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Das Anti-Stress- Programm der University of Oxford.
Es sind nur zwanzig Minuten täglich, aber sie können das Leben verändern. in unserer von Zeitdruck, Hektik und permanenter Erreichbarkeit geprägten Zeit brauchen wir dringend Wege, effektiv zu entspannen und wieder zu uns selbst zu finden. Das Wunderwort heißt „Achtsamkeit“: Kurz anhalten, ruhig atmen und von sich selbst Abstand nehmen. Achtsamkeit ist jedoch nicht nur eine Idee, es ist eine Art zu leben. Schritt für Schritt zeigen Mark Williams und Danny Penman, wie das im Alltag auch tatsächlich geht. Ihr Programm, dessen Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen ist, enthält Kurzmeditationen, Übungen zur Körperwahrnehmung und Anregungen, eingeschliffene Gewohnheiten zu durchbrechen. Es bietet den großen Vorteil, sich wunderbar in den Alltag integrieren zu lassen und ist auch für Anfänger bestens geeignet. Bereits nach acht Wochen sind wir deutlich ruhiger und entdecken unsere Lebensfreude wieder. Das Buch erschien ursprünglich unter dem Titel "Meditation im Alltag" als gebundenes Buch im Arkana Verlag.
Buch plus Audio-Downloads, Laufzeit ca. 74 min.
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Seitenzahl: 390
Buch
Es sind nur zwanzig Minuten täglich, aber sie können das Leben verändern. In unserer von Zeitdruck, Hektik und permanenter Erreichbarkeit geprägten Zeit brauchen wir Wege, um effektiv zu entspannen und wieder zu uns selbst zu finden. Das Wunderwort heißt „Achtsamkeit“: Kurz anhalten, ruhig atmen und Abstand gewinnen. Achtsamkeit jedoch ist nicht nur ein Konzept, sie ist eine Lebenseinstellung. Schritt für Schritt zeigen Mark Williams und Danny Penman, wie wir Achtsamkeit in unser Leben integrieren. Ihr Programm, dessen Wirksamkeit auf wissenschaftlichen Untersuchungen basiert, enthält Kurzmeditationen, Übungen zur Körperwahrnehmung und Anregungen, eingeschliffene Muster zu durchbrechen. Es lässt sich harmonisch in den Alltag integrieren und eignet sich für jeden, der sich gestresst fühlt und dem Burnout vorbeugen möchte. Bereits nach acht Wochen stellt sich ein Gefühl tiefer Ruhe ein, und wir entdecken unsere Lebensfreude wieder.
Autoren
Mark Williams ist einer der wissenschaftlichen Wegbereiter für die Methode »Stressbewältigung durch Achtsamkeit« (MBSR). Als Professor für Klinische Psychologie an der Universität Oxford war er zudem maßgeblich an der Entwicklung der erfolgreichen Therapieform »Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie« (MBTC) beteiligt. Von ihm erschien bislang der US-Bestseller »Der achtsame Weg durch die Depression«.
Dr. Danny Penman ist Journalist mit den Schwerpunktthemen Wissenschaft und Gesundheit. Er schreibt für »The Daily Mail«,»New Scientist« sowie andere überregionale Zeitungen und arbeitet für die BBC.
Mark Williams Danny Penman
Das Achtsamkeitstraining
20 Minuten täglich, die Ihr Leben verändern
Vorwort von Jon Kabat-Zinn
Aus dem Englischenvon Ursula Rahn-Huber
Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
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Die englische Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel »Mindfulness. A practical Guide to Finding Peace in a Frantic World« im Piatkus Verlag, London, Großbritannien.
Die deutsche Erstausgabe erschien 2011 unter dem Titel »Meditation im Alltag. Gelassenheit finden in einer hektischen Welt« bei Arkana, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH.
© 2015 Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
© 2011 der Originalausgabe Professor Mark Williams und Dr. Danny Penman
Covergestaltung: UNO Werbeagentur, München
Covermotiv: FinePic®, München
SSt . Herstellung: cb
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
ISBN 978-3-641-06625-3V006
www.goldmann-verlag.de
Inhalt
Vorwort
Kapitel 1 – Im Hamsterrad
Kapitel 2 – Warum greifen wir uns selbst an?
Kapitel 3 – Wach sein in dem Leben, das wir haben
Kapitel 4 – Das 8-Wochen-Achtsamkeitsprogramm
Kapitel 5 – Erste Achtsamkeitswoche: Achtung, Autopilot! Bitte aufwachen!
Kapitel 6 – Zweite Achtsamkeitswoche: Den Körper im Kopf behalten
Kapitel 7 – Dritte Achtsamkeitswoche: Die Maus im Labyrinth
Kapitel 8 – Vierte Achtsamkeitswoche: Raus aus der Gerüchteküche
Kapitel 9 – Fünfte Achtsamkeitswoche: Schwierigkeiten annehmen
Kapitel 10 – Sechste Achtsamkeitswoche: Im Gestern gefangen oder im Heute geborgen?
Kapitel 11 – Siebte Achtsamkeitswoche: Wann haben Sie zum letzten Mal getanzt?
Kapitel 12 – Achte Achtsamkeitswoche: Ihr wildes, kostbares Leben
Dank
Anmerkungen
Quellen
Register
Die Audio-Meditationen
Vorwort
Alle Welt redet heutzutage von Achtsamkeit. Das ist großartig, denn es herrscht eine allgemeine Sehnsucht, ja ein Hunger nach etwas schwer Fassbarem, das wir für ein erfülltes Leben zu brauchen scheinen. Manchmal ahnen wir womöglich intuitiv, dass das, was uns auf einer tieferen Ebene fehlt, wir selbst sind – unsere Bereitschaft oder Fähigkeit, in unserem Leben »anwesend« zu sein, es also so zu führen, als käme es wirklich darauf an, im Hier und Jetzt präsent zu sein, dem einzigen Moment, den wir überhaupt haben. In den Augenblicken, in denen uns das gelingt, spüren wir, dass wir es wert sind, das Leben so zu führen, und dass wir dazu auch in der Lage sind. Dies ist eine sehr mutige und ausgesprochen wichtige Erkenntnis. Sie kann die Welt verändern. Wer sie gewinnt, dem erschließt sich daraus in jedem Fall etwas zutiefst Erfüllendes und Lebensveränderndes.
Dies vorwegeschickt, sei betont, dass das Praktizieren von Achtsamkeit mehr ist als eine Idee, mehr oder weniger oberflächlich dahingesagt nach dem Motto: »Na klar, ich werde in meinem Leben präsenter sein und weniger urteilen, und dann wird alles besser. Warum bin ich nicht schon früher darauf gekommen?« Gedanken dieser Art sind meist flüchtiger Natur und entfalten nur in den seltensten Fällen eine nachhaltige Wirkung. Es mag auch absolut sinnvoll sein, mehr in der Gegenwart zu leben und weniger zu urteilen, aber allein damit werden wir nicht sehr weit kommen. Genau genommen werden wir mit dieser Art des Denkens unsere eigene Unzulänglichkeit und Ohnmacht nur umso deutlicher empfinden. Wenn Achtsamkeit ihre Wirkung entfalten und uns überhaupt etwas bringen soll, müssen wir uns ihr mit Leib und Seele verschreiben. Anders ausgedrückt: Es stimmt, was Mark Williams und Danny Penman schreiben – Achtsamkeit will fortwährend praktiziert sein. Sie ist eine Lebensform und nicht bloß eine gute Idee, intelligente Methode oder vorübergehende Mode. In der Tat fußt die Praxis der Achtsamkeit auf einer jahrtausendealten Tradition, die gern das »Herz der buddhistischen Meditation« genannt wird, obwohl der Grundgedanke von Aufmerksamkeit und Achtsamkeit etwas Universales ist.
Dieses Buch beschreibt eingängig und auf wissenschaftlich wie medizinisch fundierte Weise, welch großen Einfluss es auf unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und unsere emotionale Ausgeglichenheit hat, wenn wir achtsam leben. Da es sich jedoch um eine Lebensform und nicht bloß um eine gute Idee handelt, kann sie nur in einem fortlaufenden Prozess erworben werden, der sich erst im Lauf der Zeit entfalten und vertiefen wird. Eine starke innere Entschlossenheit ist dabei eindeutig von Vorteil – eine Entschlossenheit, die ein gewisses Maß an Hartnäckigkeit und Disziplin ebenso wie die Möglichkeit umfasst, spielerisch und mit möglichst viel Leichtigkeit und Sensibilität an die Sache heranzugehen und sich selbst liebevoll und einfühlsam zu begegnen. Diese Sensibilität in Kombination mit einem beharrlichen, ernsthaften Engagement ist das gemeinsame Kennzeichen aller Achtsamkeitstrainings und -schulungen.
Es kommt sehr darauf an, sich für diesen Weg fachkundige Begleitung zu suchen, denn es steht einiges auf dem Spiel. Letztlich geht es hier um nichts Geringeres als unsere Lebensqualität und die Art und Weise, wie wir unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen und unserem Planeten gestalten, ganz zu schweigen von dem Maß an Wohlbefinden, innerer Balance, Zufriedenheit und Ganzheitlichkeit, das wir in unserem Alltag gewinnen können. Sie tun gut daran, wenn Sie sich in die erfahrenen Hände von Mark Williams und Danny Penman begeben und sich von ihnen durch das Programm führen lassen, das sie selbst entwickelt haben. Mit seinem klar strukturierten Aufbau – man könnte auch sagen: seiner Architektur – bietet es nicht nur den geeigneten Rahmen, um zu beobachten, was in Ihren Gedanken, Ihrem Körper und Ihrem Leben insgesamt geschieht. Es stellt Ihnen darüber hinaus das notwendige Instrumentarium zur Verfügung, um das, was Ihnen im laufenden Prozess begegnet, auch systematisch und zuverlässig verarbeiten zu können. Das wissenschaftlich fundierte Konzept basiert auf den Erkenntnissen der »Mindfulness-Based Stress Reduction« (in Deutschland bekannt als »Stressbewältigung durch Achtsamkeit«), kurz MBSR, und der »Mindfulness-Based Cognitive Therapy« (der achtsamkeitsbasierten kognitiven Therapie), kurz MBCT. Es bietet ein logisch aufgebautes, spannendes, praktikables 8-Wochen-Programm für jeden, dem seine körperliche und emotionale Gesundheit am Herzen liegt, insbesondere in unserer schnelllebigen, hektischen Zeit. Mir persönlich gefallen vor allem die einfachen und doch radikalen »Gewohnheitsbrecher«, die in diesem Buch vorgestellt werden. Sie sind speziell darauf ausgerichtet, einige der tief in unserem Unbewussten verankerten Gedanken- und Verhaltensmuster ans Licht zu bringen und aufzubrechen, die uns unbewusst in einem eng gesteckten Rahmen gefangen halten, der definitiv nicht unserem ganzen Potenzial entspricht.
Und während Sie sich von den Autoren an die Hand nehmen und durch das Programm führen lassen, nehmen Sie sich gleichzeitig – was noch wichtiger ist – selbst an die Hand, indem Sie die Anregungen entschlossen aufgreifen, die angebotenen formellen und informellen Übungen und Gewohnheitsbrecher durchführen und ausprobieren, was passiert, wenn Sie in die Achtsamkeit kommen und mit Wohlwollen und Mitgefühl auf andere Menschen zugehen, auch wenn Ihnen dies anfangs womöglich etwas gekünstelt erscheinen mag. Letztlich läuft diese Art von Engagement auf einen Akt des radikalen Vertrauens und Glaubens an sich selbst hinaus. In Verbindung mit dem hier angebotenen inspirierenden Programm könnte dies wirklich die Chance Ihres Lebens sein – eine Chance, die Zügel in diesem »Erdendasein« wieder selbst in die Hand zu nehmen und das Leben von Augenblick zu Augenblick in vollen Zügen zu genießen.
Ich schätze Mark Williams seit Jahren als Kollegen, Koautor und guten Freund. Er ist einer der weltweit führenden Forscher auf dem Gebiet der Achtsamkeitsschulung und einer der Pioniere in deren Entwicklung und Verbreitung. Gemeinsam mit John Teasdale und Zindel Segal hat er die achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie entwickelt, die vielen Studien zufolge bei Patienten mit schweren depressiven Verstimmungen sehr gute Wirkungen zeigt und das Risiko eines Rückfalls in die Depression dramatisch reduziert. Des Weiteren hat Mark Williams das Oxford Mindfulness Centre gegründet sowie bereits einige Zeit zuvor das Centre for Mindfulness Research and Practice an der Universität von Bangor in Nordwales. Beide Zentren sind führend in der Erforschung und klinischen Ausbildung im Bereich der achtsamkeitsbasierten Therapien. Nun legt er gemeinsam mit dem Journalisten Danny Penman diesen ausgesprochen praktischen und praktikablen Leitfaden zur Achtsamkeitsschulung vor. Mögen Sie größten Nutzen aus diesem Programm und der darin enthaltenen Einladung ziehen und endlich das »wilde und kostbare Leben« führen, das Ihnen zusteht.
Jon Kabat-Zinn
Boston, Massachusetts
im Dezember 2010
Kapitel 1 –Im Hamsterrad
Wann lagen Sie zum letzten Mal wach im Bett und haben mit Ihren Gedanken gerungen – haben sich verzweifelt bemüht, Ihren Geist zur Ruhe zu bringen, ihn einfach still werden zu lassen, um endlich einschlafen zu können? Aber was Sie auch anstellten, nichts funktionierte. Wenn Sie versuchten, die Gedanken aus Ihrem Kopf zu verbannen, schienen sie dadurch erst recht auf Touren zu kommen und sich explosionsartig zu vermehren. Je stärker Sie sich einzureden versuchten, dass es nichts bringt, sich den Kopf zu zermartern, desto mehr Dinge tauchten auf, über die Sie sich auch noch Sorgen machen konnten. Kaum hatten Sie Ihr Kopfkissen neu zurechtgerückt und sich auf die andere Seite gewälzt, um eine bequemere Lage zu finden, gingen die Grübeleien weiter. Und je mehr die Nacht auf diese Weise voranschritt, desto mehr schwanden Ihnen die Kräfte. Sie fühlten sich immer elender und wie gerädert. Als der Wecker schließlich schrillte, waren Sie erschöpft, schlecht gelaunt, völlig durch den Wind.
Kaum waren Sie aufgestanden, hatten Sie genau das gegenteilige Problem – Sie wollten hellwach sein, mussten aber andauernd gähnen. Sie schleppten sich zur Arbeit, waren jedoch kaum präsent. Sie konnten sich nicht konzentrieren. Ihre Augen waren gerötet, Ihre Lider geschwollen. Der ganze Körper tat Ihnen weh, und der Kopf war leer. Sie starrten stundenlang die Papierstapel auf Ihrem Schreibtisch an in der Hoffnung, dass Ihnen etwas – irgendetwas – einfallen und die Kraft geben würde, Ihr Tagespensum zu bewältigen. In Besprechungen konnten Sie kaum die Augen aufbehalten, geschweige denn, irgendeinen halbwegs intelligenten Beitrag zum anstehenden Thema leisten. Es war ein Gefühl, als würde Ihnen das Leben durch die Finger rinnen … allein dadurch fühlten Sie sich noch nervöser, gestresster und erschöpfter.
In diesem Buch geht es darum, wie Sie in dieser hektischen Welt ungeachtet aller Sorgen und Nöte Ruhe und Gelassenheit finden. Oder besser gesagt: wie Sie sie wiederfinden, denn tief im Inneren verfügen wir alle über Quellen des Friedens und Wohlbefindens, wie festgefahren und verzweifelt wir uns auch immer fühlen mögen. Wir brauchen nur die Mauern einzureißen, die wir mit unserer hektischen, ruhelosen Lebensweise um sie herum errichtet haben.
Wir wissen um diese Tatsache, weil wir – gemeinsam mit unseren Kollegen – in über dreißigjähriger Forschungstätigkeit an der Universität von Oxford und anderen Institutionen rings um den Globus das Phänomen von Unruhe, Stress und Depression untersucht haben. Während dieser Arbeit sind wir dem Geheimnis des Glücks auf die Spur gekommen und haben entdeckt, wie sich Ängste, Stress, Erschöpfung und sogar ausgeprägte Depressionen erfolgreich in den Griff bekommen lassen. Die Rede ist hier von jener Form des Glücks und des inneren Friedens, die uns gewissermaßen »in Fleisch und Blut übergeht« und uns eine tiefe, echte Liebe zum Leben schenkt – eine Liebe, die all unser Tun durchdringt und uns hilft, besser mit den ärgsten Widrigkeiten umzugehen, mit denen uns der Alltag konfrontiert.
Es ist ein Geheimnis, das früher einmal durchaus zum Gemeingut gehörte und um das man in manchen Kulturen auch heute noch weiß. Doch in unserer westlichen Welt haben die meisten vergessen, wie es sich gut und in Freude leben lässt. Ja, oft ist es noch schlimmer: Wir bemühen uns so angestrengt, glücklich zu sein, dass uns die wichtigsten Dinge im Leben entgehen und wir uns um genau den Frieden bringen, nach dem wir uns so sehr sehnen.
Wir haben dieses Buch geschrieben, um Ihnen zu zeigen, wo wahres Glück, innere Ruhe und Zufriedenheit zu finden sind und wie Sie das alles in Ihrem Alltag wiederentdecken können. Es soll Sie lehren, sich nach und nach aus Unruhe und Stress, emotionaler Unausgewogenheit und Erschöpfung zu befreien. Wir versprechen keine ewige Glückseligkeit. Jeder macht in seinem Dasein Phasen des Schmerzes und des Leids durch, und es wäre naiv und gefährlich, etwas anderes zu behaupten. Und doch ist es möglich, eine Alternative zu dem rastlosen Kampf zu finden, der unser tagtägliches Leben so weitgehend beherrscht.
Auf den folgenden Seiten und in den Begleitmeditationen zu diesem Buch bieten wir Ihnen einige einfache Übungen an, die sich problemlos in den Alltag integrieren lassen. Sie basieren auf der Mindfulness-Based Cognitive Therapy (MBCT), die aus der inspirierenden Arbeit von Jon Kabat-Zinn vom University of Massachuetts Medical Center hervorgegangen ist. Ursprünglich entwickelt wurde das MBCT-Programm von Professor Mark Williams (Koautor dieses Buches), John Teasdale (Cambridge) und Zindel Segal (Toronto). Es zielte darauf ab, Patienten, die wiederholt an schweren Depressionsschüben litten, zur Genesung zu führen. Seine Wirksamkeit wurde in klinischen Studien nachgewiesen. Es halbiert das Rückfallrisiko für Menschen, die eine Vorgeschichte von schwersten Depressionen haben, und wirkt mindestens ebenso effizient wie Antidepressiva, jedoch ohne deren unerwünschte Nebenwirkungen. In der Tat ist es so erfolgreich, dass es heute in Großbritannien zu einer der meistempfohlenen Behandlungen des National Institute of Clinical Excellencegehört.
Kernstück der MBCT-Technik ist eine Meditationsform, die bis vor kurzem im Westen weitgehend unbekannt war. Die Achtsamkeitsmeditation ist so wunderbar einfach, dass wir alle sie nutzen können, um zu unserer angeborenen Daseinsfreude zurückzufinden. Dies ist nicht nur grundsätzlich von Vorteil, sondern kann zudem verhindern, dass wir über häufig auftretende Symptome wie innere Unruhe, Stress und Traurigkeit in eine Abwärtsspirale geraten, die in lange Phasen der Freudlosigkeit und Erschöpfung oder sogar in ernsthafte klinische Depressionen mündet.
1-Minuten-Meditation
Setzen Sie sich auf einen Stuhl mit gerader Rückenlehne. Wenn möglich, rücken Sie auf der Sitzfläche ein wenig nach vorn, sodass Ihre Wirbelsäule aufrecht ist. Stellen Sie die Füße flach auf dem Boden auf. Schließen Sie die Augen oder senken Sie den Blick.Konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem, wie er in Ihren Körper ein- und aus ihm ausströmt. Spüren Sie in jedes Einatmen und Ausatmen hinein. Beobachten Sie Ihren Atem, ohne etwas Bestimmtes zu erwarten. Es besteht keine Notwendigkeit, irgendetwas an Ihrem Atem zu verändern.Mag sein, dass Ihre Gedanken nach einer Weile abzuschweifen beginnen. Wenn Sie es bemerken, lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit sanft zu Ihrem Atem zurück, ohne sich darüber zu grämen – zu erkennen, dass der Geist zu wandern begonnen hat, und ihn zurückzuholen, ohne sich dafür zu kritisieren, ist ein wesentliches Element der Achtsamkeitsmeditation.Vielleicht wird Ihr Geist mit der Zeit ruhig wie ein stiller See – vielleicht aber auch nicht. Es kann sein, dass sich ein Gefühl des absoluten Friedens einstellt, Sie es aber nur einen kurzen Moment lang halten können. Doch selbst wenn Sie sich ärgern oder frustriert sein sollten, werden Sie merken, dass auch solche Empfindungen ebenso flüchtig sein können. Was immer geschieht, nehmen Sie alles so an, wie es ist.Nach einer Minute öffnen Sie langsam die Augen und kehren mit Ihrer Aufmerksamkeit in den Raum zurück.Eine Meditation besteht im Wesentlichen darin, mit ganzer Aufmerksamkeit zu beobachten, wie der Atem in den Körper ein- und wieder aus ihm ausströmt. Die Konzentration auf den Atem ermöglicht es uns zu beobachten, wie in unserem Geist ein Gedanke nach dem anderen entsteht, und wir lernen ganz allmählich, einen nach dem anderen ziehen zu lassen, ohne dagegen anzukämpfen. Wir merken, dass Gedanken ohne unser Zutun kommen und gehen, dass wir nicht unsere Gedanken sind. Wir können zusehen, wie sie scheinbar aus heiterem Himmel in unserem Kopf auftauchen und schon kurze Zeit später wie Luftblasen zerplatzen. Mit der Zeit stellt sich dabei ein tiefes Verständnis dafür ein, dass Gedanken und Gefühle (einschließlich der unangenehmen) vorübergehend sind. Sie kommen und gehen, und letztlich haben wir es in der Hand, ob wir auf sie reagieren wollen oder nicht.
Achtsam zu sein heißt zu beobachten, ohne zu kritisieren; es bedeutet, uns selbst gegenüber mitfühlend zu sein. Wenn Unglück oder Stress in der Luft liegen, lernen wir, solche Gefühle nicht persönlich zu nehmen, sondern sie wie dunkle Wolken am Himmel zu betrachten und mit wohlwollendem Interesse zuzuschauen, wie sie weiterziehen. Achtsamkeit in diesem Sinne ermöglicht uns, negative Gedankenmuster abzufangen, bevor sie uns in eine Abwärtsspirale hineinziehen können. Auf solche Weise beginnen wir, unser Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Im Laufe der Zeit stellen sich durch die Schulung der Achtsamkeit langfristige Veränderungen in der Stimmungslage und dem Maß an innerer Zufriedenheit und Wohlbefinden ein. Wissenschaftlichen Studien zufolge beugt sie nicht nur Depressionen vor, sondern beeinflusst positiv die zerebralen Muster, die alltäglichen Gefühlen wie Unruhe, Stress, Depression und Reizbarkeit zugrunde liegen, weil wir sie, wann immer sie auftreten, leichter wieder auflösen können. Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, die regelmäßig meditieren, seltener zum Arzt gehen und weniger Tage im Krankenhaus verbringen. Die Gedächtnisleistung verbessert sich, die Kreativität wächst, und die Reaktionszeiten verkürzen sich.
Vorzüge der Achtsamkeitsmeditation
In zahlreichen psychologischen Studien wurde nachgewiesen, dass Menschen, die regelmäßig meditieren, überdurchschnittlich glücklich und zufrieden sind.1 Dies ist nicht nur für sich genommen eine wichtige Erkenntnis, sondern hat darüber hinaus enorme medizinische Bedeutung, denn positive Emotionen wie diese stehen in engem Zusammenhang mit einem längeren, gesünderen Leben.2
Angst, Depression und Reizbarkeit reduzieren sich durch regelmäßiges Meditieren.3 Gleichzeitig verbessert sich die Gedächtnisleistung, die Reaktionszeiten verkürzen sich, und die geistige und körperliche Ausdauer wächst.4Wer regelmäßig meditiert, ist erfolgreicher und glücklicher in der Partnerschaft.5In weltweiten Studien wurde nachgewiesen, dass Meditation die Schlüsselindikatoren von chronischem Stress einschließlich des Bluthochdrucks reduziert.6Es wurde ebenfalls nachgewiesen, dass Meditation zur Reduzierung der Auswirkungen schwerer Erkrankungen wie chronischer Schmerzen7 und Krebs8 beiträgt. Unterstützend kann sie sogar in der Behandlung von Drogen- und Alkoholabhängigen eingesetzt werden.9Untersuchungen zeigen, dass Meditation das Immunsystem stärkt und auf diese Weise Erkältungen, grippalen Infekten und anderen Krankheiten vorbeugt.10Ungeachtet aller nachweislichen Vorzüge zeigen viele Menschen trotzdem immer noch eine gewisse Skepsis, wenn sie das Wort »Meditation« hören. Darum erscheint es uns sinnvoll, zunächst einige Mythen zu zerstreuen:
Meditation ist keine Religion. Die Schulung der Achtsamkeit stellt lediglich eine Form der geistigen Übung dar. Zwar sind viele Meditierende religiös, doch es gibt auch eine große Zahl von Atheisten und Agnostikern, die regelmäßig meditieren.Sie brauchen nicht im Lotussitz auf dem Boden zu sitzen (wie Sie es womöglich von typischen Darstellungen aus Zeitschriften oder dem Fernsehen kennen), aber wenn Sie es gern tun, dann ist das natürlich auch in Ordnung. In unseren Kursen sitzen die meisten Teilnehmer während des Meditierens auf einem Stuhl, doch Achtsamkeitsübungen lassen sich prinzipiell überall durchführen, etwa im Bus, im Zug oder auf dem Fußweg zur Arbeit.Die Schulung der Achtsamkeit erfordert keinen großen Zeitaufwand, wenngleich ein gewisses Maß an Geduld und Ausdauer erforderlich ist. Viele Menschen stellen sogar nach kurzer Zeit fest, dass sie sich durch die Meditation aus ihrem Zeitdruck befreien können, sodass ihnen mehr Freiraum bleibt, um sich anderen Beschäftigungen zu widmen.Meditation ist nichts Kompliziertes. Auch geht es dabei weder um »Erfolg« noch um »Misserfolg«. Selbst wenn Ihnen die Übungen zunächst schwerfallen sollten, gewinnen Sie dabei wichtige Einsichten in die Wirkungsweise des menschlichen Geistes, und das allein bringt Ihnen einen psychologischen Vorteil.Meditation betäubt weder die Sinne, noch hindert sie jemanden daran, wichtige Karriereziele anzustreben oder einen bestimmten Lebensstil zu verwirklichen. Sie lockt Sie auch nicht in die abgehobenen Sphären eines realitätsfernen Optimismus hinein. Es geht hier keineswegs darum, sich etwas Inakzeptables schönzureden. Das Ziel ist vielmehr, die Welt klarer zu sehen, um auf weisere, umsichtigere Art notwendige Veränderungen vorzunehmen. In der Meditation geht es darum, eine tiefe mitfühlende Bewusstheit zu entfalten, in deren Licht Sie Ihre Ziele überprüfen und optimale Wege zur Verwirklichung Ihrer innersten Werte entdecken können.Gelassenheit finden in einer hektischen Welt
Allein dass Sie zu diesem Buch gegriffen haben, lässt vermuten, dass Sie sich schon des Öfteren gefragt haben, warum Ihnen die ersehnte Ruhe und innere Zufriedenheit immer wieder durch die Finger zu gleiten scheinen. Warum herrscht in unserem Alltag so oft hektische Betriebsamkeit und Unruhe? Warum haben Stress und Erschöpfung uns so fest im Griff? Dies sind Fragen, die auch uns selbst viele Jahre lang beschäftigt haben, und wir glauben, dass die Wissenschaft jetzt endlich die Antwort gefunden hat. Es erscheint wie eine Ironie des Schicksals, dass die diesen neuen Erkenntnissen zugrunde liegenden Prinzipien bereits seit Urzeiten bekannt sind: Es handelt sich um ewige Wahrheiten.
Unsere Stimmungen sind natürlichen Schwankungen unterworfen. Dass dies so ist, liegt in der menschlichen Natur. Aber bestimmte Gedankenmuster können dafür sorgen, dass aus kurzfristigen Einbrüchen in unserer Vitalität oder emotionalen Befindlichkeit ausgedehnte Phasen von innerer Unruhe, Stress, Verstimmtheit und Erschöpfung werden. Ein kleiner Moment der Traurigkeit, des Ärgers oder der Sorge kann uns in eine »schlechte Stimmung« bringen und einen ganzen Tag – manchmal auch einen sehr, sehr viel längeren Zeitraum – seiner Farbigkeit berauben. Jüngste wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, wie das normale emotionale Auf und Ab zu langfristiger Verstimmtheit, akuter Nervosität und sogar in die Depression führen kann. Aber – und das ist noch wichtiger – es eröffnet gleichzeitig den Weg zu einem glücklicheren, ausgeglicheneren Leben, denn es lässt uns Folgendes erkennen:
Wenn wir einen Anflug von Traurigkeit, Verunsicherung oder Reizbarkeit erleben, ist nicht diese Stimmung das eigentlich Schädliche, sondern die Art und Weise, wie wir mit ihr umgehen.Der Versuch, unsere schlechte Laune oder momentane Verstimmtheit dadurch zu überwinden, dass wir des Langen und Breiten über die Gründe für unsere gestörte Befindlichkeit nachgrübeln und überlegen, wie wir da wieder herauskommen, macht die Sache oft noch schlimmer. Es ist fast so, als wären wir in Treibsand geraten – je mehr wir kämpfen, desto tiefer sinken wir ein.Haben wir erst einmal begriffen, wie unser Geist funktioniert, wird offensichtlich, warum jeder Mensch Phasen der Verstimmtheit, des Stresses und der Reizbarkeit erlebt.
Es ist nur natürlich, dass wir uns beim ersten Anflug von Verstimmtheit gedanklich bemühen, das dahinterliegende Problem zu erkennen und zu beseitigen. Wir versuchen herauszufinden, was die Ursache für das unangenehme Gefühl sein könnte und welche Lösung sich anbietet. Dabei können jedoch nur allzu leicht alter Gram und neue Sorgen an die Oberfläche dringen, was wiederum zur weiteren Verschlechterung unserer Laune beiträgt. Es dauert nicht lange, und wir fühlen uns schon allein deshalb schlecht, weil es uns nicht gelingt, uns aus unserem Stimmungstief herauszuholen. Unser »innerer Kritiker« tritt auf den Plan und flüstert uns ein, wir selbst seien schuld an unserer Misere und sollten uns um jeden Preis mehr anstrengen. Und schon bald kommt uns dabei die Verbindung zu den tieferen, weiseren Schichten unseres Wesenskerns abhanden. Wir verlieren uns in einem ausweglos scheinenden Zyklus von Schuldzuweisungen und Eigenverurteilungen, die in dem Vorwurf gipfeln, wir würden unseren Idealen nicht gerecht und wären nicht der Mensch, der wir eigentlich sein sollten.
Es zieht uns in diesen emotionalen Treibsand hinein, weil unsere innere Befindlichkeit in unmittelbarer Verbindung zu unserem Gedächtnis steht. Unser Verstand kämmt unablässig die dort abgespeicherten Informationen durch, um etwas zu finden, was mit unserer gegenwärtigen emotionalen Lage in Resonanz steht. Fühlen wir uns zum Beispiel bedroht, gräbt er auf der Suche nach möglichen Auswegen sofort Erinnerungen an frühere Gefahrenmomente aus und prüft sie auf etwaige Ähnlichkeiten mit der aktuellen Situation hin. Dies geschieht so blitzschnell, dass wir uns dessen noch nicht einmal bewusst sind. Es handelt sich hier um eine elementare Überlebensstrategie, die sich der Mensch in jahrmillionenlanger Evolution angeeignet hat. Sie ist unglaublich stark und beinah unmöglich zu durchbrechen.
Das Gleiche gilt für emotionale Verstimmtheit, Unruhe und Stress. Es ist normal, sich ab und zu ein wenig unglücklich zu fühlen, aber manchmal reichen einige wenige traurige Gedanken aus, um eine ganze Lawine von unerfreulichen Erinnerungen, negativen Emotionen und harschen Beurteilungen loszutreten. Es fehlt nicht viel, und schon verdüstern wir uns ganze Stunden oder sogar Tage mit negativen selbstkritischen Gedanken nach dem Motto: Irgendetwas stimmt doch nicht bei mir. Mein Leben ist ein einziges Chaos. Was wird passieren, wenn die anderen merken, welch ein unnützer Zeitgenosse ich doch eigentlich bin?
Solche selbstvernichtenden Gedanken haben eine unglaubliche Macht, und wenn die Mühle erst einmal in Schwung gekommen ist, lässt sie sich kaum noch bremsen. Ein Gedanke tritt den nächsten los, und den nächsten, und den nächsten … und schon zieht der ursprüngliche Gedanke – so flüchtig er auch gewesen sein mag – eine ganze Lawine ähnlicher Momente von Traurigkeit, Besorgnis und Angst nach sich, sodass wir von Negativität geradezu verschüttet werden.
Auf gewisse Weise ist dies nicht überraschend. Der Kontext wirkt sich gravierend auf unser Gedächtnis aus. Vor einigen Jahren entdeckten Psychologen ein merkwürdiges Phänomen. Als man Tiefseetauchern am Strand eine Liste von Wörtern vorlegte, die sie auswendig lernen sollten, hatten sie sie vergessen, kaum dass sie unter Wasser waren. Sobald sie jedoch wieder festen Boden unter den Füßen hatten, war die Erinnerung zurück. Das funktionierte auch umgekehrt. Unter Wasser gelernte Wörter waren am Strand nur schwer abrufbar. Das Meer und der Strand stellten einen einprägsamen Kontext für das Gedächtnis dar.11
Dieses gleiche Phänomen können Sie auch an sich selbst beobachten. Haben Sie je als Erwachsener einen Ferienort Ihrer Kindheit aufgesucht? Vor der Reise waren Ihre Erinnerungen daran wahrscheinlich ziemlich vage. Aber kaum waren Sie vor Ort – liefen die alten Wege entlang, entdeckten die bekannten Sehenswürdigkeiten wieder, nahmen den Ort mit seinen ganz speziellen Geräuschen und Gerüchen wahr –, kehrten schlagartig auch Ihre Erinnerungen zurück. Vielleicht waren Sie aufgeregt, wehmütig, möglicherweise sogar ein wenig verliebt. Die Rückkehr in den damaligen Kontext bietet dem Gehirn Anlass, eine Vielzahl von Wissensbruchstücken aus dem Gedächtnis freizugeben. Aber nicht nur Orte lösen Erinnerungen aus. Die Welt ist voll von solchen gedächtnisaktivierenden Momenten. Haben Sie zum Beispiel einmal erlebt, wie ein bestimmtes Lied eine Kaskade von alten Emotionen auslöst? Oder der Duft von Blumen oder frisch gebackenem Brot?
Auf ähnliche Weise kann unsere Stimmung als interner Kontext dienen, und sie ist um keinen Deut schwächer als ein Ausflug zu einem alten Urlaubsort oder die Klänge eines Lieblingslieds. Ob wir wollen oder nicht – ein Funke Traurigkeit, Frustration oder Beunruhigung genügt, um verstörende Erinnerungen ans Licht zu bringen. Und schon bald verlieren wir uns in düsteren Gedanken und negativen Emotionen, oftmals ohne zu wissen, woher sie überhaupt kommen – sie waren einfach da wie aus heiterem Himmel. Mag sein, dass wir verstimmt, gereizt oder traurig sind, ohne den genauen Grund zu kennen. Wir fragen uns dann: »Warum bin ich eigentlich so schlecht gelaunt?« Oder: »Warum bin ich heute so traurig und müde?«
Wir können die Auslösung von unangenehmen Erinnerungen, selbstkritischen Gedanken und Werturteilen nicht verhindern – was wir aber sehr wohl unterbinden können, ist das, was als Nächstes passiert: Wir können die Spirale unterbrechen, die aus sich selbst heraus den nächsten Schub von negativen Gedanken auslöst. Wir können der Kaskade negativer Emotionen Einhalt gebieten, die uns am Ende so unglücklich, beunruhigt, gestresst, gereizt oder erschöpft sein lässt.
Durch das Praktizieren von Achtsamkeit lernen wir, Erinnerungen und schädliche Gedanken bereits zu erkennen, während sie in unserem Kopf noch Gestalt annehmen. Wir begreifen, dass sie unserem Gedächtnis entspringen. Sie sind wie Propaganda, sie sind nicht echt. Sie sind nicht wir selbst. Wir können lernen zuzuschauen, wie negative Gedanken auftauchen, sie ein Weilchen stehen zu lassen und dann mit anzusehen, wie sie sich vor unseren Augen einfach in Luft auflösen. Und wenn das passiert, geschieht bisweilen etwas höchst Erstaunliches: Ein Gefühl des tiefen Glücks und der inneren Ruhe macht sich in der entstehenden Leere breit.
Das Praktizieren von Achtsamkeit kann dies bewirken, denn es eröffnet dem Geist eine alternative Möglichkeit, mit der Welt in Beziehung zu treten. Die meisten Menschen sind mit seiner analytischen Seite wohl vertraut – dem Prozess des Denkens, Urteilens, Planens und Durchforstens von Erinnerungen, den wir auf der Suche nach Lösungen durchlaufen. Doch unser Geist ist zugleich wachsam. Wir denken nicht nur über etwas nach, wir sind uns auch dieses Denkens bewusst. Zudem brauchen wir keine Sprache als Vermittler zwischen uns und der Welt; wir können diese auch direkt über unsere Sinne erfahren. Das Zwitschern der Vögel, der Duft der Blumen, das Lächeln eines geliebten Menschen – all das ist für uns auf diese unmittelbare Weise erfahrbar. Und es gibt Dinge, die wissen wir nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen. Denken ist nicht alles, woraus unser bewusstes Erleben besteht. Der Geist ist größer und umfassender als unsere Gedanken.
Meditation vertieft unsere geistige Klarheit; sie erlaubt uns, das Leben im reinen, ungetrübten Gewahrsein des Herzens zu betrachten. Sie schafft einen Raum – einen Aussichtspunkt –, von dem aus wir zuschauen können, wie unsere Gedanken und Gefühle entstehen. Sie befreit uns aus dem Zwang, immer auf alles sofort reagieren zu müssen. Unser inneres Selbst – jener Teil von uns, der von Natur aus glücklich und zufrieden ist – wird nicht mehr von dem Lärm eines unablässig Probleme durchkauenden Verstands übertönt.
Durch die Schulung der Achtsamkeit lernen wir, uns selbst gegenüber geduldiger und mitfühlender zu sein; wir lernen, offen zu sein und unsere Ziele mit sanfter Beharrlichkeit zu verfolgen. Dies sind die Tugenden, die uns aus dem Gravitationsfeld von innerer Unruhe, Stress und Verstimmtheit befreien, denn sie führen uns vor Augen, was die Wissenschaft herausgefunden hat: dass es durchaus in Ordnung ist, Traurigkeit und andere Schwierigkeiten nicht länger als Probleme zu betrachten, die es zu lösen gilt. Wir sollten uns keine Vorwürfe machen, weil es uns »nicht gelingt«, sie auszuräumen. In der Tat liegt in diesem Misslingen oft der Schlüssel zum Glück, denn meist sind es gerade unsere altvertrauten Problemlösungsstrategien, die alles nur noch schlimmer machen.
Achtsamkeit negiert nicht das natürliche Streben des menschlichen Verstands, Probleme zu lösen. Sie gibt uns lediglich Zeit und Raum, die bestmögliche Lösung zu wählen. Manche Probleme lassen sich am ehesten auf der emotionalen Ebene behandeln – wir entscheiden uns für die Lösung, die sich am besten »anfühlt«. Andere müssen logisch durchdrungen werden. Vielen lässt sich am wirksamsten auf intuitive, kreative Weise begegnen. Und manches lässt man im Augenblick am besten so, wie es ist.
Das Glück steht vor der Tür
Das in diesem Buch angebotene Programm setzt auf zwei verschiedenen Ebenen an. Kernstück und zentrales Element ist die Schulung der Achtsamkeit. Sie umfasst eine Serie von einfachen täglichen Übungen, die sich überall durchführen lassen, wenngleich es zweifellos am sinnvollsten ist, sie in aller Ruhe daheim zu machen. Einige dauern nur drei Minuten, für andere sollten Sie zwanzig bis dreißig Minuten einplanen.
Wir laden Sie überdies dazu ein, manche der unbewussten Gedanken- und Verhaltensmuster zu durchbrechen, die Sie davon abhalten, Ihr Lebenspotenzial vollständig auszuschöpfen. Werturteile und Selbstkritik entstehen oft, weil wir uns in unserem Denken und Handeln in den gewohnten Bahnen bewegen. Durchbrechen wir bestimmte routinemäßige Abläufe in unserem Alltag, lösen wir damit einige dieser negativen Gedankenmuster auf und werden bewusster und achtsamer. Sie werden überrascht sein, wie viel Freude und Glück sich selbst mit kleinsten Veränderungen in der Lebensweise erreichen lassen!
Gewohnheiten zu durchbrechen ist ein klarer Auftrag. Es geht darum, sich bei Besprechungen nicht immer auf den gleichen Stuhl zu setzen, beim Fernseher zur Abwechslung einmal die Austaste zu drücken oder auf dem Weg zur Arbeit eine andere Route einzuschlagen. Vielleicht sollten Sie auch ein paar Samen in die Erde stecken und beobachten, wie sie zu Pflanzen heranwachsen, sich für ein paar Tage um das Haustier eines Freundes kümmern oder sich im Kino einen Film ansehen. Es sind ganz einfache Maßnahmen – in Kombination mit einer kleinen Meditation täglich –, die das Leben freudvoller gestalten und Ihnen ein Gefühl von Erfüllung vermitteln.
Sie können mit diesem Programm so lange oder so kurz arbeiten, wie Sie möchten. Unsere Empfehlung lautet jedoch, mindestens acht Wochen dabeizubleiben. Es lässt sich so flexibel gestalten, wie Sie möchten, aber machen Sie sich klar, dass es etwas dauern kann, bis die Übungen greifen und ihre ganze Wirkung entfalten. Genau darum nennt man sie ja Übungen. Alles, was in diesem Buch steht, ist darauf ausgelegt, Sie auf diesem Weg voranzubringen. Und wenn Sie ihn gehen, werden Sie mit der Zeit Gelassenheit finden in einer hektischen Welt.
Wenn Sie sofort mit dem Programm beginnen möchten, empfehlen wir Ihnen, jetzt zu Kapitel 4 zu springen. Möchten Sie jedoch erst etwas über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und darüber erfahren, wie und warum wir uns in unseren negativen Gedanken- und Verhaltensmustern verfangen – und wie wir uns durch die Schulung der Achtsamkeit daraus befreien können –, werden Sie in Kapitel 2 und 3 fündig. Wir legen Ihnen die Lektüre dieser beiden Kapitel wärmstens ans Herz, denn sie zeigen im Detail auf, warum die Schulung der Achtsamkeit so wirksam ist. Und Sie werden nicht nur von den Informationen profitieren! Sie erhalten auch Gelegenheit, die Schokoladenmeditation auszuprobieren. Wenn Sie es aber kaum abwarten können, mit dem Programm loszulegen, dann hindert Sie auch niemand daran, sofort einzusteigen und parallel dazu Kapitel 2 und 3 zu lesen.
Begleitend finden Sie acht Meditationen, die Sie zur Durchführung des Programms brauchen. Wir empfehlen Ihnen, das Buch der Reihe nach durchzuarbeiten; wann immer Sie zu einer Meditation gelangen, können Sie zuerst die Beschreibung lesen, bevor Sie die Audio-Tracks hören und sich von ihnen durch die Übung führen lassen.
Kapitel 2 –Warum greifen wir uns selbst an?
Nach außen hin war Lucy die erfolgreiche Einkäuferin einer Modekette. Doch auf einmal merkte sie, dass sie in einer Sackgasse steckte: Es war drei Uhr nachmittags, und sie saß da und starrte aus dem Fenster. Sie war gestresst und erschöpft und fühlte sich hundeelend.
»Warum komme ich mit meiner Arbeit nicht voran?«, fragte sie sich. »Normalerweise kann ich die paar Zahlen doch im Handumdrehen auswerten. Warum kann ich mich nicht entscheiden? Was stimmt nicht mit mir? Ich bin so müde, dass ich keinen klaren Gedanken fassen kann …«
Seit über einer Stunde hatte sie sich mit solchen Fragen gequält. Davor hatte sie ein langes, ernstes Gespräch mit der Erzieherin im Kindergarten gehabt. Ihre Tochter Emily weinte, als Lucy gehen musste. Dann rief sie noch eben schnell den Installateur an, um nachzufragen, warum er sich noch immer nicht um die defekte Toilette gekümmert hatte. Und jetzt starrte sie auf ein Blatt voll Zahlen, fühlte sich völlig erledigt und stopfte einen Schokomuffin in sich hinein, statt richtig zu Mittag zu essen.
Die Anforderungen und Belastungen in Lucys Leben waren seit Monaten ständig gewachsen. Die Arbeit wurde immer stressiger und zog sich abends in die Länge, sodass sie nie pünktlich Feierabend machen konnte. Nachts konnte sie nicht schlafen, tagsüber war sie dauernd müde. Ihr tat der ganze Körper weh. Es gab keine Freude mehr in ihrem Leben. Schon den Tag hinter sich zu bringen war zu einem Kampf geworden. Es hatte bereits früher immer wieder kurze Phasen gegeben, in denen sie sich ähnlich fühlte, während ihres Studiums etwa, kurz vor Prüfungen, aber sie waren stets vorbeigegangen. Sie hatte nie gedacht, dass dies einmal ein solcher Dauerzustand für sie werden könnte.
Immer wieder fragte sie sich: »Was ist nur aus meinem Leben geworden? Warum fühle ich mich ständig so ausgebrannt? Ich sollte eigentlich glücklich und zufrieden sein. Das war ich doch früher auch. Wo ist das alles geblieben?«
Lucy existiert in einer Schattenwelt der Überarbeitung. Ihr Dasein ist von einem unterschwelligen Gefühl der Verstimmtheit, Unzufriedenheit und Überforderung geprägt. Ihre geistigen und körperlichen Ressourcen sind erschöpft, und seit einiger Zeit empfindet sie sich als zunehmend orientierungslos. Sie sehnt sich verzweifelt danach, mit sich selbst ins Reine zu kommen und ihren inneren Frieden zu finden, aber sie hat keine Ahnung, wie sie dies erreichen soll. Ihre Verstimmtheit und Unzufriedenheit sind nicht so gravierend, dass sie einen Besuch beim Arzt rechtfertigen würden, doch belastend genug, um ihr Leben vieler seiner Freuden zu berauben. Sie vegetiert mehr, als dass sie wirklich lebt.
Lucys Geschichte ist alles andere als ein Einzelfall. Sie gehört zu dem Millionenheer derer, die zwar im medizinischen Sinne weder als depressiv noch als phobisch eingestuft würden, aber dennoch nicht wirklich glücklich sind. Wir alle machen in unserem Leben emotional und kräftemäßig unsere Höhen und Tiefen durch. Oftmals stellen sich solche Stimmungsschwankungen aus heiterem Himmel ein. In einem Augenblick schlendern wir noch frohen Mutes durch die Gegend, hängen unseren Tagträumen nach, sind munter und vergnügt, doch dann kommt es zu einer subtilen Störung, und ehe wir’s uns versehen, fühlen wir erste Anzeichen von Stress. Es gibt zu viel zu tun und zu wenig Zeit, und wir haben den Eindruck, kaum mit unseren Anforderungen Schritt halten zu können. Wir fühlen uns müde und sind selbst dann nicht wirklich erfrischt, wenn wir in der Nacht gut geschlafen haben. Und auf einmal halten wir inne und fragen uns: Wie konnte das nur passieren? Es ist auch gut möglich, dass es in unserem Leben noch nicht einmal irgendwelche größeren Veränderungen gegeben hat. Wir haben weder Freunde verloren, noch wachsen uns die Schulden über den Kopf. Nichts ist passiert, und doch hat sich irgendwie die Freude aus unserem Alltag geschlichen, und an ihre Stelle ist ein allgemeines Gefühl von Verstimmtheit und Lustlosigkeit getreten.
Die meisten Menschen kommen aus dieser Abwärtsspirale von allein wieder heraus. Es sind Phasen, die in aller Regel tatsächlich vorübergehen. Manchmal aber können sie uns tagelang zusetzen oder, wie im Fall von Lucy, auch ganze Wochen oder Monate andauern, ohne dass es irgendeinen ersichtlichen Grund dafür gäbe. Im schlimmsten Fall können solche Stimmungstiefs sich sogar zu einer klinischen Depression oder Angstattacke ausweiten.
Unglück, Stress und Depression
In unserer modernen Welt fordern Depressionen einen hohen Preis. Etwa 10 Prozent der Bevölkerung muss damit rechnen, im Lauf des Jahres an einer klinischen Depression zu erkranken. Die Weltgesundheitsorganisation1 schätzt, dass dieses Krankheitsbild bis 2020 das zweitgrößte Gesundheitsproblem weltweit darstellen wird. Überlegen Sie einmal! In weniger als einem Jahrzehnt werden Depressionen für den Einzelnen wie die Gesellschaft zu einer größeren Bedrohung als Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arthritis und viele Formen von Krebs!
Depressionen waren einmal eine Krankheit, unter der vor allem Senioren weit jenseits der Lebensmitte litten. Jetzt schlägt sie am häufigsten bei Menschen Mitte zwanzig zu. Eine erkleckliche Anzahl von Patienten erleidet bereits vor dem zwanzigsten Lebensjahr den ersten Schub.2 Auch die Dauer hat sich verlängert. Etwa 15 bis 39 Prozent der Patienten sind nach einem Jahr immer noch depressiv. Zirka ein Fünftel leidet zwei oder mehr Jahre an der Krankheit und erfüllt damit die Definition einer »chronischen« Depression.3 Das Beängstigendste aber ist, dass es bei Depressionen eine hohe Rückfallrate gibt. Wer einmal daran leidet, hat ein 50-prozentiges Risiko, in einen weiteren Schub zu geraten – selbst dann, wenn er als vollständig geheilt galt.
Depressionen mögen einen hohen Tribut fordern, aber auch ihr naher Verwandter, die chronische Angst, tritt mittlerweile mit alarmierender Häufigkeit auf. Die Durchschnittswerte für Ängste im Kindes- und Jugendalter liegen heute auf einem Niveau, das man in den fünfziger Jahren noch als »klinisch« eingestuft hätte.4 Es bedarf keiner großen Fantasie, um sich auszumalen, dass in wenigen Jahrzehnten nicht Freude und Glück, sondern emotionale Verstimmtheit, Depression und Angst zum normalen menschlichen Seinszustand werden.
Erst in den neunziger Jahren und Anfang des 21. Jahrhunderts hat man erkannt, dass im Hintergrund unseres Denkens bestimmte Prozesse ablaufen, die lang anhaltende Phasen der Verstimmtheit und Erschöpfung auslösen, welche aus dem Nichts zu kommen scheinen. Mit diesem neuen Verständnis ging die Erkenntnis einher, dass wir aus unseren Sorgen »heraustreten«, uns aus unserer negativen Grundstimmung befreien und Ängste, Stress, Erschöpfung und sogar Depression loslassen können.
Unser sorgengeplagter Geist
Hätte man Lucy gefragt, wie sie sich fühlte, als sie vor ihrem Computer saß und auf den Bildschirm starrte, hätte sie wahrscheinlich »erschöpft« oder »angespannt« gesagt. Auf den ersten Blick wirkt das wie eine eindeutige Feststellung von Tatsachen. Hätte sie aber ein wenig genauer in sich hineingeschaut, hätte sie gemerkt, dass es da keine einzige Emotion gab, die man als »Erschöpfung« oder »Anspannung« bezeichnen könnte. Es handelte sich vielmehr in beiden Fällen um »Gedankenbündel« von unverarbeiteten Gefühlen, körperlichen Empfindungen und Impulsen (etwa dem Wunsch, loszuschreien oder aus dem Raum zu stürmen). Genau das ist es, was wir unter Emotionen verstehen: Sie sind wie eine Hintergrundfarbe, die entsteht, wenn wir im Kopf all unsere Gedanken, Gefühle, Impulse und Körperempfindungen miteinander verschmelzen, sodass daraus ein umfassendes Leitthema beziehungsweise eine geistige Verfassung entsteht (siehe das Diagramm »Was macht eine Emotion aus?«). All diese unterschiedlichen Elemente bauen aufeinander auf und können dazu führen, dass sich unsere Stimmung hebt oder senkt. Wir haben es hier mit einem hochkomplexen Tanz von subtilen Interaktionen zu tun, den wir erst langsam zu verstehen beginnen.
Nehmen wir zum Beispiel unsere Gedanken. Wir wissen seit Jahrzehnten, dass sie unsere Stimmungen und Emotionen beeinflussen, aber erst in den achtziger Jahren stellte sich heraus, dass dieser Prozess auch in umgekehrter Richtung funktioniert. Unsere Stimmungen können Einfluss auf unsere Gedanken nehmen. Machen Sie sich das einmal klar. Ihre Stimmungen können Ihre Gedanken in eine bestimmte Richtung lenken. Das heißt in der Praxis, dass wenige flüchtige Momente der Traurigkeit genügen, um Ihre Sicht der Dinge und Ihre Interpretation der Welt zu färben. So wie der Anblick eines wolkenverhangenen Himmels bisweilen unsere Laune verdüstert, kann eine momentane Traurigkeit beunruhigende Gedanken und Erinnerungen zum Vorschein bringen, die unsere Negativität verstärken. Gleiches gilt auch für andere Stimmungen und Emotionen. Sind wir gestresst, liefert dieser Stress Nahrung für weiteren Stress. Und mit innerer Unruhe, Angst, Ärger und »positiven« Emotionen wie Liebe, Glück, Mitgefühl und Empathie verhält es sich nicht anders.
Was macht eine Emotion aus?
Emotionen sind »Gedankenbündel« von Gefühlen, Körperempfindungen und Handlungsimpulsen. Wenn Sie das nächste Mal irgendwelche angenehmen oder unangenehmen Emotionen empfinden, schauen Sie doch einmal, was in Ihrem Inneren passiert. Bestimmt fällt Ihnen dann auf, wie die einzelnen Aspekte miteinander interagieren.
Aber nicht nur Gedanken und Stimmungen nähren sich gegenseitig und beeinträchtigen so unser Wohlbefinden – der ganze Körper wird in Mitleidenschaft gezogen, denn schließlich ist der Geist keine isolierte Einheit, die für sich allein existiert. Er ist integraler Bestandteil des Körpers, und zwischen beiden herrscht ein permanenter emotionaler Austausch. In der Tat sind unsere körperlichen Empfindungen weitgehend von unseren Gedanken und Emotionen geprägt, und umgekehrt hängen unsere Gedanken von unserer körperlichen Befindlichkeit ab.
Wir haben es hier zwar mit einem außerordentlich komplexen System von Rückkopplungsprozessen zu tun, doch die Forschung zeigt, dass sich unsere Lebenseinstellung durch kleinste Veränderungen auf der körperlichen Ebene verschieben kann. Etwas so Subtiles wie ein Stirnrunzeln, ein Lächeln oder eine veränderte Körperhaltung können sich dramatisch auf unsere Stimmung und die Gedanken auswirken, die uns durch den Kopf gehen.
Depressive Stimmung, depressiver Körper
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie sich schlechte Laune auf Ihren Körper auswirkt, zum Beispiel auf die Art und Weise, in der Sie sich bewegen?
Der Psychologe Johannes Michalak5 und seine Kollegen von der Ruhr-Universität Bochum haben mithilfe eines optischen Bewegungsrekorders untersucht, inwieweit sich depressive von nichtdepressiven Menschen in ihrer Art zu gehen unterscheiden. Sie holten sich Probanden mit und ohne entsprechendes Krankheitsbild ins Labor und baten sie, auf und ab zu gehen, ohne ihnen irgendwelche weiteren Vorgaben zu machen. Anhand von über vierzig kleinen reflektierenden Markern, die sie am Körper der Testpersonen befestigt hatten, zeichneten sie die jeweiligen Bewegungsmuster dreidimensional auf.
Auf diese Weise stellten sie fest, dass depressive Probanden langsamer gingen und die Arme weniger mitschwingen ließen. Der Körper bewegte sich nicht nennenswert auf und ab. Dafür wurde eher ein Schwanken zu den Seiten hin aufgezeichnet. Außerdem zeigte sich, dass die Depressiven eine andere Haltung einnahmen: Sie ließen die Schultern hängen und beugten den Oberkörper vor.
Experimentieren Sie doch einmal, wie es sich anfühlt, etwa eine Minute lang mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf dazusitzen. Sollten Sie feststellen, dass sich dadurch Ihre Stimmung verschlechtert, setzen Sie sich dann bewusst gerade hin, nehmen Sie die Schultern zurück und bringen Sie Kopf und Hals in eine aufrechte Position …
Um herauszufinden, wie wirksam diese Rückkopplung sein kann, ließen die Psychologen Fritz Strack, Leonard Martin und Sabine Stepper6 eine Gruppe von Testpersonen Zeichentrickfilme anschauen und sie anschließend bewerten, wie lustig sie sie fanden. Einem Teil der Probanden hatte man während der Filmvorführung einen Stift zwischen die Lippen geklemmt, um durch das Vorschieben des Mundes die Simulation einer finsteren Miene zu bewirken. Die anderen hielten den Stift zwischen den Zähnen, was sie zur Imitation eines Lächelns zwang. Die Ergebnisse waren frappierend: Diejenigen, denen man quasi das Lächeln verordnet hatte, bewerteten die Zeichentrickfilme signifikant komischer als diejenigen, die die Grimasse ziehen mussten. Dass ein Lächeln gute Laune verrät, ist offensichtlich, aber sich klarzumachen, dass der Akt des Lächelns selbst unsere Stimmung heben kann, mutet schon etwas befremdlich an. Es ist jedoch ein perfektes Beispiel dafür, wie eng die Verbindungen zwischen Körper und Geist sind. Lachen ist außerdem ansteckend. Wenn uns jemand freundlich anschaut, lächeln wir so gut wie immer zurück. Es ist ein Automatismus. Denken Sie einen Moment darüber nach: Allein der Akt des Lächelns kann Ihre Stimmung heben (selbst wenn Sie nur gekünstelt den Mund verziehen). Und wenn Sie andere anlächeln, lächeln die zurück, was Ihre Laune noch einmal hebt. Es ist ein Engelskreis.
Doch diesem steht ein ebenso wirksamer Teufelskreis gegenüber: Wenn wir uns bedroht fühlen, spannen wir uns an und machen uns bereit, uns zu wehren oder wegzulaufen. Dieser sogenannte »Kampf-oder-Flucht-Impuls« ist keine bewusste Reaktion – er wird von einem unserer »urtümlichsten« Gehirnareale ausgelöst, was bedeutet, dass er bisweilen mit etwas zu schlichten Interpretationen von Gefahr aufwartet. In der Tat unterscheidet er nicht zwischen einer äußeren Bedrohung, etwa einem Tiger, und einer internen Bedrohung wie einer beunruhigenden Erinnerung oder einer Zukunftsangst. Beides betrachtet er als Gefahren, die man entweder bezwingen oder vor denen man Reißaus nehmen muss. Wann immer wir uns einer Bedrohung gegenübersehen – sei sie real oder eingebildet –, spannt sich der Körper an und macht sich zum Sprung bereit. Dies kann sich in einem Stirnrunzeln, einem Zusammenziehen des Magens, einer Anspannung der Schultern oder dem Weichen der Farbe aus dem Gesicht äußern. Kaum spürt der Geist die Spannung im Körper, interpretiert er sie als Bedrohung (denken Sie nur daran, wie ein Stirnrunzeln Sie traurig machen kann), sodass sich der Körper weiter verspannt … Und schon stecken wir mittendrin im Teufelskreis.