Das Buch eines Terroristen - Ares Davide - E-Book

Das Buch eines Terroristen E-Book

Ares Davide

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Beschreibung

Er wollte nur ein Buch schreiben, das ihn reich und berühmt machen sollte. Ohne zu ahnen, auf was er sich einließ, wurde es zu einem Albtraum. Man versprach ihm, ihn zu einem reichen Mann zu machen. Hoffnungsvoll ließ er sich darauf ein …

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Es begann mit einem vergessenen Traum

Den, die Liebe, wieder zum Leben erweckte

K&K

&

L&L

V – Ein Tatsachen Roman

Von Ares Davide

Die Wandlung

Ein Dankeschön anCo. Autorin Saskia-Patricia Richter

Ein Buch von Ares Davide

V - Ein Tatsachen - Roman

Das Buch eines Terroristen

Das Buch eines Terroristen

Kapitel 1

Als ich in meinem Leben jede Hoffnung verloren hatte, zu einem Erfolg zu kommen, bekam ich einen Anruf, der mein Leben verändern sollte. Es war die Überraschung meines Lebens, von welchem ich nichts mehr erwartete, außer es langweilig zu Ende zu führen, ohne etwas zu hinterlassen, das meinem Namen eine Ehre hätte machen können. Es gab nichts, aber auch nichts worauf ich stolz war, in der Zeit, in der ich wie ein wandernder kalter Fisch durch die Zeit lebte. Ich hatte auch nichts, dass ich hätte mitnehmen können, auch wenn ich es wollte, hatte ich nichts. Ich fühlte in mir eine Leere, die ich mit nichts hätte ausfüllen können.

Ich versuchte ein Schriftsteller zu werden, ohne Erfolg. Ich wollte nur, bekam aber keine Möglichkeit, zu mindestens nicht, dass es eine gab, die mir weitergeholfen hätte. Türen, die nicht aufgingen, wenn ich dran klopfte, verschlossene Türen, aufgelegte Telefone, immer die Worte „wir rufen sie an“, Sekretärinnen, die nicht wussten, wann ihr Chef kommt. Das hat mich in den Jahren noch einsamer gemacht als ich schon war. Ich war auch mit allem fertig. Meine Träume und Hoffnungen waren tot, bevor sie erst geboren wurden. In mir spürte ich diese Leere, die ich mit nichts füllen konnte. Die Jahre hatten mich fertig gemacht. Als ich einen Film drehen wollte, wollte mir keiner finanzielle Unterstützung geben, um dies umzusetzen… Eines blieb von diesem Traum übrig, nämlich das ich noch tiefer gesunken war, als ich es schon war. Man kann nicht glauben, wie tief man sinken kann. Danach konnte ich mir nicht einmal einen Kameramann leisten, um einen Dokumentationsfilm zu drehen.

Ich hatte viele Pläne in meinen Kopf, hier oben tobte ein Sturm. Doch in meiner Tasche kein Geld, um mir einen Kaffee zu leisten. Ohne zu wissen, wo oder warum ich da war, wo ich erwachte, verbrachte ich die Tage, allein in diesem Raum.

Ich war so einsam. Manche glaubten einsam zu sein, aber sie kannten mich nicht.

Genauso wenig wollten sie mich kennen, denn wenn sie mich gekannt hätten, würden sie Es wissen. Es wissen was es heißt einsam zu sein. Sie kannten mich nicht, denn meine Fassade verborg alles Leid, dass ich in mir trug. Wenn ich herum sah, wie die anderen Leute an mir vorbei gingen kam ich mir unsichtbar vor. So wie einer, den man nur rief, falls er mal gebraucht werden sollte. Wie ein Ersatzreifen, der einem nur einfiel, wenn einer der anderen Reifen platzte. Deshalb wusste ich was es heißt einsam zu sein. In den frühen Morgenstunden schaute ich nur einmal in den Spiegel, um einen Mann zu sehen den ich für den Rest des Tages nicht ertragen konnte. Für den Rest des Morgens wollte ich diesen Mann nicht sehen, nicht mal begegnen. Wenn Sie mir diesen Mann hätten vorstellen wollen, weiß ich, er wäre der Letzte gewesen, den ich je kennenlernen wollen würde.

Nun stand ich hier, vor diesem Luxushotel, in dem ich eingeladen war, um mich mit jemandem zu treffen, der aus mir einen anderen Menschen machen wollte, als ich es war.

Gelangweilt hatte ich heute diese Hotellobby betreten, mit dem wenigen Geld, das ich in meinem Portemonnaie hatte. Es würde nicht einmal ausreichen, um die Rechnung für ein Essen zu bezahlen. Ich hatte versucht, mich so anzuziehen, dass keiner merken konnte, dass ich ein armer Schlucker war, der an solchen Orten nichts zu suchen hatte. Es wäre ein Wunder gewesen, hier eine reiche Frau zu treffen, die mich überhaupt wahrnehmen, gar ansehen würde.

Einen Traum, den fast jeder in seinem Leben hat, der jedoch nicht in Erfüllung gehen wird.

Ich betrat diese Marmorhalle mit meinen einzigen teuren Schuhen, die ich mir in einem Secondhand- Shop gekauft hatte. Ich konnte mir nicht einmal eine anständige Jacke leisten. Deshalb trug ich auch keine. Keiner um mich herum nahm Notiz von mir, als ich zwischen den Leuten an der Rezeption in die Lobby-Bar ging, die auf mich wie ein gemütliches Wohnzimmer wirkte, mit Sesseln und einer Couch aus weichem schwarzem Leder.

Ich sollte hier den Mann treffen, der mir am Telefon nur eine Frage gestellt hatte: „Wollen Sie reich und berühmt werden?“

Ja, ich wollte beides, reich und berühmt werden.

Einen Traum, den ich mir nicht verwirklicht hatte in all den Jahren. Nun war ich schon über fünfzig, war immer noch schlank, hatte noch Haare auf dem Kopf, ein glattes Gesicht, sodass man mir mein Alter nicht ansah.

Man hätte schon genauer hinsehen müssen, um mein Alter zu schätzen. Wenn man mich gefragt hätte, wie alt ich bin, fühlte ich mich kein bisschen älter als dreißig.

Mit dem, was ich angezogen hatte, machte ich mich lächerlich unter den feinen Leuten in dieser Lobby, die in meinen Augen beneidenswert waren. Ich versuchte, nicht aufzufallen in der schwarzen Hose und dem schwarzen Rollkragenpullover. Um meinen Hals meine braune Ledertasche, in der ich einen kleinen Laptop und etwas zum Schreiben hatte. Ich musste die Person suchen, die mich hierher eingeladen hatte.

Sie hatte sich mir am Telefon beschrieben: ein Mann von mittlerer Größe, in einem schwarzen Anzug und mit einem braunen seidenen Schal, dessen orientalisches Muster die Gebärmutter einer Frau darstellte. In der großen Halle sah ich diesen Mann unter den anderen Leuten, allein sitzend, mich von weitem mit auffallenden Blicken beobachtend. Als ich zu ihm ging, stand er vom Sessel auf, um mich zu begrüßen. Er war genauso, wie er sich beschrieben hatte. Ich war nicht groß, aber dieser Mann war auch nicht größer als ich. Ich ging auf diesen Mann zu, der mich mit einem Lächeln in seinem Gesicht begrüßte.

Er musste genauso wie ich über fünfzig sein, hatte eine glatte Haut, stechende Augen, schwarze Augenbrauen, die über seinen Augen wie aufgemalt aussahen. Er sah aus wie ein Bösewicht aus einem Comicmagazin. Man hätte ihn für einen Schauspieler halten können, so auffällig sah er aus.

Als ich ihm die Hand gab, stellte er sich nicht einmal vor, kaum ein Wort kam aus seinem Mund.

Er zeigte mir, mit seiner Hand wo ich mich setzen sollte, ihm gegenüber, und machte es sich dann bequem. Er verfolgte mich mit seinen Augen. Ich war etwas nervös, angespannt, denn er sollte mein neuer Arbeitgeber werden, und schließlich hatte er mir Reichtum und Ruhm versprochen.

Erst wusste ich nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte, denn ich war nicht jemand, der sich gerne bei jemand anderem einschleimte. Ich setzte mich ihm gegenüber und wusste nicht, was ich sagen sollte.

Er hatte sich nicht vorgestellt, fragte nicht nach meinem Namen, als wüsste er schon über alles Bescheid.

Anscheinend kannte er meine Vorlieben, da er für mich auch einen Käsekuchen und Kaffee bestellt hatte, die vor mir auf dem Tisch bereitstanden. Ich konnte von ihm nicht wegschauen, ich wurde von ihm regelrecht beobachtet.

Dann stellte er mir eine Frage, mit einer Stimme, die sich anhörte wie die eines Moderators: „Schreiben Sie gerne?“

Ich atmete tief ein und meinte dazu: „Ja, ich versuche, mein Bestes zu geben.“ Er nickte nur vor sich hin, spielte mit seinem Kugelschreiber, den er in der Hand hatte, und sagte dann: „Anscheinend nicht genug“, er machte eine Pause, denn er hatte Recht. Ich hatte keine Erfolge, noch keinen Einzigen, und das mein Leben lang. Nachdem er mich weiter angeschaut hatte, sagte er weiter: „Nichts auf dieser Welt bleibt ohne Strafe oder Belohnung, anscheinend haben Sie bis jetzt nicht ihr Bestes gegeben. Denn die Besseren erlangen immer den Erfolg, den sie verdient haben.“

Dann beugte er seinen Körper zu mir und fügte hinzu, während ich seine Lippenbewegungen sehen und seinen Atem hören konnte: „Aber Sie werden ihr Bestes geben, und Sie werden den Ruhm erlangen, den Sie verdienen. Dafür werde ich Persönlich sorgen.“

Ich hörte ihm Fassungslos zu, den mir stockte der Atem vor mir stand ein Mann, der mir mein langersehnter Reichtum und Ruhm versprach.

Tief einatmend lehnte er sich zurück, schlug ein Bein über das andere, kraulte sich in seinen Haaren und schaute für einen Augenblick von mir weg. Man sah eine Frau, die durch die Lobby zu den Aufzügen ging. Eine große Frau, die keine hohen Absätze brauchte, aber schwarze Schuhe mit hohen Absätzen trug. Dazu ein auffälliges Kleid in Bordeauxrot, bis zu den Knien.

Sie schwebte fast durch die Lobby mit ihren langen, blonden Haaren, die ihr bis zu den Schenkeln hinunter reichten. Sehr auffällig war ihre goldene Männeruhr, die sie an ihrem Handgelenk trug, und ihre langen, geschmeidigen Beine. Ihre Brüste, die, wie es nur ein Mann sehen konnte, nicht von einem BH bedeckt waren, waren nicht zu groß und genauso wenig zu klein - ein Traum für jeden Mann.

„Wie schlank sie ist“, dachte ich bei mir. Sie verschlug mir den Atem.

„Was für eine Wunderbare, Fantastische Frau“, dachte ich überwältigt, und sah meinen Arbeitgeber an, der sie auch beobachtete. Kaum zu glauben war es, als die Frau ihren Kopf drehte, um uns Beide anzuschauen, unter all den Männern, die sie mit ihren Blicken verfolgten. Manche, die in Begleitung waren, konnten nicht widerstehen, ihr nachzusehen.

Aber sie warf ihre Blicke mit ihren glänzenden Augen uns Beiden zu, während sie ging, ohne langsamer zu werden, bis zu den Aufzügen.

Die Leute, die schon im Aufzug waren, hielten die Tür auf, für die Schönheit in dem auffälligen bordeauxroten Kleid. Nur einen Augenblick in ihre Nähe zu sein und ihr Parfüm zu riechen und neben ihr zu stehen, erschien so viel wert zu sein. Mir hüpfte das Herz aus dem Brustkorb, bei einem tiefen Atemzug.

Dass sie keine Handtasche hatte, war für so eine Frau ungewöhnlich, aber sie war eine ungewöhnliche Frau, der kein Mann widerstehen konnte. Während sich die Aufzugtür schloss, konnten wir ihre Blicke in unsere Richtung spüren, und als die Aufzugtür sich schloss, versuchte ich einen letzten Blick zu erhaschen.

Dann schauten wir uns gegenseitig an, ich und mein neuer Arbeitgeber, fragten uns dabei, wen von uns beiden sie angeschaut hatte, und lächelten. Dabei fragte ich mich, wer von uns für sie wohl unwiderstehlicher war, mein Arbeitgeber oder ich. Sie war kaum älter als dreißig, diese blonde Schönheit, von der es kaum zu fassen war, dass es solche Schönheiten auf dieser Welt gibt. Außergewöhnlich, sehr außergewöhnlich, wie sie sich in mein Gehirn eingeprägt hatte. Nun war sie auf einmal wie ein Traum an uns vorbeigeflogen.

Man konnte sich an die Stirn schlagen! Wie gern hätte ich so eine Schönheit an meiner Seite, aber diese Hoffnung hatte ich längst aufgegeben mit dem Gedanken, dass ich ein Verlierer bin.

Ich blickte zu dem Mann, der mich dann anschaute und zu mir sagte: „Das ist Erfolg“, und es sich bequem machte, während ich nicht wusste, was ich dazu sagen sollte.

Der Gedanke, dass so eine Frau sich in mich verlieben würde, war absurd. Ich hatte nichts, was ich ihr hätte anbieten können, deshalb machte ich mir keine Hoffnungen.

Ich war nun hier, um eine berühmte und reiche Person zu werden, wie dieser Mann es mir versprochen hatte. Dann sagte er zu mir: „Unterbrechen Sie mich nicht, wenn ich jetzt rede, und geraten Sie auch nicht in Panik, wenn ich sage, wer ich bin.“ Ich dachte, er wollte sich wichtigtun, aber ich hörte ihm zu, als er dann zu mir sagte: „Ich bin einer der meistgesuchten Terroristen der Welt.“

Ein kalter Hauch wehte zwischen uns. Ich versuchte zu verstehen, was er mir sagen wollte, doch er erklärte weiter: „Ich bin ein internationaler Terrorist und möchte, dass Sie über mich einen Roman schreiben, ein Buch, das mein Leben erzählt.“

Mir blieben die Worte und die Fragen im Halse stecken, ich musste schlucken, als er dann weitersprach: „Ein Buch sollen Sie schreiben, das ist Ihr Auftrag.“ Ich schaute diesen Mann nun mit anderen Augen an, ich bekam nicht Angst vor ihm, aber glauben konnte ich das auch nicht.

Zu viele Lügengeschichten hatte ich in meinem Leben gehört, aber nun das - ich sollte ein Buch über einen Terroristen schreiben! Deshalb fragte ich ihn, etwas unter Schock: „Sie wünschen sich, dass ich ein Buch über Sie schreibe?“, war die Frage, die nicht nötig war, ich aber dennoch ungläubig fragte. Ich hatte mir seine Worte angehört, ohne ihn zu unterbrechen, und wusste nicht, was ich davon halten sollte. Dieses Treffen hatte ich mir anders vorgestellt, als ich den Termin in dieser Luxushotel-Lobby vereinbarte. Ich atmete tief durch, nachdem ich die Frage gestellt hatte. Wer wollte denn schon mit einem internationalen Terroristen zusammen an einem Tisch sitzen? Wir blickten uns in die Augen, und seine Augen logen nicht, so wie ich das sehen konnte.

Er wollte Autor eines Buches sein, eigentlich vielmehr der Ideengeber, denn ich sollte es schreiben, weil er das nicht konnte. Ich, ein einfacher Mann, der über fünfzig war, sollte meinen Durchbruch erlangen, indem ich ein Buch über ihn schreibe. Ich konnte es erst nicht fassen, worauf ich mich eingelassen hatte. Ich fragte mich, ob das in meinem Leben nötig war, aber wie es aussah, hatte ich keine Wahl.

Ich war inmitten eines Films, in dem ich die Opfer-Rolle hatte. Ich überlegte kurz, schaute auf den Tisch, auf dem eine lange, weiße Kerze brannte, daneben mein halb aufgegessener Käsekuchen und meine Tasse Kaffee. Ich schaute dann etwas umher, sah die Leute um mich herum, überlegte dabei, was ich nun von diesem Mann halten sollte, der mir erzählt hatte, dass er ein Terrorist sei.

Ich hatte viele Vorstellungen von Terroristen, aber so wie ihn hatte ich sie mir nicht vorgestellt. Vor allem nicht so zum Greifen nah vor mir. Als ich ihm in die braunen Augen schauen konnte, als er sich zu mir gebeugt hatte und auf eine Reaktion von mir wartete, wusste ich nicht, wie ich mich verhalten sollte.

Dann fragte er mich mit einer lockeren Körperhaltung, sich in der Couch zurücklehnend: „Hatten Sie schon einmal das Vergnügen, mit einem Terroristen zu sprechen?“

Ich schüttelte den Kopf, antwortete: „Noch nicht, Sie sind der Erste.“ Ich lehnte mich auch in den Sessel zurück.

Ich hatte es nie für möglich gehalten, mal mit einem Terroristen zu tun zu haben, in keinem Lebensplan, den ich mir je ausgemalt hatte, bestand diese Möglichkeit.

Bis jetzt hatte ich diesen Mann nicht ernst genommen, es kam mir erst vor, als würde er sich wichtigtun wollen, aber mir wurde bewusst, dass ich mich getäuscht hatte. Dieser Mann machte sich nicht wichtig, sondern er war es. Ich beobachtete ihn weiter und dachte darüber nach, was ich über ihn schreiben sollte, denn ich hatte in den vergangenen Jahren nichts von Bedeutung geschrieben.

Ich wollte es zwar, aber ich konnte nicht, ich hatte keinen Schreibstoff, was mich zur Verzweiflung gebracht hatte. Keine Ideen, kein Thema, nichts, was mir den Durchbruch hätte bringen können.

Daher hatte ich mich mit meinem Schicksal abgefunden, dass ich als unbekannter Autor, ein Versager, der in seiner Traumwelt lebte, sterben würde. Ich hatte nichts Besonderes in meinen Leben geschafft, wenn ich so überlege…Überhaupt nichts, obwohl ich schon über fünfzig war. Ich erfreute mich nur daran, dass ich zumindest noch Haare -wenn auch leicht ergraute- hatte, die ich kämmen konnte.

Die Jahre waren an mir vorbeigezogen, ohne dass ich bemerkt hatte, wie schnell. Ich hatte nichts in meiner Hand, was mich weitergebracht hätte. Ich schaute auf meine Hände und fühlte die Leere darin. Ich blickte auf, zu diesem Mann. Er sah für sein Alter sehr gut aus, er musste auch über fünfzig sein, war genauso schlank wie ich und hatte auch die gleiche Größe, man hätte uns für Brüder halten können. Nur, dass er besser aussah, sich gute Kleidung leisten konnte.

Doch er hatte mir versprochen, dass er mich zu einem reichen Mann machen könnte, wenn ich das Buch für ihn schreibe. Über sein Leben, denn er würde mir sein ganzes Leben, seine Geschichten, seine erlebten Schicksale erzählen, und ich würde es in eine schriftliche Fassung bringen. Dieser Mann, der vor mir saß, behauptete eiskalt von sich selbst, einer der größten internationalen Terroristen zu sein, ein Mann, der nicht auf Anhieb einer bestimmten Nationalität zuzuordnen war.

Sein Aussehen lag irgendwo zwischen dem eines Italieners und eines Franzosen, sogar für einen dunkelhaarigen Deutschen könnte er mit diesem Aussehen durchgehen, wenn er an einer Grenze dieser Welt kontrolliert werden würde.

Dieser Typ, der ein durchschnittliches Aussehen hatte, seine Haare nicht zu lang, mit einem Mittelscheitel, braune Augen, darüber seine schwarzen Augenbrauen. Seine Haut war weiß, hatte aber einen starken Sonnenbrand.

Es hatte mich gewundert, dass wir uns gleich erkannt hatten, als kannten wir uns schon vorher, aber ich hatte keine Erinnerung an einen Terroristen in meinem Leben. Aber es war eigenartig das wir uns so vertraut waren… wie er zu mir kam, nachdem ich mich hingesetzt hatte. Meine Bestellung am Tisch war das was ich liebte, Käsekuchen und Kaffee. In vielerlei Hinsicht war ich ihm oder er mir ähnlich, nur, dass ich ihn darum beneidete, dass er alles hatte, was ich mir in meinem Leben für mich wünschte.

Einen Maßanzug aus feinstem Kaschmir in Schwarz, eine goldene Uhr, einen goldenen Stift, den er in seiner Hand hielt, ein goldenes Feuerzeug, dazu meine Lieblingsmarke an Zigaretten, die auf dem Tisch lagen. Hier war es aber verboten zu rauchen, deshalb spielte er nur lässig mit dem Feuerzeug.

Wir hatten den gleichen Geschmack, wir beide liebten die Farbe Schwarz, nur ich in billigen Klamotten und er in teuren.

Wie Brüder waren wir fast gleich gekleidet in Schwarz. Ich sah, dass er wie ich die feine Gesellschaft in der Lobbyhalle beobachtete. Diese Leute versuchten, fein auszusehen und sich entsprechend ihrer Bekleidung zu benehmen, was von diesem Mann nicht zu erwarten war. Er benahm sich so, wie er eben nun mal war - lässig in seiner Natur. Er musste die Freiheit lieben, die er hatte - keine Regel, die er befolgte.

Er erlaubte sich vieles, was sich die meisten nicht trauen würden. Er sah sich die in Anzügen gekleideten Männer an, die alle eine wertvolle Krawatte trugen, und lächelte kurz, ich wusste nicht worüber. Dass er über die Krawatten lächelte, sollte ich aber später noch erfahren.

Dann fragte er mich, blickte dabei tief in meinen Augen: „Wieso haben Sie keine Lächerliche Krawatte?“

Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, so überrascht war ich über diese Frage, denn ich hatte einen Schal, den ich in einem Bus gefunden hatte und der mir gefiel, um meinem Hals. Ich antwortete nur: „Das weiß ich nicht, ich mochte noch nie Krawatten.“

Der Terrorist nickte nur und sagte dann mit einem Lächeln: „Weil Sie noch nie im öffentlichen Dienst gearbeitet haben, weil Sie noch nie in einer Bank oder in einem Büro gearbeitet haben. Sonst hätten Sie eine billige Krawatte mit gestreiften Mustern. Krawatten tragen die Ehrenbürger dieser Welt nicht, denn sie Arbeiten in den miesesten Jobs für Trinkgelder. Da wo Sie gearbeitet haben, brauchten Sie keine Krawatten.“

Er sah mich mit erhobenem Kinn an, und ich überlegte kurz, wusste nicht, was ich sagen sollte. Dass er in dieser Art redete, tat er meiner Meinung nach, um mich zu beruhigen. Dann fügte er hinzu: „Die Leute, die sich für gebildet halten, kaufen sich Krawatten für ein Vermögen, einige sind teurer als die Anzüge selbst.

Sogar die Richter tragen eine weiße Krawatte in diesem Land. Weil sie an etwas gebunden sind, wie die Hunde an einer Leine. Jeder, der eine Krawatte trägt, tanzt nach der Pfeife eines anderen, dann tanzen alle nach der Pfeife einer Gruppe, dann wissen sie nicht mehr, wer nach wessen Pfeife tanzt. Deshalb hasse ich Krawatten und trage auch keine, werde ich auch nie tun.“

Er beobachtete die Männer, die hinter ihren Frauen gingen. Darüber lächelte er auch, denn wir sahen die gleichen Dinge. Dazu sagte er: „Wie manche Frauen die Männer an der Nase herumführen können! Keine dieser Frauen liebt ihren Mann, der nackt ihren Ekel erregt. Die Schönheit sollte dem schönen Geist dienen, aber keiner dieser Männer ist schön, und die meisten Frauen haben nur eine Fassade.“ Nach einem kurzen Moment der Überlegung sagte er dann vor sich hin, während er konzentriert auf einen Mann blickte, der hinter seiner Frau lief, und sich beim Personal wichtigtun wollte:

„Kalter Fisch, der glaubt zu leben, weiß nicht, dass er Tod ist.“ Seinen Ekel für diesen Man konnte ich an seinem Gesicht erkennen.

Ich bewunderte allmählich diesen in vollkommenem schwarz gekleideten Man. Er trug auf seinem durchtrainierten Körper einen schwarzen Anzug. Als Ausdruck seiner Sturheit trug er keine Krawatte um seinen Hals, weil er nicht wie ein Hund sein wollte. Dass er die meisten Leute in dieser Lobbyhalle verachtete, konnte man an seinem Gesichtsausdruck erkennen.

Mir fiel der Schal um seinen Hals auf, der lässig, wie hingeworfen, um seine sonnengegerbte Haut drapiert war. Gerade so, als sei es zufällig und doch sehr bewusst so gewählt worden. Die Muster fielen mir auf die mir so bekannt vorkamen aber woher, das fiel mir einfach nicht ein. Ich beobachtete diesen Fremden weiter, der mir so bekannt vorkam. Mir kam es vor, als erlebte ich in diesen Augenblick ein Déjà-Vu, dass an meinen Erinnerungen vorbeizog. Er beobachtete seine Umgebung so intensiv, als hätte er eine Vorahnung für jeden Augenblick. Mir kam es vor, als ob er nichts dem Zufall überließ, nichts, aber auch gar nichts. Alles um ihn herum folgte einem genauen Plan, seinem genau ausgetüftelten Plan. Sein Aussehen mochte durchschnittlich wirken, aber man bemerkte ihn sofort in einer Menschenmenge, da er nicht wie alle anderen war.

Seine Augen waren die einer gefährlichen, lauernden schwarzen Mamba oder die eines ausgehungerten schwarzen Panthers, der auf seine Beute lauerte.

Sie funkelten auffällig wie schwarze Diamanten in die Welt. Jeder, der in diese Augen blickte, wusste sofort, spürte es, dass mit diesem Menschen nicht zu spaßen war. Ich fühlte mich in dieser Lobbyhalle etwas unwohl bei dem Gedanken, dass dieser Mann mit allem, was er mir versuchte zu erzählen, Recht hatte. Ich sah einen Mörder, einen Sadisten, der keine Skrupel hatte, jemanden zu töten vor mir sitzen. Ich hatte mit ihm nicht lange geredet, dass ich über ihn etwas sagen konnte, und war gespannt auf seine Geschichten. Ich fragte mich, wie er mir seine Taten erzählen wollte, denn eigentlich hatte er mir nur gesagt, dass er ein internationaler Terrorist sei, als wäre es ein Beruf, den man erlernen könnte wie jeden anderen.

Er durchbrach meine Gedanken, als könnte er sehen, was für ein Orkan in meinem Gehirn ausgebrochen war. Ich konnte spüren, dass er spürte, was in meinen Herzen vorging. Er spürte die Angst in meinem Herzen und versuchte, mich zu beruhigen, indem er das Thema wechselte, und so natürlich wie möglich wirken wollte. Aber was in solch einem Augenblick natürlich sein könnte, wusste ich nicht. Was war denn natürlich?

Ich spürte ein wenig Angst gleichzeitig, aber er kam mir auch vertraut vor, als stünde vor mir ein Mann, dem ich mehr vertrauen könnte als meinem eigenen Bruder. Ich wusste nicht weshalb, aber ich schenkte ihm mein Vertrauen in dem wirren Glauben, dass er in meine Welt, die so düster und langweilig war, etwas Farbe bringen könnte.

Denn mein Leben war ein Schwarzweißfilm, gänzlich ohne Farben, aber um Lebenslust zu erlangen, brauchte ich nun einmal Farben. Mein Leben war bis dahin so langweilig gewesen, dass ich nicht wusste, wie ich es geschafft hatte, dieses Leben zu führen, ohne ihm ein Ende gesetzt zu haben. Zu selten genoss ich den Luxus, in solch einem Hotel in der Lobbyhalle in einem schwarzen Ledersessel zu sitzen, als wäre ich jemand besonderes.

Das war ich mein Leben lang nicht, hatte es mir immer gewünscht, aber kam in meinen Leben nie aus den roten Zahlen. Ich war immer im Minus. Immer habe ich einen Schatten verfolgt, der vor mir davonlief, den ich niemals einholte, der mich dazu brachte an meinem eigenen Leben vorbeizulaufen, ohne dass ich ihn fangen konnte.

Nun beobachtete ich die Leute um mich herum mit diesem internationalen Terroristen mir gegenübersitzend, den ich besser kennenlernen musste, weil ich ein Buch über ihn zu schreiben hatte. Er sah die Leute um uns herum als kalte Fische, in seinen Augen waren sie wie lebende Tote. Das erkannte ich und fragte ihn: „Weshalb wollen Sie ein Buch veröffentlichen für diese Menschen, die sie hassen?“ Er blickte nur zu mir, dann überlegte er, schaute weg, beobachtete eine Frau, die einen grauen, fast blinden Mops hinter sich herzog, die sich einchecken wollte. Diese Dame, die anscheinend allein reiste, wurde von diesem Mann beobachtet, sodass ich glaubte, dass er zu ihr gehen wollte, um ihr zu helfen, aber sie brauchte keine Hilfe.

Sie war eine Dame, die sich selbst helfen konnte. Sie war eine Dame, die mit ihrer Schönheit auffiel, mittelgroß, mit einem ernsten Gesicht, Anfang dreißig. Sie war eine Schönheit, die mit ihrem kultivierten Reden allein die Herzen der Männer zum Hüpfen bringen konnte.

Ich blickte mit ihm zu der Dame, die ein Stück weit von uns entfernt war. Er sah, dass ich in die gleiche Richtung wie er schaute. Dann begann er, mich weiter zu beobachten, ohne mir eine Antwort zu geben. Ich schaute ihm in die Augen und wartete auf eine Antwort. Eigentlich beobachtete er mich, als würde er mich weiter erforschen, wie ein Tierforscher, der nur beobachtet. Ich fühlte mich unter seinen Blicken etwas unwohl, es kam mir vor, als wäre ich ein Hase, der vor einer Python erstarrt ist, mit kochendem und kribbelndem Blut in den Adern.

Ich wusste, dass er sich die Antwort ersparte, mich warten ließ, als wäre meine Frage überflüssig, als müsste ich noch warten. Ich wusste zwar nicht, worauf, aber ich musste genauso wie er warten, auf etwas Besonderes. Das sagten mir seine Augen. Ohne ein Wort zu sprechen, ließ er mich warten. Durch den Lobbyeingang kamen immer mehr Menschen, die sich eincheckten oder auscheckten. Ich begann, die Mitarbeiter, die sich um die Gäste kümmerten, zu beobachten, und fragte mich dabei, wie solche palastartigen Orte aus hässlichen Leuten gutaussehende machen konnten, in ihren teuren Kleidern. Auf dem Marmorboden klapperten die teuren Schuhe, und doch war es auf eine Weise sehr still.

Hier konnte man von den Nachbartischen die Löffel hören, die gegen die Kaffeetassen schlugen, die Frauen, die sich wichtigmachen wollten, gaben ihr falsches Lachen von sich mit ihren verstellten Gesichtern. Ich schaute vom Terroristen weg, mir dabei die Frage stellend, ob er jemand war, der seine Behauptung auch beweisen konnte.

Ich brauchte diese Beweise, bevor ich schreiben konnte, ich musste erst einmal wissen, was ich schreiben sollte, hatte er mir doch noch nichts geboten, außer etwas zu behaupten. Nur um sich wichtig zu machen, muss man doch nicht sagen, dass man ein internationaler Terrorist ist – eine schöne Behauptung! Wenn ich das der Polizei erzählte, würden sie mich auslachen, wenn sie diesen Mann sähen. Wie war er auf mich gekommen, ausgerechnet auf mich?

Ich suchte Besonderheiten an ihm. Er war kaum größer als ich, wir waren fast im gleichen Alter, man konnte sagen, dass ich ihm auch ähnlich war, mit dem Unterschied, dass er alles hatte, was ich in meinen ganzen Leben nicht gehabt habe.

Ich war eben so arm wie eine Kirchenmaus, er dagegen war anscheinend sehr reich, das sollte sich aber noch herausstellen. Er hatte mich hierher eingeladen, wobei ich nicht weiß, woher er meine Telefonnummer hatte. Ich kam in der Hoffnung, dass sich mein Leben ändern würde.

Nun bin ich hier gelandet, ich trank mit diesem Mann Kaffee, wir aßen gemeinsam Käsekuchen, als wären wir zwei ganz nette Männer, die sich auf ein Gespräch getroffen haben und danach wieder auseinandergehen würden, jeder seinen Weg, jeder in sein Leben, jeder seinen Alltag weiterlebend, als sei nichts gewesen. Doch wer näherkam, dem Gespräch lauschte, hier und dort ein paar Wortfetzen aufschnappte, würde sofort eines Besseren belehrt werden angesichts der Worte aus diesem etwas breiten Mund mit rot geschwungenen Lippen, die für einen Mann unglaublich, geradezu grotesk waren. Da saß nun dieser sehr gut aussehende, eins siebenundsechzig Meter große Kerl, der seine besten Jahre, so schien es, bereits hinter sich hatte. Immer noch hatte er seinen Reiz, wirkte sicherlich sehr bezirzend auf die Frauenwelt. Er hatte Charme, Esprit und strahlte diese gewisse Selbstsicherheit aus, die Männer Mitte fünfzig so an sich hatten. Ich fragte ihn wiederholt, weshalb er sich wünschte, dass ich dieses Buch für ihn schreibe. Ich war kein berühmter Schriftsteller, hatte immer noch nicht meinen Durchbruch geschafft.

Ganz im Gegenteil, ich war sogar nicht einmal wirklich in der Lage, ein orthographisch und grammatikalisch korrektes Deutsch zu schreiben.

Er strahlte eine enorme Ruhe aus, ließ sich durch nichts irritieren oder von seinem Plan abbringen. Er saß da, grinste mir ins Gesicht, ließ mich schmerzhaft lange auf eine Antwort warten, sodass ich begann, ungeduldig mit einem Bein zu zappeln.

Als ich diesen Mann so betrachtete, fiel mir etwas an seiner Hüfte auf. Es war von der Form her schnell zu erkennen, dass es keine Gürteltasche war. Mit dieser Erkenntnis fuhr mir ein leichter Schauer durch Mark und Bein. Dieser Mann hatte doch tatsächlich die Nerven, mitten in der Schweiz mit einer Waffe an der Hüfte herumzulaufen. Was sollte ich davon halten? Was sollte ich von diesem Mann, der in keine übliche Kategorie einzuordnen war, nur denken? Unter den Menschen in dieser Lobby fühlte ich mich in vermeintlicher Sicherheit. Doch was wäre, wenn er diese Waffe zöge? Hätte ich eine Chance zu entkommen? War dieser Mensch kurz davor, Amok zu laufen? Ich konnte seine Absichten nicht durchschauen.

All meine Menschenkenntnis half mir bei diesem Typen, der mir grinsend, gar lauernd gegenübersaß, nicht weiter, nicht im Geringsten. Alles, womit er mich lockte - und das gelang ihm leider sehr gut -, war, dass ich mit diesem Auftrag für ein Buch eine Menge Geld verdienen würde, sogar meinen Durchbruch als Schriftsteller versprach er mir, was mein langjähriger Traum war. Zu meiner Schande musste ich gestehen, dass ich ihm das sogar glaubte.

Er war ein überzeugender Verhandlungspartner. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er sehr viele Menschen für seine Zwecke einbinden konnte, ohne dass diese wussten, was er wirklich vorhatte oder was wirklich mit ihnen geschah.

Mit seinen Blicken aus diesen dunkelbraunen, fast schwarzen Augen, die von langen, schwarzen Augenbrauen überdeckt wurden, scannte er jeden ab, drang in sein Innerstes ein, fand alle Schwachstellen, konnte sie deuten und zu seinem eigenen Vorteil nutzen. Er spielte mit mir wie eine Katze mit einer Maus. Wobei die Maus nicht einmal erahnte, wie gefährlich diese Katze war.

Dieser Kater, dieser schwarze, düstere Panther hielt es nicht einmal für nötig, mir einen Namen zu nennen, mit dem ich ihn hätte ansprechen können. Ich fühlte mich von seinem Blick gefangen, in Trance versetzt, wie eine Schlange, die ihre Beute betört. So mitten in diesem Gedankenbild gefangen, änderte sich die Atmosphäre in der Lobby.

Etwas zog mit einem Mal die Aufmerksamkeit aller auf etwas das ich nicht wusste auf was? Ich dämmerte aus meinen Überlegungen herauf in die bewusste Ebene und begann mich umzusehen, was die Aufmerksamkeit der Leute auf einen Punkt zog.

Tatsächlich, ganz dem Klischee entsprechend, war es natürlich wieder eine Frau, die in einem schwarzen, bodenlangen Kleid wie eine Raubkatze durch die Lobby Halle ging.

Es blieb einem nichts anderes übrig, als auf ihre frappierende Ausstrahlung aufmerksam zu werden.

Sie war eine dieser Frauen, die es nicht nötig hatte, über nackte Tatsachen Aufmerksamkeit zu erhaschen. Sie hatte diese klassische Anmut griechischer Göttinnen, natürliche Schönheit, um die sie, sicherlich unschuldig, fast jede Frau beneidete. Das Schlimmste daran war, dass diese übermenschliche Schönheit sich mit jedem ihrer leichtfüßigen Schritte unserem Tisch näherte.

Die Köpfe folgten ihrem Weg. Mit einem Mal unsicher geworden, blickte ich ungläubig zu meinem Auftraggeber. In dessen Miene konnte ich erkennen, dass das Erscheinen dieser Frau für ihn kein bisschen ungewöhnlich war. Er setzte dieses selbstzufriedene Lächeln auf, das Männern innewohnt, die solche Frauen erobern, halten und besitzen können.

Tatsächlich streckte er ihr seine Hand entgegen, und noch bevor ich aufstehen und sie begrüßen konnte, setzte sie sich neben ihn, ohne mich dabei anzuschauen. Verblüfft blickte ich einige Male zwischen diesen beiden Menschen hin und her, setzte mich wieder hin, weil sie mir keine Achtung schenkte. Sie machte mir unmissverständlich klar, wie unbedeutend ich für sie war.

Sobald sie neben ihm Platz genommen hatte, bildeten sie eine stimmige Einheit, die niemand auf Erden hätte brechen können. Sie waren, so kitschig es sich anhören mag, vom Universum füreinander bestimmt. Obwohl sie rein äußerlich so ungleich wirkten, denn sie war mindestens einen Kopf größer als er, waren sie zusammen ein leuchtender kosmischer Energieball.

Ich war wie geblendet von dieser enorm wirkenden Einheit. Und ich muss wieder gestehen, ich war neidisch, dass diese beiden Seelen einander gefunden hatten.

Mit einem Mal fühlte ich mich unendlich einsam, allein und vom Universum um meine leuchtende Hälfte betrogen. Andererseits hätte ich es mit einer Frau von solch einem Kaliber niemals aufnehmen können. Dessen bewusst, versuchte ich, von ihr weg zu schauen, denn sie starrte mich an, als würde sie mich kennen, was meine emotionale Lage in diesem Moment leider wenig aufheitern konnte. Diese Frau war so um die vierzig Jahre jung. Doch die Jahre konnten ihrer Schönheit nur den Glanz von Charakter und Erfahrung verleihen.

An ihrem Kleid, über ihrer linken Brust, trug sie eine Brosche aus Gold und Edelsteinen, aussehend wie eine Libelle. Ich kannte mich mit Edelsteinen nicht aus, aber den Körper der goldenen Libelle verzierte ein Diamant, der wohl vier Karat haben mochte. Das Besondere war nicht die Libelle, sondern ihre perfekten Brüste darunter. Ansonsten hatte sie einen goldenen Reif als Armband, ein Collier aus Gold um ihren Hals und eine goldene Marken Uhr wie dieser beneidenswerte Terrorist.

Wie ein Paar saßen sie nun vor mir mit ihren protzigen Uhren. Ich bewunderte weder die Libelle an ihrer Brust noch ihre Uhr.

Mir ging es um diese wunderbare Frau. Nichts an ihren Lebensjahren tat ihrer Ausstrahlung und Schönheit einen Abbruch. Tief in meinem Innern hoffte ich nun, dass wenigstens ihre Stimme nicht noch zusätzlich diese kosmische Strahlung unterstreichen würde. Doch als sie anfing zu sprechen, ohne dass auch sie es für nötig gehalten hätte, sich vorzustellen, verschlug es mir die Sprache. Sie hatte diese mütterliche Wärme in ihrer Stimme, die einen einwickelte, wie eine wohlig warme Decke, die nach Muttermilch, Geborgenheit und Urvertrauen roch. Wäre ich ein Mann kindlicher Natur gewesen, wäre ich nun vor Wut und Enttäuschung trotzig aus meinem Lobbysessel aufgesprungen und bockig heulend davongerannt.

Leider musste ich mich meinem erwachsenen, professionellen Ich ergeben und die Ruhe bewahren.

Ich beschloss abzuwarten, mir anzuhören, was diese beiden Individuen zu sagen, beziehungsweise anzubieten, hatten. Ich hatte ohnehin nicht mehr viel zu verlieren außer ein wenig meiner Lebenszeit. Sonst hätte mich mein Selbstfindungstrip, mein Wunsch, als Schriftsteller meinen Lebensunterhalt zu verdienen, an den Rand der Existenz katapultiert. Ich könnte nun behaupten, dass es meine selbstgewählte Feldstudie gewesen wäre, aber das war es nicht.

Ich dachte, die Welt hätte auf mich und meine geistigen Ergüsse gewartet, hatte sie aber keineswegs. Und dennoch konnte ich nicht anders, als weiter an diesem irrsinnigen Traum festzuhalten, weil ich immer noch darauf hoffte, eines Tages ein weltberühmter, anerkannter Schriftsteller zu sein, mein Erbe in der literarischen Welt zu hinterlassen. Genau diese Schwäche hatte dieser Terrorist sofort erkannt.

Er wusste, dass ich wie ein Fisch an der Angel hing, alles Zappeln, Kämpfen und Reißen hätte nichts gebracht, um diesen Köder, den er ausgeworfen und ich gefressen hatte, wieder aus meinem gierigen Fischmaul zu bekommen. Also blieb ich, betrachtete dieses phänomenale Schauspiel, lauschte den Worten, genoss meine kleinen drei Minuten als Vorgeschmack auf den Ruhm, auf das Ernten meiner Lorbeeren. Es fühlte sich an, als sei nun der Moment gekommen, in dem das Leben als Schriftsteller zum Greifen nah war. Im Licht der Scheinwerfer, der Blitze der Fotoapparate, drang ihre samtartige Stimme in mein Bewusstsein, holte mich zurück an den kleinen Tisch in dieser Lobby, auf dem die Kaffeetassen, die den Kaffee nicht mehr länger warmhalten konnten, und der halb aufgegessene Käsekuchen standen.

Aus ihrem Baccara-rosenfarbenen Kussmund kamen diese Worte, und ehe ich sie hörte, wahrnahm und verstand, sah ich, wie die Muskeln in ihrem Gesicht jenen Mund formten, um ihre Worte auszusprechen. Sicherlich sah ich aus wie eines dieser Kinder, die irgendetwas zum allerersten Mal sehen oder erleben, staunend, starrend, mit offenem Mund.

Sie ließ sich nicht irritieren, sicherlich war sie diese Reaktion der Menschen auf ihr Erscheinen gewöhnt. Mit einer Gelassenheit, die dieser Mensch gewordenen Baccara-Rose innewohnte, richtete sie ihre kostbaren Worte an mich.

Ich fühlte mich, als hätte sie ihre Worte wie Perlen vor die Säue geworfen, wobei ich in dieser Konstellation das arme Schwein darstellte, das es nicht wert war, dass diese Frau ihre Worte an es verschwendete. Steif saß sie da, blickte zu mir herüber, als wüsste sie über alles Bescheid. Vor ihr konnten wir keine Geheimnisse haben, sie kannte alle Geheimnisse.

Dann begann sie mit den Worten: „Wir wollen, dass Sie dieses besondere Buch schreiben“, sagte sie mit einer Stimme, die sich wie Balsam in meinen Gehörgängen anfühlte, sie flutete, meine Synapsen zum Glühen brachte, mein Herz einen gehörigen Hüpfer der Freude vollführen ließ, weil es sich für einen kurzen Augenblick der Hoffnung hingab, dass ich mit diesem Mann den Platz tauschen könnte.

Sie fügte mit einer engelsgleichen Sanftheit hinzu: „Die Rechtschreibfehler in dem Buch sind uninteressant für uns. Die Menschen werden erkennen, dass sie einen Rohdiamanten in den Händen halten, der nur noch seinen speziellen Schliff braucht, um ein unbezahlbarer Brillant zu werden. Das Wichtigste für uns ist, dass wir Ihnen vertrauen können.“

Daraufhin fragte ich mit zitternder Stimme: „Sie gehören zusammen?“ Sie lächelten, schauten sich gegenseitig an, dann antwortete sie: „Ja.“

Ich konnte nur neidvoll mit meinem Kopf nicken und stellte die Frage: „Warum ich, warum mit solch einem Buch?“

Sie blickte mich an und sagte mit sanften, aber zugleich auch scharfen Worten, die in meinem Mund einen bitteren Beigeschmack hinterließen, ohne dass ich reden musste: „Uns ist bekannt, dass Sie bereits ein Buch verfasst haben, den Mut hatten, ein Werk mit brisantem Inhalt zu veröffentlichen, ‚Die Apostel des Teufels‘.“

Ich wunderte mich, dass sie dieses Buch kannten, waren seitdem doch schon so viele Jahre vergangen, dass ich vergessen hatte, ein Buch mit diesem Titel geschrieben zu haben: „Die Apostel des Teufels“.

Sie sagte dann weiter: „Und genau aus diesem Grund sind Sie genau der Schriftsteller, den wir brauchen. Wären sie damals den richtigen Personen begegnet, wäre dieses Buch weltberühmt geworden, davon sind wir felsenfest überzeugt. Leider hatten diese Menschen, denen Sie begegnet sind, nichts Besseres zu tun, als Ihnen sämtliche Steine in den Weg zu legen. Aber nun wollen wir, dass Sie ‚Das Buch eines Terroristen‘ schreiben, ein Buch über sein Leben, mein Leben und das vieler anderer, bevor es in Vergessenheit gerät. Auf jeden Fall, auch wenn Sie das Buch schreiben, sind Sie nur der Autor, das Buch beschreibt unser Leben.“

Ihren Monolog unterbrechend stellte ich eine Frage: „Hat das alles einen besonderen Sinn?“

Die Frau lächelte und erwiderte: „Ja, es hat einen ganz besonderen Sinn.“ Sie lehnte sich gelassen in den schwarzen Lobbysessel zurück, ließ sich nicht stören, als sie sich mit dem goldenen Feuerzeug eine Zigarette anzündete, obwohl hier absolutes Rauchverbot galt.

Der Mann, der mir gegenübersaß, schaute noch einmal zu der Dame hinüber, die zu seiner Linken Platz genommen hatte, schaute mir dann in die Augen und sagte: „Sie brauchen Geld, um aus Ihrer schwierigen Situation herauszukommen. Ich möchte, dass jeder meine Geschichte liest und versteht, warum ich zu demjenigen geworden bin, der ich heute bin. Deshalb ist es mein Buch, mein Leben: ‚Das Buch eines Terroristen‘! Weil sie mich alle als einen Terroristen sehen, jedoch sich nie jemand diese drei Fragen stellt: ‚Wie, wann und weshalb ist es mit ihm so weit gekommen?‘ Nun ist die Zeit gekommen, die ganze Welt soll es nun erfahren, wissen, wie ich zu dem wurde, was ich bin. Jetzt sollen sie es wissen. Jetzt sollen sie sich auf das vorbereiten, was nun unausweichlich auf sie zurollt, wie eine Lawine, die den Berg hinabrollt, alles mit sich reißt, was nicht niet- und nagelfest ist.“

Er lehnte sich langsam rückwärts in seinen Sessel hinein. Wie schon zuvor bemerkt, stellte ich wieder einmal mehr fest, dass dieser Mensch sich komplett in Schwarz hüllte, alles an ihm war schwarz. Hätte ich seine Aura wahrnehmen können, wäre sicher auch diese rabenschwarz gewesen. Es war nicht zu leugnen, schwarz war und blieb nun einmal die Lieblingsfarbe dieses Mannes. Während er mich anblickte, zündete auch er sich mit dem goldenen Feuerzeug eine Zigarette an, wiederholte seine Worte in abgeänderter Form:

„Schreiben Sie alles von Anfang an, schreiben Sie alles, erforschen Sie alles, wie es begann, weshalb ich zu dem geworden bin, der ich niemals sein wollte!“

Ich fragte dann, weil ich mich sicher fühlen wollte in meiner Haut, damit dieser Terrorist nicht zu meinem Feind würde, nur weil ich bei einer Frage nach ihm vielleicht aus Versehen eine falsche oder unpassende Antwort geben würde: „Was ist, wenn ich nach diesem Terroristen gefragt werde? Was soll ich dann antworten, welche Antworten sind genehmigt?“

Der Terrorist lächelte sanft und sagte dann zu mir: „Auf dem Friedhof wird immer ein Platz für Verräter frei sein.“

Dann schaute er mir in die Augen und gab mir noch einen Rat: „Schweigen ist Gold, mein Freund. Sie erreichen, was sie wollen, und wir erreichen, was wir wollen.“ Ich schwieg. Ich brauchte dieses Geld, ich brauchte ebenso eine ungewöhnliche Geschichte, um den Durchbruch zu schaffen. Ich beobachtete die Frau, die mir den Atem verschlagen hatte. Sie hatte etwas an sich, das mich so stark anzog, dass ich ihre Lebensgeschichte hören wollte. Sie war an der Seite dieses Mannes, der von sich behauptete, ein internationaler Terrorist zu sein.

„Wie“, fragte ich mich im Stillen, „war sie nur in den Dunstkreis dieses Mannes geraten? Eine Frau von diesem Format mit einem Mann, der ein Terrorist sein könnte?“ Ich schaute mir den Mann an, während dieser weitersprach, und konnte kaum glauben, was ich zu hören bekam. Doch etwas drang immer mehr in den Vordergrund meines Bewusstseins: Woher kannten sie mich, woher hatten sie von mir gehört und wussten sie von meinem erfolglos veröffentlichten Buch? Terroristen hatte ich mir im Grunde ganz anders vorgestellt. In meinen verwegensten Fantasien hätte ich mir niemals einen solchen Mann und eine solche Frau vorgestellt. In meinem Kopf schwirrten tausende von Fragen, die ich stellen wollte, nein, die ich stellen musste.

An erster Stelle brannte mir eine besondere Frage auf der Seele: „So, wie ich sie verstanden habe, wollen sie mir all ihre Geheimnisse offenbaren. Habe ich Sie da richtig verstanden?“

Ich kam nicht dazu, all meine Fragen zu stellen, denn der Mann unterbrach mich, beziehungsweise fiel mir einfach ins Wort.

Er sagte folgendes: „Meinen Sie mit ‚Geheimnissen‘ Geheimnisse unseres Lebens, meinen Sie damit so etwas wie Morde, Entführungen, Anschläge, Autobomben und so weiter?“

Ich nickte, er nickte mit mir zusammen, und das war nun die Antwort auf die große Frage. Die blendende Frau an seiner Seite erweckte in meinem Herzen ein Gefühl, als würde ich mich in sie verlieben. Wie bei einem Teenager, der für sich zum ersten Mal seine große Liebe entdeckt, ließ sie mein Herz hüpfen, regelrecht wie bei einem Pferd, bei dem im Galopp das Herz tausendmal schlägt. Sie kam mir auch so vertraut vor, als würde ich sie kennen, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich so eine Frau überhaupt jemals gekannt haben könnte.

Aber ihr Gesichtsausdruck und ihre Art kam mir so vertraut vor, dass ich sie beinahe gefragt hätte: „Kenne ich Sie von irgendwoher?“ Aber das traute ich mich nicht, denn dieser Mann an ihrer Seite sah nicht aus wie jemand, der zugelassen hätte, sich einen derartigen Spaß mit ihm zu erlauben. Sie saß aufrecht und stolz, blickte mich an, als würde sie mich genauso bewundern wie den Mann neben ihr.

In meinen Kopf entstanden viele Fragen über sie, auf die ich eine Antwort erhoffte, aber wohl nicht heute bekommen würde. Sie wollten mir all ihre Geheimnisse anvertrauen, mir, einem so unbedeutenden Mann. Ich hatte mich in den Jahren so unbedeutend gefühlt, und daran hatte sich nichts geändert. Dann richtete ich meine Worte an die Frau, von der ich nun wusste, dass sie vor ihm keine Geheimnisse hatte, und umgekehrt. Ich überlegte eine kurze Zeit und sagte dann zu ihr: „Mir ist nur ein internationaler Terrorist und Auftragskiller bekannt. Ich weiß von ihm, dass er jetzt im Gefängnis sitzt, ‚der Schakal‘.“

Der Mann setzte ein breites Grinsen auf sein Gesicht und fixierte mich mit seinen außergewöhnlich dunklen Augen. Es hatte den Anschein, als wollte er zu diesem Thema etwas beitragen.

Er öffnete seinen Mund, und heraus drangen folgende Worte: „Ich habe den ‚Schakal‘ gekannt. Wir haben auch einige Dinge hinter uns gebracht. Dass er ein kaltblütiger Killer ist, kann ich Ihnen so nicht unterschreiben. Ein Terrorist soll er sein, auch das kann ich Ihnen nicht bestätigen. Einzig und allein die Medien stellen das so dar. All das, was sie in den Filmen zeigen, hat mit der Wahrheit nichts gemein. ‚Der Schakal‘, den ich kannte“, - er korrigierte sich dann - „den ich kenne, war immer ein ehrenwerter Mann. Ihm waren die Hände eines mächtigen Mannes egal, die andere ableckten. Eher hat er noch darauf gespuckt. Er verachtete diese Speichellecker. Er zwang Männer auf die Knie, vor denen sonst jeder Mann zu Füßen gefallen ist. Er zielte mit seiner Pistole auf die Stirn von Männern, die sich für unantastbar, gar unsterblich hielten. Er brachte jenen das Fürchten bei, vor denen sich jeder in die Hose gemacht hat.“

Nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte, lehnte er sich entspannt zurück, fügte noch hinzu: „Er stand diesen vermeintlich mächtigen Männern und Frauen gegenüber, die um ihr Leben flehten, dazu bereit waren, für ihr Leben alles zu opfern. Manch einer von ihnen tat es auch, doch es half rein gar nichts. Wenn ‚Der Schakal‘ sein Urteil gefällt hatte, dann hat er es auch vollstreckt, nichts konnte ihn davon abhalten. Diese Männer, die vor dem Lauf seiner Waffe knieten, waren nicht irgendwelche, sondern die Mächtigsten Männer dieser Erde. Und „Der Schakal“ war nicht irgendjemand, nein, er war derjenige, der mich ausgebildet hat, der mein Lehrer, mein Meister gewesen war, nach wie vor ist. Er ist mein Mentor.“

Der Mann, der gemütlich im Sessel lehnte, nahm nun genüsslich einen tiefen Lungenzug von seiner Zigarette. Ich stellte fest, dass in dieser Lobby nur von unserem Tisch kleine Rauchwolken aufstiegen. Sie waberten nach oben und breiteten sich dann langsam in der gesamten Lobby aus. Keiner wagte es, etwas dagegen zu unternehmen. Ich sah die missbilligenden Blicke der anderen Gäste. Jeder, der Anstalten machte, sich in unsere Richtung aufzumachen, um sich zu beschweren, wurde vom Personal gestoppt und zurückgehalten. Die wütenden Gesichter sprachen Bände. Doch keiner wagte sich in die Nähe unseres Tisches.

Der internationale Terrorist schaute sich die Leute um ihn herum an, jeden einzelnen traf ein Blick tiefsten Hasses. Ob diese Menschen, die zufällig an diesem Ort waren, etwas dafürkonnten oder nicht, wusste nur Gott allein. Mit seinen Blicken konnte er innerhalb einer Sekunde diese Menschen um ihn herum in leblose Hüllen verwandeln, die in Klamotten herumliefen, seinen Hass gegen diese Menschen konnte ich sehen und spüren. Arrogante Leute oder Personen, die er für dumm hielt, mochte er nicht.

Dagegen behandelte er die Kellnerin so, als wäre Sie eine Königin, welche er in sein eigenes Haus eingeladen hatte.

Er bedankte sich auf eine geradezu übertrieben höfliche und herzliche Art, dass einem nicht ganz klar war, ob er es ernst meinte oder ob er Sie damit auf den Arm nehmen wollte. Mit seinem Lächeln wiederum entwaffnete er jeden, ich sah in ihm einen Mann, der die Arbeiter oder die Personen, die ihm dienten, mehr respektierte als einen hohen Entscheidungshabenden.

So entschied sich jeder dann für die erste Variante, begegnete ihm mit derselben gewählten Höflichkeit, wie er es dieser Kellnerin eines Fünf-Sterne-Hotels gegenüber tat. Dieser Mann, der das Verhalten anderer Leute so spielerisch zu steuern schien, sprach nun also weiter: „‘Der Schakal‘ war mein Meister, auf keinen Fall ein kaltblütiger Killer oder gar ein herzloser Terrorist. Noch weniger tötete er Menschen für Geld. Bei seinen sogenannten Terrorakten achtete er penibel darauf, dass weder Frauen noch Kinder in Mitleidenschaft gezogen wurden. Er achtete darauf, weil er es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren konnte, Frauen und Kinder zu Töten oder Unschuldige. Er war vielmehr ein Revolutionär, kein Kriecher, kein Schleimer, stand immer aufrecht. Sie nannten ihn einen Terroristen, dabei kämpfte er gegen jene, selbst war er keiner, mein Freund!“

Er pausierte, es war physisch sichtbar, wie er in sich kehrte, wie sich sein Blick in seine Hirnwindungen hinein wandte, dann sprach er weiter: „Tiefe Erinnerungen steigen in mir auf, Erinnerungen, mit denen ich jeden Tag einschlafen und aufwachen muss. Ich kann es nicht glauben, ich will es nicht akzeptieren, dass alles verloren geht, wenn ich sterbe, oder wenn sie stirbt, oder alle, die damit in Verbindung stehen. Dann wird niemand all das erfahren. Niemand wird wissen, weshalb wir das taten, was wir getan haben. Lügner werden in großen Ehren begraben, damit man sie nicht mit ihren Lügen vergisst den sie als eine Wahrheit an das Volk verkauft haben. Mörder und Betrüger werden in den Geschichtsbüchern von einer Seite beleuchtet, die sie als Helden dastehen lässt, obwohl sie nicht einmal so viel wert sind wie ein Stück Scheiße. Die Menschen werden geblendet von Verrat und Gier, weil der Teufel in uns allen lebt!“

Ich kannte diese Worte und unterbrach ihn voller Empörung: „Aber das sind doch meine Worte aus meinem nicht veröffentlichten Buch!“

Die Frau lächelte, schaute mich mit liebevoller Wärme an und meinte dann: „Ihr Buch, das niemand verlegen wollte, Ihr Buch, das keiner lesen wollte, wir aber haben es gelesen! Wir haben jede einzelne Seite studiert, fast alles auswendig gelernt, es immer wieder gemeinsam gelesen, bis wir den Mann kennenlernen wollten, der es verfasst hatte, jedoch damit keinen Ruhm erlangte, obwohl dieses Buch Milliarden Menschen aus der Seele spricht“.

Nachdem sie mir in die Augen hineinschaute, sagte sie dann weiter, als würde sie mich bewundern: „Diesen Rebellen wollten wir kennenlernen, diesen Außenseiter, der gegen den Strom schwimmt, und auch weiß weshalb! Den Man der den Mut hat umso ein Buch zu schreiben, wollte ich kennenlernen.“

Sie warf auf den Terroristen einen Blick, als wollte sie wissen, ob er eifersüchtig ist und sagte dann weiter mit zorniger Stimme, die sich aber in meinen Ohren wie Balsam anhörte: „Wir wollten jenen Menschen kennenlernen, das Genie, den Meister, der sich als Reinigungskraft, als Staplerfahrer, als Kellner, als Müllmann, als Spüler durch das Leben gekämpft hat. All das nahm er auf sich, nur um seine Familie ernähren zu können. Diesen Mann wollten wir treffen, ihm wollten wir in die Augen schauen, um zu erfahren, wer er ist, … wie er ist. Jenen Mann, der sich nicht gerne etwas gefallen ließ, noch vor Obrigkeiten seinen Kopf gebeugt hat. Genau wie dieser Mann der nun an meine Seite sitzt. Ich ehre Männer wie Sie es sind, auch wenn Sie nicht viel mehr erreicht, haben als immer für Trinkgelder zu Arbeiten.“

Sie machte mir Komplimente, lächelte mich an und fügte hinzu: „Schade, dass solche Genies wie Sie an Orten sind, an denen Sie nicht geschätzt werden. Sie als ein Autor in einem Restaurant als Kellner… Ich habe sie da beobachtet, ich habe gesehen, wie sie es wagten ihrem Chef die Stirn zu bieten, nicht einmal davor zurückschreckten zuzuschlagen. Sie haben die Gäste zurechtgewiesen, sobald sie sich respektlos behandelt fühlten, den Gästen Trinkgeld zurückgaben, wenn sie mit dem Trinkgeld nicht zufrieden waren“.

Sie lächelte, ihr Lachen kam mir so bekannt vor, ihr Lächeln und ihre Zähne, dennoch konnte ich nicht zuordnen, woher ich sie kannte.

„Sie bewarfen die Leute um sie herum mit Geld, nur damit sie endlich still waren. Keiner wusste was für ein kluger Mann sie sind, der in seinen Leben nur nichts erreicht hat, weil er kein Speichellecker ist. Diesen Mann wollten wir an unserer Seite haben, weil wir ihn so unendlich interessant finden.“

Sie lächelte nun zufrieden. Mir kam es so vor, als ob sie „wir“ sagte, aber eigentlich „ich“ meinte.

Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Es leuchtete mir ein, dass diese beiden mir schon seit Jahren gefolgt sein mussten. Denn woher sonst wussten sie so viel über mich und meine vielen Jobs, die ich einmal ausgeübt hatte?

Ich atmete tief ein, sagte dann, an beide gerichtet: „Da müsst ihr mir ja seit vielen Jahren gefolgt sein. Ich hatte immer das Gefühl, dass mich jemand verfolgt.“

Die Dame antwortete darauf süffisant lächelnd: „Ja, das waren wir. Wir taten das, weil wir dich kennenlernen wollten. Wir suchten jemanden, der für uns das Buch schreibt, das unsere Lebensgeschichte für die Nachwelt aufbewahrt, nicht, weil er dafür Geld bekommen würde oder andere Entlohnungen, nein, sondern weil er es aus eigenem Willen heraus in die Tat umsetzt. Wir brauchen jemanden, der spüren, der nachvollziehen kann, was wir sagen, weil er Ähnliches erlebt hat, … weil er spüren kann, was wir spüren.“

Dann fiel mir plötzlich eine Frage ein, die ich ihnen augenblicklich brennend stellen wollte, stellen musste: „Dann waren Sie das in meiner Wohnung, wenn ich nicht da war, habe ich recht?“

Die Frau schaute mich an, die mir bekannt vorkam, denn ihr Lächeln war mir nicht unbekannt. Ich hatte es immer wieder gesehen in den unterschiedlichsten Situationen, in denen ich mich befand, dieses wunderbare Lächeln, mit dem sie ihre zweiunddreißig Zähne zeigte, ein breites, vereinnahmendes Lächeln, das ich immer wieder bewunderte. Dazu konnte ich nur noch sagen: „Ich hatte immer das Gefühl, dass jemand in meiner Wohnung war, aber ich konnte es nie beweisen, wusste auch nicht, wer es war, aber nun weiß ich es! Ihr Parfüm habe ich oft in meiner Wohnung gerochen. Ich glaube, dass ich Sie auch einmal in meinem Bekanntenkreis gesehen habe, deshalb kommen Sie mir so bekannt vor.“

Die Frau nickte wieder mit dem breiten Lächeln und antwortete mir: „Ja, diese Wohnung haben Sie durch uns bekommen. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass diese Wohnung überhaupt an Sie vermietet wird. Und dadurch hatten wir Zugang zu ihnen. Wir lasen Ihre Schriften aus erster Hand und erkannten in ihnen den Brillanten, der in dem rohen Diamanten verborgen vor uns lag und nur den perfekten Schliff brauchte, um seinen wahren, einmaligen Wert zu erlangen. Dadurch, dass wir Ihre Schriften kannten, fiel unsere Wahl auf Sie. Wir wünschen, dass Sie unser Buch schreiben. Es soll nicht zu Ihrem Nachteil sein. Ihre Belohnung bekommen Sie, wenn das Buch veröffentlicht ist. Auf unseren Schweizer Bankkonten befinden sich neun Komma fünf Millionen Euro, die dann Ihnen gehören werden.“

Ich schreckte auf, konnte es nicht glauben. Sollte das ein Witz sein? Neun Komma fünf Millionen Euro? Sie beobachtete mich weiter und gab mir dann ihre Instruktionen: „Das Geld rühren Sie so lange nicht an, bis wir es Ihnen erlauben. Ab jetzt arbeiten Sie mit uns zusammen, ich werde mich persönlich um Ihr Wohlergehen kümmern.“ Darüber konnte ich nur lachen und meinte dann: „Sie sagen mir, dass ich auf meinem Konto neun Komma fünf Millionen Euro haben werde?“, fragte ich diese Dame, die mich geschockt hatte, mir aber zu nickte und dabei von meinem Käsekuchen eine Gabel nahm. Ich nickte vor mich hin und sagte dann weiter „Dann wissen Sie auch, dass ich zurzeit kein Geld habe, nicht wahr?“

Der Mann warf einen Umschlag auf den Tisch, meinte dann: „Nehmen Sie das, kaufen Sie sich ein Auto, mieten Sie sich eine schöne Wohnung, arbeiten Sie, fangen Sie damit an, das Buch zu schreiben!“

Er schaute mir tief in die Augen. Ich bildete mir ein, dass ich mit ihm fertig werden könnte, sollte es einmal zu einem Kampf kommen. Dennoch war ich mir im Klaren darüber, dass ich diesen Mann nicht unterschätzen sollte, denn er hatte etwas Gefährliches, etwas Starkes an sich. Ich nahm den Umschlag und stellte eine weitere Frage: „Wie lange habe ich Zeit?“

Die Frau meinte dazu: „Solange Sie brauchen, oder besser gesagt, solange es nötig ist.“ Ich nickte, antwortete dann: „Wann wollen Sie damit anfangen, mir die Lebensgeschichte zu erzählen?“ Die Dame wurde ernst und meinte dazu: „Kaufen Sie sich ein Auto, richten Sie sich eine schöne Wohnung ein, dann ruhen Sie sich ein paar Tage aus, danach werde ich Sie besuchen.“

Sie erhoben sich von ihren Sesseln, wobei der Mann eintausend Schweizer Franken auf den Tisch legte, mir dabei eine Anweisung gab: „Sie stehen erst in zehn Minuten auf, nachdem wir gegangen sind. Bezahlen Sie die Rechnung und gehen Sie dann!“

Als sie gingen, gaben sie mir nicht einmal die Hand zum Abschied, sondern nickten nur. Ich beobachtete aus der Ferne, wie die beiden sich in der Lobby mit einer kurzen Umarmung verabschiedeten und dann getrennt ihrer Wege gingen. Ich kannte weder ihre Namen noch wusste ich sonst etwas von ihnen. Noch etwas lag auf dem Tisch neben dem Tausender: Sie hinterließen mir ein goldenes Feuerzeug, einen ebensolchen Kugelschreiber, eine goldene Uhr, sowie eine Packung Zigaretten meiner Lieblingsmarke.

Ich konnte es kaum erwarten, dass diese Frau im schwarzen Kleid zu mir zu Besuch käme, ich konnte es nicht, es kam mir vor, als hätte ich mich in sie verliebt, in eine Frau, mit der ich gerade gesprochen hatte, aber deren Namen ich nicht kannte. Ich wollte sie kennenlernen, sie sollte mir die Tür dahin öffnen, wo alles seinen neuen Anfang nehmen sollte. Ich lehnte mich zurück, überlegte mir, was nun der Anfang war.

Ich saß einfach da und trank meinen kalten Kaffee und aß das Stück Kuchen, das die interessante Frau noch übriggelassen hatte, deren Geist mir ein neues Leben gab, sodass ich mich wie ein neuer Mensch fühlte, oder besser gesagt, dass ich mich wie jemand fühlte, der nun ein neues Leben vor sich hatte.

Ich sollte nun der Autor eines Buches sein, das von einem internationalen Terroristen handelte. Allein der Gedanke daran war für mich so neu, dass ich darüber lachen musste. Jetzt hatte mein langweiliges Leben einen Sinn bekommen, alles sollte anders werden. Ich fühlte mich anders, nun hatte ich genug Geld für die nächsten Monate in meiner Tasche.

Die Worte dieser Frau beeindruckten mich, als sie sagte: „Solange, wie du willst.“ Natürlich sollte ich erst, wenn ich fertig bin, das Geld bekommen, dazu musste ich schneller schreiben, als ich es normalerweise tat.

Ich schaute auf die goldene Uhr, die auf dem Tisch lag, nahm sie in meine Hand, ich konnte es nicht glauben, dass sie mir gehörte. Die zehn Minuten waren vergangen, ich verlangte die Rechnung, die mir eine Kellnerin mit blonden, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren brachte. Ich liebe diesen Typ, sie war schlank und trug ein schwarzes Hemd. Als sie sich zu mir vorbeugte, konnte ich noch die Ritze zwischen ihrem Busen sehen, und das machte mich so heiß, dass ich davon wegschaute. Sie hatte es bemerkt und lächelte darüber, als hätte es ihr gefallen. Zu lange hatte ich keine schöne Frau in meinen Armen gehalten. Bis vor zehn Minuten hatte ich kein Geld, und auch nicht diesen kleinen Schatz, der auf dem Tisch lag, den ich mir immer gewünscht hatte.

Ich sah mir die schöne Kellnerin genauer an und meinte dann zu ihr: „Wie hübsch Sie sind!“ Ich betrachtete sie, als hätte ich die Schönheit neu entdeckt, dann schaute ich auf die Rechnung, deren Betrag sich auf achtundsechzig Franken belief, und sagte zu ihr: „Machen Sie achtzig!“, steckte mir dann die restlichen neunhundertzwanzig Franken ein.

Den Umschlag hatte ich noch nicht geöffnet und war gespannt, wie viel Geld wohl darin war, aber ich wollte warten, bis ich zu Hause ankam, und wollte ihn dort öffnen.

Ich war froh, dass ich nun die Verantwortung für so viel Geld hatte, aber was ich schreiben sollte, wusste ich immer noch nicht. Finanziell war ich nun einigermaßen abgesichert, ich wusste aber nicht, wie es ist, für einen internationalen Terroristen zu schreiben. Ich war kein berühmter Autor und hatte nun eine Arbeit, die ich fertig stellen musste. Zufrieden, aber mit gemischten Gefühlen verließ ich die Hotellobby.