen Einfluss die Generationen für alle Zeiten wie der Klang einer Glocke begleiten wird. Ein Mann, der in diesen rasenden, tosenden Visionen neu geboren wird.

Mit der Zeit

wird mein Denken eine Karte

mit Namen

und Orten

mit Hütten

und Scheunen

mit Klöstern

und Farmen.

Siedlungen mit nicht mehr als ein paar Steinen und einer einzelnen Rauchfahne,

Schafe sehen zu. Augen auf den Hügeln. Eine seichte Quelle an der Kreuzung.

Etal

Duddo

Twizell

Unthank.

Faggot, Fanny Barks und Flesh Shank.

Holywood

Foggy Furze

Wackerfield

Muggleswick.

Wide Open, Wham und Wallish Walls.

No Place und Busygap.

Babes Well und Devil’s Lapful.

Juniper

Ludworth

Lintz.

Lickar Moor.

Bruder Hunred?,

frage ich.

Ja, Mädchen.

Wie werden wir wissen, dass wir dort angekommen sind, wohin wir wollen?

Bruder Chad guckt spöttisch.

Sein Lachen sitzt ihm in der Kehle fest

wie eine Feder; ich hoffe, sie erstickt ihn.

Das Mädchen hat einen schwachen Glauben,

sagt er.

Es ist eine berechtigte Frage,

sagt der liebe Hunred.

Wahre Gläubige stellen keine Fragen,

erwidert Chad barsch.

Hunred fängt meinen Blick auf

und hebt eine Braue.

Ich unterdrücke ein Kichern.

Verstecke es in meiner Kehle.

Forschende Geister stellen Fragen,

sagt er.

Das wird wohl kaum eine Sünde sein.

Jetzt mischt sich auch Stitheard ein.

Ich habe mich das auch schon oft gefragt,

sagt er

und niest dann,

denn in seiner Brust brennt grüne Fäulnis,

die er hervorhustet und mit einem leisen

Vergib mir, o Herr, ausspuckt, und so

hinterlässt er eine Spur aus Kehlmuscheln

auf unserem Wanderweg.

Bruder Stitheard,

sage ich.

Ich bereite dir eine Medizin

für deine Krankheit,

heute Abend,

wenn wir unser Lager aufschlagen,

weil ich nicht nur die Köchin bin,

sondern auch ein, zwei Dinge über

Pflanzen, Wickel und Tränke weiß,

und wieder verzieht Chad das Gesicht,

aber nur, weil er noch nie

eine helfende Hand gebraucht hat, da er

von robustester Gesundheit ist, leider.

Ermutigt durch Stitheards Äußerung fährt Hunred unerschrocken fort.

Wie werden wir wissen, dass wir da angekommen sind, wohin wir wollen?,

wiederholt er.

Ja,

sage ich.

Was ich meine, ist:

Wie werden wir wissen, dass wir eine angemessene Ruhestätte für einen Heiligen gefunden haben?

Daran kaut er wie an einem dicken Schweineknorpel.

Ich glaube, wir werden ein Zeichen bekommen, Ediva.

Selbst Chad wird jetzt neugierig.

Ein Zeichen?,

frage ich.

Ja, Kind. Ein Zeichen.

Welcher Art?, frage ich mich, aber Cuddy führt uns, und wenn er bereit ist, wird er es uns zeigen.

Amen,

sagt Stitheard.

Angenehm vage,

murmelt Chad.

Im Gegenteil, lieber Bruder,

sagt Hunred.

Gar nicht vage.

Denn ein Zeichen ist ein Zeichen ist ein Zeichen. Wir werden es erkennen, wenn wir es sehen, und wir werden es sehen, wenn wir es erkennen.

Amen,

sagt Stitheard wieder,

und ausnahmsweise hält sogar Bruder Chad den Mund,

hat er doch selbst gesagt,

wahre Gläubige stellen keine Fragen.

O Cuddy, sag mir,

wie haben sie

deinen Leichnam hergerichtet,

den wir jetzt mit uns tragen?

Nun, Kind. In ihrer Trauer führten sie

allerlei zögerliche Diskussionen,

was für Dinge

mich wohl ins Königreich des Jenseits

begleiten sollten,

im Sarg in der weichen Frühlingserde.

Stola        oder                Brustschmuck?

Manipel                        oder Geldbeutel?

Kerzen,                                natürlich,

um den Weg zu erleuchten.

Und, vielleicht, ein feiner Kamm

zur Pflege? Ja, ein Kamm

aus einem Hirschgeweih oder   Kuhknochen.

Sie sprechen so                                laut.

Tot stelle ich fest

ich bin

taub

von den Stimmen, die

t o s e n

wie das Meer,

das tief unterhalb

des Klippenrands

neue Höhlen gräbt.

Und alles scheint irgendwie auch heller,

wie mit zerkleinertem Quarz besprenkelt.

Überall sehe ich die Einzelheiten,

bis auf die feinste Pigmentierung. Ja.

Im Tod

ist alles heller, alles funkelt, und

mich begeistert die Vorstellung

von Bündeln glitschigen, öligen Blasentangs,

der mir durch die rissigen, trockenen Hände

gleitet

und

aufreißt,

oder davon, von dramatisch

lärmend

heranrollendem

Regen

geblendet zu werden,

während er krabbengleich an Land kriecht.

Ich bin

ausgehungert

nach heißem Fleisch,

schäume vor

Freude.

O Herr,

o Tod,

o süße Erlösung.

Und jetzt

ist alles Geschichte.

O Cuddy,

ich kann es nicht erwarten.

Ich kann es nicht erwarten,

zu dir zu stoßen.

Nein, Kind.

Du verbringst deine Zeit

am besten aufrecht.

Du musst am Leben bleiben.

Er schleicht sich leise an mich heran, der Bischof Aldhun. Redet um den heißen Brei herum.

Und wie kommst du zurecht, Kind? Gut, hoffe ich? Ja, ja, die Vorräte, ich hoffe, sie sind ausreichend aufgefüllt? Dankst du unserem Herrn jeden Tag dafür, dass er uns nährt? Solche Sachen.

Am liebsten würde ich erwidern, dass ich es bin, die hier alle nährt, aber ich will den Mann nicht aus dem Konzept bringen, weil er ganz offensichtlich auf etwas hinauswill, und als er gesteht, dass er ein Leiden hat, ist es, als wäre er das Kind, das zum Bischof kommt, und nicht umgekehrt, und ich muss mir auf die Backe beißen, um nicht zu grienen.

Es geht nämlich um seine Hoden.

Sie sind wund gescheuert.

Seine Eier zerschunden. Vom Gehen.

Rot. Wie Purpurmoos.

Tja, da gibt es kein Drumherumreden.

Ich sage dem Bischof, dass er sich nach Lage der Dinge in guten Händen befindet und ich ihm einen kühlenden Wickel für seine pochenden Hoden machen kann und auch Stillschweigen bewahren werde, wobei es mir natürlich leichter fallen würde, ein solches Geheimnis zu wahren, könnte ich den Kopf auf eines der Gänsedaunenkissen betten, die ich ihn vorm Schlafengehen hätte aufschütteln sehen.

Er senkt den Blick und nickt bedächtig, und in der Nacht liegt mein Kopf auf einem Sack mit wunderbar weichen Federn, und ich genieße den besten Schlaf, so weit ich zurückdenken kann.

Genau wie der Bischof.

Eulenauge ist so schweigsam, und man könnte fast vergessen, dass er eine Zunge besitzt.

Als wir eines Tages unterwegs zu einer geschützt gelegenen Pfarrei sind, tritt auch er an meine Seite.

Wir befinden uns irgendwo zwischen den zwei großen Flüssen Tyne und Wear.

Ich habe vergessen, wo genau, aber es ist Frühling, weil es in Gestrüpp und Gebüsch munter zwitschert, dort, wo die Vögel ihre Nester bauen und nachts die Schreie der Füchse vom Himmel widerhallen. Es ist Rollzeit, wildes Ranzen wird in wenigen Wochen taumelnde Welpen produzieren, und der Kreislauf beginnt von Neuem.

Eine Weile gehen wir schweigend weiter, und als Eulenauge zu sprechen beginnt, erklingt seine Stimme, die alle bis auf die Pferde so selten zu hören bekommen und die so schön ist wie der Gesang der Vögel um uns herum, in der ihr eigenen melodischen Unschuld. Einer Stimme des Lebens und des Sehnens.

Denkst du, wir sind nahe?,

fragt er.

Nahe?,

frage ich.

Wir uns? Du und ich?

Er wird ein bisschen rot, und ich sehe, wie die Sonne das feine Haar auf seiner Oberlippe entzündet und in goldene Fäden verwandelt.

Nahe an unserem Ziel,

sagt er.

Bruder Franco meint, dass wir noch vor Sonnenuntergang ankommen und noch genug Zeit haben sollten, ein Essen zuzubereiten.

Nein,

sagt Eulenauge.

Wohin wir unterwegs sind, meine ich. Nicht heute oder morgen. Mit der Last des Heiligen, den die Pferde durch Sümpfe und über Stock und Stein ziehen.

Es ist eine Last, für die wir dankbar sein sollten,

sage ich.

Sein sollten,

sagt er.

Warum? Bist du es leid, in Zelten, Höhlen und Kirchenschiffen zu schlafen?

Eulenauge zuckt mit den Schultern.

Ich kenne nichts anderes, Ediva,

sagt er.

Ich frage mich nur, ob du dich das auch schon gefragt hast.

Wohin wir ihn bringen, meinst du?

Ja. Die letzte Ruhestätte, welche die Brüder suchen. Wo sie ist und wie sie aussehen mag, und wie ein solcher Ort, der einem Heiligen zukommt, je in dieser gottverlassenen Gegend gefunden werden kann.

Nein,

antworte ich, ohne zu zögern.

Er sieht mich von der Seite an. Über einem Auge hat er eine kleine Narbe, die mir noch nie aufgefallen ist.

Nein?

Ich weiß bereits, wo der Ort ist, zu dem wir ihn bringen.

Wieder sieht mich Eulenauge von der Seite an.

Du weißt schon, wohin wir ihn bringen?

Ja. Ich habe den Ort gesehen.

Seit Jahren fliehen wir vor den teuflischen Dänen. Schon bevor du und ich geboren waren, Ediva, haben die Klosterbrüder Cuddy von seiner Insel, aus seinem Heim, übers Wasser in dieses Königreich aus kahlen Bergen und Wäldern gebracht.

So viel habe ich Eulenauge noch nie reden hören. Ich lasse seine Worte auf mich wirken und antworte nichts, sodass er gezwungen ist weiterzureden.

Und doch sagst du, du hast den Ort gesehen, zu dem wir gehen?

Ich nicke. Noch immer schweige ich. Ich genieße diese kleine Macht, die mir mein Wissen gewährt.

Wie?

Wir gehen weiter.

Im Schlaf,

sage ich schließlich.

Im Schlaf?

In Visionen,

erkläre ich.

Tja.

In Visionen?

Ja. Ich habe unser Ziel schon viele Male gesehen.

Wie ist das möglich?

Wie ist überhaupt etwas möglich? Wie ist es möglich, dass wir jeden Morgen zu essen haben und jeden Tag aufs Neue überleben? Wie entgehen wir den teuflischen Dänen, schützen Cuddy und finden unseren Weg?

Weil Gott es so fügt?

Nun dann,

schnaube ich,

muss Gott es wohl so gefügt haben.

Wir gehen weiter. Eulenauge schüttelt den Kopf.

Das verstehe ich nicht.

Du würdest es verstehen, wenn auch du Visionen hättest.

Eulenauge sagt nichts, bis das Schweigen ihn dazu zwingt, die Leere mit einem Geständnis zu füllen.

Wenn ich schlafe, habe ich ebenfalls Visionen.

Ach ja?

Ja. Aber hauptsächlich von Pferden. Hunderte Pferde galoppieren über die Ebenen. Es gibt keine Menschen, nur Pferde. Das Geräusch, das sie machen, ist wie der Donner, den wir vorm Regen hören. Das Schäumen ihrer heißen Leiber ist das Schäumen, das folgt. Es ist so schön. Aber Cuddys letzte Ruhestätte habe ich noch nie gesehen.

Es sind nur Träume,

sage ich, und wir gehen weiter, in unsere Gedanken versunken.

Doch dann bleibt Eulenauge stehen, und er wendet sich mir zu und sagt mit überaus ernster Stimme:

Erzähl es mir. Erzähl mir, was du siehst, Ediva.

Ich zögere eine Weile, doch dann strömen die Worte wie ein Fluss aus mir heraus.

Ich sehe Dinge, die ich nicht verstehe, aber ich weiß auch, dass ich zu gegebener Zeit beginnen werde, sie zu verstehen. Ich sehe Szenen von morgen, und ich weiß, den künftigen Menschen wird es dort gut gehen.

Ja,

sagt Eulenauge, und seine großen Augen werden noch größer, so wie die eines Vogels in dem starren Moment, bevor er hinabschießt und ihm der Puls seiner Beute in den Ohren pocht, der Wald verschwindet und es nur noch seinen Sturzflug, die Klauen, das Fleisch und das Schreien der Verdammten gibt.

Ich fahre fort.

All das kommt mir im Schlaf, diese Szenen, diese Menschen. Da ist ein Gebäude. Ich sehe es, wie du den Mond siehst, Eulenauge. Dieses Gebäude. Es ist größer als alles, was je von Menschen gebaut wurde, so groß, dass es wie ein Berg aufragt, wie ein mächtiges Ungeheuer. Aber es ist auch schön, so kunstvoll verziert und so verschlungen in seiner Hingabe und Dankbarkeit gegenüber Gott, dass es nur menschengemacht sein kann, von Menschen geschaffen, von Menschen geweiht. Etwas, das so gestaltet ist, kann kein Werk der Natur sein; nein, das ist das Werk von Menschen. Vielen Menschen. Männern wie Frauen. Menschen wie uns.

Eulenauge drängt mich fortzufahren.

Ja,

sagt er,

erzähl mir mehr.

Und das tue ich.

Denn das, was ich sehe, ist eine Kirche, wie sie es kein zweites Mal gibt. Jeder Stein erzählt eine Geschichte, und gemeinsam zeichnen diese Geschichten den Aufstieg des Menschen nach, den Aufstieg Gottes, den gemeinsamen Aufstieg des Menschen und Gottes sowie die Wiedergeburt des dahingeschiedenen Cuddy, dessen Leichnam wir mit uns führen und dessen neues Heim ich im Schlaf erblicke. Gesichter schmücken diese neue Kirche. Auch auf den Ecken sitzen steinerne Gesichter, und es gibt Türme so hoch, dass die Wolken in Ehrfurcht zu ihnen aufblicken. Und die Fenster, oh, die Fenster. Sie sind so geschaffen, dass die Strahlen der Sonne allerlei Wunder darauf malen. So viele Farben.

Welche Farben, Ediva?

Alle Farben und noch viele mehr,

sage ich.

Gemeinsam werden wir sie bauen.

Wir werden die Farben bauen?

Wir werden all das bauen.

Vielleicht

ist es ein Blitzstrahl

hinter dem Auge,

ein blauer Zacken,

der in einen

ahnungslosen Schädel fährt,

oder es sind sieben verrückte

in einen Glockenturm

eingemauerte Elstern.

Vielleicht

beginnt es mit einem Läuten,

einer vorübergehenden Blindheit

oder dem wirbelnden Strudel der Sonne.

Dem Geruch nach einem Sommerregen.

Dem Geschmack von Staub auf der Zunge.

Dessen bin ich sicher:

Keiner fängt wie der andere an,

und doch erbaut jede neue Vision

die gleiche steinerne Struktur

hinter dem schwarzen Schleier

meiner Tage –

einen Tempel mit spitzen Türmen,

Mönchen und murmelnden Prioren.

Einem Fenster, einem Altar, einer Wetterfahne.

Knochenfeuer und Schädelkerze. Geplatztes, geschwärztes Auge. Ein Funkenregen. Das sind die Zeichen in dieser Nacht unter den Sternen, in Kalbsfell gewickelt daliegend, die letzte Glut pulst mit der Hitze des Feuers, das bis zum Morgen einen Aschemond hinterlassen wird. Hierhin zurückzukehren. Zu blauen Blitzschlag-Visionen. Zu Schmerzstrahlen, die durch die Risse des Schlafs pulsieren. Die Visionsaugen erklimmen die Hänge des Visionsberges. Junge Hände krallen sich durch Gebüsch und Steckginster. Der steinerne Berg, durch den Glauben heraufbeschworen, von Menschenhand errichtet. Ein Ort, der zu einer Kathedrale werden soll, um Cuddy hineinzulegen. Ein Ort, um ihn zur ewigen Ruhe zu betten. In schwarzen Tüchern und gleißenden Blitzen, jede Einzelheit sichtbar. Gedanken folgen dem Donner. Neue Einzelheiten. Jede Architekturfrage beantwortet. Jedes Problem gelöst. Ich sehe das alles im Fieber. Ich sehe es in Stein, als stünde ich dort und blickte hinauf. Zu den Türmen, welche die Sonne verdecken. Zu einer Steinkrone, in der sich die Krähen tummeln. Ein weiterer Schädelschrei, ein Zeitrutsch. Dann sehe ich mich langsam gegen eine massive hölzerne Tür drücken. In diesen Tempel aus Stein und Staub eintreten, den mein schlichter Geist gebaut hat. Herzklopfen und Angst. Feuerblitz, als ich stehen bleibe und den Geruch von lasiertem Holz, Bienenwachs und Glauben in mich aufnehme. Und der unendlich leise Chor stimmt in die Harmonie ein. Stimmen finden einen Ton und halten ihn. Und der Ton schwillt an. Der Ton leuchtet. Glimmt. Zeitsprung. Die Stimmen werden lauter. Stärker. Heller. Ein inbrünstiger Chor singt eine Hymne für einen Heiligen. Eine Hymne für Cuddy, gesungen von jungen und alten Stimmen. Reinen und unerschrockenen. Der unerschrockene Chor des Glaubens und der Getreuen. Der Beständigkeit und des Glaubens. Nie gelehrte Vorstellungen. Nie gelernte Worte. Empfundene Gefühle. Stimmen der Überzeugung. Der Zustimmung und des Zuspruchs. Stimmen der Wahrheit, Treue gelobend. Engelsstimmen. Engel singen tief in den Katakomben meines schlafenden Geistes. Festigen die Vision und erinnern daran, dass alles wirklich und es unsere Aufgabe ist, und wenn ich das Zeichen sehe, werden wir die bewaldete Insel finden, und dort auf der Höhe halten wir an, ruhen aus und bauen sie.

III

»Sein Name, Cuthbert, deutet stark darauf hin, dass er angelsächsischer und nicht britischer Abstammung war.«

Magnus Magnusson, Lindisfarne: The Cradle Island

»Einige behaupten, er war aristokratischer Herkunft, andere dass er aus einer Bauernfamilie kam.«

Paul Frodsham, Cuthbert and the Northumbrian Saints

»Keiner weiß wirklich, wer seine Eltern waren.«

Margaret Gibbs, Saints Over the Border

»Er liebte Spiele und Streiche und, wie es natürlich für sein Alter war, mit anderen Kindern zu spielen. Er war beweglich, geistig rege und gewann für gewöhnlich. Er war oft noch voller Energie, wenn andere müde wurden, sah sich triumphierend um, als läge das Spiel in seiner Hand, und fragte, wer noch weitermachen wolle.«

Bede, Life of Cuthbert

»Er vollführte mit seinen Freunden gerne Handstände.«

Lindisfarne Priory: English Heritage Guidebook

»Es heißt, er konnte Purzelbäume schlagen und sogar auf den Händen gehen – was äußerst schwierig ist.«

Margaret Gibbs, Saints Over the Border

»Als er acht Jahre alt war, wurde er in die Obhut einer christlichen Pflegemutter namens Coenswith gegeben, in einem nicht identifizierten Dorf mit dem Namen Hruringaham … er nannte sie ›Mutter‹ und hat sie später in seinem Leben oft besucht.«

Magnus Magnusson, Lindisfarne: The Cradle Island

»Er war ein verträumter, ruhiger Junge, und er hörte sich gern an, was die Mönche im Tal über Gott und den Himmel zu erzählen hatten.«

Elizabeth Grierson, Tales of English Ministers: Durham

»Er widmete sein Leben Gott und erzählte später seinen Freunden, Gott habe, wenn er wieder einmal in seiner Not zu ihm betete, oft Engel geschickt, um ihn zu verteidigen.«

Bede, Life of Cuthbert

»Es gab dort noch eine Menge anderer Hirtenjungen, und alle lebten Tag und Nacht mit ihren Tieren unter freiem Himmel.«

Margaret Gibbs, Saints Over the Border

»Eines Abends, als seine Gefährten schlafen gegangen waren und er Wache hielt und wie gewöhnlich betete, sah er plötzlich ein Licht vom Himmel strömen und die Dunkelheit der Nacht durchbrechen, und die Chöre des himmlischen Herrn kamen auf die Erde. Schnell nahmen sie in ihre Reihen eine menschliche, hell strahlende Seele auf und kehrten in ihr Zuhause hoch oben zurück. Den Jungen bewegte diese Vision so sehr, dass er sich eine strenge spirituelle Disziplin auferlegte, um ewiges Glück mit den Helden des Herrn zu erlangen.«

Bede, Life of Cuthbert

»Wegen des Ruhmes und der außergewöhnlichen Tugenden des Mönchs und Priesters Boisil zog es Cuthbert mehr nach Melrose als nach Lindisfarne.«

Magnus Magnusson, Lindisfarne: The Cradle Island

»Ein Mönch stand am Tor. Es war Prior Boiswell.«

Margaret Gibbs, Saints Over the Border

»Ecce servus Dei!« [»Seht, der Diener Gottes!«]

Boisil, Prior des Klosters Melrose, als er Cuthbert zum ersten Mal erblickt

»Boisil starb an der Pest, die auch Cuthbert befallen hatte. Herefrith, ein Priester und der spätere Abt von Lindisfarne, der zu der Zeit im Kloster war, erzählte Bede, wie Boisil in der letzten Woche seines Leben vorschlug, die ihm verbliebene Zeit darauf zu verwenden, seinen Schüler zu unterrichten.«

Sister Benedicta Ward SLG, The Spirituality of St Cuthbert, in: Gerald Bonner, David Rollason, Clare Stancliffe (Hg.), St Cuthbert, His Cult and His Community to A. D. 1200

»Als Prior von Melrose bestand eine von Cuthberts Aufgaben darin, denen zu predigen, die wegen der Pest wieder zu Heiden geworden waren.«

Clare Stancliffe, Cuthbert, Pastor and Solitary, in: Gerald Bonner, David Rollason, Clare Stancliffe (Hg.), St Cuthbert, His Cult and His Community to A. D. 1200

»Obwohl seine alten Nachbarn sehr stolz auf die Ehre waren, die ihm zuteil geworden war, schätzte Cuthbert sie gering; denn er war ein bescheidener Mann, und er predigte lieber dem unwissenden Volk in den Bergen, als zu Hause in seinem Prior-Gemach in Melrose zu bleiben.«

Elizabeth Grierson, Tales of English Ministers

»Es war typisch für ihn, in diese Gegenden zu wandern und in den entlegenen Flecken auf steilen, zerklüfteten Berghängen zu beten, wohin zu gehen sich andere Männer gefürchtet hätten und wo Armut und Unwissenheit nicht dazu angetan waren, Gelehrte willkommen zu heißen.«

Helen Waddell, Beasts and Saints

»Denn viele von ihnen entweihten ihren Glauben durch gottlose Taten, und manche vergaßen zu Zeiten der Pest das heilige Mysterium des Glaubens, in das sie eingeführt worden waren, und wandten sich trügerischen Heilsversprechen der Götzenverehrung zu, als könnten sie mit Beschwörungen, Amuletten oder anderen Geheimnissen teuflischer Art den von Gott, dem Schöpfer gesandten Schlag abwehren. Und so verließ er oft das Kloster, um die Irrtümer beider Arten Sünder zu berichtigen.«

Bede, Life of Cuthbert

»Es gab keine Dorfkirchen. Wenn die Menschen verheiratet oder getauft werden wollten, mussten sie warten, bis einer der missionierenden Mönche in die Gegend kam.«

Margaret Gibbs, Saints Over the Border

»Oft kam er eine ganze Woche, manchmal auch zwei oder drei Wochen lang … nicht nach Hause zurück.«

Helen Waddell, Beasts and Saints

»Und gelegentlich blieb er einen vollen Monat weg, in einer Kutte aus selbst gesponnener, ungefärbter Wolle, und im Winter mit einem langen Umhang aus so kräftigem Material darüber, dass es auch Regen widerstand. Vielleicht hatte er einen Ranzen dabei.«

Henry Kelsey, St Aidan and St Cuthbert

»Er verweilte in den Bergen und rief die Landbewohner zu himmlischen Dingen auf, nicht nur durch die Worte seiner Predigten, sondern auch durch das Beispiel seiner Tugend.«

Bede, Life of Cuthbert

»Nach seinem Aufbruch aus Melrose wurde Cuthbert von Bischof Eata zurückgerufen, der ihn nach Lindisfarne schickte.«

Clare Stancliffe, Cuthbert, Pastor and Solitary

»Gewiss hatte es Cuthbert im Kloster nicht leicht. Er musste die Brüder davon überzeugen, einer mönchischen Regel zu folgen statt ihren traditionellen Gewohnheiten, und das führte zu Bitterkeit.«

Clare Stancliffe, Cuthbert, Pastor and Solitary

»Im späten siebten und im achten Jahrhundert hatte ein Kloster oft etwas von einem speziellen Edelmanns-Club … selbst in Lindisfarne tafelten die Brüder zu Weihnachten auf eine Weise, die Cuthbert alarmierte.«

J. Campbell, Elements in the Background to the Life of St Cuthbert and the Early Cult, in: Gerald Bonner, David Rollason, Clare Stancliffe (Hg.), St Cuthbert, His Cult and His Community to AD 1200

»Er verbrachte ganze Nächte im Gebet, wobei er sich dafür manchmal ins eiskalte Wasser legte.«

Margaret Gibbs, Saints Over the Border

»Im eiskalten Wasser des Meeres zu beten, dieses alte mönchische Rezept gegen die Begierde.«

Sister Benedicta Ward SLG, The Spirituality of St Cuthbert