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Inhalt des Buches ist eine kritische Betrachtung unseres Gesellschaftssystems in Form eines Interviews. Ein Neugieriger (nicht Sensationsgieriger) sucht nach Antworten, die ihm ein Gegenläufer (nicht Mitläufer) gibt. In deutlicher Sprache und ohne Rücksicht auf persönliche Animositäten wird in diesem Interview Tacheles geredet. Institutionen wie Staat, Kirche, Wirtschaft, Medien usw. werden für ihr Versagen ebenso getadelt wie Otto-Normalverbraucher für sein widersprüchliches Handeln. Dabei kommt immer wieder das China-Syndrom ins Spiel. Während Verfehlungen bei uns und unseren Verbündeten nur halbherzig kritisiert oder gar gänzlich verschwiegen werden, wird China nicht nur in ähnlichen Fällen, sondern generell an den Pranger gestellt - nach dem Motto: Wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch lange nicht Dasselbe. Oder anders ausgedrückt: Es wird mit zweierlei Maß gemessen.
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Seitenzahl: 74
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Am Interview beteiligte Personen:
Ein Neugieriger (nicht Sensationsgieriger) sucht nach Antworten.
Ein Gegenläufer (nicht Mitläufer) redet Tacheles.
Der Staat
Die Kirche
Die Wirtschaft
Das Verkehrswesen
Die Gesellschaft
Das Gesundheitswesen
Das Bildungswesen
Die Kultur
Die Medien
Der Tourismus
Der Sport
Die Tierhaltung
Die Umwelt
Lassen Sie uns mit dem Staat ganz allgemein beginnen. Im Gegensatz zu manch anderen Ländern leben wir ja zum Glück in einer Demokratie. Wird diese auch in Zukunft Bestand haben oder ist sie eher gefährdet?
Ich sage es mal so: Sie stößt mehr denn je an ihre Grenzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Lage eine andere. Diejenigen, die das Inferno überlebt hatten, waren zunächst mal mit der Frage beschäftigt, wie es in Zukunft weitergehen würde. Die neue Freiheit war da allenfalls ein Symbol der Hoffnung. Heute stelle ich fest, dass die Freiheit als Narrenfreiheit verstanden wird. Jeder Idiot glaubt, er kann tun und lassen was er will. Hier ist der Staat gefordert, diesem Teil der Gesellschaft die Grenzen aufzuzeigen.
Der Regierung kann man nicht mal Vorwürfe machen. Sie appelliert ja immer wieder an die Vernunft der Bürger.
An die Vernunft appellieren kann man nur, wenn das Hirn intakt ist.
Der größte Teil der Bevölkerung ist vernünftig. Das zeigen Umfragen und Leserbriefe immer wieder.
Das mag schon sein. Was mich stört, ist die Passivität der staatlichen Organe gegenüber solchen Chaoten. Es wird einfach zu viel geredet und zu wenig gehandelt. Wer sich nicht an die Gesetze hält, muss entsprechend bestraft werden. Und sei es zunächst nur verbal.
Die Gesetzeshüter bzw. -vertreter können denen ja schlecht sagen, dass sie ihr Hirn mal einschalten sollten.
Weshalb nicht? Solche Leute verstehen nur diese Sprache.
Aber vor allem die Politiker scheuen die Konfrontation.
Die könnte ja Wählerstimmen kosten.
Da wir schon mal beim Wähler sind. Mit dessen Verhalten sind sie auch nicht immer einverstanden. Oder?
Ja und nein. Die Antwort lautet ja, soweit es sich um Tradition oder Überzeugung handelt. Wenn Wähler mit einer Partei über Jahre hinweg gute Erfahrungen gemacht haben, sind sie schwer davon zu überzeugen, dass plötzlich eine andere Partei besser sein sollte, nur weil der neue Kandidat der bevorzugten Partei über weniger Ausstrahlung verfügt. Noch besser fände ich allerdings eine Wahl aus Überzeugung. Wenn erkennbar ist, dass eine andere Partei ein besseres Programm zu bieten hat, das stärker auf die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen ausgerichtet ist, sollten Wähler den Mut zu einem Parteienwechsel aufbringen. Ob die versprochenen Neuerungen tatsächlich eingehalten werden, ist wieder eine andere Sache.
Und nein?
Nein, ich habe kein Verständnis, wenn ein Wähler eine Partei nur aus Protest wählt. Noch dazu, wenn deren demokratisches Verständnis eher angezweifelt werden muss. Dann wäre ein Verzicht auf die Wahl die bessere, weil weniger schädliche Alternative für unsere Demokratie. Und ich habe erst recht kein Verständnis, wenn sich Wähler von Populisten manipulieren lassen, anstatt das Hirn einzuschalten. Das hatten wir alles schon mal. Sehen Sie? Und prompt sind wir wieder bei den Hirnlosen angelangt. Die sterben leider nicht aus.
Aber selbst dann, wenn sich die überwiegende Mehrheit für die gemäßigten Parteien entschieden hat, können Sie deren Kritik an manchen Entscheidungen nicht ausschließen. Haben Sie dafür Verständnis?
Da muss ich wieder mit ja und nein antworten. Ja, ich habe dafür Verständnis, soweit es sich um konstruktive Kritik handelt. Man muss als Bürger nicht zu allem Ja und Amen sagen. Vor allem dann nicht, wenn sich abzeichnet, dass die zu erwartenden Nachteile die vorausgesagten Vorteile überwiegen werden. Als gutes Beispiel bietet sich die Pkw-Maut an, wo Steuergelder sinnlos verbrannt worden sind. Für ein klares Nein plädiere ich, wenn es um notorische Neinsager geht. So nach dem Motto: Ich bin im Prinzip dafür, dass ich dagegen bin. Oder: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Hier ist die Corona-Pandemie ein passendes Beispiel. Hätten Politiker und Wissenschaftler rigorose Maßnahmen gescheut und die Lage wäre außer Kontrolle geraten, hätte es einen Aufschrei der Empörung gegeben. Nun haben die Verantwortlichen aber reagiert und mussten sich dennoch von intellektuell retardierten Querdenkern anpöbeln lassen, die noch dazu das Infektionsrisiko leugneten und aus Protest auf die Schutzmaßnahmen verzichteten. Dass das ständige Auf und Ab der Maßnahmen, nur um es allen recht zu machen, am Ende viele Bürger verunsichert hat, lasse ich an dieser Stelle mal außer Acht.
Bleiben wir bei der Meinungsfreiheit. Ist diese nun grundsätzlich ein wichtiger Teil der bürgerlichen Freiheit oder sehen Sie eher die Gefahr der von Ihnen zitierten Narrenfreiheit?
Das kommt auf die Art und Weise an, in der eine Meinung vertreten wird. Wenn ein bestimmter Zustand mit sachlichem Pro und Contra erörtert wird, ist das in Ordnung. Die Narrenfreiheit fängt für mich dort an, wo über eine Sachlage Lügen verbreitet werden oder gar eine Hetzkampagne veranstaltet wird.
Bei Letzterem kann ich Ihnen nur zustimmen. In Ländern wie China ist aber auch Ersteres nicht immer erwünscht.
Das kann man so nicht sagen. Ich war selbst in China. Der staatliche Reiseführer zum Beispiel antwortete auf meine Fragen erstaunlich ehrlich. Das Massaker auf dem Tian‘anmen-Platz fand er völlig überzogen, begründete dies aber mit der Angst vor Massenansammlungen, die außer Kontrolle geraten könnten. Hingegen sah er keine Probleme bei Beschwerden einzelner Bürger. Die Behörden würden nicht anders reagieren als bei uns. Die einen gingen der Sache nach, die anderen eher nicht. Probleme entstünden erst, wenn ganze Horden auf die Straße gingen. Vor allem, wenn Einzelne versuchten, die Massen mit Parolen gegen den Staat aufzuwiegeln. Die Partei würde dann eine über das ganze Land schwappende Welle des Aufstands befürchten, die nicht mehr kontrollierbar wäre. Bei eineinhalb Milliarden Bürgern eine durchaus verständliche Reaktion.
O.k., das kann schon sein. Und doch hört man hier und da von Kritiken einzelner Bürger, die unangenehme Folgen haben können.
Davon hört man auch in der Türkei. Aber die gehört ja zu den Verbündeten. Da wird mit zweierlei Maß gemessen. Nach dem Motto: Wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch lange nicht Dasselbe. Bedenklich ist vor allem die Tatsache, dass nicht das dort ansässige Volk mit Mehrheit die Regierung gewählt hat, die heute die Rechte der Bürger beschneidet, sondern die Auslandstürken, die ihren Landsleuten damit in den Rücken gefallen sind, während sie bei uns alle Freiheiten genießen. Das Demonstrationsrecht, das in der Türkei gewaltsam verhindert wird, inbegriffen.
Das heißt, auch Sie halten das Demonstrationsrecht durchaus für ein legitimes Instrument unserer Demokratie. Oder?
Ja, soweit die Demonstrationen friedlich verlaufen. Aber das ist leider selten der Fall. Meistens werden die Zusammenkünfte für Randale und Vandalismus missbraucht. Das Recht auf persönliche Freiheit darf nicht so weit gehen, dass Chaoten Polizisten mit allen erdenklichen Gegenständen bewerfen und verletzen, Autos unbeteiligter Anwohner in Brand stecken und Geschäfte plündern dürfen. Diese Vollidioten sollten nicht zu Gefängnisstrafen, sondern zu Arbeiten unter strenger Aufsicht verdonnert werden, um die angerichteten Schäden ersetzen zu können. Falls die Justiz in solchen Fällen nicht hart genug durchgreift und die Geschädigten im Regen stehenlässt, würde ich empfehlen, die Richter, die das Versammlungsverbot einer Kommune trotz der zu erwartenden Krawalle aufgehoben haben, persönlich zur Kasse zu bitten. Und nicht die Justizbehörde, was zu Lasten des Steuerzahlers ginge.
Das wird man nicht gern hören.
Natürlich nicht. Aber einer muss ja mal die Wahrheit sagen. Ich bin zwar ein friedlicher Bürger. Aber den Mund lasse ich mir nicht verbieten, solange ich den Eindruck habe, dass auch bei uns einiges im Argen liegt.
Dann haben Sie gewiss auch nichts gegen Überwachungsmaßnahmen wie die Installation von Videokameras, um Gewalttäter überführen zu können.
Absolut nicht. Vor allem in Problemvierteln und an besonderen Brennpunkten sind sie unentbehrlich. Nur wer was zu verbergen hat, wird gegen diese Art von Überwachung Einwände haben.
Ich denke, es gibt mehr Befürworter als Sie glauben.
Das glaube ich nicht nur. Das weiß ich. Aber es gibt ebenso viele Skeptiker. Doch deren Kritik basiert meist auf Argumenten. Denn Missbrauch kann mit jeder beliebigen Kamera betrieben werden. Das betrifft auch andere Bereiche des Lebens. Mit einem Küchenmesser kann genauso viel Schaden angerichtet werden. Was mir kolossal auf die Nerven geht, sind die penetranten Neinsager, die vor lauter Fanatismus selbst vor Gewaltanwendung nicht zurückschrecken, um ihre wirren Gedankengänge zu rechtfertigen.
Wenn wir schon von Sicherheit sprechen. Wie stehen Sie zum Datenschutz?
Eher negativ. Gerade in der heutigen Zeit, in der sich alle im Internet tummeln und allein schon aus Gründen persönlicher Eitelkeit alle Informationen preisgeben, betrachte ich das Ganze eher als eine Farce. Akzeptieren kann ich den Datenschutz bei vertraulichen Informationen. Daten, die zum Beispiel nur für den Hausarzt und die Krankenversicherung bestimmt sind, gehen sonst niemand etwas an. Auch über Angaben zu Vermögen und Schulden darf nur die Hausbank verfügen. Es sei denn, Auskunfteien benötigen Informationen zwecks Bonitätsprüfung.
Wo sehen Sie den Datenschutz als Hindernis?