Dämonisches Verlangen - Emma Richards - E-Book
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Dämonisches Verlangen E-Book

Emma Richards

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Beschreibung

Tess kehrt zu ihrem geliebten Halbgott zurück – doch Jack ist für sie gefährlicher als je zuvor
Die Dark Fantasy-Reihe aus der Dämonenwelt geht prickelnd weiter

Furie Tess Hope und ihre Freunde kehren von ihrer Mission aus der Menschenwelt zurück, denn der Angriff der Dämonen steht kurz bevor. Zehn Jahre war Tess von ihrem Geliebten, dem Halbgott Jack Pers getrennt, der jetzt die Verteidigungsorganisation Black Company leitet. Doch das Wiedersehen verläuft längst nicht so leidenschaftlich, wie Tess es sich erhofft hatte. Grob und grausam zeigt Jack ihr die kalte Schulter und will auch nichts mehr von der Mission zur Verteidigung Empyrions wissen. Hat die neue Beraterin an seiner Seite etwas mit seinem Sinneswandel zu tun? Tess' Gefühle für Jack sind gefährlicher denn je – wird sie es rechtzeitig schaffen, ihn und ihre Welt vor den Dämonen zu retten?

Weitere Titel dieser Reihe
Göttliche Versuchung (ISBN: 9783986375508)

Erste Leser:innenstimmen
„Eine wirklich fesselnde Fortsetzung von Göttliche Versuchung –  genauso prickelnd, noch mehr Spannung!“
„Auch der zweite Teil dieser Romantasy-Reihe ist wieder sexy, düster und trotzdem romantisch.“
„Blutig, aber kein Gemetzel, etwas Erotik und Fantasy vom feinsten –  so mag ich das.“
„Der zweite Band der Days of Darkness-Reihe hält definitiv, was der erste verspricht!“

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Seitenzahl: 460

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Über dieses E-Book

Furie Tess Hope und ihre Freunde kehren von ihrer Mission aus der Menschenwelt zurück, denn der Angriff der Dämonen steht kurz bevor. Zehn Jahre war Tess von ihrem Geliebten, dem Halbgott Jack Pers getrennt, der jetzt die Verteidigungsorganisation Black Company leitet. Doch das Wiedersehen verläuft längst nicht so leidenschaftlich, wie Tess es sich erhofft hatte. Grob und grausam zeigt Jack ihr die kalte Schulter und will auch nichts mehr von der Mission zur Verteidigung Empyrions wissen. Hat die neue Beraterin an seiner Seite etwas mit seinem Sinneswandel zu tun? Tess' Gefühle für Jack sind gefährlicher denn je – wird sie es rechtzeitig schaffen, ihn und ihre Welt vor den Dämonen zu retten?

Impressum

Erstausgabe Mai 2022

Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98637-461-7 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98637-717-5

Covergestaltung: ARTC.ore Design / Wildly & Slow Photography unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © Vasin Lee, © The Faces, © NANOM Lektorat: Janina Klinck Korrektorat: Katharina Pomorski

E-Book-Version 17.01.2024, 17:30:54.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Dämonisches Verlangen

Kapitel 1

Lautes Keuchen und Ächzen durchbrach die morgendliche Stille der erwachenden Stadt – New York City.

Das unverkennbare Geräusch, wenn Fäuste auf Knochen treffen und geblockte Schläge ihr Ziel verfehlten, störte die verschlafene Ruhe. Der Geruch von Schweiß, Blut und Angst legte sich über den Morgentau, während die ersten Strahlen der Sonne sich langsam den Horizont hinauf bahnten.

Ein gezielter Tritt in die Leistengegend ließ den großen, muskulösen Mann mit Glatze zurückweichen und mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Weichteile massieren.

Ein bedrohliches Knurren drang aus seiner Kehle und seine Gegnerin, eine wunderschöne große Blondine, die eben zu einem weiteren Tritt ausholte, stolperte erschrocken rückwärts.

Mit einer flinken Abfolge von Schlägen stürzte sich der Mann mit der vor Schweiß glänzenden, dunklen Haut auf die zierliche Frau und drängte sie immer weiter zurück. Verzweifelt versuchte die Blondine, unter der Deckung des Hünen hindurch zu tauchen, um einen weiteren Treffer zu landen, doch die Verteidigung des Mannes war lückenlos. Er hatte einmal den Fehler gemacht, diese wunderschöne Frau zu unterschätzen, das würde ihm sicher kein zweites Mal passieren.

Die Blondine versuchte, den aggressiven Angriff ihres Gegners abzublocken und riss ihr schlankes Bein hoch, um zu einem weiteren Tritt anzusetzen – ihr Ziel seine Schläfe, das gäbe ein sofortiges K. O.

Doch plötzlich wirbelte der Kraftprotz so schnell um die eigene Achse, dass seine Konturen verschwammen, grätschte der Frau mit der anmutigen Bewegung eines Tänzers das Standbein unter den Füßen weg und brachte sie somit zu Fall.

Mit einem Schrei kam die Blondine auf dem Boden auf und rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck den Rücken.

„Du bist schwach und unkonzentriert! Du könntest so viel besser sein, wenn du es nur wolltest. Allein mit körperlicher Kraft wirst du einem trainierten Kämpfer niemals das Wasser reichen können. Du musst lernen, die Schwäche deines Gegners auszunutzen. Setz deine Macht gezielt ein, Ann!“

„Wollte ich ja, aber dann hast du mir die Beine weggetreten“, murrte die Sirene.

„Noch mal!“

Skip, der es sich nicht nehmen ließ in der Gestalt von Laurence Fishburne alias Morpheus aus der Matrix-Trilogie, sein allmorgendliches Training mit Ann zu absolvieren, war sichtlich genervt. Meine beste Freundin, die in diesem Szenario in die Rolle des naiven, unerfahrenen Neo schlüpfte, schien ihre Begeisterung für das Verteidigungstraining ebenfalls in Zaum zu halten.

Ein amüsiertes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Skip und Ann, die besten Freunde, die man sich nur vorstellen konnte, hätten unterschiedlicher nicht sein können. Er war ein Gestaltwandler, der seine Erscheinung so oft wechselte wie andere Leute ihre Unterwäsche und Ann war eine Sirene, deren Gesangsstimme so ziemlich jeden Mann in einem Umkreis von hundert Kilometer Entfernung anlockte. Bei so viel Testosteron geköderter Männer war der Ärger natürlich vorprogrammiert, weshalb es der Sirene untersagt war, in der Menschenwelt zu singen. So hatte ich die freche Blondine damals kennengelernt. Ihre wunderschöne, glockenhelle Stimme hatte für eine ordentliche Massenschlägerei in einer Bar um die Ecke gesorgt. Ich hatte sie damals aus dieser äußerst prekären Situation gerettet und mir seiner Zeit geschworen, sie bis an mein Lebensende zu beschützen und ihr aus jeder noch so schwierigen Lage herauszuhelfen. Vielleicht weckte es auch deshalb in mir ein ungutes Gefühl, sie von Skip für den Tag der Abrechnung trainieren zu lassen. Allerdings hatte die jüngste Vergangenheit gezeigt, dass wir so ziemlich jeden Empyrianer benötigten, um die Dämonen aus der Unterwelt zu bekämpfen, was wiederum bedeutete, dass auch eine feine Dame wie Ann ihre Fähigkeiten ausbauen musste, um unsere Welt und die der Menschen zu verteidigen.

Dämonen ... ja, ihr habt richtig gehört.

Diese widerlichen, abscheulichen Bestien, die sich in fliegende Schatten verwandeln konnten, führten in der Unterwelt ein Regime des Chaos, der Qualen und der Grausamkeit. Die wahrgewordene Hölle, wie sie in der Heiligen Schrift Gottes beschrieben wurde. Eine tote, verdorrte Landschaft, in die wir, die Empyrianer, sie vor Jahrhunderten verbannt hatten, um die Seelen der Menschen zu beschützen. Das war unsere Aufgabe, unsere Bürde, unsere Bestimmung, darum existierten wir.

Unsere Heimat Empyrion war als eine Art Schutzschild geschaffen worden. Eine Barriere zwischen der Unter- und der Menschenwelt. Eine Welt zwischen den Welten.

Dabei unterschied sich unsere Heimat gar nicht so sehr von der der Menschen. Sie war quasi eine gespiegelte, düsterere Version der Erde, die sich in Bauweise und Anordnung von der Menschenwelt lediglich dadurch unterschied, dass die Finsternis unser alltäglicher Begleiter war.

Dort lebten wir. Wesen, erschaffen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Ich, Tess Tisiphone Hope, die letzte noch lebende Furie. Ann, eine Sirene, die unerkannt unter den Menschen aufgewachsen war. Skip, ein Gestaltwandler, der noch nie seine wahre Gestalt offenbart hatte – nicht einmal mir, seiner besten Freundin.

Vampire, Werwölfe, Hexen, Götter, Harpyien, Walküren, Sirenen, Furien, Gestaltwandler und noch viele weitere Empyrianer lebten in Empyrion und taten alles in ihrer Machtstehende, damit die Menschheit in blinder Naivität und Unwissenheit leben konnte.

Es waren Mauern errichtet und eine Verteidigungsorganisation, die Black Company, gegründet worden, um den Schutz der Empyrianer und der Menschen vor der Unterwelt zu gewährleisten.

Jahrhunderte hatten unsere Grenzen dem Feind standgehalten und die getroffenen Verteidigungsmaßnahmen gegen die Schattenwesen Wirkung gezeigt … bis meine Schwester den Fehler begangen und sich in den falschen Mann verliebt hatte.

Die Misshandlungen und die Demütigung, die sie durch den Alpha und sein Werwolfrudel hatte erfahren müssen, hatten Megaera in den Selbstmord getrieben. Und ich, eine Göttin der Rache, konnte diesen Verlust und all das Leid meiner Familie nicht ungesühnt lassen. Meine Vergeltung war unerbittlich gewesen und ich machte mich des Mordes schuldig.

Doch nicht nur meine Welt brach zusammen, als Megaera von uns ging, auch die meines besten Freundes, der meine Schwester abgöttisch geliebt hatte. Um sie zurückzubringen, verhandelte Skip mit dem Feind, den zu bekämpfen er geschworen hatte. Der Gestaltwandler machte sich des schwersten Verbrechens unserer Spezies schuldig und handelte einen Deal mit den Dämonen aus. Die Schattenwesen, korrupt und gewissenlos, machten keine zuverlässigen Verträge, ein jeder Empyrianer wusste dies nur zu gut und doch tappte Skip blind vor Liebe in ihre Falle.

Wie versprochen kehrte meine Schwester zurück, nur war sie nicht länger eine Furie wie ich, sondern eine von ihnen – eine Dämonin, eine Bestie der Schatten. Und der Preis … der Preis für einen Deal, dessen Ausgang so unvorhersehbar wie grausam war, kostete uns die Sicherheit Empyrions und damit im schlimmsten Fall auch die der Menschenwelt.

Um die Welten zu retten, war ich gezwungen, ebenfalls einen Deal mit den Dämonen einzugehen, nur verlangten sie etwas von mir, was ich ihnen nicht geben konnte – meine große Liebe, den Halbgott Jack Pers.

Ebenso wie mein bester Freund handelte ich in blinder Verzweiflung und vereinbarte, dass die Schattenwesen alle zehn Jahre für vierundzwanzig Stunden die Grenzen unseres Landes übertreten durften. Für vierundzwanzig Stunden würden die Mauern Empyrions fallen.

Um das Überleben unserer Spezies zu sichern, sah ich damals nur eine Möglichkeit – die Evakuierung in die Welt, für deren Schutz wir erschaffen worden waren. Auf diese Weise würde die Menschenwelt trotz meines Deals für die Kreaturen der Hölle unantastbar bleiben. Sollten die Empyrianer allerdings fallen, konnten auch wir die Menschen nicht länger vor den Dämonen beschützen. Am Tag der Abrechnung würde ihre Welt unsere letzte Rettung sein.

Und hier waren wir nun!

Da ich bereits viele Jahrzehnte unter den Menschen gelebt hatte, war es meine Aufgabe dafür Sorge zu tragen, dass auf jedem Kontinent der Erde, in der Nähe eines jeden Portalübergangs zwischen der Menschenwelt und Empyrion, Refugien und Unterbringungsmöglichkeiten für unsere Leute errichtet wurden.

Ann und Skip begleiteten mich seit fast zehn Jahren auf dieser Mission und das war auch der Grund, warum wir morgens in aller früh bei Sonnenaufgang auf dem Dach eines Hochhauses direkt am Central Park in Manhattan eine Trainingseinheit in Sachen Selbstverteidigung absolvierten. Nun ja, nicht wir … Skip und Ann.

Ich war nur wegen der Unterhaltung hier. Eine willkommene Abwechslung nach der fast zehnjährigen Odyssee durch die ganze Welt.

Wir hatten unsere Aufgabe, sichere und vor den Menschen verborgene Zufluchtsorte für alle Empyrianer zu schaffen, mehr als erfüllt. Die Herausforderung war mit Bravour gemeistert worden und doch bangte mir davor, wieder nach Empyrion zurückzukehren. Wegen Jack Pers.

Der Halbgott und die Furie…

Unsere Beziehung als kompliziert zu bezeichnen, war eine Untertreibung. Zu sagen, wir wären damals im Guten auseinandergegangen, war so ziemlich das Gegenteil von dem, was zwischen uns vorgefallen war. Ich hatte keine Ahnung, wie Jack über mich dachte, was mich erwarten würde, wenn wir uns wiedersahen und wie es im Hinblick auf den bevorstehenden Tag der Abrechnung überhaupt um die Evakuierungsmaßnahmen in Empyrion stand. Daher waren meine Gedanken mit der Zerstreuung von Verlustängsten und Sorgen um unsere Zukunft beschäftigt.

„Verdammt Ann, du musst es auch wollen. Du hast es nicht einmal geschafft, an meiner Deckung vorbeizukommen. Hast du mir die letzten Jahre überhaupt zugehört?“ Skip schien so langsam die Geduld mit meiner besten Freundin zu verlieren, was mir irgendwie ein Grinsen ins Gesicht zauberte. Ich wusste, wie schwierig es war, die ungeteilte Aufmerksamkeit der blonden Schönheit für sich zu gewinnen.

„Ich habe dir zugehört, aber ich bin kaputt und ich habe Hunger. Und es ist gemein, dass Tess nur da rumsteht und genüsslich ihren Kaffee trinkt. Ich brauche auch Kaffee, ich funktioniere viel besser, wenn ich morgens mein Koffein bekomme. Dann bin ich leistungsfähiger!“

Belustigt prustete ich in meine Tasse und versuchte, mein schelmisches Grinsen zu verstecken.

„DA! Hast du das gesehen?“, rief Ann und deutete wütend auf mich.

Skip sah in meine Richtung und ich zuckte unschuldig mit den Schultern.

„Keine Ahnung, wovon sie redet!“

„Noch mal Ann, Fokus auf deine Deckung.“ Skip schnippte ungeduldig mit den Fingern und lenkte so die Aufmerksamkeit der Sirene von mir ab.

Mit geschlossenen Augen drehte ich mein Gesicht dem Himmel entgegen und genoss den kühlen Lufthauch auf meiner Haut.

Als die ersten Strahlen der Sonne die Hochhäuser der Upper East Side küssten, spürte ich fast so etwas wie eine tiefe, innere Zufriedenheit. Meine Haut erwärmte sich und der herbe Duft des Kaffees ließ mich wohlig aufseufzen. Wäre doch nur alles im Leben mit solch einer Leichtigkeit wie in diesem Moment erfüllt.

Hier war alles so wie es sein sollte und hoffentlich würde das auch noch in zwei Wochen so sein.

Vierundzwanzig Stunden.

Vierundzwanzig Stunden mussten unsere Verteidigungslinien vor den Toren der Menschheit standhalten. Dann hatten wir ein weiteres Jahrzehnt Zeit, um uns eine Lösung für mein selbst verschuldetes Scheiß-Problem zu überlegen.

Doch bis dahin war unser Motto: Auf das Beste hoffen und auf das Schlimmste vorbereitet sein.

Selbst eine untrainierte, maulende Sirene, die sich eigentlich lieber die Fingernägel lackieren wollte, sollte wissen, wie sie sich zur Wehr zu setzen hatte.

Ich konnte nur hoffen, dass es nicht so weit kommen würde, dass sie die neuerlernten Fähigkeiten tatsächlich zum Einsatz bringen musste. Ich würde dafür Sorge tragen, dass Ann als eine der ersten Empyrianerin evakuiert werden würde.

Vielleicht sollte ich sie gleich hier in der Menschwelt lassen und sie gar nicht wieder mit zurück nach Empyrion nehmen … Schließlich würde der Großteil unserer Leute auf dieser Seite in den Refugien Schutz suchen. Nur eine ausgewählte Task Force würde an den jeweiligen Black Company Standorten zurückbleiben, um die Dämonenbewegungen im Auge zu behalten.

Ich erwartete, dass Jack als neu gewähltes Oberhaupt der Black Company inzwischen einen Evakuierungsplan aufgestellt hatte, denn neben etwaigen anderen Vorbereitungen auf den Tag der Abrechnung hatte die Umsiedlung der Empyrianer in die Menschenwelt oberste Priorität. Er wartete vermutlich bereits darauf, dass wir ihm die Abläufe für die zeitlich begrenzte Umquartierung in allen Einzelheiten schildern würden.

Ich für meinen Teil wusste nicht, ob ich mental schon bereit dafür war, dem Halbgott gegenüber zu treten, doch danach fragte niemand und ich würde auch nicht mehr viel Zeit haben, mir darüber Gedanken zu machen.

Denn die Zeit lief uns allmählich davon. In einigen Tagen würden die Dämonen an unsere Tür klopfen und auf die Erfüllung unseres Teils des Vertrages pochen. Da war keine Zeit, um sich über eventuelle Beziehungsprobleme Gedanken zu machen, die mit meinem Verschwinden eine klaffende Schlucht zwischen dem Halbgott und mir eingerissen hatte.

Seit meinem unschönen Abgang vor nicht ganz einem Jahrzehnt hatten wir keinerlei Kontakt zueinander aufgenommen.

Wenn wir von der Black Company Anweisungen erhielten, dann von Jacks Stabschef – dem einzigen Mitglied der Empyrianischen Regierung, mit dem ich in Kontakt stand – Kay.

Laut dem gut aussehenden Vampir, der vor zehn Jahren in der ein oder anderen einsamen Nacht mein Bett gewärmt hatte – vor allem in der Zeit, in der ich meine Gefühle für den Halbgott zu verdrängen versucht hatte – hatte Jack nach einigen Jahren als Staatsoberhaupt damit begonnen, eine neue Regierung aufzustellen und kommunizierte seitdem mit seinen Agenten ausschließlich über seine Berater. Darunter wohl auch eine unbekannte Empyrianerin, die seit etwa zwei Jahren immer öfter in Erscheinung getreten war und mittlerweile zum festen Stab gezählt wurde. Wer diese ominöse Frau war, wusste Kay nicht. Auffällig an der ganzen Sache war aber in jedem Fall, dass sie sich zunächst im Hintergrund gehalten hatte, seit Kurzem jedoch eine motivierte Ambition an den Tag zu legen schien, um Jacks rechte Hand zu werden. Und das verursachte mir ein unangenehmes Ziehen in der Brust. So fühlte sich also der Stachel der Eifersucht an, der regelmäßig meine Furie auf den Plan rief, die diesem Miststück nur zu gern den Kopf abgerissen hätte.

„Woran denkst du?“, fragte ein verschwitzter Skip, der sich neben mich gegen die Brüstung lehnte und mich aus wachsamen Augen beobachtete.

„Wo ist Ann?“, wich ich seiner Frage aus. Ich war so in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, dass das Training beendet worden war.

„Sich ihre allmorgendliche Droge besorgen. Im Ernst jetzt, ich gebe auf! Wie lange trainiere ich sie jetzt?“, fragte Skip resigniert, während er sich mit einem Handtuch den Nacken trocken rieb.

Ich zuckte grinsend mit den Schultern. „Ich habe dir gesagt: kein Workout so früh am Morgen.“

Skip stöhnte frustriert auf und schnappte sich die Tasse aus meiner Hand. Der Kaffee musste inzwischen eher lauwarm denn heiß sein, das konnte doch niemandem schmecken.

Als er einen großen Schluck daraus nahm, hustete er und prustete das Gebräu angeekelt über die Brüstung. „Scheiße, ist das eklig“, fluchte er und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.

Ich lachte herzhaft auf.

„Das ist die Strafe dafür, dass du Ann das Koffein entzogen hast.“

„Müsst ihr eigentlich immer zusammenhalten? Du kennst mich viel länger als sie. Wann stehst du mal auf meiner Seite?“, fragte er beleidigt.

„Wenn du nett zu ihr bist“, versprach ich mit einem Augenzwinkern und wandte mich dann wieder meinem geliebten New York zu.

„Also“, begann Skip ernst, „erzählst du mir nun, woran du eben gedacht hast?“

Erst nach einem langen Zögern wagte ich es, meinem besten Freund zu antworten. „An den Vertrag, der danach ruft, erfüllt zu werden“, sagte ich leise.

„Ach das … ja … Lässt fast ein bisschen Endgame-Stimmung aufkommen, nicht wahr?“

Irritiert drehte ich mich zu dem Gestaltwandler um. „Bitte was?“

„Endgame!“

Als ich ihn immer noch perplex ansah, versuchte Skip mir weiter auf die Sprünge zu helfen.

„Marvels Endgame?“, schlug er hoffnungsvoll vor und bei mir machte es klick.

„Wann hast du es geschafft, den zu gucken?“, fragte ich empört.

„Hey, ich genieße die Privilegien der Menschenwelt.“ Skip grinste mich schelmisch an und ich schüttelte über meinen besten Freund nur lachend den Kopf.

„Den wollten wir zusammen angucken, du Blödmann. Warte nur, bis ich das Ann erzähle, sie wird toben!“

„Beim Olymp, bitte nicht. Das Gemecker halte ich nicht aus, lieber schaue ich ihn mir noch mal mit euch gemeinsam an. Ist wirklich ein großartiger Film!“ Skip nickte noch einmal, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen und ich musste Schmunzeln.

„Ich hoffe der Titel hält nicht, was er verspricht. Endgame. Das klingt so düster und endgültig, bitte sag mir nicht, dass du dich deswegen in unserer Situation auf den Film bezogen hast.“

„Nein, nein. Sie retten die Erde, die Avengers gewinnen! Und ich denke, das werden wir auch.“ Skip schien von seinen Worten überzeugt.

Und ich wollte sie ihm glauben, ja wirklich. Ich war ihm nicht einmal böse, weil er mich gespoilert hatte.

Nein, ich wollte meinem besten Freund einfach vertrauen. Ich wollte nicht, dass uns in zwei Wochen der Tod mit seiner Anwesenheit beehrte und ich vielleicht keine Gelegenheit mehr dazu bekam, diesen blöden Film mit meinen Freunden anzusehen oder … ja, mit Jack ins Reine zu kommen und herauszufinden, was da noch zwischen uns war.

„Und?“, fragte Skip.

„Und was?“

„An was hast du noch gedacht oder sollte ich besser fragen an wen?“, der Gestaltwandler zog wissend eine Augenbraue hoch und ich drehte mich stöhnend weg, um ihn nicht länger ansehen zu müssen.

„Uns steht ein Vierundzwanzig-Stunden-Krieg bevor, Skip. Ich mache mir Gedanken um unsere Heimat. Unser Zuhause! Das ich wissentlich in Gefahr gebracht habe, um einen Halbgott zu retten, der sich nur zu gern meiner Dämonenschwester geopfert hätte, an deren Existenz ganz allein du schuld bist.“

Skip zuckte bei der Erwähnung von Megaera zusammen, als hätte ich ihn geschlagen und ich bereute meine Worte sofort.

„Tut mir leid, wenn man mich in die Ecke drängt, werde ich fies“, schickte ich eine halbherzige Entschuldigung hinterher.

„Ich weiß. Ich kenne dich schon einige Jahrhunderte.“ Skip atmete tief ein und schaute dann auf den Central Park hinab, wo der See, der uns als Portal nach Empyrion diente, still und unberührt dalag.

„Jack.“

„Was?“, fragte ich ertappt und drehte mich zu meinem besten Freund um.

„Du hast an Jack gedacht“, stellte er fest.

Ich schloss ergeben die Augen und nickte dann lediglich zur Antwort.

„Wir haben die Unterschlüpfe für die Evakuierung finalisiert. Uns bleiben nur noch zwei Wochen, bevor unsere Schutzwälle fallen, wir sollten bald nach Empyrion zurückkehren, um weitere Anweisungen zu erhalten“, sprach Skip meinen furchteinflößendsten Gedanken aus.

„Ja“, entgegnete ich seufzend, „das müssen wir. Aber“, ich zögerte und sah dann meinem besten Freund ins Gesicht, „lass uns noch einen Tag warten.“

„Tess“, stöhnte Skip.

„Nur einen Tag, Skip. Die Black Company … Jack hatte zehn Jahre Zeit, mit seinem Beraterstab auf ihrer Seite der Mauer alle Vorkehrungen für den Tag der Abrechnung zu treffen. Wir haben unseren Teil auf dieser Seite der Grenze erfolgreich erledigt. Ich finde, eine Pause ist nicht zu viel verlangt. Es geht nur um einen Tag, an dem wir einfach …wir sein können. Beste Freunde, die in einer Stadt der unbegrenzten Möglichkeit leben. Wie … Menschen. Menschen, die in der Sonne stehen! Lass mir diese paar Stunden! Und dann –“

„Und dann?“, unterbrach mich Skip.

„Dann kehren wir nach Empyrion zurück!“

Kapitel 2

Skip ließ mich allein auf dem Dach zurück.

Ich wusste, ich verlangte viel von ihm. Er war ein durch und durch loyaler Soldat … nun ja, vielleicht nicht immer. Die Vergangenheit hatte gezeigt, dass für die große Liebe selbst mein bester Freund dazu im Stande war, die Gesetze seines Landes zu verraten. Aber wer konnte es ihm verübeln? Ich hatte für die Liebe einen Deal mit Dämonen abgeschlossen, der nun unsere Welt ins Chaos stürzen könnte.

Vierundzwanzig Stunden blieben mir in der Menschenwelt.

Vierundzwanzig Stunden, um mich vor Jack, meinen Gefühlen und der Angst, was mich auf der anderen Seite der Grenze erwartete, zu verstecken. Ich sagte ja schon, ich war eine Meisterin der Verdrängung und neigte ab und zu vielleicht ein bisschen zum Hedonismus. Kein Urteil, bitte! Unsere Welt würde in wenigen Tagen von Dämonen überrannt werden, ich fand, jetzt war der perfekte Zeitpunkt, um noch mal so richtig die Sau rauszulassen!

Als ich das Dach verließ und die gemeinsame Wohnung von Ann und mir betrat, erwartete mich eine top gestylte, funkelnde Sirene in ihren heißesten Partyklamotten mit zwei Drinks in den Händen.

„Woher …?“, stammelte ich fassungslos und versuchte, die Szenerie in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Es war wie ein Puzzle, das sich langsam zusammenfügte, aber es fehlten noch Teile.

„Vierundzwanzig Stunden also! Wo gehen wir als Erstes hin?“, fragte sie mit einer herausfordernd erhobenen Augenbraue und grinste mich verschmitzt an.

„I-ich bin verwirrt. Wie hast du …“

„Skip ist die größte Klatschtante der Menschheit – und vermutlich auch jeder anderen existierenden Welt, also …“

„Verdammt noch mal“, lachte ich und nahm meiner besten Freundin den Drink aus der Hand.

„Wir haben Gossip Girl neben uns wohnen und das fällt mir erst jetzt auf“, kicherte ich und Ann stieg mit ein.

„Ja, oder?! Dieser Gestaltwandler kann einfach nichts für sich behalten.“

„Lästert ihr über mich?“, fragte eben jener von der Tür aus und Ann und ich prusteten in unsere Gläser.

„Nein“, antwortete Ann wie die Unschuld vom Lande. „Schick siehst du aus, hast du noch etwas vor?“

„Wir haben vierundzwanzig Stunden, also …“, Skip breitete die Arme aus und drehte sich einmal um die eigene Achse, um uns seine Erscheinung zu präsentieren.

„Du hast alle Register gezogen, wie ich sehe“, sagte ich beeindruckt und musterte meinen besten Freund.

Er trug sein Sexy-Hexer-Outfit bestehend aus enger schwarzer Hose, einem dunkelgrauen, schimmernden, knielangen Mantel, der mit Anns Oberteil um die Wette funkelte und darunter … nichts. Sein warmer Teint und die Muskeln seines Sixpacks zogen meinen Blick magisch an, dazu noch das verstrubbelte Haar, als wäre er gerade frisch aufgestanden und der feine leicht glitzernde Eyeliner, der seine wunderschönen goldenen Augen betonte, machten den Gestaltwandler zu einem echten Hingucker.

„Also?“, fragte ich und konnte das immer breiter werdende Grinsen, das mein Gesicht zierte, nicht aufhalten. „Worauf warten wir? Machen wir die Stadt unsicher!“

„Yeah Baby, genau das wollte ich von dir hören. Zieht euch warm an, denn heute zeige ich euch die dunkle Seite der Macht“, rief die Sirene drohend und zeigte mit dem Finger auf Skip, der mich schelmisch angrinste.

„Ha!“, rief der Gestaltwandler triumphierend. „Die Anspielung hab ich verstanden. Das ist aus Star Wars!“

„Ich glaub, mich tritt ein Pferd. Krieg der Sterne kennst du auch? Wann hattest du Zeit, all diese Filme anzusehen?“ Ich war neidisch, aber so richtig. Na gut, Star Wars kannte ich schon, aber trotzdem. Wir waren hier, um zu arbeiten und nicht zum Vergnügen … zumindest bis heute.

„Wieso, welche hat er denn noch gesehen?“, fragte Ann verwirrt und Skip gab mir hinter dem Rücken meiner besten Freundin flehende Zeichen, ihr nichts von unserem Gespräch auf dem Dach zu verraten. Doch ich grinste ihn nur frech an und wandte mich angriffslustig an Ann. „Skip hat Endgame geguckt!“

„VERFLUCHTE SCH-! Dein Ernst jetzt?“ Ann wirbelte zu Skip herum und starrte ihn mit offenem Mund an. „Verräter!“

Ich biss mir so fest auf die Lippe, dass ich ein wenig Blut schmeckte, so sehr musste ich mir das Lache verkneifen.

Meine besten Freunde so zu sehen, wie sie über vollkommen belanglose Dinge diskutierten und stritten, war wie Balsam für meine Seele und senkte den Stresspegel in meinem Blut deutlich.

Konnte nicht jeder Tag so sein? Dass man über Filme sprach, zusammen ausging, lachte, morgens seinen Kaffee auf dem Dach trank und der Sonne beim Aufgehen zusah? Ohne dass man eine Apokalypse im Nacken sitzen hatte? Okay, etwas dramatisch war das jetzt schon. Unsere Welt stand nicht kurz vor dem Untergang. Wir würden lediglich eine Horde Dämonen für einige Stunden in Schach halten müssen. Wir waren also deutlich besser dran als die Avengers. Hätten wir allerdings Thor in unseren Reihen gehabt, dann …Stopp Tess! Konzentrier dich!

Ich klinkte mich wieder in meine Realität ein und entfloh den wirren Gedanken meines Kopfes.

„Okay, wisst ihr was, ich bin dafür, wir bleiben hier und schauen uns Marvels Endgame an“, verordnete Ann und wollte sich gerade ihre High Heels von den Füßen streifen.

„Nichts da! Ich werde meinen letzten Tag in der Menschenwelt sicherlich nicht mit euch in dieser Bude verbringen und Science-Fiction-Filme gucken. Wir gehen aus! Lass die Heels an, ich ziehe mich um“, forderte ich bestimmt und war schon auf dem Weg in mein Zimmer, als Skip mich zurückhielt.

„Okay, ich habe diese Diskussion eben zwar nicht verstanden, aber ein Problem gibt es da schon, oder? Der Tag hat gerade erst begonnen, ich meine, manche Menschen frühstücken noch und die Sonne scheint, wo sollen wir denn um diese Uhrzeit feiern gehen? Irgendwelche Vorschläge?“, fragte er.

„Das hier ist die Stadt, die niemals schläft, Skip. Glaub mir, egal wie spät es ist, hier gibt es immer einen Ort, an dem man feiern kann. Und ich weiß auch schon, wo wir hingehen.“ Ich zwinkerte dem Gestaltwandler kurz zu, dann verschwand ich in meinem Schlafzimmer, um mein heißestes Outfit rauszusuchen.

Keine zwanzig Minuten später stand ich top gestylt vor meinem Spiegel und eine heiße Furie sah mir entgegen. Ich war komplett in Schwarz gekleidet und hatte ein bauchfreies Top mit einer Lederhose kombiniert. Dazu schwarze Stiefeletten, einen schwarzen, knielangen Ledermantel und ein samtenes Halsband. Meine Haare fielen mir in ihrer wilden Lockenpracht über den Rücken und meine Augen kamen mit dem perfekten Eyeliner-Schwung verrucht zur Geltung. Meine Lippen hatte ich in einem dunkelviolett geschminkt und von der Schläfe bis zu den Wangenknochen etwas silbernen Glitzer aufgetragen. Zu behaupten, ich hätte dick aufgetragen, war noch untertrieben, aber hey, ich wollte diesen Tag genießen, bevor ich mich der komplizierten, ungewissen Realität stellen würde. Also warum nicht mal etwas über die Stränge schlagen?!

Als ich das Wohnzimmer betrat, pfiff Anni anerkennend und Skip nickte mir andächtig zu.

„Also ihr heißen Empyrianer, seid ihr bereit, die Stadt unsicher zu machen?“, fragte ich verschwörerisch.

„Verdammt ja“, jubelte Ann und stürzte in Windeseile ihren Drink hinunter. Schulterzuckend tat ich es ihr gleich und wir machten uns lachend auf den Weg.

Erster Halt war eine kleine Bar in Brooklyn, die zu jeder Tageszeit geöffnet hatte und die abgefahrensten Drinks servierte. Für Skip, der noch nicht so häufig in den Genuss der leckeren Cocktails gekommen war, die in der Menschenwelt serviert wurden, waren die Schirmchen und aufgetürmten Obstspieße ein absolutes Highlight. Das sagte er mir auch immer wieder aufs Neue, während er einen Drink nach dem anderen bestellte, als hätten wir Happy Hour. Doch das war mir gleich. Ich hatte Spaß, meine Freunde waren glücklich und der Alkohol benebelte auf eine angenehme Weise meine Sinne, sodass mir die ganze Welt wie ein gemütliches Zuhause vorkam. Die Zeit schien langsamer zu vergehen und plötzlich waren die verbleibenden vierundzwanzig Stunden eine halbe Ewigkeit, die es mit Leben zu füllen galt.

Ich hatte keine Ahnung, wie viele Stunden wir in dieser Bar verbrachten, doch irgendwann zog es uns weiter in einen Klub, der auch um die Nachmittagszeit schon reichlich besucht war und uns auf volle Tanzflächen lockte. Die Menschen dort waren so weggetreten, dass sicherlich das eine oder andere Rauschmittel der Grund dafür war. Überall, wo wir hinsahen, bewegten sich zuckende Leiber, die an einem Donnerstag um 15 Uhr zu den wildesten Beats tanzten, als gäbe es kein Morgen. Es schien kein normaler Klub zu sein, geschweige denn legal, denn die Substanzen, die hier eingeworfen wurden, waren um einiges stärker als die lustigen Schirmchen-Cocktails in der letzten Location, aber wen interessierte das schon. Wir waren hier, um uns zu vergnügen.

Ann, Skip und ich stürzten auf die Tanzfläche und bewegten unsere Körper im Stroboskop Licht zu dem schellen Beat der Elektromusik, die der DJ auflegte.

„Dieser Klub ist so was von abgefahren“, rief Skip und zog mich überglücklich an seine Brust.

„Schön, dass er dir gefällt. Ich wusste, dass du die Menschenwelt noch lieben lernen würdest!“

Ich gab meinem besten Freund einen Kuss auf die Wange und wir begannen uns wieder im selben Takt der anderen zuckenden Leiber um uns herum zu bewegen.

„Hey Leute, seht mal was mir dieser langhaarige, süße Typ dort drüben gegeben hat“, schrie Ann euphorisch und taumelte trunken in unsere Mitte. Mit einem breiten Grinsen öffnete sie ihre kleine zarte Hand und präsentierte uns drei rosafarbene Pillen mit einem kleinen Einhorn darauf.

„Sie sind rosa“, kicherte sie verzückt und ich konnte ein amüsiertes Kräuseln meiner Lippen nicht unterdrücken.

„Das sehe ich! Und es sind Einhörner drauf“, ergänzte ich und Annis Lächeln wurde noch breiter. Sie wollte sich gerade eine von den Pillen in den Mund stecken, als ich ihren Arm mitten in der Bewegung packte, um sie aufzuhalten.

„Was tust du denn da?“, schrie ich sie entgeistert an. „Ann das sind Drogen!“

„Ja genau“, lachte sie, „und wir sind hier, um Spaß zu haben. Außerdem sind sie rosa und haben Einhörner drauf gedruckt, wie schlimm können die schon sein?“

Sie versuchte wieder, die Pille in den Mund zu nehmen, doch ich hielt sie erneut zurück.

„Ich denke wirklich, dass das eine ganz bescheuerte Idee ist“, gab ich meine Zweifel zögernd zu bedenken. Ich wollte nicht die Spielverderberin sein, aber irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl bei der Sache.

Ja, wir wollten feiern, die Sau rauslassen, noch einmal richtig eskalieren, bevor wir uns dem Ernst der Lage widmeten, aber uns komplett aus dem Leben schießen?!

„Was passiert, wenn wir die nehmen?“, fragte Skip neugierig.

„Das weiß ich nicht! Im schlimmsten Fall haben wir einen Trip wie Anni auf elfischem Zuckerbrot …“

Skip zuckte zur Antwort mit den Schultern, griff nach einer der rosafarbenen Pillen und steckte sie sich ohne Umschweife in den Mund.

„FUCK, was …?“, entsetzt stierte ich meinen besten Freund an, während er die Quelle der Ekstase bereits mit einem Bier hinunterspülte.

Ann nutzte meine Ablenkung, um es Skip gleichzutun, und plötzlich lag nur noch eine vereinsamte Einhorn-Pille auf der verschwitzten Handfläche der Sirene.

„Verdammt noch mal, Anni!“ Mein Fluch ging in den Beats und den Bässen der Tracks unter, doch meine Freunde hatten mich ganz genau gehört.

„Komm schon, Tess, mach dich mal locker. Wann werden wir wieder die Gelegenheit haben, in der Menschenwelt feiern zu gehen? Vielleicht sind wir in wenigen Wochen bereits tot … meinst du nicht, wie haben uns ein wenig Entspannung und ausufernde Exzesse verdient? Es war doch deine Idee! Gib dir einen Ruck und spring über deinen Schatten!“

„Yeah“, fügte Ann überflüssigerweise hinzu, „und ganz abgesehen davon ist es ein rosafarbenes Einhorn!“ Die Sirene legte die Pille in meine Hand und nickte voller Begeisterung, als wäre das das ausschlaggebende Argument, um Drogen eines attraktiven Fremden zu schlucken.

Ich schaute auf das kleine Einhorn hinab und verdrehte genervt und ergeben die Augen. Scheiß drauf!

Mit einer fließenden Bewegung warf ich mir die Pille in den Rachen und meine Freunde schrien mit triumphierend gereckten Fäusten jauchzend auf.

„Tess, genau das hier haben wir gebraucht. Ehrlich, ich könnte singen vor Glück“, rief Ann und ließ Skip und mich vor Angst erstarren.

„Tu es nicht!“, stießen wir beide unisono hervor und ernteten ein belustigtes Kichern von der hübschen Sirene.

„Keine Angst, ich halte meine Lippen schön geschlossen, versprochen.“

Skip und ich warfen uns gegenseitig einen panischen Blick zu, doch dann setzte der nächste Song ein und wir fingen wieder an zu tanzen. Zumindest glaubte ich, dass es ein neues Lied war, bei der Elektromusik floss alles ineinander über und ein Beat jagte den nächsten. Ähnlich wie wir, die wir dem nächsten Kick nachjagten, um dem Ernst unseres Lebens für einen weiteren Moment entfliehen zu können.

Ich drehte mich in wilder Freude um mich selbst und verlor den Raum, die Menschen und meine Freunde komplett aus den Augen. Um mich herum waren nur noch Blitzlichter und verschwommene Schemen zu erkennen. Als wären die Welt und ihre Probleme so weit weg, dass ich sie nicht einmal erkennen konnte. Als mir schwindlig wurde, blieb ich stehen und hielt meinen Kopf fest, in dem Versuch, den Raum anzuhalten. Wow, diese Pillen hatten wirklich eine berauschende Wirkung.

Mein Blick klärte sich langsam und als ich meine Umgebung wieder wahrnehmen konnte, fiel mein Blick auf den gut aussehenden, latent bedrohlich wirkenden Typen, der lässig an der Theke lehnte und uns zu beobachten schien.

„Kay?“, fragte ich verwirrt und kniff die Augen zusammen, um die Person besser erkennen zu können.

„Was hast du gesagt?“, rief Skip zu mir herüber, doch ich schüttelte nur mit dem Kopf und machte eine wegwerfende Handbewegung.

Als ich wieder zur Bar herüberblickte, war der schöne Prinz der Nacht verschwunden.

„Ich werde mal für kleine Furien gehen“, schrie ich meinen Freunden zu, in der Hoffnung, dass sie meine Worte über die laute Musik hinweg überhaupt vernehmen konnten.

Ann reckte einen Daumen in die Luft und das nahm ich mal als ein Ja.

Benommen pflügte ich mich durch die Menge, immer noch das Bild dieses beeindruckenden, dunklen Mannes vor meinen Augen und hielt geradewegs auf die Toilette zu. Ich war gerade dort angekommen, als mir eine breite, muskulöse Männerbrust den Weg versperrte. Als ich an dem Mann emporsah, fiel mir vor Erstaunen die Kinnlade herunter. Es waren jene schwarzen, scheinbar seelenlosen Augen, in denen ich mich damals immer so leicht hatte verlieren können.

„Ich habe Euch vermisst, Tisiphone“, hauchte der Vampir und schon lagen seine Lippen auf den meinen.

Kapitel 3

Volle, sanfte Lippen trafen meinen Mund und ich sog scharf die Luft ein. Der betörende Duft meines toten Geliebten vernebelte all meine Sinne und mit Freuden verlor ich mich in seiner Leidenschaft. Es war leicht, so leicht, mich in Kays Armen zu vergessen und mich nicht länger mit diesem ruhelosen, ängstlichen Zustand auseinandersetzen zu müssen, in dem ich mich gerade befand.

Seine Hand fuhr in meinen Nacken und zog mich noch enger an sich. Als eine Tür irgendwo ins Schloss fiel und der Bass der schnellen Beats dumpfer zu hören war, wurde mir klar, dass Kay mich in irgendeinen Raum bugsiert hatte, damit wir ungestört waren.

Plötzlich schrillten in meinem Kopf sämtliche Alarmglocken und noch bevor der Vampir mich gegen die nächste Wand pressen konnte, ich vollends meinen Verstand verlor und alle Tugenden über Bord warf, machte ich mich panisch von ihm los.

„Kay“, murmelte ich betrunken und taumelte von ihm zurück. „Was machst du hier? Wow, ich glaube, ich habe gerade ein Déjà-vu.“ Etwas benebelt schüttelte ich den Kopf und versuchte, meinen Blick zu fokussieren.

„Tisiphone.“ Meinen Namen aus seinem Mund zu hören, war wie purer Sex, Leidenschaft, tosendes Feuer, Fingernägel die über nackte, verschwitzte Haut kratzten, heiseres Stöhnen und pulsierende, ekstatische Orgasmen. Seine Stimme liebkoste jeden einzelnen Buchstaben und ich nahm sofort wahr, wie meine Körpertemperatur anstieg. Beruhige dich, Furie, und hör bitte auf dir das Höschen nasszumachen!

„Also?“, forderte ich und räusperte mich, um die Belegtheit meiner Stimme loszuwerden.

„Ich habe Euch gesucht, Teuerste“, entgegnete Kay vage und warf mir dieses unverschämte Lächeln zu.

„Und dachtest wohl, wir könnten alte Zeiten aufleben lassen?“, fragte ich pikiert und wich einen Schritt zurück, wie um mich selbst in Sicherheit zu bringen.

„Nein, es sei denn natürlich, Ihr würdet diesbezüglich Interesse äußern.“ Wieder ein verschmitztes Grinsen.

„Kay“, hauchte ich und wurde ernst. Mit einem Mal schienen die Drogen und sämtlicher Alkohol mein Nervensystem verlassen zu haben und eine bleierne Schwere bemächtigte sich meines Gehirns.

Die schmunzelnden Grübchen des Vampirs verschwanden und die eben noch lächelnden, verbotenen Lippen pressten sich zu einem ernsten Strich zusammen. Kay war wieder ganz Agent und tief in meinem Inneren wusste ich, dass das, was er mir zu sagen hatte, mir nicht gefallen würde.

Um meine zitternden Hände zu verbergen, stemmte ich sie angriffslustig in die Hüften und nickte meinem Gegenüber auffordernd zu. „Nun spuck es schon aus, Kay! Du bist sicherlich nicht hierhergekommen, um am helllichten Tag in einem Klub zu feiern. Und mich zu küssen.“ Die letzten Worte murmelte ich, denn sie waren nicht wirklich für die Ohren des Vampirs bestimmt. Wenn auch ein kurzes Aufleben seines berauschenden Lächelns vom Gegenteil zeugte.

Doch dann wurde Kay wieder ernst, was meinen Verdacht bestätigte.

„Ich glaube es ist an der Zeit zurückzukehren, Tisiphone. Pers, er …“ Kay zögerte und warf mir einen unergründlichen Blick zu.

„Was ist mit ihm?“, fragte ich panisch und machte gleich mehrere Schritte auf Kay zu, bis ich dicht vor ihm stand.

„Ich habe keinen Zugang mehr zu ihm.“

„Keinen Zugang?“, fragte ich verwirrt und wollte gerade nachhaken, was er meinte, als plötzlich zwei ziemlich betrunkene Empyrianer die Tür aufrissen und in das kleine Büro stürmten, in das Kay uns bugsiert hatte.

„Was ist hier los?“, rief Skip und sah von Kay zu mir und dann wieder zu dem Vampir.

„Oh wow“, machte Ann und hielt sich kichernd die Hände vor den Mund. „Ich glaube, ich habe ein Déjà-vu.“

„Hab ich auch gesagt“, rief ich ihr grinsend zu, räusperte mich dann aber, um wieder zum Thema zurückzukehren. Der Rausch war wohl doch noch nicht ganz verpufft.

„Also Kay, was hat das zu bedeuten?“

„Wie ich dir schon vor ein paar Monaten sagte, hat Jack Pers sich auf sein Recht berufen, als neuer Leiter der Black Company seinen eigenen Beraterstab auszuwählen. Allerdings gehöre ich nun seit wenigen Stunden nicht länger zum engsten Kreis der Vertrauten des Halbgottes. Ich konnte den Motiven seines Handels schon seit zwei Jahren nur noch bedingt folgen, doch in den letzten Monaten hat sich sein fragwürdiges Verhalten bedenklich zugespitzt. Ich bin mir sicher, sein verändertes Auftreten hat seinen Ursprung in der zunehmenden Präsenz der Hexe. Und nun scheint der Halbgott gänzlich verschwunden zu sein, als wäre sein Leib nur noch eine Hülle, in die ein fremdes Bewusstsein eingezogen ist. Unser Oberhaupt hat nicht länger die Kontrolle über sein Tun und Handeln. Der Tag der Abrechnung steht kurz bevor und auf unserer Seite der Grenze wartet man vergebens auf die Durchführung der Evakuierungsmaßnahmen. Ich hätte Euch schon früher kontaktiert, Tisiphone, aber ich konnte Pers nicht mit der Hexe allein lassen. Ich dachte bis heute, dass es noch eine Möglichkeit gäbe, ihn irgendwie zu erreichen, doch diese Hoffnung war trügerisch. Ich denke, Ihr seid die Einzige, die noch zu ihm durchdringen kann. Aus diesem Grund war ich auf der Suche nach Euch.“

„Hexe? Die einzige Frau in Jack Pers‘ Beraterstab ist eine Hexe?“, fragte ich und überging geflissentlich all die erschreckenden und bedenklichen Informationen, mit denen Kay mich soeben überschüttet hatte. Nein, alles, was mich interessierte, war diese verdammte Magierin. Bei dem Gedanken an sie spürte ich, wie sich etwas in mir regte. Nein, nicht etwas, jemand … Meine Furie meldete sich zu Wort – oder besser gesagt, schrie sie mich an.

War sie hübsch? Weckte sie amouröse Gefühle in dem Halbgott? Hoffentlich hatte sie eine Warze auf der Nase und einen hässlichen Buckel, denn wenn sie nicht dem menschlichen Klischee einer Hexe entsprach, musste ich sie wohl oder übel zerfetzen! Wenn sie allerdings Magie beherrschte, könnte sie womöglich einen Verschleierungszauber anwenden und jede beliebige Gestalt annehmen. Sie könnte sogar aussehen wie ich … was, wenn sie ihn in meiner Gestalt verführte? Ihn zu ihrem Sexsklaven machte? Ihn dazu brachte, dass er sich in sie verliebte? Verdammte Hexenbrut!

„Man nennt sie Miss Luise, ihr vollständiger Namen wurde nie kommuniziert. Sie ist schon seit einiger Zeit in Pers‘ Beraterstab, aber erst seit Kurzem vertraut er sich nur noch ihr an. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen–“

„Was, dass Jack verhext wurde?“, lachte Ann auf und schien diese Vorstellung sehr amüsant zu finden. „Gutes Wortspiel, oder?“, fragte sie an Skip gewandt, der ihr nur ein unbeholfenes Schultertätscheln schenkte.

„Hat sie recht?“, fragte ich alarmiert und als Kay Skip einen unergründlichen Blick zuwarf und dann wieder mich ansah, wusste ich, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.

„Ich glaub‘, mich küsst ‘ne Elfe!“ Empört warf ich die Arme in die Luft und begann, in dem kleinen Büro auf und ab zu tigern.

„Also, lass mich das Ganze noch einmal zusammenfassen. Du bist hier, um mich auf der Stelle wieder nach Empyrion zu schaffen?“, fragte ich Kay und erhielt direkt eine Antwort, allerdings nicht von dem Vampir.

„Check“, rülpste meine beste Freundin, schien dann aber meine Worte erst richtig verstanden zu haben, denn ihre Augen weiteten sich im nächsten Augenblick erschrocken. „Oh nein, stopp. Unsere vierundzwanzig Stunden sind noch nicht um!“

„Vierundzwanzig Stunden?“, fragte Kay verwirrt.

„Nicht relevant! Wo war ich? Ach ja, also, ich soll mit nach Empyrion kommen, weil du keinen Zugang mehr zu Jack hast?“

„So was von Check“, antwortete Ann grimmig und nickte mir schwesterlich zu.

„Weil der Halbgott eine fremde Hexe als seine Stabschefin auserkoren hat?“, fuhr ich fort, ohne auf Anns Einwürfe zu achten. „Und anstatt mich früher in deine Bedenken bezüglich dieser Magierin und der Möglichkeit, dass sie sich bis zur Stabschefin hocharbeiten und dich ersetzen könnte, einzubeziehen, wartest du lieber ab und kommst erst zu mir, wenige Wochen bevor unsere Grenzen fallen und die Dämonen unsere Welt infiltrieren werden? Kommt dir das nicht auch etwas … unbedacht vor? Ich meine, was hast du all die Jahre gemacht? Warum hast du bei unseren regelmäßigen Kontaktaufnahmen, in denen ich dich über den Status unseres Projektes unterrichtet habe, nie erwähnt, welchen Einfluss diese Hexe auf Jack hat?“

Mir war nicht klar, dass die Furie Stück für Stück mehr Besitz von mir ergriff, bis Ann irgendwann wild mit den Armen fuchtelte und auf ihr Gesicht deutete, womit sie mich wohl darauf stoßen wollte, dass ich nicht länger aussah, wie … nun ja … ich.

„Warum zum Teufel kommst du erst jetzt zu mir?“, schrie ich verzweifelt.

Kay drehte sich zu Ann und Skip um und bat die beiden, uns kurz allein zu lassen.

Unter lautem Protest begleitete der Gestaltwandler die Sirene hinaus und ich war mit dem Vampir allein.

Oh, wie gerne hätte ich jetzt meine Furie auf ihn losgelassen.

„Tisiphone“, hauchte dieser nun erschöpft. Ich konnte die Sorge über meinen Ausbruch in Kays Augen erkennen, doch das war mir egal.

„Nenn mich nicht so“, knurrte ich. „Du hast das Recht verwirkt, mich so zu nennen! Wo warst du, als diese Hexe dich als Stabschef ersetzt hat? Wo bist du gewesen, als sie meinen Platz an Jacks Seite eingenommen hat, Kay?“ Die letzten Worte drängten sich mit einem gequälten Schluchzen aus mir heraus und der Schmerz, der sich in meiner Brust ausbreitete, verriet mir, dass es das war, worüber ich mich eigentlich so aufregte.

Ich hatte Jack verlassen, weil ich noch nicht bereit gewesen war, mich nach all den seelischen und physischen Verletzungen, die er mir zugefügt hatte, gänzlich auf ihn einzulassen. Zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Abstand, ich hatte damals von allem etwas Abstand gebraucht. Ich hatte mir eingeredet, dass meine Rückkehr in die Menschenwelt keine Flucht, sondern eine weitere Mission war, die es zu erledigen galt, aber im Grunde war es genau das gewesen – ein Entkommen. Ich hätte an seiner Seite bleiben sollen und die Black Company auf den Krieg vorbereiten müssen. Stattdessen hatte ich mir ausgerechnet die Aufgabe auferlegt, die mich am weitesten von dem Halbgott entfernen würde und die eigentlich jeder hätte erledigen können. Verstecke und Refugien in der Menschenwelt zu finden und aufzubauen hatte zwar eine gewisse Zeit in Anspruch genommen, aber durch ein ausgewähltes Team an fähigen Empyrianern war es auch kein unmögliches Unterfangen gewesen. Das also hatte ich Jack vorgezogen … was war ich doch für ein Feigling.

„Ich hätte an seiner Seite sein müssen“, hauchte ich verzweifelt und sah Kay unter Tränen an. „Er wollte mich, wir hätten es schaffen können, nach all der Zeit und ich …“

„Ihr habt das getan, was Euch am besten erschien. Das ist kein Grund, sich zu geißeln, Tisiphone. Ich denke nicht, dass Jack Miss Luise so sieht, wie er Euch gesehen hat. Ihr seid in seinem Herzen, Miss Luise ist seine rechte Hand.“

„Und was ist mit dir?“, fragte ich zornig und spürte die Wut wie ätzendes Gift durch meine Adern jagen und Besitz von meinem Herzen ergreifen.

„Was meint Ihr?“, fragte Kay vorsichtig.

„Du warst seine rechte Hand, Kay. Und jetzt hat eine andere den Platz eingenommen, der für dich bestimmt war. Wie konntest du es nur so weit kommen lassen?“

Kapitel 4

Der Abend war gelaufen. Wir fuhren direkt nach Hause und versammelten uns in Anns und meinem Wohnzimmer. Kay begleitete uns.

Meine Wut, die ich blind gegen ihn richtete, ertrug er still und erhobenen Hauptes. Obwohl wir beide wussten, dass sie unbegründet war, zumindest was sein Verhalten betraf. Dennoch half sie mir, mich zu fokussieren.

„Also wie geht es nun weiter?“, fragte Skip und nahm mein Gesicht genauestens unter die Lupe.

Ich atmete tief ein, schaute dann zur Decke unseres Apartments und danach hinaus aus dem Fenster zum Central Park. „Wir werden zurückgehen.“

„Aber unsere vierundzwanzig Stunden sind noch nicht um, wir wollten doch so richtig eskalieren“, maulte Anni und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust.

„Wie Ihr wisst, meine Teuerste, ist es durchaus möglich, auch in Black York entsprechende Etablissements aufzusuchen, um, wie Ihr es nennt, zu eskalieren“, schnurrte Kay mit einem charmanten Unterton, der Anns Stimmung sofort aufhellte. Mir hingegen trieb er den Würgereflex in die Kehle. Flirtete Kay etwa schon wieder mit meiner besten Freundin? Hatte er vergessen, was beim letzten Mal passiert war, als er das getan hatte?

Ich schnippte entnervt mit den Fingern, um so wieder die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf mich zu lenken. „Hallooo“, schnipp, schnipp, „hört ihr mir noch zu? Ich sagte, wir werden zurückkehren, und zwar jetzt. Wir sollten keine Zeit verlieren. Wir haben das Unvermeidliche nur hinausgezögert. Also seht zu, dass ihr alles Wichtige zusammenpackt und euch abmarschbereit macht. Bedenkt allerdings, dass wir schon nach wenigen Wochen wiederkommen werden. Alles, was ihr in Black York bei einer schnellen Abreise verlieren oder vergessen könntet, wird auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Die Dämonen werden am Tag der Abrechnung versuchen, unsere Welt auszulöschen, ihr solltet also nur das Nötigste einpacken.“

Und mit diesen Worten ließ ich meine Freunde im Wohnzimmer stehen und verschwand in mein Schlafzimmer, um genau das zu tun, worum ich die anderen gerade gebeten hatte.

Es dauerte nicht lang, da klopfte es leise an meiner offenstehenden Tür.

„Tisiphone“, ertönte es zurückhaltend, doch ich ignorierte den Vampir geflissentlich und lief weiterhin in meinem Zimmer herum und überlegte, welche Dinge ich einpacken und welche lieber hierbleiben sollten.

„Was ist mit Euch?“, fragte er weiter und schien offenbar nicht zu erkennen, wie sehr seine Worte an meinem Geduldsfaden zerrten. Vielleicht wollte er aber auch die Furie in mir reizen. Vielleicht hatte er Spaß daran, mich zum äußersten zu treiben und mir den letzten Schubs zu geben, damit ich endgültig die Klippen hinabstürzte.

„Tess“, sagte Kay und dieses Mal schwang ein drohender Unterton mit.

„Was ist?“, fauchte ich und drehte mich – komplett verwandelt – zu meinem untoten Liebhaber um.

„Sprecht mit mir“, forderte er, ohne sich von meiner Erscheinung einschüchtern zu lassen. Schnell schloss er die Schlafzimmertür hinter sich, damit Ann und Skip nichts von unserem Gespräch und der drohenden Bombe, die hier gleich hochgehen würde, mitbekommen würden und wandte sich mir dann wieder zu.

„Es gibt nichts zu sagen“, knurrte ich und warf wahllos Klamotten in meine Reisetasche.

„Tisiphone“, sagte er bedauernd, doch ein warnender Blick meinerseits ließ Kay innehalten.

Als meine Tasche fertiggepackt war, rauschte ich an ihm vorbei ins Wohnzimmer und rief meine Freunde zu mir.

„Abmarsch!“ Ich deutete mit meinem Finger eine kreisende Bewegung an und sah mich noch einmal um. „Verabschiedet euch. Wir verlassen die Party!“ Und damit trat ich durch die Tür und ließ die Menschenwelt wieder einmal hinter mir zurück.

Nachdem wir das Portal passiert hatten, fuhren wir direkt zur Black Company. Wie auch bei Kays Auftauchen in der Menschenwelt wurde ich bei meiner Rückkehr nach Black York von Déjà-vus heimgesucht. Mit dem Unterschied, dass ich dieses Mal nicht Gefahr lief, eingesperrt oder gefoltert zu werden. Hoffentlich!

Als ich die heiligen Hallen der Black Company betrat und auf den Fahrstuhl zuhielt, stellte ich beeindruckt fest, dass das Gebäude ohne irgendwelche Makel wieder instand gesetzt worden war. Man sah nichts mehr von der Verwüstung, die die Dämonen damals hinterlassen hatten. Allerdings dürfte die Nächste auch nicht mehr lange auf sich warten lassen, warum also hatte man sich überhaupt die Mühe gemacht, alles wieder herzurichten?!

Na ja, irgendwie musste die Regierung die zehn Jahre ja genutzt haben – wenn schon nicht für die Vorbereitung auf den Tag der Abrechnung, dann doch zumindest für den Wiederaufbau.

Verdammte Werwolfkacke!

Als ich den Fahrstuhl betrat, folgte Kay mir dicht auf den Fersen. Ann und Skip hatten wir bei meiner Wohnung abgesetzt, sie sollten erst einmal ankommen, bevor der Wahnsinn für sie losging. Ich allerdings konnte nicht still sitzen und meinen Besuch bei Jack noch länger hinauszögern. Ich musste wissen, was mit ihm los war und herausfinden, warum der Halbgott diese Laissez-faire Haltung an den Tag legte.

Ich hatte auf dem Weg zur Company nicht einen Trupp Agenten erspähen können, die den Eindruck erweckten, Evakuierungsmaßnahmen einzuleiten. Da waren keine Empyrianer, die samt gepackter Koffer mit ihren Familien an den Grenzen darauf warteten, in die Menschenwelt umgesiedelt zu werden. Es sah für mich auch nicht danach aus, als wäre die Barriere zur Unterwelt sonderlich gut bewacht.

Hatte Jack wirklich überhaupt keine Vorkehrungen getroffen, die uns für den Tag der Abrechnung wappnen würden?

Wozu hatte er denn ein Team an erstklassigen Beratern und einen Stabschef, wenn nicht um die bestmöglichen Vorbereitungen zu treffen?

Apropos … Kay.

„Was machst du eigentlich hier?“, fragte ich den Vampir genervt und beobachtete, wie die Anzeige des Fahrstuhls ein Stockwerk nach dem nächsten aufleuchten ließ.

„Ich begleite Euch zu Pers. Ich bin Euer Rückhalt.“

„Ich brauche keinen Rückhalt, es ist immer noch Jack, von dem wir hier sprechen“, entgegnete ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Tisiphone, glaubt mir, Ihr werdet meine Unterstützung benötigen“, bekräftigte Kay und strich mir leicht mit seinem Handrücken über den Oberarm.

Ich zuckte genervt zurück und funkelte den Fürsten der Finsternis aufgebracht an. „Ich brauche keine Unterstützung von dir. Jack hätte sie gebraucht, aber anstatt ihm dabei zu helfen, Empyrion auf den Tag der Abrechnung vorzubereiten, kommst du mir in die Menschenwelt nachgelaufen, lässt zu, dass er sich eine neue Stabschefin zulegt und flirtest lieber mit meiner besten Freundin, anstatt dir dein Amt zurück zu erkämpfen!“ Ich war so wütend und außer mir, dass ich heftig und laut zu schnauben begann und spürte, wie die Furie sich erneut in mir regte. So oft wie in den vergangenen Stunden hatte ich, die letzten zehn Jahre zusammengenommen, nicht mehr die Kontrolle über mich verloren. Was war nur los mit mir?!

„Tisiphone, ich war acht Jahre einer der engsten Berater des Halbgottes. Ich war seine rechte Hand beim Wiederaufbau unserer Stadt, bei der Errichtung der neuen Mauer und habe ihm bei der Erstellung eines Evakuierungsplans mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Ich war da … bis diese Hexe in Erscheinung getreten ist. Seitdem wurde ich von Tag zu Tag weiter degradiert, bis mein Rat und meine Anwesenheit irgendwann gar nicht mehr erwünscht waren. Ich kann nicht sagen, wo genau sich die ausgearbeiteten Pläne für die Vorkehrungen auf den Tag der Abrechnung befinden, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie nach meiner Entlassung in einer Schublade verschwunden sind, die zu öffnen der Halbgott nie mehr vorgesehen hat. Ich muss Euch also widersprechen, Tisiphone, denn Ihr erweckt den Anschein, als hätte ich zehn Jahre lang tatenlos dabei zugesehen, wie sich Jack Pers, unser Staatsoberhaupt, mehr und mehr verliert. Doch so war es nicht. Ich habe meine Pflicht erfüllt, bis ich meines Amtes enthoben wurde, und nun stehe ich hier bei Euch und tue alles in meiner Machtstehende, um unsere Welt, unser Volk, vor dem Untergang zu bewahren. Ihr habt kein Recht, meine Ehre und die Beweggründe meines Handelns infrage zu stellen.“ Die Brust des Vampirs hob und senkte sich schnell und unregelmäßig, woran ich erkannte, wie aufgebracht er war. Der verletzte Blick, den er mir zuwarf, sprach Bände.

Und er hatte recht!

Wie hatte ich Kays Handlungen nur so anzweifeln können?

Ich selbst war in all den Jahren nie auf dieser Seite der Grenze gewesen, wie konnte ich es mir erlauben, ein Urteil zu fällen?

„Es … ich … Es tut mir leid“, hauchte ich beschämt und versuchte, den schwarzen Augen des Vampirs auszuweichen.

„Schon gut, Tisiphone, ich verzeihe Euch. Ihr wisst, Euch könnte ich nie etwas nachtragen. Mir ist wohl bewusst: Die Tatsache, dass ich nicht länger Stabschef unseres Oberhauptes bin, ist es im Grunde nicht, was Euch erzürnt, zumindest nicht ausschließlich, habe ich recht? Euch bedrückt noch etwas anderes“, stellte Kay wissend fest und lehnte sich lässig gegen die Wand der Fahrstuhlkabine.

„Nein, ich … Ach vergiss es“, fluchte ich und konzentrierte mich wieder auf die Anzeige. Wie lange konnte es verdammt noch mal dauern, das oberste Stockwerk zu erreichen? Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich behauptet, Kay sei ein Magier, der mit Absicht unsere Fahrt verlangsamte.

„Es sind immer noch der Halbgott und meine Wenigkeit, die Euer Herz für sich beanspruchen und Euer Gemüt in Wallung bringen … Daran hat sich in all der Zeit nichts geändert, auch wenn Ihr vehement etwas anderes behauptet“, der Vampir grinste anzüglich und ließ mich nicht aus den Augen.

„So ist das nicht“, murmelte ich wagte es jedoch nicht, Kay dabei anzusehen.

Elegant stieß er sich von der Wand ab und trat von hinten an mich heran. Ich konnte seinen Atem an meinem Hals spüren und schloss genießerisch die Augen, während eine Gänsehaut über meinen Rücken jagte. Es war viel zu lange her, seit ich einem Mann so nah gewesen war und Kay schien dies zu spüren.

„Ich kann Euch geben, was Ihr braucht, Furie“, schnurrte der Vampir und legte mir eine Hand an die Taille.

Doch ich schüttelte entschlossen mit dem Kopf und machte einen Schritt nach vorn, um den dringend benötigten Abstand zwischen Kay und mich zu bekommen.

„Du liegst falsch“, sagte ich atemlos und stützte mich mit der Hand an der Fahrstuhltür ab. „Es hat sich etwas geändert. Ja, ihr beide geht mir immer noch unter die Haut“, ich drehte mich zu Kay um und sah ihn traurig mit schiefgelegtem Kopf an, „aber ich habe mich entschieden, Kay. Es war und wird für mich immer Jack sein. Er ist es, den ich will, er ist es, den ich ...“ Ein dicker Kloß bildete sich in meiner Kehle und die alles verzehrende Angst, eine unglaubliche Chance auf die große Liebe verstrichen lassen zu haben, übermannte mich, sodass ich nicht weitersprechen konnte. Um Fassung ringend atmete ich tief durch und drehte mich dann wieder um.