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Alle Hunde jagen - ALLE, vom Chihuahua bis zur Dogge. Wenn das nicht so wäre, könnten wir keine Jagdspiele mit ihnen machen - apportieren, Mantrailing, Bällchen werfen, Leckerchensuche, lauter Jagdspiele, die deshalb so gut funktionieren und so viel Spaß machen, weil Hunde und Menschen gerne jagen. Damit müssen wir leben. Und wenn Sie mit dem Jagdeifer Ihrer Pelznase klar kommen wollen, dann gibt es eine ganze einfach Lösung: Machen Sie doch einfach mit. Wie das geht, ohne Hasen und Rehe zu gefährden, und wie Sie ganz nebenbei Ihren vierbeinigen Gefährten noch viel besser kennenlernen und mit ihm noch inniger zusammenwachsen, das erklärt Ihnen Ute Rott in diesem Buch - wie immer einfach, nachvollziehbar und mit viel Humor.
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Seitenzahl: 200
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Vorwort von Ulli Reichmann
1.
Jagen – nur ein Hundevergnügen?
2.
Über Triebe, Instinkte und andere vage Vorstellungen
3.
Was bedeutet das: mein Hund jagt?
4.
Wie Indiana, Maxl und ich das Jagen endeckten
5.
Wer jagt wie?
6.
Was unsere Hunde alles können
7.
Mehr oder weniger gute Ideen, Hunde vom Jagen abzuhalten
8.
Spuren im Schnee und anderswo
9.
Was Hunde alles können sollten ...
10.
Wenn du gerne möchtest ...
11.
Bin noch nicht fertig!
12.
War früher alles besser?
13.
Was noch zu sagen bleibt
Danke schön
Bildnachweis
Literaturempfehlungen
Zur Autorin
Wenn eine andere Person ein Buch zu einem Thema schreibt, für das man selbst unendliche Leidenschaft hegt, kann das sehr zwiespältige Gefühle auslösen. Bei mir ist das zumindest so. Beim Jagdverhalten bin ich empfindlich!
Zu viele Hunde werden ihr Leben lang missverstanden, zu viele Hunde leiden darunter, dass ihnen etwas abgewöhnt werden soll, das ein wichtiger Teil ihrer Persönlichkeit ist, zu viele Hunde werden in ihrem Können unterschätzt und mit lächerlichen Ersatzhandlungen für dumm verkauft. Ganz abgesehen davon, dass ich den Begriff „im Gehorsam stehen“ einfach nicht mehr hören kann, weil er meist mit der Erwartung einhergeht, der Hund wäre geboren, um zu dienen.
Deswegen mag ich Bücher über jagende Hunde eigentlich nicht mehr lesen.
Bei diesem hier habe ich es dennoch getan. Zum einen, weil ich andere Texte der Autorin kenne und sie sehr positiv wahrgenommen habe, zum anderen war ich neugierig und ein wenig hoffnungsvoll.
Um es kurz zu machen (Sie wollen schließlich jetzt dieses Buch lesen und nicht mein Vorwort): Ich wurde nicht enttäuscht. Ute Rott ist in keine der Fallen getappt, die der Umgang mit einem so komplexen Verhalten wie dem Jagen mit sich bringt.
Sie bleibt stets respektvoll den Hunden und Wildtieren gegenüber, berichtet auf äußerst unterhaltsame Weise von ihren eigenen, langjährigen Erfahrungen und baut über (nicht nur) kynologisches Fachwissen Verständnis für alle beschriebenen Vorgänge auf.
Praktische Tipps für den Umgang mit unterschiedlichen Situationen, die zwangsläufig beim Spazierengehen auftreten, fließen locker in den Text ein und sind auch für absolute Laien leicht und freundlich umzusetzen.
Besonders erfreut war ich unter anderem über den Humor, der immer wieder aufblitzt. Es gibt für mich in diesem Bereich nichts Schlimmeres, als todernste Abhandlungen über ein Lebewesen, dem wir mit Lachen und guter Stimmung so viel mehr an Lebensqualität bieten könnten. Uns selbst übrigens auch!
Sie haben, als Sie dieses Buch in die Hand genommen haben, eine ausgezeichnete Wahl getroffen und ich wünsche Ihnen ebensolches Vergnügen beim Lesen, wie ich es hatte.
Ulli Reichmann, Wien im Mai 2022
Wenn Menschen über das Jagdverhalten ihrer Hunde reden, dann hört sich das meistens nicht sehr nett an. Vorwürfe über Vorwürfe hageln auf den Hund herab. Denn er ist überhaupt nicht kooperativ, blendet unverschämterweise die Anwesenheit seines Menschen komplett aus, interessiert sich nicht im geringsten für den Mittelpunkt seiner Hundewelt ... Das Einzige, was den Vierbeiner dann noch interessiert, ist das Mauseloch, der Maulwurfshaufen, die Rehe, wahlweise Hasen auf der Wiese und was es an tierischen Versuchungen in der Welt sonst noch so gibt, und das geht überhaupt nicht. Denn das ist der klare Beweis dafür, dass er keine oder eine ganz schlechte Bindung an seinen Menschen hat.
Nachdem bei uns zwei Hunde leben, die sich ganz außerordentlich für das tierische Leben im Wald interessieren, der unser Haus umgibt, weiß ich sehr wohl, dass es nicht immer ganz einfach ist, mit solchen Hunden entspannt spazieren zu gehen. Aber ist das wirklich die Schuld der Hunde? Und hat das wirklich mit Desinteresse an uns oder einer schlechten Bindung zu tun?
Sehen wir uns doch mal an, welchen Freizeitbeschäftigungen Menschen frönen. Treiben Sie gerne Sport? Fußball oder Tennis? Oder segeln Sie gerne und nehmen auch mal an einer Regatta teil, egal ob aktiv oder als Zuschauer? Sammeln Sie irgendwas? Überraschungseier, Kaffeekannen oder Bierdeckel? Vielleicht lieben Sie auch Brettspiele wie Mensch-ärgeredich-nicht oder Monopoly? Wenn Sie irgendeine der genannten Tätigkeiten tatsächlich gerne ausüben, geben Sie mir dann Recht, wenn ich sage, dass Sie gerne jagen? Denn was sind Fußball oder Tennis anderes als Jagdspiele? Auch eine Segelregatta oder ein anderer Wettbewerb – könnte man da nicht sagen, hier geht’s um die Jagd nach Erfolgen und Pokalen? Oder Sammlerleidenschaft. Jagen Sammler nicht von einem Flohmarkt, einem Trödlerladen, einer Auktion zur anderen immer auf der Suche nach dem neuesten Objekt der Begierde? Bei den Brettspielen wollen Sie auch vor allen anderen die höchste Punktzahl haben – jagen Sie da etwa nach Punkten?
Haben Sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht, wie sich manche Auto- oder Radfahrer im Straßenverkehr benehmen? Ich könnte Ihnen Geschichten aus meiner Zeit im Außendienst erzählen, wie ich mir Rennen mit anderen Autofahrern auf der Autobahn geliefert habe, da würden Ihnen die Haare zu Berge stehen. War das was anderes als eine Jagd?
Wenn mein Mann begeistert verfolgt, ob Bayern München auch dieses Jahr wieder Deutscher Meister wird, heißt das dann, dass er mich nicht liebt? Oder dass seine Bindung an mich sehr schlecht ist? Finden Sie das lustig? Ich auch. Denn ich weiß ganz genau, dass das nicht stimmt. Genauso wenig wie bei Hunden.
Und was ist mit den „richtigen“ Jägern, mit denen, die tatsächlich mit Gewehr und allerhand mehr oder weniger sinnvoller Ausrüstung die Wälder und Wiesen unsicher machen? Die wirklich und wahrhaftig Tiere erschießen, entweder um sie zu essen oder als „Ungeziefer“ zu beseitigen oder um mit ihnen als Trophäe zu protzen. Diese Jäger und Jägerinnen geben richtig viel Geld aus, damit sie das dürfen und sie werden von vielen Menschen sehr bewundert und beneidet. Ihre Tätigkeit wird nach wie vor von den meisten Menschen als nützlich und notwendig erachtet.
Aber wenn Ihr Hund ein Mäuschen ausgräbt, dann begeht er ein Verbrechen?
Wenn man sich das Verhalten von Mensch und Hund in den entsprechenden Situationen ansieht, dann messen wir wieder mal mit zweierlei Maß: das angeschossene Wildschwein, das sich mit blutendem Bauch ins Unterholz schleppt und dort elend verreckt, hat halt das Pech gehabt, dass der Jäger ein hundsmiserabler Schütze ist. Der Hund, der 200 Meter von seinem Menschen entfernt im Wald unterwegs ist und vielleicht (!!) ein Reh hetzen möchte, verdient per Gesetz die Todesstrafe, denn der Jäger darf ihn erschießen.
Jagen ist für Hunde etwas Essentielles. Sie tun das nicht, um uns zu ärgern oder um einen nicht zu bändigenden Jagdtrieb zu befriedigen, sie jagen oder führen die einzelnen Sequenzen des Jagdverhaltens aus, weil es für sie zum Überleben notwendig ist oder doch sein könnte, wenn sie von uns nicht versorgt würden. Und das macht ihnen unglaublich viel Spaß, so wie Ihnen Monopoly oder Fußball. Hunden das Jagen zu verbieten, weil sie ja schließlich von uns gefüttert und umsorgt werden, ist genauso sinnvoll wie jemandem zu verbieten, seine eigenen Kartoffeln anzubauen. Er könnte die Kartoffeln und Zucchini schließlich im Supermarkt kaufen. Wer so argumentiert hat noch nie frischen, selbst angebauten Salat aus dem Garten gegessen oder sich auf die ersten Kartoffeln aus eigenem Anbau gefreut. Jagen dient Hunden und ihren wilden Verwandten schlicht und ergreifend dem höchst erfreulichen Nahrungserwerb, mit einem nicht besiegbaren „Trieb“, einer schlechten Bindung oder mit Respektlosigkeit uns gegenüber hat das überhaupt nichts zu tun.
Dazu kommt, dass viele Hunderassen explizit über hunderte, evtl. auch tausende Generationen genau dafür gezüchtet wurden: für Beute auffinden, für Vorstehen, Hetzen und sogar fürs Töten. Davon sind auch Hunde aus dem Tierschutz nicht ausgenommen. Gerade Hunde aus dem Auslandstierschutz bringen oft ein erhebliches Potential mit. Und nur weil wir uns das einbilden. werden eben Retriever, Beagles oder Podencomixe nicht wie von Zauberhand 100%ige Couchpotatoes, sondern bleiben Jagdhunde mit besonderen Bedürfnissen. Darauf werde ich noch an anderen Stellen zu sprechen kommen.
Jetzt gibt es ja mittlerweile richtig viele Bücher über Jagdverhalten bei Hunden, einige richtig gute, die Sie bei den Literaturempfehlungen finden, manche elend mies mit tierschutzrelevanten Vorschlägen, andere ganz nett mit einigem Verständnis für das, was die Hunde da tun, und mehr oder weniger guten Ideen, wie man dagegen angeht. Von meinen Kunden wurde ich immer wieder darauf angesprochen, warum ich noch kein Buch über jagende Hunde geschrieben hätte. Eigentlich war ich der Meinung, zu diesem Thema wäre schon alles gesagt und ich würde maximal 10 Seiten zu Papier bringen.
Bei einem meiner „Jagdspaziergänge“ mit meinen Hunden habe ich gründlich darüber nachgedacht und beschlossen, dass es wichtig und sinnvoll ist, weiter daran zu arbeiten, mehr Argumente für einen freundlichen Umgang mit unseren vierbeinigen Freunden unter das Volk zu bringen, mehr Verständnis für die Hunde zu wecken bei dem, was sie da tun, und mehr Menschen dazu zu bringen anzuerkennen, was für großartige Gefährten sie an ihrer Seite haben, und wie interessant und bereichernd es ist, mit Hunden auf die Jagd zu gehen, ohne Hasen und Rehe dabei zu gefährden. Ich bin davon überzeugt, dass wir unsere Hunde erst dann richtig kennen, wenn wir wissen, wie sie jagen, welche Beute sie bevorzugen würden und welche Jagdtaktiken sie anwenden. Das können Sie damit vergleichen, dass Sie einen Menschen dann richtig gut kennen, wenn Sie wissen, was er gerne isst, ob er gerne kocht oder sich lieber bekochen lässt, ob er beim Essen auch mal Experimente macht oder immer die gleichen Dinge auf dem Teller haben möchte, ob er sein Gemüse selber anbaut, auf dem Markt, im Bioladen oder im Supermarkt einkauft. Wie ein Mensch mit dem Thema Essen und Nahrungsbeschaffung umgeht, sagt viel über ihn aus, so wie das Jagen über Hunde.
Lassen Sie sich einfach darauf ein, versuchen Sie es. Es gibt nur positive Nebenwirkungen, versprochen. Und Sie können – fast – nichts falsch machen. Ihre Hunde werden begeistert sein - und Sie letztendlich auch.
Bevor Sie weiterlesen, noch zwei Bemerkungen.
In Büchern über die Jagdleidenschaft der Hunde sieht man häufig sehr spektakuläre Bilder, entweder von Hunden, die sich regelrecht im Jagdrausch befinden oder tolle Nahaufnahmen von Hirschen, Wölfen oder anderen Wildtieren. In diesem Buch finden Sie nichts dergleichen. Wie ein Hund aussieht, der etwas in der Nase hat, wissen Sie selber. Und Nahaufnahmen von Wölfen, Füchsen oder Hirschen sind in den seltensten Fällen von den AutorInnen, sondern werden in der Regel zugekauft. Wenn ich solche Tiere treffe, habe ich anderes zu tun, als meinen Fotoapparat zu zücken. Auch habe ich einfach keine Zeit, mich stundenlang in den Wald zu setzen und darauf zu warten, dass mir was vor die Linse läuft. Videos und großartige Fotos von allen möglichen Tieren finden Sie zuhauf im Internet. Sollten Sie also während des Lesens Bedarf an spektakulären Bildern haben, dann gehen Sie einfach ins Internet, googeln die Bilder und schauen beim Lesen immer wieder hin. Die Fotos in diesem Buch sind entweder von mir selber oder liebe FreundInnen und Bekannte haben sie mir zur Verfügung gestellt, und alle Aufnahmen wurden in der Uckermark gemacht, denn was Sie hier im Anschluss lesen, bezieht sich auf die Situation rund um unser Forsthaus.
Hauptsächlich beschreibe ich, wie sich Jagdspaziergänge mit meinen Hunden und einigen meiner Kundenhunde gestalten. Das bedeutet nicht, dass die das am tollsten machen und dass es nur so geht. Es sind einfach die Hunde, die ich am besten kenne und mit denen ich unter den Bedingungen arbeite, mit denen ich am besten vertraut bin. Bei Ihnen, mit Ihren Hunden und in Ihrer Umgebung kann das ganz anders aussehen. Betrachten Sie deshalb meine Ausführungen und Hinweise als Anregungen, die Sie gerne an Ihre individuellen Verhältnisse anpassen können.
Trieb! Was für ein schreckliches Wort. Es erweckt die Vorstellung von etwas Unbezähmbarem, Unvermeidlichem, von etwas, dessen wir nie und nimmer Herr werden können. Ein Dämon, der uns oder unsere Hunde beherrscht und dem wir hilflos ausgeliefert sind. Wie eben dem Jagdtrieb unseres Hundes.
Ist das so? Sind wir und unsere Hunde vollkommen hilflos gegenüber diesem unbeherrschbaren Trieb im dunklen Inneren unseres Hundes? Gibt es keine andere Möglichkeit, als diesen „Trieb“ mit aller Macht zu unterdrükken oder ihn wenigstens umzulenken?
Wenn ich etwas unverständlich oder ungenau finde, frage ich gerne nach, entweder bei Wikipedia oder im Brockhaus, der bei mir im Regal steht. Da finde ich dann solche Erklärungen:
Wikipedia:
„Trieb (von ‚treiben‘) steht für:
Spross, sich entwickelnder Teil einer Pflanze
innerer Antrieb zu einem Verhalten, siehe Instinkt
ein den Menschen steuernder Faktor, siehe
Triebtheorie:
ist ein Oberbegriff für eine Reihe von Theorien aus Ethologie, Psychologie und Psychoanalyse. Ihnen allen ist die Auffassung gemeinsam, der Mensch werde wesentlich von einer Anzahl endogener (d.h. angeborener) Triebe und Grundbedürfnisse gesteuert. Die bekannteste und einflussreichste Triebtheorie entwickelte Sigmund Freud. Heute wird das Triebkonzept in der wissenschaftlichen Literatur nur noch vereinzelt verwendet; entscheidende Elemente davon leben aber in den moderneren Fachbegriffen der Motivation und des Motivationssystems fort ...“
Ein Trieb kann somit der Spross einer Pflanze sein, die treibt und uns damit erfreut. Das kann jeder bestätigen, der schon mal Radieschen oder Salat angesät hat. Ein Trieb könnte aber auch ein „innerer Antrieb“ sein, der uns dazu bringt, etwas zu tun, das wir nicht bewusst steuern können und dem ein sogenanntes Reiz-Reaktions-Schema zugrunde liegt. Ganz schwierig wird es, wenn wir davon ausgehen, dass manche Triebe, wie z.B. der Jagdtrieb beim Hund nach sofortiger Befriedigung streben, dass der Hund also gar nicht anders kann, als dem Häschen hinterher zu rennen.
Mindestens ebenso problematisch ist das Wort „Instinkt“. Frage ich Kunden, die mit einem sehr jagdbegeisterten Hund bei mir aufschlagen, warum ihr Hund denn so gerne Katzen, Rehe, was auch immer jagt, fällt sehr oft der Satz „Das ist eben sein Instinkt“. Und damit ist alles gesagt. Angeblich. Denn was das bedeuten soll, wissen die wenigsten. Aber es klingt gut und auch wieder unausweichlich, sehr, sehr gefährlich, und man sollte mit aller Macht danach streben, diesen Wahnsinn zu unterdrücken.
So erklärt das Wikipedia:
„Instinkt (deutsch auch Naturtrieb) bezeichnet im Allgemeinen eine angeborene innere Grundlage (den „Antrieb“) eines vom Beobachter wahrnehmbaren Verhaltens von Tieren.
Im engeren Sinne ist Instinkt ein historischer Fachbegriff der klassischen vergleichenden Verhaltensforschung (Ethologie), der ein Verhalten bezeichnet, das durch Schlüsselreize über einen angeborenen Auslösemechanismus (AAM) hervorgerufen werden kann und das sich in einer geordneten Abfolge von stets gleichförmigen Instinktbewegungen (bedeutungsgleich: in „erbkoordiniertem Verhalten“ oder „Erbkoordinationen“) äußert. Die Untersuchung der Instinkte und die Erarbeitung einer Instinkttheorie sah die seit den 1930er-Jahren aus der Tierpsychologie hervorgegangene, klassische vergleichende Verhaltensforschung als eines ihrer wesentlichen Forschungsziele an, während die Befürworter des Behaviorismus die Suche nach inneren Ursachen für Verhaltensweisen grundsätzlich ablehnten.
Einige Autoren verweisen auf das Phänomen einer spontan – ohne äußeren Einfluss – ansteigenden Handlungsbereitschaft als wesentliches Element eines Instinkts, was eine Nähe zur Triebtheorie diverser psychologischer Schulen zur Folge hat.
Die Bezeichnung Instinkt wurde jedoch sowohl in der Verhaltensforschung als auch in der Psychologie nie eindeutig definiert, sondern von unterschiedlichen Autoren jeweils unterschiedlich verwendet. “
Der Große Brockhaus schreibt zu „Instinkt“:
„Begriff, der in der vergleichenden Verhaltensforschung sehr umstritten ist und in vielfältiger Bedeutung gebraucht wird. Überwiegend versteht man darunter die angeborene Fähigkeit von Lebewesen, auf bestimmte innere Impulse (Triebe) und/oder Umweltreize (Schlüsselreize) über ein im Zentralnervensystem befindliches Koordinationssystem als Auslösemechanismus mit einem arttypischen Verhaltensablauf zu reagieren“.
Bereits im Herder Lexikon der Biologie von 1985 kann man nachlesen: „In der wissenschaftlichen Terminologie sollte das Wort Instinkt vermieden werden.“ Warum? Weil es ungenau ist und de facto nichts aussagt. Bei anderen Quellen kann man auch die Übersetzung „Naturtrieb“ für Instinkt lesen. Und schon ist der Trieb wieder im Spiel.
Wer Hunden grundsätzlich bei allen Handlungen Triebe und Instinkthandlungen unterstellt, ist vermutlich der Meinung, dass Hunde nicht denken können, nicht in der Lage sind, planvoll zu handeln und – ganz wichtig beim Jagdverhalten – eine bereits begonnene Handlung weder unterbrechen noch planvoll beeinflussen können. Wer so denkt, hat vermutlich noch nie einen Hund beim Jagen beobachtet.
Jetzt ist es ja tatsächlich so, dass es für viele Hunde außerordentlich schwer ist, eine einmal begonnene Jagd ab einem gewissen Zeitpunkt zu beenden, bevor sie zum Erfolg gelangt sind. Merkwürdigerweise können das aber alle ihre wilden Verwandten. Und es gibt auch Hunde, allerdings sind die nach meiner Erfahrung in der Minderheit, die wirklich mehr oder weniger planlos durch die Gegend rennen, bis sie endlich was Jagdbares gefunden haben. Können Sie sich vorstellen, dass Wölfe, Füchse oder Kojoten, die Welpen versorgen müssen, selber auch Hunger haben und effektiv mit ihrer Kraft und Energie umgehen müssen, einfach mal so losziehen? Immer nach dem Motto: Wird sich schon was finden? Ich glaube nicht, dass sie das tun. Das kann sicher mal vorkommen, aber in der Regel wissen sie schon, wo die Rehe oder Hirsche stehen, wo es die meisten Mauslöcher oder Vogelnester am Boden gibt. Und Hunde rennen einfach so los? Weil sie diesen „Naturtrieb“ nun mal in sich haben und völlig hirnlos ihrem „Instinkt“ folgen müssen?
Auch davon, was Jagdverhalten selber ist, haben viele Menschen eine mehr als vage Vorstellung. Ein Hund, der in eine Pferdeweide rennt und die Pferde mit sehr aktiver Vorderkörpertiefstellung zum Rennen anregt, der will wirklich nur spielen? Ein Hund, der hinter jeder Ente herschwimmt und von jedem Wasservogel begeistert ist? Der macht das aus Spaß am Schwimmen? Und der würde der Ente nie was tun? Echt? Ein Hund, der hinter einem Ball herrennt, spielt? Aber wenn er das gleiche mit einem Kaninchen macht, das vor ihm aufspringt? Was ist das dann? Auch spielen? Begriffsverwirrung gibt es somit nicht nur bei vermeintlich wissenschaftlichen Begriffen, sondern auch bei Begriffen, die wir tagtäglich im Munde führen, ohne tatsächlich zu wissen oder darüber nachzudenken, was sie bedeuten und wie sie sich in der Praxis auf das Leben unserer Hunde und damit auf unser Leben auswirken.
Die Frage ist also: gibt es so etwas wie einen „Jagdtrieb“ überhaupt?
Caniden gehören zu den Landraubtieren. Das bedeutet, dass sie Beutetiere erlegen und aufessen, um überleben zu können. Damit gewährleistet ist, dass sie das wirklich beherrschen, durchleben Welpen und Jungtiere bestimmte Phasen, in denen sie notwendige Handlungen, Verhaltensweisen und Variationen der Jagdsequenzen spielerisch einüben. Diesen Ablauf kennen wir alle: ein Blatt fliegt auf und der Welpe hopst hinterdrein. Das macht er vielleicht eine Zeitlang, dann stellt er fest, dass das langweilig ist, weil das Blatt nicht gut schmeckt und irgendwann völlig bewegungslos rumliegt. Oft weiß er gar nicht mehr, was an dem Blatt so interessant war, wenn es nicht mehr fliegt.
Viel besser ist es, in einen Zweig zu beißen, der sich dann „wehrt“. Aber auch das wird langweilig. Ein Vogel fliegt auf – es wird immer besser, weil man den evtl. von Busch zu Busch verfolgen kann. Nur nervt das den Vogel, er fliegt davon, also auch nicht so gut. Aber die Nachbarskatze, die ist lustig, oder das Kind auf dem Fahrrad, oder vorbeifahrende Autos. .... Der Jungspund wächst mit seinen Aufgaben. Müsste er sich als Wolf, Wildhund oder Kojote irgendwann selber durchs Leben bringen und auch noch eine Familie ernähren, würde er von seinen Eltern ab einem gewissen Alter zwar verletzte, aber noch lebende Tiere serviert bekommen, z.B. Mäuse. An diesen armen Tieren kann er dann sein Glück versuchen. Und da man die Mäuse auch fressen kann, interessiert er sich nicht mehr für wackelnde Zweige oder flüchtende Vögel, sondern lernt unter der Anleitung seiner Eltern, wie er die für ihn entsprechende Beute finden, erlegen und fressen kann, bis er in der Lage ist, auch deutlich größere Beutetiere zu erlegen.
Interessanterweise machen das Kater, die sich angeblich nicht für ihre Kinder interessieren, sehr wohl mit Kitten und Welpen, die mit ihnen im gleichen Haushalt leben. Wohlgemerkt: fast ausschließlich die Kater, die Kätzinnen nicht. Die meisten meiner KundInnen, die mit einem oder mehreren Katern zusammenleben, berichten, dass diese den jungen Hunden, wenn diese etwa sechs Monate alt sind, halbtote Mäuse bringen, an denen sie dann üben können. Alle diese Hunde werden hervorragende Mäusejäger und könnten sehr gut alleine überleben. Das sind häufig auch Hunde, die sehr viel besser lernen können, wann sich Jagd lohnt und wann nicht.
Im Widerspruch zu den individuellen Lernerfahrungen jedes jungen Beutegreifers steht, dass man aus solchen und ähnlichen Beobachtungen abgeleitet hat, dass der „Jagdtrieb“ durch ein Reiz-Reaktions-Schema ausgelöst wird. Der Reiz (= flüchtendes Beutetier) wird vom Beutegreifer wahrgenommen, diese Wahrnehmung löst die Reaktion (= hetzen) aus. Auch dieses Schema ist mittlerweile sehr umstritten, denn es erklärt nicht, warum sich Individuen jeweils anders, eben individuell verhalten und eigene Abläufe entwickeln. Warum begnügt sich der eine Wolf damit, Mäuse auszubuddeln und ab und zu einen Hasen zu fangen, während der andere ein wahres Wunder an Effizienz ist und sehr erfolgreich Rehe, Hirsche und Wildschweine erlegt? Ebenso liefert dieses Schema keine Erklärung dafür, wie sich die Kooperation bei der Jagd unter Partnern entwickelt. Denn nur durch eine genaue Aufgabenteilung können wildlebende Canidenrudel ihr Überleben sichern. Wenn jeder einfach losrennt, nur weil ein Hirsch im anvisierten Hirschrudel einen Hopser macht, bleiben alle dauerhaft hungrig.
Aus Beobachtungen von freilebenden Wölfen weiß man allerdings, dass Jungwölfe von Anfang an ihre Talente und Fähigkeiten bei der gemeinsamen Jagd erproben können, Erfolge und Misserfolge erleben und damit lernen, Aufgaben zu übernehmen, für die sie geeignet sind. Das erhöht nicht nur die Jagderfolge, es gibt den jungen Wölfen auch Zuversicht und Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten. Von irgendwelchen mechanisch ablaufenden Schemata ist das weit entfernt.
Bei Haushunden läuft das etwas anders. Zwar hopst auch unser Welpi hinter Blättern und Vögeln her oder beißt in wackelnde Zweige, aber es kommt noch etwas dazu, was Wildcaniden erspart bleibt. Weil das ja so süß ist, spielen wir mit ihm. Natürlich spielen auch Hunde und Wildcaniden mit ihren Kindern, aber Menschen gehen ein bisschen anders an dieses Thema heran, denn spielen ist total superwichtig, das sagen alle Experten, besonders die ganz guten, die es bis ins Fernsehen schaffen. Wer nicht mit seinem Hund spielt, der vernachlässigt seine Entwicklung sträflich und unterfordert ihn. Der Hund kann sich dann niemals normal entwickeln, weil ohne spielerisches Lernen wird das alles nix. Zudem fördert es die Bindung und man kann Spiele supertoll mit der Festigung des Grundgehorsams verbinden.
Echt jetzt?
Was spielen Menschen denn so mit ihren Hunden? Zottel vor dem Hund wegziehen, Bälle rollen oder werfen, Quietschtiere anbieten, ihn mit der Reizangel animieren ..... lauter Jagdspiele. Im Gegensatz zu Wildcaniden, die sehr viele Misserfolge haben, bis sie endlich mal ihren ersten eigenen Jagderfolg verbuchen können, verschaffen wir unseren Hunden bei diesen Spielen einen 100%igen Erfolg. Wir lassen auch nicht locker, wenn der Kleine keine Lust mehr hat, wir reizen ihn so lange, bis er weiter macht. Wir verhindern damit erfolgreich, dass er lernt, eine Jagdsequenz zu unterbrechen. Im Gegenteil, wir spornen ihn auch noch an, selbst wenn er deutlich signalisiert, dass es ihm reicht. Und festigen damit ein optimal konditioniertes Reiz-Reaktions-Schema.
1. Der Maxl war ein richtiger Balljunkie
Denn irgendwann kommt der Tag, an dem ein Hase vor ihm aufspringt. Unserem Bello ist das vollkommen egal, ob ein Ball geworfen wird oder ein Hase wegrennt. Es bewegt sich etwas, das noch dazu sehr gut riecht, schnell von ihm weg. Er hat gelernt, dass man da sofort und ohne nachzudenken hinterherrennen muss, und das macht er dann eben. Es interessiert ihn nicht im Geringsten, dass sein Mensch verzweifelt ruft und schreit und versucht, ihn von der Hasenjagd abzubringen. Er hat ja nicht gelernt, auf irgendwas anderes zu achten als auf das fliehende Objekt. Anders ausgedrückt: wir haben vor allem seine Reaktion auf einen Auslösereiz trainiert. Dazu braucht es kein funktionierendes Gehirn, nur schnelle Beine. Und schon finden wir es vollkommen schlüssig, wenn uns ein Experte erklärt, dass das eben der Jagdtrieb sei, der in jedem Hund schlummert, dass der mit diesem Reiz-Reaktions-Schema abläuft und ab sofort effektiv und akkurat bekämpft und unterdrückt werden muss.
Aha.
Wie so häufig, wenn Menschen bei Hunden etwas nervig und störend empfinden, wird dieser Störung und damit automatisch dem Hund der Kampf angesagt. Denn diese selbständigen Aktionen, die auch gesellschaftlich verfemt sind, wollen wir einfach nicht haben. Züchterseiten sind voll von überzeugenden Argumenten, dass diese Rasse hier nicht jagt, garantiert nicht, weil ..., um die Menschen dazu zu bringen, sich alle möglichen Hunde nach Hause zu holen, die selbstverständlich jagen würden, so sie denn müssten und auch dürften.