Das AVIVA-Modell (E-Book) - Christoph Städeli - E-Book

Das AVIVA-Modell (E-Book) E-Book

Christoph Städeli

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  • Herausgeber: hep verlag
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. AVIVA, das heißt ankommen und einstimmen, Vorwissen aktivieren, informieren, verarbeiten, auswerten. In dieser Ausgabe werden die wesentlichen Inhalte des viel beachteten Unterrichtsmodells kompakt dargestellt und um vier aktuelle Themen pädagogisch-didaktischen Handelns ergänzt: Klassenführung, problembasiertes Lernen, Blended Learning und Prüfen. Ein abschließendes Kapitel widmet sich dem Zusammenhang von AVIVA und Positiver Bildung.

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Seitenzahl: 155

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Christoph Städeli, Markus Maurer, Claudio Caduff, Manfred Pfiffner

Das AVIVA-Modell

Kompetenzorientiert unterrichten und prüfen

Mit einem Vorwort von John Hattie

ISBN Print: 978-3-0355-2487-1

ISBN E-Book: 978-3-0355-2500-7

Das vorliegende Werk basiert auf «Kompetenzorientiert unterrichten – Das AVIVA©-Modell» von ­Christoph Städeli, Andreas Grassi, Katy Rhiner und Willy Obrist, das 2010 erstmals in der Reihe «hep praxis» ­erschienen ist.

2., überarbeitete Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten

© 2024 hep Verlag AG, Bern

hep-verlag.com

Inhaltsverzeichnis

Zu diesem Buch

Vorwort

1 Einführung: Das AVIVA-Modell im Überblick

1.1 Kompetenzen und Ressourcen

1.2 Kernelemente des AVIVA-Modells

1.3 Unterrichten mit AVIVA – vier Vorteile

2 Das AVIVA-Modell: Phase für Phase

2.1 Ankommen und einstimmen

2.2 Vorwissen aktivieren

2.3 Informieren

2.4 Verarbeiten

2.5 Auswerten

2.6 Zusammenfassung

3 Die Anwendung von AVIVA in drei Feldern pädagogisch-didaktischen Handelns

3.1 AVIVA und Klassenführung

3.2 Blended Learning

3.3 Kompetenzorientiertes Prüfen

4 Ausblick: AVIVA und positive Bildung

4.1 Positive Bildung

4.2 AVIVA und PERMA

4.3 AVIVA und die Förderung von Charakterstärken

4.4 Sache klären und Menschen stärken

5 Literaturverzeichnis

6 Register

Die Autoren

Zu diesem Buch

Das AVIVA-Modell wurde erstmals in einem Buch von Christoph Städeli und seinen Kollegen vorgestellt, das 2010 in deutscher Sprache veröffentlicht wurde (Städeli, Grassi, Rhiner & Obrist, 2010). Seitdem hat das Modell in der Schweiz und in anderen deutschsprachigen Ländern große Beachtung in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen gefunden und ist zu einem Referenzpunkt in zahlreichen Grundlagenwerken und wissenschaftlichen Beiträgen zur Schulpädagogik geworden.

Da das Interesse daran auch außerhalb des deutschsprachigen Raums wuchs, wurde das Modell 2020 in einer englischsprachigen Ausgabe vorgestellt (Städeli & Maurer, 2020). Zu dieser hat John Hattie ein Vorwort geschrieben. Unter anderem führt er aus, dass das AVIVA-Modell ein hervorragendes Beispiel dafür sei, wie Lehrpersonen das Lernen mit den Augen der Lernenden zu sehen vermögen und wie die Lernenden dazu befähigt werden können, ihre eigenen Lehrpersonen zu sein. Diese Sichtweise wird von Hilbert Meyer und Carola Junghans (2022, S. 164) bestätigt: Im Vergleich zu anderen Stufen- und Phasenmodellen, die vorwiegend die Lehrendenzentrierung bestärken, bilde das AVIVA-Modell hier eine löbliche Ausnahme.

Aufgrund des weiterhin großen Interesses innerhalb des deutschen Sprachraums nahmen wir die Herausgabe der englischen Version zum Anlass, auf dieser Grundlage eine angepasste deutsche Version zu veröffentlichen, die jetzt in der zweiten, überarbeiteten Auflage vorliegt. Sie basiert im Wesentlichen auf dem gestrafften und zugleich thematisch ergänzten Text der englischen Ausgabe und enthält zusätzliche, aus unserer Sicht relevante thematische Kapitel sowie natürlich auch das Vorwort von John Hattie, das er zur englischen Ausgabe beigesteuert hat.

Großer Dank gebührt an dieser Stelle den vielen Lehrpersonen nicht nur, aber vor allem aus der Berufsbildung sowie unseren Studierenden, die uns mit ihren zahlreichen Rückmeldungen geholfen haben, das hier vorgestellte Modell zu verfeinern und mithilfe relevanter Beispiele noch verständlicher zu präsentieren. Der Dank geht auch an unseren Kollegen Dario Venutti sowie an die Lektorierenden des hep Verlags, die das Manuskript sorgfältig durchsahen. Darüber hinaus möchten wir uns bei Tatjana Straka und bei Larissa Baumann vom hep Verlag bedanken, die den Veröffentlichungsprozess wie immer sehr zielführend begleitet haben, sowie bei Peter Egger, dem ehemaligen Verleger, der uns bei unseren Bemühungen, AVIVA aktuell zu halten und noch breiter zugänglich zu machen, ebenfalls wesentlich unterstützt hat.

November 2023,

Christoph Städeli, Markus Maurer, Claudio Caduff und Manfred Pfiffner

Vorwort

Von John Hattie | Übersetzt von Markus Maurer

Eine der zentralen Erkenntnisse meiner Forschung zu Visible Learning besteht darin, dass sich Lernergebnisse dann maximieren lassen, wenn Lehrpersonen das Lernen mit den Augen der Lernenden sehen und wenn Lernende dazu befähigt werden, ihre eigenen Lehrpersonen zu sein. Das AVIVA-Modell ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich diese Erkenntnis umsetzen lässt. Es argumentiert für ein Gleichgewicht zwischen Anleitung durch die Lehrperson einerseits und den Möglichkeiten für Lernende andererseits, die Welt zu erkunden, Fehler als Lernmöglichkeiten zu sehen und den Lernprozess selbstständig voranzutreiben. Schülerinnen und Schüler lernen zu wissen, was zu tun ist, wenn sie nicht wissen, was zu tun ist.

Das Modell nimmt die vielen bestehenden Zugänge zum Lernen produktiv auf, und fordert Lehrpersonen ausdrücklich auf, kognitive und weiterführende Strategien zu berücksichtigen, welche Lernende in jeder Lektion benötigen, um zwischen oberflächlichen Strategien und Tiefenstrategien zu unterscheiden. Es zeigt entsprechend auch auf, wie bedeutsam Lehrpersonen sind, welche den Lernenden neben dem stofflichen Inhalt auch verschiedene Strategien vermitteln. In unserer eigenen Arbeit sprechen wir von teachers are to DIIE for (Diagnose, Intervene, Implement and Evaluate), was sich auch im AVIVA-Modell widerspiegelt. Die Phasen «Ankommen» und «Vorwissen aktivieren» unterstreichen die Bedeutung einer hervorragenden Diagnose darüber, welche bereits erworbenen Kompetenzen, welche Motivation und welchen thrill Lernende in den Unterricht einbringen können und wie wichtig es ist, ihr Vorwissen zu aktivieren. Entscheidend ist es sodann, passgenaue Interventionen in den Phasen «Informieren» und «Verarbeiten» zu finden und die Phase «Auswerten» so zu gestalten, dass auch sie zu einem Lernzuwachs beiträgt. Ja, Lernen ist harte Arbeit, erfordert Ausdauer und Fähigkeiten (inhaltlich, in Bezug auf Ideen und verschiedene Lernstrategien) und die Kompetenz, allein, in Gruppen und mit Lehrpersonen lernen zu können.

AVIVA ist sowohl eine Denkweise als auch ein Konzept der Unterrichtsplanung – und steht daher über vielen gängigen didaktischen Methoden. Letztere Methoden werden verwendet, um die Denkweise in vorliegendem Buch zu veranschaulichen, und laden Lehrpersonen ein, sich mehr auf die Wirkung ihres pädagogischen Handelns auf die Lernenden zu konzentrieren als darauf, Methoden möglichst gemäß Lehrbuch im Unterricht umzusetzen, selbst dann, wenn sie im gegebenen Kontext allenfalls nur wenig Wirkung erzeugen. Daher sollte der Schwerpunkt weniger auf der Art und Weise liegen, wie Lehrpersonen unterrichten, als vielmehr auf der Wirkung ihres Unterrichts. Wir brauchen auch mehr Zugänge im Denken darüber, wie Lernende sich entwickeln, insbesondere ein besseres Verständnis davon, wie Schülerinnen und Schüler verschiedene Lernstrategien anwenden, ihre Ausdauer fördern sowie ihre Fähigkeit verbessern, Wissen zu festigen, Konzepte in Beziehung zu setzen und diese auf gegenwärtige und zukünftige neue Probleme und Situationen zu beziehen. Ich finde es faszinierend, dass viele Fünfjährige dies können, und sehe mit Bedauern, dass zu viele im Alter von acht Jahren denken, dass ihre Rolle darin besteht, zum Unterricht zu kommen und den Lehrpersonen bei der Arbeit zuzusehen. AVIVA stellt dies auf den Kopf und hilft Pädagoginnen und Pädagogen, die Wirkung ihres Unterrichts aus den Augen der Schülerinnen und Schüler zu sehen, und ermöglicht es ihnen, zu ihren eigenen Lehrpersonen zu werden.

AVIVA ist auch ein hebräischer Name, der jugendlich bedeutet. Es wird also noch viel mehr kommen, wenn dieses Modell umgesetzt wird, seine Evidenzbasis wächst und seine Reichweite verfeinert und erweitert wird. Dieses Buch ist eine wunderbare Möglichkeit für Lehrpersonen, mithilfe des Modells über die Methoden hinaus zu schauen, um so den Lern- und Lebensweg von jungen Menschen in sinnhafter Art und Weise zu beeinflussen.

John Hattie ist Laureate Professor an der Melbourne Graduate School of Education

1 Einführung:Das AVIVA-Modellim Überblick

1 Einführung: Das AVIVA-Modell im Überblick

Das Modell, das hier vorgestellt wird, ist AVIVA – ein Fünfphasen-Modell für einen wirkungsvollen Unterricht. Es basiert auf Ergebnissen der Lernpsychologie und best practices guten Unterrichts. In Abbildung 1 sind die fünf elementaren Phasen des Unterrichts skizziert, die dem Ablauf des Lernprozesses nachempfunden sind. Die Abkürzung AVIVA nimmt Bezug auf diese Schritte.

Abbildung 1: Die Phasen des kompetenzorientierten Unterrichts nach dem AVIVA-Modell, schematisch

Lernen setzt zunächst die Bereitschaft voraus, sich auf Neues einzulassen («Ankommen und einstimmen»). Beim Vorhandenen («Vorwissen aktivieren») setzt das eigentliche Lernen («Informieren») an und baut darauf auf. Damit dieses Neue sich festigen kann, braucht es Gelegenheit zur Anwendung, Vertiefung und Übung («Verarbeiten»). Und schließlich wird man beim Lernen immer wieder Rechenschaft über den zurückgelegten Weg ablegen, bevor die nächste Wegstrecke in Angriff genommen wird («Auswerten»). Es ist wichtig, dass sich Unterricht an diesen Phasen orientiert. Nur so besteht Gewissheit, dass der Lernprozess inhaltlich und methodisch sauber und vollständig durchlaufen wird.

Kompetenzorientiert unterrichten heißt, die fünf Phasen nach dem AVIVA-Modell bei der Planung und Durchführung des Unterrichts stets sorgfältig zu beachten, den Lernenden den Weg mit verschiedenen Methoden – mehr oder weniger strukturiert, je nach den Voraussetzungen der Lernenden – vorzugeben und sie durch die Wahl der Methoden in Situationen zu versetzen, die sie nur durch den klugen Einsatz von Ressourcen meistern können. Der gezielte (und kreative) Einsatz von geeigneten Ressourcen selbst ist dann das, was wir als (Lern-)Kompetenz bezeichnen könnten.

Wie sieht nun ein kompetenzorientier Unterricht aus, der solchen Erwartungen Rechnung trägt? Dazu folgende theoretischen Ausführungen.

1.1 Kompetenzen und Ressourcen

Lehrpläne sind heute meist auf Kompetenzen ausgerichtet, über die Lernende am Ende ihrer Ausbildung oder ihres Studiums verfügen sollten. Dazu gehören sowohl fachliche Kompetenzen als auch Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenzen, die weit über das Fachliche hinausgehen (vgl. z. B. SBFI, 2012).

Kompetenzen beziehen sich dabei oft auf konkrete Situationen, etwa aus dem Berufsleben oder aus dem privaten Alltag. Kompetentes Handeln ist in diesen Situationen nur dann möglich, wenn bestimmte Ressourcen verfügbar sind – Wissen (Kenntnisse),Fertigkeiten und Haltungen. Diese Ressourcen bilden die – teils in der Ausbildung erworbene, teils bereits vorhandene – Grundausstattung, die benötigt wird, um herausfordernde Situationen zu meistern (Le Boterf, 2010).

Wie wir uns das Zusammenspiel der Ressourcen konkret vorstellen müssen, lässt sich am besten an einem Beispiel zeigen: Eine Friseurin berät eine Kundin, die sich Gedanken über eine Haarfärbung macht.

Zunächst spielen die Haltungen eine Rolle. Grundsätzlich muss die Friseurin daran interessiert sein, die Kundin optimal zu beraten und deren Wünsche zu erfüllen. Gleichzeitig muss sie auch einen gewissen Geschäftssinn entwickeln und daran interessiert sein, Dienstleistungen zu verkaufen. Aber bleiben wir zunächst bei der Beratung: Die Friseurin braucht viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl; sie muss spüren, ob die Kundin ihre Haare überhaupt färben oder ob sie doch eher zu ihren weißen Haaren stehen will. Sie muss dabei die eigenen Vorlieben zugunsten derjenigen der Kundin zurückstellen. Sie muss Verantwortung übernehmen und die Kundin ehrlich über die Konsequenzen einer chemischen Farbveränderung informieren.

In ihrer Verantwortung liegt es anschließend auch, das optimale Mittel zu wählen und ihre Arbeit korrekt und sorgfältig auszuführen. Dabei kommen ihre Kenntnisse und Fertigkeiten ins Spiel.

Die Friseurin muss zunächst die unterschiedlichsten Mittel und Verfahren für Farbveränderungen kennen; sie muss der Kundin deren Möglichkeiten und Grenzen aufzeigen und aufgrund ihrer Wünsche das richtige Mittel wählen (Kenntnisse).

Um das Produkt korrekt anwenden zu können, muss die Friseurin Anwendungshinweise verstehen. Sie muss wissen, welche Konsequenzen ein Nichteinhalten der Einwirkzeit haben kann. Sie muss ebenfalls verstehen, dass es je nach Situation verschiedene Auftragetechniken gibt. Sie muss also Überlegungen anstellen, um welche Situation es sich im vorliegenden Fall handelt.

Hat sich die Friseurin für eine Auftragetechnik und ein Produkt entschieden, kommen ihre Fertigkeiten zum Zug. Beim Mischen der Farbe berücksichtigt sie die genauen Anwendungshinweise und trägt sie sorgfältig und korrekt auf. Der Kreis zu den Haltungen schließt sich, indem die Friseurin Verantwortung für die sorgfältige Ausführung und das Einhalten der Einwirkzeit übernimmt.

1.1.1 Unser Kompetenzverständnis

Ganz ähnlich wie im eben skizzierten Beispiel verstehen wir in diesem Buch Kompetenz als Fähigkeit, bewusst Ressourcen – also Wissen, Fertigkeiten und Haltungen – zu aktivieren und kreativ und funktional miteinander zu kombinieren, um konkrete Situationen erfolgreich zu meistern (Abbildung 2 und Ghisla, Bausch & Boldrini, 2008, S. 441). Dabei konzentrieren wir uns hier bewusst auf den schulischen Bereich – und verlieren dabei gleichzeitig nie aus dem Blick, dass das, was in der Schule vermittelt und gelernt wird, nur ein Teil dessen ist, was es zum Aufbau von Kompetenz braucht. Umgekehrt ist ganz wesentlich, dass das Wissen, die Fertigkeiten und Haltungen, die sich Lernende außerhalb der Schule aneignen, in den Unterricht eingebettet, nutzbar gemacht und reflektiert werden. Unterricht soll stets an die Erfahrungen der Lernenden anknüpfen – im besten, produktivsten Sinn.

Abbildung 2: Annäherung an den Kompetenzbegriff

1.1.2 Wissen, Fertigkeiten und Haltungen

Ein paar allgemeine Bemerkungen zu den drei Typen von Ressourcen:

Wissen: Wissen kann unterschiedliche Formen annehmen (Brühwiler et al., 2017, S. 211). Eine erste Form lässt sich häufig in Aussagesätzen fassen und wird als deklaratives Wissen bezeichnet. Die Lernenden müssen zum Beispiel Fachbegriffe kennen, deren Bedeutung verstehen und Zusammenhänge zwischen ihnen nachvollziehen und benennen können. Dieser Typus von Wissen beschränkt sich indessen nicht auf sachliche Inhalte. Auch bei den Arbeits- und Lerntechniken ist deklaratives Wissen wesentlich. Die Lernenden erwerben Kenntnisse über mögliche Vorgehensweisen und einen möglichen Arbeitsablauf. Das genügt freilich nicht. Sie müssen auch wissen, wie man sich einer Technik bedient (Wissen, wie man etwas tut: prozedurales Wissen) (Euler & Hahn, 2007, S. 109). Und weiter müssen sie wissen, wann und unter welchen Umständen man eine bestimmte Arbeits- und Lerntechnik mit Gewinn einsetzt. Solches Expertenwissen, das Handeln in der konkreten Umsetzung steuert, bezeichnen wir als konditionales Wissen. Zur Ressource Wissen gehört schließlich das Wissen über sich selbst als Lernende und Lernender (fachliches Vorwissen, Lerngewohnheiten, eigenes Lernstrategie­repertoire), über die Lernsituation (Metzger, 2001, S. 43) und über Aufgaben und Aufgabentypen (Büchel & Büchel, 2010, S. 33–38). Solches Wissen bezeichnen wir als Metawissen.

Fertigkeiten: Die Lernenden müssen ihr Wissen auch in bestimmten Situationen anwenden können; dazu brauchen sie Fertigkeiten, also Verhaltensweisen, die im Verlauf der Ausbildung in Form von Lern- und Arbeitstechniken gezielt geschult werden und mit der Zeit in Fleisch und Blut übergehen.

Haltungen: Als Haltungen bezeichnen wir die inneren Einstellungen eines Menschen, seine Werte und Normen. Haltungen prägen das Handeln wesentlich mit. Beispiele für Haltungen in diesem Sinn sind etwa Verantwortungsbewusstsein, Einfühlungsvermögen, Toleranz und Interesse am Umfeld.

Aus diesem Begriffsverständnis leiten wir folgende Regeln ab:

Werden bei kompetentem Handeln Ressourcen gebündelt, müssen diese Ressourcen schon vorhanden sein – im Unterricht werden sie also zunächst aufgebaut, weiterentwickelt und systematisiert.Kompetentes Handeln ist immer situationsbezogen – und jede Situation ist anders. Situationen lassen sich allerdings für den Unterricht auch typisieren und konstruieren.

1.2 Kernelemente des AVIVA-Modells

Jeder Unterricht hat eine äußere und eine innere Seite. Außen ist sichtbar, in welcher Organisations- und Sozialform der Unterrichtsprozess bei einer gegebenen Methode gestaltet wird. Ihre Außenseite zeigt also, wie der Unterricht aufgebaut und rhythmisiert ist (Abbildung 3, Kreis 1). Mit Innenseite meinen wir die Aktivitäten der Lernenden bei der fraglichen Methode, die Art und Weise, wie sie Inhalte, Ziele und Vorgehensweisen miteinander verknüpfen, wie sie also durch Aufgaben- und Problemstellungen Ressourcen aufbauen und einsetzen müssen, um das vorgegebene Ziel zu erreichen, kurz: wie sie lernen (Abbildung 3, Kreis 2).

Abbildung 3: AVIVA – ein Modell zur Förderung von Kompetenzen

In den folgenden Abschnitten stellen wir die Kernelemente des AVIVA-Modells vor, so wie sie in der Abbildung 3 dargestellt sind.

1.2.1 Die Außensicht – Methoden und Arbeitsweisen

Die Gestaltung des Unterrichts hat wesentlichen Einfluss auf die Art und Weise, wie in der Schule gelernt wird. Wenn immer alle Fäden in der Hand der Lehrperson zusammenlaufen, werden die Lernenden nie dazu ermutigt, ihr Lernen selbst zu steuern. Wenn die Lehrperson den Lernenden von Anfang an inhaltlich und methodisch das Feld überlässt, ist die Chance, dass diese sich selbstständig Wissen und Können aneignen, genauso gering, da ihnen vielfach nicht klar sein wird, wie sie in einer bestimmten Situation vorgehen sollen. Für den Unterricht ist wohl eine gute Balance zwischen Steuerung durch die Lehrperson (direktes Vorgehen) und Elementen des selbstregulierten Lernens (indirektes Vorgehen) sinnvoll.

Arbeitsweisen – direktes und indirektes Vorgehen

Beim direkten Vorgehen ist es die Lehrperson, die vorgibt, welche Ressourcen für das Bearbeiten einer vorgegebenen Situation benötigt werden. Bildlich gesprochen: Die Puzzleteile werden den Lernenden einzeln präsentiert; die Lehrperson zeigt, wie die Teile zusammenpassen, mit welchem Wissen und welchen Fertigkeiten sie eine Situation meistern können. In solchen Settings ist das Vor- und Nachmachen ein wichtiger methodischer Zugang. Mithilfe von Lehrmitteln zum Thema «Lernen lernen» oder konkreten Arbeitsanweisungen erhalten die Lernenden Einblick in verschiedene Vorgehensweisen und entwickeln gezielt Ressourcen. Mit der Zeit entsteht für sie aus den einzelnen Teilen ein Ganzes. Nachdem ihnen die Instruktion der Lehrperson den Weg gewiesen hat, sind sie allmählich in der Lage, eine vorgegebene Situation planmäßig anzugehen und selbst zu meistern. Solch schrittweises, durch die Lehrperson gelenktes Vorgehen ist dann sinnvoll, wenn die Lernenden noch über wenig Ressourcen verfügen oder wenn die Ausbildungssituation den Einsatz ganz bestimmter Ressourcen voraussetzt.

Beim indirekten Vorgehen wird den Lernenden lediglich eine komplexe Situation vorgegeben. Sie versuchen autonom, die Situation mit den vorhandenen Ressourcen zu analysieren und herauszufinden, wie ein Problem gelöst werden kann. Aufgrund der Analyse wird festgehalten, welche Ressourcen in den Feldern «Wissen», «Fertigkeiten» und «Haltungen» allenfalls noch zu erwerben, zu optimieren oder zu hinterfragen sind. Im Anschluss an die Analyse wird im Team das weitere Vorgehen geplant, werden die nächsten Schritte definiert. Beim indirekten Vorgehen ist also bereits zu Beginn das ganze Bild ersichtlich; die Lernenden können jeden weiterführenden Schritt stets mit der zu lösenden Situation in Verbindung bringen und versuchen, sie aus eigener Kraft zu meistern, ohne dass die Lehrperson mit methodischen Vorgaben eingreift.

PHASEN

DIREKTES VORGEHEN

INDIREKTES VORGEHEN

A

Ankommen und einstimmen

Lernziele und Programm ­werden bekannt gegeben.

Die Situation, das Problem wird vorgestellt; die ­Lernenden bestimmen Ziele und ­Vorgehen ­weitgehend selbst.

V

Vorwissen aktivieren

Die Lernenden aktivieren ihr Vorwissen unter Anleitung und strukturiert durch die ­Methoden der Lehr­person.

Die Lernenden aktivieren ihr Vorwissen selbstständig.

I

Informieren

Ressourcen werden gemeinsam entwickelt oder erweitert; die Lehrperson gibt dabei den Weg vor.

Die Lernenden bestimmen selbst, welche Ressourcen sie sich noch aneignen müssen, und bestimmen, wie sie ­konkret vorgehen wollen.

V

Verarbeiten

Aktiver Umgang der ­Lernenden mit den vor­gegebenen Ressourcen: verarbeiten, ­vertiefen, üben, anwenden, konso­lidieren …

Aktiver Umgang der ­Lernenden mit den neuen Ressourcen: verarbeiten, ­vertiefen, üben, anwenden, diskutieren …

A

Auswerten

Ziele, Vorgehen und ­Lernerfolg überprüfen.

Ziele, Vorgehen und ­Lernerfolg überprüfen.

Tabelle 1: Direktes und indirektes Vorgehen

Selbstverständlich markieren die Begriffe direktes und indirektes Vorgehen nur die Eckpunkte eines Kontinuums – im konkreten Unterricht sind stets auch Zwischen- und Mischformen beziehungsweise Übergänge denkbar. Darüber hinaus lassen sich die beiden beschriebenen Verfahren ergänzen: durch isoliertes, eingebettetes oder kombiniertes Training von Lerntechniken und Arbeitsstrategien (Dubs, 2009, S. 261). Beim isolierten Training werden eigenständige Unterrichtseinheiten zur Förderung bestimmter Techniken und Strategien eingeschaltet, wie sie in manchen Lehrplänen bereits vorgesehen sind. Beim eingebetteten Strategie- und Kompetenztraining wird in den Lehrplänen ausgeführt, welche Kompetenzen mit welchen Inhalten oder Leistungszielen in Verbindung gebracht werden können. Natürlich lassen sich die verschiedenen Formen bei der Gestaltung konkreten Unterrichts auch mischen.

Welches Vorgehen kommt wann zum Zug? In einer Klasse von Lernenden, die über wenig Vorwissen verfügen, werden wir zunächst den direkten oder gelenkten Weg einschlagen, aber immer mit dem Ziel, zum indirekten Vorgehen zu wechseln, sobald die Lernenden dazu bereit und motiviert sind. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Haltung der Lehrperson. Die Lernenden sind eher dazu bereit, sich gezielt auf die Förderung von Kompetenzen einzulassen, wenn die Lehrperson sinnvolle Aufgaben und Probleme stellt und immer wieder darauf achtet, die Lernenden in diesem Prozess sorgsam zu begleiten. Zudem entscheiden bei den Lernenden motivationale Faktoren, ob sie überhaupt dazu bereit sind, ihre Lern- und Arbeits­gewohnheiten anzupassen (vgl. dazu die Ausführungen auf Seite 18).

VORTEILE

NACHTEILE

Direktes Vorgehen

- Die Lehrperson zeigt direkt auf, wie die einzelnen Ressourcen miteinander verbunden werden können.

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