Cyano - Andreas Pietzsch - E-Book

Cyano E-Book

Andreas Pietzsch

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Beschreibung

Eine neue, hochgefährliche Droge, Cyano-Meth, beginnt den Markt zu erobern und löst blutige Auseinandersetzungen zwischen den bereits im Land etablierten Drogenbanden aus. Die Hauptkommissare Asbach und Maibach aus dem Polizeikommissariat auf der Schießgasse in Dresden führen einen erbitterten und gefährlichen Kampf gegen die Ausbreitung der neuen Droge.

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Das Buch

Cyano-Meth, eine neue, hochgefährliche Droge beginnt den Rauschgiftmarkt zu erobern und löst brutale und blutige Auseinandersetzungen unter den bereits in der Stadt Dresden etablierten Drogenbanden aus.

Hauptkommissar Arnt Asbach von der Sonderermittlungsgruppe gegen organisierte Kriminalität im Polizeipräsidium auf der Schießgasse führt gemeinsam mit Hauptkommissar Maibach einen erbitterten und gefährlichen Kampf gegen die Drogenmafia.

Der Autor

Andreas Pietzsch lebt in Dresden. Er arbeitete als Chemiearbeiter und auf dem Bau, studierte Naturwissenschaften und wurde Lehrer.

In der Reihe „Hauptkommissar Asbach ermittelt“ erschienen bereits die Romane „Weil man es zulässt“, „Wenn ich rede, bin ich tot“ und „Geld, Gold und schräge Vögel“.

Die in diesem Roman agierenden Personen sind vom Autor frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Der Nebel hing noch wie ein schmutziges Bettlaken zwischen den tropfenden Bäumen und vor der hohen Felswand, als die vier Männer aus dem Volvo stiegen. Das Gelände vor ihnen war in einer Entfernung von etwa zweihundert Metern durch Stacheldraht abgesperrt. An den Spanndrähten hingen Schilder mit der Aufschrift:

ATTENTION!

MINENGEBIET

DULNI OBLAST

„Minengebiet? Die vier Herren sahen Matteo Moretti, der ihnen entgegen kam, leicht irritiert an.

„Keine Sorge, ist alles von uns installiert worden. Abschreckung neugieriger Touristen für den Fall, dass sich doch mal einer in diese Gegend verirren sollte.“

Moretti gab einen Zahlencode in sein Smartphone ein und wie von Geisterhand schob sich eines der Drahtfelder zur Seite.

Die Männer betraten das mit Granitbrocken übersäte Gelände innerhalb der Umzäumung. Moretti gab wieder einen Code ein und die Absperrung schloss sich.

„Ein uralter Granitsteinbruch“, erklärte Moretti.

„Ich dachte“, warf einer der Männer ein, „dass die Sächsischen Schweiz nur aus Sandstein besteht.“

„Ein sehr weit verbreiteter Irrtum“, erwiderte Moretti, “auch das Granitgestein bildet einen Teil des Elbsandsteingebirges. Die Granitformationen reichen von der Lausitz bis in das Gebiet Tschechiens. Wir befinden uns hier in einem ehemaligen Steinbruch. Der vorige Besitzer erwarb das gesamte Areal nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems vom tschechischen Staat und belieferte vor allem Abnehmer in der Bundesrepublik und Österreich mit Granitschotter.“

„Bis die Bauunternehmer dahinter kamen“, ergänzte einer der Männer, „dass Schotter nicht unbedingt aus dem relativ sehr teuren Granitgestein bestehen muss, sondern dass Kalkstein- oder Betonschotter für die meisten Bauvorhaben ebenfalls ausreicht.“

„Wobei die Preise dabei die entscheidende Rolle spielten“, ergänzte Moretti. „Für eine Tonne Granitschotter liegt der Preis so zwischen 130 und 150 Euro, während eine Tonne Recyclingschotter aus Bauschrott unter 10 Euro zu haben ist.“

„Also Insolvenz“, stellte einer der Männer fest.

„So war es. Ein Bauunternehmer aus Tepilce, der zur Familie gehört, erwarb das gesamte Gelände mit unserem Geld und wir bewirtschaften es.“

„Also Nießbrauch.“

„So ist es“, erwiderte Moretti.

Die Männer waren inzwischen vor der steil emporragenden Felswand angekommen und blieben stehen.

Moretti gab wieder einen Code in sein Smartphon ein und eine schwere, stählerne Tür, die mit bloßem Auge kaum vom Gestein zu unterscheiden war, glitt zur Seite.

Moretti wies mit der Hand in den Fels. Ein nur schwach beleuchteter Gang führte in das Innere des Berges. Nach etwa dreißig Metern standen sie erneut vor einer massiven Stahltür. Moretti trat dicht an die Felswand heran und nannte eine Zahlenkombination. Ein saugendes Geräusch und die Tür glitt lautlos in das Felsgestein.

Die Halle, die sich jetzt vor den Männern auftat, maß gute dreißig Meter in der Länge, war an die vier Meter hoch und nahezu zehn Meter breit.

„Eine typische Wollsackhöhle“, sagte einer der Männer, der in seiner Jugend Geologie studiert hatte.

Moretti wies mit der rechten Hand in das Innere der Höhle.

Links an der Wand lagerten Plastikkanister und Fässer mit Chemikalien. In einer Ecke rotierte eine Pillenpresse und spuckte rosafarbene Pillen in eine Plastikwanne. In der Mitte des Raumes stand ein langer Labortisch, an denen Männer und Frauen in weißen Kitteln arbeiteten.

„Doktor Schneider“, stellte Moretti den Mann vor, der die Besuchergruppe empfing. „Doktor Schneider wird uns einen kurzen Überblick über die Geschichte des Chrystal Meth geben und seine neuesten Forschungsergebnisse vorstellen.“

Moretti führte die Gruppe in einen kleinen Raum, der von der linken Seite der Höhlenwand abging. Die Männer nahmen Platz. Eine Laborantin schenkte Kaffee ein, stellte eine Schale mit Hörnchen auf den Tisch und für jeden ein Schüsselchen mit Aprikosenmarmelade.

„Meine werten Herren“, begann Doktor Schneider mit seinen Ausführungen, „wer glaubt, dass Chrystal Meth eine Droge der Neuzeit ist, der irrt sich. Bereits 1843 gelang es dem Japaner Nagai, dieses Metamphetamin herzustellen. 1937 ließen sich die Berliner Temmler-Werke die Herstellung dieser Substanz patentieren und brachten es unter dem Namen Pervitin in den Handel. Im zweiten Weltkrieg nahmen es deutsche Soldaten bei gefährlichen Einsätzen, zum Beispiel, wenn sie hinter die Front gerieten. Es wirkt angsthemmend und zugleich euphorisierend und leistungssteigernd.

Pervitin wurde als Panzerschokolade, Fliegermarzipan oder Hermann-Göring-Pille bezeichnet. Übrigens soll Adolf Hitler ein regelmäßiger Konsument von Pervitin gewesen sein. Die Amerikaner benutzten es im Vietnamkrieg. Auch die Bundeswehr, sowie die NVA der DDR hatten größere Vorräte für einen möglichen Ernstfall eingelagert. Interessant wäre noch, dass Pervitin in der DDR im sächsischen Königsbrück produziert wurde. Als Dopingmittel im Sport ...“

Moretti erhob sich und verließ leise den kleinen Raum. Er kannte die Ausführungen von Doktor Schneider zur Genüge. Der würde jetzt sicher auf den Profisport, die Erstbesteigung des Nanga Parbat und den Gebrauch der Droge durch Politiker umfassend referieren.

Er durchquerte das Laboratorium, betrat einen komfortabel eingerichteten Nebenraum mit Clubsesseln, Sofas, niedrigen Tischen, Kühlschrank und Fernseher. Er nahm aus dem Tiefkühlfach zwei Eiswürfel, ließ sie in ein Glas fallen und goss reichlich Whisky ein.

Auf dem Bildschirm lief der Herstellungsprozess von Chrystal Meth in einer Endlosschleife. Längst überholt, dachte Moretti. Die Experimentierergebnisse Schneiders würden das Drogengeschäft derart revolutionieren, dass er den Auftrag der Familie, den Osten dieses Landes für das große Geschäft bereit zu machen, in kurzer Zeit erreichen würde. Seine ursprüngliche negative Haltung zu allem, was mit Drogen zusammen hing, hatte er aufgegeben. Die Clans aus Georgien, Tschetschenien, Russland und neuerdings die Araber fingen an, mit ihren Drogengeldern in das Immobiliengeschäft einzusteigen. Und genau das musste verhindert werden. Wer die Immobilienbranche beherrschte, beherrschte auch das Land. Gewohnt wird immer. Es war richtig gewesen, dass er seinen Wohnsitz nach Berlin verlegt hatte. Die großen Entscheidungen für dieses Land fielen dort, obwohl die Stadt inzwischen das Sammelbecken für arabische Clans, Rockergruppen und diverse kriminelle Banden aus aller Herren Länder geworden war.

Das würde beendet werden. Die Stadt musste nach dem Vorbild Neapels der Mafia gehören. Zwanzig bis fünfundzwanzig Milliarden Jahresumsatz durch die Familie. Dazu brauchte man ein intaktes Hinterland. Seine Leute würden die wichtigsten Städte im Osten von allem, was nicht zur Familie gehörte, säubern.

Also Krieg!

Es würde Krieg geben.

Es würde Tote und Verletzte geben.

Der Krieg musste mit aller Brutalität und Rücksichtslosigkeit geführt werden. Der Krieg musste wie ein Tornado die dort herrschenden kriminellen Machtverhältnisse zerstören und neue kriminelle Machtverhältnisse schaffen – nach dem Vorbild seiner geliebten Heimatstadt Neapel.

Moretti warf einen Blick zum Bildschirm. Der Aufzug, der durch den Fels nach oben verlief, war seine Idee gewesen. Die gut verpackten Pillen landeten genau dort, wo die Sommerrodelbahn ihren Höhepunkt erreichte und die Schlitten wieder abwärts glitten. Nachts, wenn sich keine Menschenseele mehr weit und breit im Gelände aufhielt, wurden die Plastikboxen mit den Schlitten von zwei seiner Leute ins Tal befördert. Von dort zur Elbe war der gefährdetste Abschnitt. Die Lieferwagen für das große Restaurant an der Elbe wurden zwar bis jetzt noch nicht kontrolliert, aber man sollte eine andere Möglichkeit finden.

Moretti schwenkte das Kristallglas mit den Eiswürfeln und nahm einen tiefen Schluck.

Die alte, verwahrloste Fabrikruine am Ufer der Elbe hatte dieser Doktor Schneider, ein gebürtiger Dresdner, für einen Pappenstiel erworben, um dort angeblich wieder Zellstoffprodukte zu produzieren. Der Zugang zur Elbe war damit gesichert. Die von einer griechischen Werft hergestellten Minitorpedos, deren Kurs und Endziel über einen Computer gesteuert wurden, waren das Geld, das sie gekostet hatten, auf jeden Fall wert gewesen. Auch die beiden Motorjachten, die er im Segelverein in der Nähe des Blauen Wunders angemeldet und dort vertäut hatte, waren seine Idee gewesen. Der doppelte Rumpf der Boote gewährleistete, dass die Minitorpedos in den gefluteten unteren Teil der Jachten eindringen konnten. Der Weitertransport des neuen Cyano Meth war damit gesichert.

Moretti nahm noch einen Schluck von seinem Whisky, erhob sich und ging zurück.

Als er den Vortragsraum betrat, war Doktor Schneider gerade bei der Chemie der neuen von ihm entwickelten Droge angekommen. An einer Projektionswand sah man die Struktur von Chrystal Meth und daneben die von Cyano Meth. Moretti erinnerte sich an den Vortrag, den ihm Doktor Schneider gleich nach dem Abschluss seiner Experimente gehalten hatte. Es war dem Doktor gelungen, irgendeine Methylgruppen durch das Cyanid-Ion zu ersetzen. Er hatte von dem chemischen Kauderwelsch nicht viel verstanden. Nur, dass der Doktor mit Zyankali in die Struktur des Chrystal Meth eingedrungen sei. Gegen die neue Droge, der er den Namen Cyano Meth verpasst hatte, sei Chrystal Meth das reinste Brausepulver.

„Nach einer längeren Versuchsreihe mit Kaliumcyanid, besser bekannt als Zyankali“, dozierte Doktor Schneider gerade, „ist es mir gelungen, das Wasserstoffatom in der Struktur des Chrystal Meth durch das Cyanid-Ion zu ersetzen. Das Endprodukt ist weiß, pulverförmig, geruchlos und gut in Wasser löslich. Durch eine Zugabe von Lebensmittelfarbstoffen kann es in allen erdenklichen Bonbonfarben auf den Markt gebracht werden.“

Auf der Projektionswand waren jetzt Weithalsflaschen mit Pulvern in verschiedenen Bonbonfarben zu sehen.

„Durch Zusatz von Natriumhydrogenkarbonat, besser bekannt als Natron, und fester Zitronensäure, ist es uns gelungen, unser neues Cyano-Meth als Brausepulver zu tarnen. Bei Zugabe von Wasser, zum Beispiel Spucke, wie wir es als Kinder gemacht haben, schäumt es wie Brausepulver, schmeckt wie Brausepulver und kribbelt auf der Zunge wie Brausepulver. Danach gelangt es über den Blutkreislauf ins Gehirn und erzeugt dort nach der ersten Einnahme ein Suchtgefühl, gegen das Chrystal Meth wie wirkliches Brausepulver wirkt.“

Moretti klatschte in die Hände. Die Männer taten es ihm nach.

Doktor Schneider verbeugte sich und machte eine ausladende Bewegung mit dem Arm, was soviel heißen sollte wie, der Dank gehört dem ganzen Team. Den von Moretti überreichten Scheck steckte er wortlos in die Tasche seines blütenweißen Laborkittels und verließ den Raum.

Während die vier Männer sich wieder setzten, blieb Moretti stehen. „Meine Herren, unsere Zeit ist gekommen. Das Eindringen der Familie in einige der Bundesländer hier im Osten durch uns ist überreif. Unser vorläufiges Ziel ist Sachsen und Thüringen. Sie wissen so gut wie ich, dass in den westlichen Bundesländern, ganz zu schweigen von der Hauptstadt, arabische Clans und vor allem die Clans aus Anatolien, sich gegenseitig auf die Füße treten und in heftige Revierkämpfe verwickelt sind. Politik und Justiz wachen dort zwar allmählich aus ihrem jahrzehntelangen komatösen Zustand auf und versuchen, wieder Ordnung zu schaffen, aber ...“

„... aber mit mäßigen Erfolgen“, warf einer der Männer ein.

„Was uns allerdings vollkommen egal sein kann“, fuhr Moretti fort. „Hier, im Osten haben wir es mit Banden aus Tschetschenien, Georgien und der Russenmafia zu tun, deren Ausschaltung unsere erste Aufgabe sein wird. Zudem versucht der libanesische Miri-Clan in Sachsen, speziell im Vogtland, Fuß zu fassen.“

Moretti machte eine Pause, zündete sich eine Zigarette an und fuhr fort, „Also Ausschalten aller Gruppierungen, die nicht zur Familie gehören. Sobald unser Cyano Meth auf dem Markt ist, muss der Absatz von Chrystal Meth gegen Null gehen. Damit gehört dann der hiesige Markt uneingeschränkt der Familie. Der Vertrieb erfolgt wie bisher über unsere Pizzalieferdienste, über die Migranten, vor allem aus den Flüchtlingsheimen und in verstärktem Maße wird über Instagram geliefert.“

Moretti legte erneut eine Pause ein, sah in die Runde und fuhr fort. „Und das Beste zum Schluss. Wir verkaufen in den ersten vier Wochen das Gramm Cyano-Meth für zehn Euro.“

„Das kann teuer werden“, warf einer der Männer ein.

„Da hast du recht, Alfaro, aber bei einem Preis von 80 bis 100 Euro das Gramm ist spätestens der Verlust innerhalb des zweiten Monats ausgeglichen. Danach beginnt der Goldregen, denn die Sucht wird wie ein Tsunami über das Land hereinbrechen. Noch Fragen?“

„Wer übernimmt welches Territorium?“, fragte einer der Männer.

„Adolfo übernimmt Chemnitz, Alfaro Erfurt, Angelo Leipzig und Battista übernimmt Dresden. Absatzmeldungen wöchentlich an mich, verschlüsselt! Und jetzt, Männer, zurück nach Dresden, wir werden schon sehnsüchtig von den Damen im Kolibri erwartet.“

Hauptkommissar Asbach betrat am Montag gegen acht Uhr sein Büro im Präsidium auf der Schießgasse in Dresden, hängte seine nasse Lederjacke über den Besucherstuhl und las die Meldungen, die über das Wochenende eingegangen waren. Er hatte vor drei Wochen in der Zentrale Bescheid gesagt, dass er alle Meldungen, die mit Beschaffungskriminalität zu tun haben könnten, jeweils montags zu sehen wünsche. Hätte er sich damit bloß nicht den ganzen Tag versaut. Was war bloß los in dieser Stadt? Die Überfälle auf ältere Frauen mit Handtaschenraub auf Friedhöfen und jetzt auch auf öffentlichen Plätzen wie dem Altmarkt, dem Neumarkt und der Prager Straße hatten im Vergleich zum Vorjahr besorgniserregend zugenommen. Diebstahl an Geldautomaten und Geldautomatensprengung waren an der Tagesordnung. Dafür war die Anzahl an Einbrüchen in Büros und Wohnungen zurückgegangen. Zu wenig Beute, zu großes Risiko, und die Leute hatten, gewarnt durch Medien und Polizei, ihre Wohnungen und Häuser mit mehr Sicherheitstechnik ausgerüstet.

Es klopfte.

„Herein, wenn`s kein Schneider ist!“

„Es ist mit Sicherheit kein Schneider“, lachte Maibach, Erster Hauptkommissar der Sonderkommission gegen das organisierte Verbrechen.

„Wenn ich einer wäre, würde ich Säcke nähen.“

„Säcke?“

„Säcke, mein lieber Arnt, und da käme das ganze Drogengesindel, was sich in unserer schönen Stadt breitmacht, hinein, und dann ab in die Elbe.“

„Dann hättest du sofort das Umweltamt am Halse, mein lieber Hannes. Die Strafen für Umweltverschmutzung sind drastisch.“

„Würde ich liebend gern zahlen für eine saubere Stadt.“

„Setz dich erst mal, was gibt es Neues?“

„Im Alaunpark sind vergangene Nacht zwei wild schreiende junge Burschen aufgegriffen worden.“

„Und?“

„Beiden war das rechte Handgelenk gebrochen.“

„Drogendealer?“

„Hatten noch Chrystal Meth in den Taschen.“

„Die Mafia schlägt zu. Hier wird nur noch mit Cyano Meth gehandelt. Handgelenke brechen spricht sich herum, da wird der Rest der Chrystal Meth Dealer schnellstmöglich auf Cyano umsteigen.“

„Angst durch physische Gewalt zu verbreiten, erzeugt bekanntlich Gehorsam, Arnt.“

„Damit haben wir Deutschen ja ausreichend Erfahrung gemacht. Was mich zur Verzweiflung bringt, ist, dass wir bis jetzt immer noch keine Ahnung haben, wie dieses Teufelszeug ins Land kommt. Unsere Stichpunktkontrollen an der tschechischen Grenze und auch die Schleierfahndungen haben bisher nichts gebracht. Gehandelt wird das verdammte Cyano bisher in Sachsen und vereinzelt in Thüringen. Es gibt die ersten Todesfälle durch Überdosen. Soll ganz entsetzlich sein. Wahnvorstellungen wechseln mit tiefsten Depressionen. Dann setzen schwere Krämpfe mit Erbrechen ein. Der Erstickungstod tritt dann nach wenigen Stunden ein und ...“

„Das reicht, Arnt. Kaum ist diese Coronapandemie halbwegs abgeklungen, wird das Land von dieser verdammten Cyanoseuche befallen. Erfurt und Chemnitz melden bereits steigende Zahlen bezüglich der Beschaffungskriminalität, wie wir sie seit einiger Zeit hier in Dresden haben. Dazu kommen mehrere verstümmelte Daeler, die noch mit Chrystal Meth gehandelt haben. Hier braut sich was zusammen, was die bisherigen Grenzen des Drogenhandels sprengt.“

„Und wir haben nicht die geringste Ahnung, wie das Teufelszeug ins Land kommt. Den Handel mit Chrystal Meth an der tschechischen Grenze hatten unsere Leute ja noch einigermaßen im Griff, aber mit diesem Cyano Meth wird der Markt ja regelrecht geflutet. Cyano soll von der ersten Einnahme sofort süchtig machen.“

„Und das Allerschlimmste“, knurrte Maibach, „ist, dass das Zeug wie Brausepulver aussieht, wie Brausepulver mit Spucke aufschäumt und wie Brausepulver schmeckt.“

„Und dann kannst du ganz plötzlich fliegen“, ergänzte Asbach

„Und dann stürzt du genau so plötzlich ab, wie du aufgestiegen bist und brauchst dringend Nachschub.“

„Merkwürdig ist allerdings noch“, Asbach sah gedankenverloren aus dem Fenster, „dass in der letzten Zeit auf dem Immobilienmarkt ein unglaublich geschäftiges Treiben herrscht. Es wird gekauft auf Teufel komm raus, und keiner weiß, wer dahinter steckt und wo das Geld herkommt. Selbst für Bauruinen werden enorme Preise bezahlt. In Deutschland kann ja nahezu jeder Ausländer problemlos eine Immobilie kaufen. Versuche dagegen mal in Dänemark ein Haus zu kaufen oder in der Schweiz, da wirst du dich wundern, mein lieber Hannes.“

„Und du siehst einen Zusammenhang zwischen Cyano und Immobilienwucher?“

„Sagt dir der Name Battista Lombardi etwas?“

„Die große Pizzakette in der Stadt?“

„Die Familie stammt aus Sizilien, kam in den sechziger Jahren nach Westfalen wie viele andere Italiener auf der Suche nach Arbeit und betrieb dort nach einiger Zeit eine Pizzeria. Einer der Söhne, Battista, in Deutschland geboren, übernahm nach dem Tod des Vaters die Pizzeria, geriet aber immer wieder mit türkischen und arabischen Clans aneinander. Man vermutete, dass die Pizzeria nicht nur mit Pizzas handelte. Als Battista nur durch Zufall einem Anschlag entging, bei dem einer seiner Brüder auf offener Straße aus einem Auto heraus erschossen wurde, siedelte er nach Dresden über. Die erste Pizzeria eröffnete Lombardi in der Neustadt. Aus der Pizzeria wurden sehr schnell Pizzerias und seit einiger Zeit ist daraus die größte Pizzakette geworden. Diese Pizzakette betreibt gleichzeitig eine große Tiernahrungsfirma.“

„Moretti?“

„Moretti! Der große Tiernahrungsfabrikant ist nach Berlin verzogen und hat seinen Betrieb an Lombardi übergeben. Der lässt dieses Unternehmen von einem seiner Söhne führen, da er selbst noch eine Immobilien-GmbH gegründet hat. Die kaufen alles, was in der Stadt zu haben ist.“

„Erstaunlich ist dabei“, warf Maibach ein, „dass Moretti, der ja aus Neapel stammt und zur Camorra gehört, mit Lombardi, dessen Ursprung in Sizilien zu suchen ist, also Cosa Nostra, gemeinsame Sache macht.“

„Das ist ja gerade das, was mir zu denken gibt“, erwiderte Asbach. „Wenn die einzelnen Gruppierungen der Mafia gemeinsame Sache machen, statt sich gegenseitig an die Kehle zu gehen, wird es brandgefährlich.“

„Aber warum erst eine GmbH gründen, hier kann doch jeder alles kaufen, sofern er das nötige Kleingeld besitzt“, fragte Maibach.

„Wenn Herr X eine Immobilie kauft,“ erklärte Asbach, der sich kundig gemacht hatte, „und damit Geld verdient, zum Beispiel durch Mieteinnahmen, muss er die zu seinem persönlichen Steuersatz versteuern. Und der kann bei über vierzig Prozent liegen. Kauft er aber als GmbH, zahlt er nur die Körperschaftssteuer, und die liegt bei fünfzehn Prozent.“

„Damit ist klar, warum vor allem Mietwohnkomplexe, Hotels und Büroanlagen über eine GmbH gekauft werden“, sagte Maibach.

„Übrigens hört man aus Erfurt, Chemnitz und Leipzig Ähnliches“, ergänzte Asbach. „In leeren Bürokomplexen werden Spielcasinos, Kosmetiksalons, Nagelstudios, Bordelle, Restaurants und neuerdings sogar Banken eröffnet. Da kann Drogengeld in ungeahnten Mengen gewaschen werden. Die Gewinne werden nach oben gepuscht, versteuert und schon ist das Geld sauber.“

„Ich befürchte,“ knurrte Maibach, „dass dieses verdammte Cyano Meth in absehbarer Zeit den Markt in ganz Deutschland erobern wird. Bis jetzt hatten ja nur die grenznahen Länder zu Tschechien Probleme mit Chrystal Meth. Im Rest der Republick hat man das Zeug kaum zur Kenntnis genommen. Das wird sich mit Cyano Meth voraussichtlich ändern, da diese Droge sofort süchtig macht.“

„Und vor allem eine Euphorie erzeugt, die dem Konsumenten Flügel verleiht, die ihn weit über das schnöde Erdendasein erheben..“

„Nur eben nicht von Dauer.“

„Und genau da werden der Beschaffungskriminalität Flügel wachsen, mein lieber Hannes.“

„Wie wollen wir vorgehen?“

„Unser Zielobjekt ist dieser Battista Lombardi. Wir müssen herausfinden, wie das Zeug über die Grenze kommt.“

„Und du bist sicher, dass die neue Droge wieder aus Tschechien kommt.“

„Ziemlich. Ich habe unsere Verbindung nach Prag genutzt. Die Nationale Anti-Drogen-Zetrale dort ist sicher, dass der Drogenmarkt sich radikal verändert. Im Land wird weiter Pervitin, also Chrystal, konsumiert, während der Absatz dieser Droge über die Asiamärkte zu uns zum erliegen kommt. In Erfurt, Chemnitz und Dresden steht man jetzt auf Cyano-Meth. Untersuchungen von Abwässern dieser Städte bestätigen in letzter Zeit einen erhöhten Gehalt an Cyanoverbindungen.“

„Vielleicht hat man die Drogenküchen bei unserem Nachbarn auf Cyano Meth umgestellt“, dachte Maibach laut.

„Unsere Drogenleute sind der Meinung, dass dieses Cyano über die Grenze kommt und von Dresden aus verbreitet wird. Chrystal scheint bei unseren Nachbarn nur noch für den Inlandbedarf hergestellt zu werden.“

„Also höchste Konzentration auf die Lombardifamilie.“

„Reiseüberwachung“, ergänzte Asbach.

„Dann bis heute Nachmittag.“ Maibach erhob sich.

„Ich bin dann mal für eine Weile außer Haus, Hannes.“

„Pass auf dich auf, die Stadt ist voller schöner Mädchen.“

„Deshalb zählt diese Stadt ja auch zu den schönsten Städten Europas.“

Asbach verließ die Schießgasse und fuhr in östlicher Richtung aus der Stadt. Eine Verwandte seiner Mutter hatte ihn gestern angerufen. Hildegard war Anfang achtzig, immer noch topfit und wohnte allein in ihrem kleinen Einfamliehaus im Osten der Stadt. Ein Polizist hatte bei ihr angerufen und ihr von einer Einbruchserie durch eine mehrköpfige Bande berichtet, die vorzugsweise in Häuser einbrachen, die von alleinstehenden älteren Leuten bewohnt würden. Der Polizei sei es gelungen, einen der Täter dingfest zu machen. Bei ihm habe man eine Liste von Adressen sichergestellt, auf der auch ihr Name und ihre Anschrift enthalten sei. Sie müsse also in den nächsten Tagen damit rechnen, dass bei ihr eingebrochen würde. Die Polizei sei leider aus Personalmangel nicht in der Lage, alle gefährdeten Häuser unter Polizeischutz zu stellen. Er würde deshalb vorschlagen, dass sie alles an Bargeld und Schmuck in eine Tüte stecke, sich mit ihm im Park am Bismark-Denkmal treffe und ihm die Tüte zur sicheren Aufbewahrung übergebe. Natürlich gegen Aushändigung einer Quittung.

Hildegard, die aufmerksam die Zeitung las und Nachrichten hörte, hatte den falschen Braten sofort gerochen und ihre Verwandtschaft mobilisiert. Mehrere ihrer Neffen wollten dem Pseudopolizisten einen würdigen Empfang bereiten.

Der liebe Arnt, der ja nun wirklich Polizist war, sollte nun verhindern, dass die jungen Männer es übertrieben.

Asbach sah auf die Uhr am Armaturenbrett. Er hatte noch zwanzig Minuten. Schaffst du locker, dachte er gerade, als er weiter vorn Blaulicht blitzen sah. Zwei Straßenbahnen standen, ein Ambulanzfahrzeug heulte heran.

Stau!

Asbach bog links ab, fuhr Richtung Elbe und nutzte Seitenstraßen. Das schaffst du nicht mehr rechtzeitig, Arnt. Jede Ampel, der er sich näherte, sprang kurz vor ihm auf rot.

Gesetz der größten Gemeinheit, würde sein Freund Kowalski sagen.

Als er in die Bahnhofstraße einbog, war es kurz nach vier.

Zu spät.

Er parkte sein Auto am Bahnhofsvorplatz.

Als er den Park erreichte, hörte er erstickte Schreie.

Dann sah er die Bescherung. Ein Mann mit heruntergelassener Hose stand an eine Birke gefesselt neben dem Bismarkdenkmal und Hildegard schlug fröhlich mit einem dünnen Stock auf seinen nackten Hintern. Seinen Rücken zierte ein Pappschild mit den Worten: Ich bin ein falscher Polizist und Omabetrüger.

Drei junge Männer standen um den Baum herum und feuerten mit „HAU DRAUF, HAU DRAUF!“-Rufen Hilde an und filmten das Geschehen mit ihren Handys.

Asbach war mit drei großen Schritten bei Hilde und nahm ihr den Stock aus der Hand.

„Handys aus! Seid ihr im Netz?“

„Ja.“

„Na dann gute Nacht! Dieses Spiel wird sicher ein Nachspiel haben.“

Aber es gab kein Nachspiel. Der falsche Polizist hatte, nachdem er losgebunden war, seine Hose hochgezogen und war in Windeseile verschwunden. Die drei jungen Männer hatten ebenfalls das Weite gesucht. Der bei YouTube kursierende Videoclip, in dem ein betrügerischer, falscher Polizist von einer Oma mit einer Rute gezüchtigt wurde, war für einige Zeit der Renner im Netz.

Als in einer Morgenbesprechung erwähnt wurde, dass es in letzter Zeit keine Delikte mit falschen Polizisten gegeben hätte, bekam Hauptkommissar Asbach einen schweren Hustenanfall und musste den Raum verlassen.

Battista Lombardi saß im Arbeitszimmer seiner Villa am Elbufer. Alles reibungslos über die Bühne gegangen, dachte er. Dank der Immobiliengesellschaft, die er in der Schweiz hatte gründen lassen.

Zwanzigtausend Franken, Peanuts.

Drei Notare, zwei Makler, und er war der Chef. Moretti in Berlin würde mehr als zufrieden sein. Vor allem mit der Idee, mehrere große Wohnimmobilien, die sich die russisch-eurasischen Banden unter den Nagel gerissen hatten, durch gefälschte Kaufverträge in den Besitz der Familie zu bringen. Die Eintragung im Grundbuch war ebenfalls problemlos vonstatten gegangen. Und damit war der Krieg eröffnet. Die Tschetschenen hatten die Sache erst mitgekriegt, als die Versicherung neue Konditionen aushandeln wollte.

Schade um einen seiner wertvollen Männer, der kurz nach dem Deal im Gedränge in der Münzgasse von hinten erstochen worden war. Schwund musste man in diesem Geschäft eben einplanen. Nur eins stand fest, wenn die Familie diesen Krieg gewinnen wollte, musste sie erbarmungslos und blitzschnell zuschlagen. Die Vorbereitung dafür würden heute hier in der Villa getroffen werden. Die drei härtesten und erfahrensten Kämpfer aus dem Ruhrgebiet waren angereist. Sie hatten ihre Leute mitgebracht, würden blitzschnell zuschlagen und wieder verschwinden. Er hatte mit Moretti abgesprochen, dass es die Tschetschenen-Mafia treffen sollte. Dieser Clan, der brutalste und gefährlichste, machte sich in der Stadt immer breiter. Moretti hatte versucht, die Eurasier gegen die arabischen Clans, die sich in der Gegend um den Ferdinandplatz breit machten, aufeinander zu hetzen, aber das war misslungen. Beide Gruppierungen hatten zurückgesteckt und die Friedenspfeife geraucht.

Bandenkrieg war schädlich für das Geschäft.

Lombardi grinste still vor sich hin.

Für morgen war eine große Hochzeit geplant.

Eine tschetschenische Hochzeit.

Eine sehr große Hochzeit.

Mit Feuerwerk!

Mit einem großen Feuerwerk!

Viele Gäste würden aus Berlin anreisen, aber nicht alle würden wieder abreisen.

Ein Exempel statuieren, nannte man so etwas hier in Deutschland. Würde einen Riesenaufschrei geben. Politiker würden in Talkshows ein hartes Durchgreifen fordern. Die Polizeibehörde auf der Schießgasse bekäme wahrscheinlich zwei zusätzliche Polizeikommissaranwärterstellen genehmigt, bei einer Razzia würden zwei Dealer in Gewahrsam genommen und zwei oder drei Nobelkarossen beschlagnahmt werden.

Was für ein Land, dachte Lombardi. Eine butterweiche Demokratie, die mit aller Macht daran arbeitete, sich selbst den Gnadenstoß zu geben. Du kannst im Trüben fischen, du kannst im Hellen dunkle Geschäfte machen und du kannst gegen und für alles demonstrieren, was ein Neandertalergehirn sich auszudenken vermag. Sing einfach das schöne Lied: „ICH BIN DAFÜR, DASS WIR DAGEGEN SIND …“

Von der Demokratie zur Ochlokratie ist es nur ein kleiner Schritt. Denk an den Sturm auf den Reichstag in Berlin oder die Erstürmung des Kapitols in Washington. Ein einziger charismatischer Anführer hätte unter Umständen gereicht und …

Lombardi strich sich über die graue Schläfe. In einer von Ängstlichkeiten geprägten Demokratie gedeihen jedenfalls kriminelle Geschäfte weitaus besser als in einer couragierten Demokratie oder Diktatur.

Was solls? Die Geschäfte liefen gut. Cyano Meth eroberte den Markt. Es gab kaum noch Abnehmer für dieses Scheißzeug Chrystal. Aus Erfurt, Chemnitz und Leipzig lagen ähnliche Ergebnisse vor, wie er sie von hier an Moretti melden konnte. Jetzt kam es nur noch darauf an, den gesamten Drogenmarkt fest in die Hand zu bekommen. Das würde morgen passieren. Von dem Schlag würden sich die Tschetschenen nicht so schnell wieder erholen. Die Familie würde ihnen danach ein Angebot machen. Sie konnten weiter Schutzgelderpressung, Zwangsprostitution, Menschen-und Waffenhandel betreiben, aber ihr Eindringen in den Immobilienmarkt musste gestoppt werden. Das würde in Zukunft das Hoheitsgebiet der Familie sein.

Lombardi erhob sich, ging zur Bar und goss sich einen Whisky ein. Als er das Glas zum Mund hob, ging die Tür zu seinem Büro auf und Elena trat ein.

„Mir bitte auch einen, Battista.“

Sie setzten sich mit ihren Drinks auf das breite Sofa. Ihr kurzer Rock war beim setzen noch weiter nach oben gerutscht. Lombardi spürte die Erektion kommen. Er war dieser Frau vollkommen verfallen. Seit seine Frau vor fünf Jahren an Brustkrebs gestorben war, war Elena die erste Frau, die wieder Zutritt zu seinem Herzen und seinem Schlafzimmer gefunden hatte. Sie war eine weitläufige Verwandte Morettis. Er hatte sie auf dessen Empfehlung als Sekretärin eingestellt und war noch am selben Tag mit ihr auf dem Teppich gelandet. Durch Elena war Moretti über alles, was im Haus Lombardi geschah oder geplant wurde, informiert. Aber das störte ihn nicht, da er mit Leib und Seele für die Familie arbeitete.

Elena stellte ihr Glas ab, erhob sich und deutete mit einem Kopfnicken auf den Schaukelstuhl.

Lombardi stand ebenfalls auf, setzte sich in den Stuhl, winkte Elena zu sich heran, schob ihren Rock weiter nach oben und zog sie rittlings auf seinen Schoß.

Sie trug im Haus keine Unterwäsche.

Die Hochzeitsfeier würde alles bisher Dagewesene übertrumpfen. Salman Svoboda, der Brautvater, blickte aus dem Fenster im Erdgeschoss seiner Villa in Blasewitz auf das bunte Treiben in seinem weitläufigen Garten.

Sie waren alle gekommen, die er eingeladen hatte.

Auf dem großen Tisch in der Diele häuften sich die Geschenke. Seine wunderschöne Tochter Linda würde zu seinem Leidwesen nach Berlin übersiedeln. Rashid, ab heute Vormittag ihr Ehemann, begrüßte draußen die noch ankommenden Gäste. Eigentlich seine, des Brautvaters Aufgabe, aber seit die Ärzte bei ihm Darmkrebs im fortgeschrittenem Zustand diagnostiziert hatten, war seine Kraft und Energie wie Luft aus einem geplatzten Ballon entwichen. Trotzdem, er war nicht verzweifelt. Eigentlich müsste er längst tot sein. Er hatte in jungen Jahren seine ganze Kraft und Energie für die Befreiung Tschetscheniens von den Russen eingesetzt. Er war einer der zwei Geiselnehmer, der 2002 im Dubrowka-Theater in Moskau dabei gewesen und dem die Flucht gelungen war. Zahlreiche Versuche der russischen Geheimdienste, ihn zu liquidieren, waren bisher fehlgeschlagen.

Salmann Svoboda zündete sich eine Zigarette an.

Erst hier, in dieser wunderschönen Stadt an der Elbe, war er zur Ruhe gekommen. Nach dem hinterhältigen Attentat auf Selimchan Changoschwili im Berliner Tiergarten, dem missglückten Giftanschlag auf den Doppelagenten Skripal in Salisbury und dem total schief gelaufenen Mordversuch an dem Kremlkritiker Nowalny würden sich die Russen sehr wahrscheinlich eine Weile still verhalten. Vorausgesetzt, sie wollten es sich nicht mit der halben Welt verderben und sich vollends ins Abseits schieben lassen. Viele Freunde hatten sie sowieso nicht. Mit den Amis lagen sie seit eh und je im Clinch, die Chinesen drängten selbst an die Weltmachtspitze und die Türken als Verbündete – na ja.

Salmann nahm einen tiefen Zug und stieß kunstvolle Rauchringe zur Zimmerdecke.

Was ging ihn das an? Das Drogengeschäft lief und die Anlagen im Immobilienmarkt rentierten sich.

Und gerade jetzt gab es Gerüchte, dass diese Scheißneapolitaner und Pizzabäcker sein mühsam aufgebautes Imperium platt machen wollten. Da war seine Wahl, Rashid zu seinem Schwiegersohn zu machen, genau richtig gewesen. Rashid war verschlagen, geschäftstüchtig und rücksichtslos. Dass er ein Weiberheld war, musste man in Kauf nehmen. Die meisten Ehemänner brauchten hin und wieder eine Abwechslung.

Salmann blickte aus dem Fenster.

Der Garten war inzwischen voller Gäste. Die Musikanten trafen soeben ein. Er hatte sie aus Grosny, seiner geliebten Heimatstadt, extra einfliegen lassen. Was er nicht wusste, war, dass die vier Männer aus Grosny am Flughafen Klotzsche in ein falsches Auto steigen mussten.

Linda, seine wunderschöne Tochter, kam durch die offene Terrassentür, schwebte auf ihn zu und warf sich in seine Arme.

„Danke, Papa, danke für das schöne Fest.“