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Es gibt viele Möglichkeiten, einen Hund abzurufen, nette und unfreundliche, wirkungsvolle und wirkungslose. In diesem Buch lernen Sie nette und wirkungsvolle Techniken kennen, aber es werden auch Grenzen aufgezeigt: Es gibt Situationen, in denen brauchen Sie gar nicht erst zu rufen, und es gibt Hunde, die lässt man besser an der Leine. Warum das so, erklärt Ute Rott Ihnen mit Humor und Sachkenntnis. Denn ein gut aufgebauter Rückruf mit Variationen für unterschiedliche Situationen erleichtert das Zusammenleben von Mensch und Hund und macht den täglichen Spaziergang zu einem schönen und entspannten Erlebnis für beide.
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Seitenzahl: 134
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Darf ich bitten?
Warum kommt mein Hund nicht, wenn ich rufe?
Der läuft dir nach wie ein junger Hund ...
Junghunde – Wegen Umbau geschlossen
Und wenn er schon erwachsen ist ...?
Strafe oder Lob?
Aufbau von Rückrufsignalen
Trainingsaufbau und Trainingsfallen
Carlo sagt: Danke!
Fazit
Danke schön!
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Literaturhinweise
Zur Autorin
So ein merkwürdiger Buchtitel, haben Sie sich vielleicht gedacht, als Sie dieses Buch gesehen haben. Warum soll ich meinen Hund „bitten” wenn er zu mir kommen soll? Der Titel kam durch einen Vorschlag nach einer Ideensammlung auf der Facebook-Seite des Verlages zustande. Er hat mir einfach gut gefallen, weil ich mich am meine erste Hündin erinnert fühlte. Ich habe sie beim Rückruf nie gebeten, sondern – nach Ratschlag aller möglichen „Experten” – sehr scharf angesprochen und wenn sie dann endlich kam, ihr eine reingesemmelt – auch so ein heißer Expertentip –, damit sie das nächste Mal schneller kommt. Mir blutete jedes Mal das Herz, aber es war niemand da, der mir gesagt hätte, wie ich es anders machen könnte.
Und? Kam sie schneller? Natürlich nicht. Würden Sie eilig und freudig zu jemanden hinlaufen, der Sie zuvor immer mal wieder gewatscht hat? Für Sie undurchschaubar und definitiv nicht erklärlich? Ganz sicher nicht. Nachdem mein Weibi, so hieß meine Bernhardinermixhündin, im Alter von neun Jahren wegen Knochenkrebs eingeschläfert werden musste, hätte ich viel darum gegeben, wenn ich sie mehr gebeten und weniger gezwungen hätte. Natürlich wurde sie nicht ihr Leben lang von mir verprügelt und auch das mit dem Zwang hielt sich in engen Grenzen. Mit Mitte 20 sieht mal vieles sehr locker und deshalb hatte sie jede Menge Freiheiten. Eine davon war, dass sie so gut wie überall frei laufen konnte außer an öffentlichen Straße und Plätzen. Die einzige Baustelle, die wir hatten, war der Rückruf. Rassetypisch war sie sowieso immer in meiner Nähe, deshalb war das auch nicht wirklich ein großes Thema. Wenn sie mal zehn Meter von mir entfernt war, war es viel – und das ohne diese Horrormethoden, die ich weiter hinten beschreibe. Bernhardiner sind so.
Wir hatten ein inniges und liebevolles Verhältnis, nicht zuletzt deshalb, weil mein Mädchen sich unglaublich bemühte, mir zu zeigen, wie es richtig geht. Bis zu ihrem Tod hatten wir ein „Spiel”, also ich dachte, es sei ein Spiel. Sie blieb zurück, deutlich mehr als ihre normale Distanz, und wenn ich mich umdrehte, lachte sie mich an und duckte sich ab – eine lustige, freundliche Spielaufforderung. Dann musste ich mich freuen und lachen und rufen: komm schnell, Weibilein, komm schnell! Sofort kam sie angesaust wie eine Rakete. Und dann gab es eine Riesenparty! Wir hopsten beide rum und waren sehr ausgelassen und albern. Einmal pro Spaziergang war das immer drin.
Heute glaube ich nicht mehr, dass das wirklich als Spiel von ihr gedacht war. Ich vermute, sie wollte mir zeigen, wie es richtig geht: freundlich, lustig, spielerisch, so dass alle Beteiligen Spaß daran haben. Selbst jetzt, fast 40 Jahre später, tut es mir weh, dass ich mein liebes Mädchen nicht richtig verstanden habe. Deshalb widme ich ihr dieses Buch. Vielleicht trägt es ein bisschen dazu bei, dass die Welt für Hunde freundlicher wird.
Weibi
Es gibt Hunde, die beim ersten Ton, den ihre Menschen von sich geben, angerannt kommen wie die Raketen. Freudig und begeistert rasen sie auf Herrchen – oder Frauchen – zu und freuen sich „wie ein junger Hund“, dass sie zu ihrem Menschen kommen dürfen. Viele Hundebesitzer stehen neiderfüllt daneben und fragen sich, warum ihr Hund das nicht macht. Vielleicht ist es so, dass ihr Hund nicht nur nicht reagiert, sondern auch ganz offensichtlich überhaupt keine Lust hat, in die Nähe seines Herrchens – oder Frauchens – zu kommen.
Jeder Mensch hat andere Prioritäten in der Hundeerziehung, auch Hundetrainer sind sich in vielen Punkten nicht einig, ob jetzt das eine oder andere Signal wirklich wichtig ist oder nicht. Zum Beispiel bestehen manche Trainer darauf, dass der Hund am Straßenrand immer absitzt, mir dagegen ist das ganz egal, solange der Hund ruhig wartet. Auch ob ein Hund abliegen oder Bei-Fuß-Gehen können muss oder nicht, darüber kann man verschiedener Ansicht sein.
Zwei Punkte gibt es, da sind sich eigentlich alle – ob Hundehalter oder TrainerIn – einig: Jeder Hund muss ordentlich an der Leine gehen können und er muss – gerade in schwierigen Situationen – kommen, wenn er gerufen wird. Die Erwartungshaltung, die sich dadurch bei den Menschen aufbaut, macht sich oft in einem nicht zu unterschätzenden Druck bemerkbar. Dazu kommt der gesellschaftliche Druck auf den Menschen, denn es wird einfach erwartet, dass Hunde funktionieren und das beweist der Mensch am besten dadurch, dass sein Hund „perfekt” hört. Dieser Druck erzeugt beim Hund aber Stress und Stress erschwert das Lernen ungemein.
Jedes Fehlverhalten, das ein Hund zeigt, bzw. das sein Mensch als solches einordnet, hat Ursachen. Eine der Hauptursachen ist:
Wir Menschen, die wir nicht gerne selbstkritisch an ein Problem herangehen, suchen lieber einen Schuldigen, als bei uns ein bisschen genauer hinzusehen. Es ist doch viel einfacher, seinem Hund Dominanz oder Ignoranz zu unterstellen, als den Fehler bei sich selbst zu suchen. Wenn wir aber unserem Hund anständiges Benehmen beibringen wollen, dann ist diese Erkenntnis, dass wir die Ursache so gut wie allen angeblichen Fehlverhaltens unserer Hunde sind, der erste Schritt in die richtige Richtung.
Hunde, die sich nicht abrufen lassen, wurden sehr häufig in irgend einer Form bestraft: sie wurden geschimpft, weil sie so langsam oder so spät kamen, nicht gelobt, bekamen also keine Anerkennung, wurden ignoriert, weil Gehorsam selbstverständlich erwartet wird ... warum also soll er zu seinem Menschen kommen? Anscheinend legt der keinen Wert auf seine Nähe. Zumindest stellt es sich für Hunde so dar.
In meinem Training gibt es keine Strafen. Warum das so ist, werden wir später noch besprechen. Es gibt nur eine einzige körperliche Züchtigung, die Sie anwenden dürfen, wenn Ihr Hund mal wieder nicht folgt: Sie nehmen eine möglichst dicke Tageszeitung, machen eine feste Rolle daraus und schlagen sich 5-6 Mal damit auf den Kopf. Bei jedem Schlag sagen Sie laut: Ich bin leider nicht fähig, meinen Hund zu erziehen. Wenn Ihr Hund einen Lachanfall bekommt, loben Sie ihn und geben ihm ganz tolles Leckerchen.
Spaß beiseite. Zunächst müssen wir feststellen:
Warum und wann kommt Ihr Hund nicht?
Denn dafür kann es ganz andere Gründe geben als bei allen anderen Hunden. Gehen Sie als erstes die nachfolgende Liste durch und überlegen Sie, was die Gründe für Ihren Hund sein könnten. Es gibt sehr viele Gründe, warum ein Hund nicht kommt, wenn man ihn ruft:
Zu wenig oder falsches Training:
Er kennt das Signal noch nicht
Die Entfernung ist zu groß
Der Hund hat gelernt nicht zu kommen, weil sein Besitzer steht da und ruft und ruft und ruft ...
Der Hund hat gelernt, erst zu kommen, wenn gebrüllt wird
Der Hund hat gelernt: „wenn ich komme, muss ich sofort an die Leine, und dann ist der Spaß vorbei!“
Herrchen / Frauchen ruft immer und läuft dann in Richtung Hund, also muss der nur warten, bis Herrchen / Frauchen da ist
Der Hund hört immer nur seinen Namen, aber nie, was er tun soll
Es gibt viele verschiedene Signale, die er immer wieder hört, aber er hat kein einziges ordentlich gelernt (hierher, komm her, schau mal her, zu mir ...)
Der Hund fühlt sich nicht angesprochen, weil er nie mit dem Namen angeredet wird
Er wird pausenlos abgerufen und hat einfach keinen Bock mehr. 25 Mal in 30 Minuten nervt auch den folgsamsten Hund
Der Hund wird permanent zugetextet und hört gar nicht mehr hin
Der Hund wird weder gelobt noch belohnt, wenn er kommt
Je nach Laune von Herrchen / Frauchen wird er mal gelobt, mal belohnt, mal angeschnauzt, mal ignoriert. Also bleibt er vorsichtshalber weg
Jedes Mal wenn er kommt, muss er was machen: Sitz, Platz oder sonst was, um sich ein krümeliges Leckerchen zu verdienen, das er eigentlich gar nicht mag
Er wird immer unter zu großer Ablenkung oder zum falschen Zeitpunkt gerufen:
Die Ablenkung ist zu groß, weil z.B. eine läufige Hündin in der Nähe Ihres Rüden rumläuft
Der Hund hat gelernt, dass er immer kommen soll, wenn was Tolles los ist (Hase, Jogger, spielende Kinder sind in Sicht)
Der Hund kotet oder uriniert gerade
Der Hund hat Stress
Der Hund hat ein Problem: er muss sich mit einem anderen Hund auseinandersetzen und Herrchen / Frauchen merkt das nicht
er hat Angst, ist krank oder behindert
Die Stimme des Rufenden ist:
zu leise
zu bedrohlich
Mimik und Gestik (=Körpersprache) ist:
zu bedrohlich
konfus und unklar
widersprüchlich
Der Hund fürchtet sich vor dem Signal
Der Hund hat Angst vor dem, der ruft
Als Welpe ist es dem Hund sehr oft passiert, dass er getreten wurde, jetzt traut er sich nicht mehr in die Nähe seiner Menschen
Der Hund fürchtet sich vor etwas, das er überqueren, durchlaufen, überwinden muss, um zu dem Rufenden zu kommen
Herrchen / Frauchen steht gegen die Sonne und der Hund fürchtet sich
Herrchen / Frauchen trägt eine schwarze Sonnenbrille (schwarze Löcher im Gesicht ...)
Herrchen / Frauchen hat eine Zigarette in der Hand
Oder er hat ganz andere Gründe:
Der Hund ist taub oder hört schlecht
Der Hund hat sich verletzt und kann nicht kommen
Der Hund ist mit dem Geschirr / Halsband hängengeblieben
Der Hund kennt oder erkennt den Rufenden nicht
Herrchen / Frauchen hat die Leine so umgehängt, dass sie dem Hund jedes Mal um den Kopf fliegt, wenn er hingeht, also mag er nicht mehr kommen
Mehrere Personen rufen den Hund gleichzeitig
Der Hund möchte lieber im Schatten bleiben
Er muss dringend irgendwo hin, z.B. ans Seeufer, weil er so gerne badet
Herrchen / Frauchen hat knisternde Kleidung an, das findet der Hund unangenehm
Der Hund hat noch überhaupt keine Lust heimzugehen
Herrchen ruft, Frauchen belohnt. Und wenn jetzt nur Herrchen da steht? Dann lohnt es sich ja nicht zu kommen.
..........
Und welche Gründe hat Ihr Hund?
Was glauben Sie? Klappt der Rückruf jetzt?
Der läuft dir nach wie ein junger Hund... Können Sie sich noch erinnern, wie Sie Ihren Kleinen bekommen haben? Auf Schritt und Tritt ist er hinter Ihnen hergelaufen. Manchmal war es direkt ein bisschen nervig, weil Sie immer aufpassen mussten, dass Sie nicht über ihn fallen. Wenn Sie seinen Namen nur gesagt haben, war er schon da.
Auch beim Spazierengehen ist er dauernd neben Ihnen gelaufen und Sie mussten ihn nie an die Leine nehmen. Geben Sie es zu, Sie waren richtig stolz, dass Sie so einen braven Hund hatten. Also haben Sie ihn immer frei laufen lassen. Wenn er wirklich mal weiter wegging, kam er plötzlich angeschossen und ist an Ihnen hochgesprungen. Sie haben das manchmal erst bemerkt, wenn er da war und sind fast über ihn gefallen.
Allmählich ist er größer geworden und hat angefangen, die Welt zu erkunden. Er hat gemerkt, dass es noch mehr interessante Dinge gibt, z.B. Schmetterlinge, Mäuse, Dreckhaufen, rotzige Taschentücher, Stöckchen, andere Hunde, Katzen, Kaninchen.... die ganze große interessante Welt eben, die so ein Hundekind ja auch einmal erobern möchte. Sie standen dann oft da und haben gerufen, gerufen, gerufen … aber er ist nicht gekommen. Sie haben seinen Namen gerufen, das hat nichts genutzt. Jemand hat Ihnen empfohlen, mit fester Stimme „Hier“ zu rufen, das hat ihn nicht wirklich interessiert. Dann haben Sie versucht, ihn mit einem Leckerchen zu locken, das hat auch nichts gebracht. Und nachdem Sie allerhand Dinge ausprobiert haben, die Sie irgendwo aufgeschnappt haben, sind Sie total sauer geworden und sind ihm nachgerannt. Vielleicht haben Sie ihn erwischt und ihn furchtbar geschimpft, vielleicht haben Sie ihm auch mal eine geknallt, vielleicht hat er mit Ihnen Fangen gespielt, ganz egal, wie Sie reagiert haben: er ist nicht von sich aus gekommen, sondern es wurde eher schlimmer als besser. Seitdem läuft er an der Leine und wenn er mal von der Leine weg ist, kommt er bestenfalls unwillig oder nach längerer Zeit und unter nervenaufreibenden Anstrengungen Ihrerseits zurück und lässt sich anleinen.
Vielleicht waren Sie auch immer sehr lieb zu ihm, haben ihn nie geschimpft und waren mit Leckerchen und Lob sehr freigiebig. Also kann es nicht daran liegen, dass er nicht kommt. Sie verstehen die Welt nicht mehr, weil Sie felsenfest davon überzeugt sind, dass man mit Freundlichkeit und Lob am meisten erreicht. Damit haben Sie auch recht, selbst wenn es jetzt erst mal mit dem Abrufen nicht geklappt hat.
Wenn Sie jetzt an die erste Zeit mit Ihrem Kleinen denken, dann erinnern Sie sich vielleicht an diese unglaublich praktische Angewohnheit, die alle Welpen haben: Sie laufen einem ständig hinterher. Oder was glauben Sie, woher das Sprichwort kommt: der läuft dir nach wie ein junger Hund? Warum tun sie das?
Welpen sind wie kleine Kinder sehr hilflos und das wissen sie. Es ist ihnen vollkommen klar, dass sie ohne Mama oder ersatzweise ihren Mensch nichts auf die Reihe kriegen. Sie als Mensch müssen alles übernehmen, wofür die Mutter zuständig wäre: Füttern, bewachen und beschützen, erziehen, kuscheln, streicheln, liebhaben, spielen..... alles eben, was eine gute Mama mit ihren Kindern so macht. Und weil Welpen wie Kinder am besten lernen, wenn sie jemanden haben, der ihnen alles vormacht, laufen sie entweder hinter ihrer Mutter oder eben hinter Ihnen her. Sehr praktisch für beide Seiten. Eigentlich.
Leider, leider, leider gibt es viele Hundetrainer und mehr oder weniger selbsternannte „Experten“, die sehen in diesem Hinterherlaufen Dominanzverhalten oder Austesten von Grenzen oder ähnliches. Damit sich Ihr Welpe keine Sachen anmaßt, die ihm nach Meinung dieser „Experten“ nicht zustehen, lassen sie sich allerhand einfallen. Da wird beispielsweise angeraten, das Hundekind sofort an eine Box zu gewöhnen, die dann einfach zu ist, wenn man seine Ruhe haben möchte. Z.B. nachts, da muss der kleine Hund eben aushalten und Sie müssen nicht alle zwei Stunden mit ihm raus. Dass die kleine Blase damit vollkommen überfordert ist und gesundheitliche Probleme vorprogrammiert sind, übersieht man geflissentlich. Dass diese Box, wahlweise ein Platz, an dem der Hund mit einer kurzen Leine fixiert wird, auch tagsüber ihre Dienste tun kann, erweist sich als sehr, sehr praktisch. Ist es nicht einfach toll, wenn der Kleine lernt, stundenlang auf dem ihm zugewiesenen Platz zu bleiben? Dann wuselt er Ihnen auch nicht mehr um die Füße und Sie müssen nicht so aufpassen. Und er lernt wunderbar, an seinem Platz zu bleiben. Super, oder?
Abgesehen davon, dass es einfach mehr als merkwürdig ist, wenn man sich einen Hund ins Haus holt, ihn aber nicht um sich haben möchte: wo ist der Unterschied zu einem Zwinger, in den der Hund gesperrt wird? Vielleicht der, dass es im Haus wärmer und er vor dem Wetter besser geschützt ist. Aber damit hört es schon auf.