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Der neue Wirtschaftsbestseller aus den USA: Lange Zeit hatte der Erdmännchen-Clan beste Lebensbedingungen in seiner angestammten Heimat. Doch plötzlich bedroht eine schwere Dürre seine Existenz. Das Gemeinschaftsgefühl gerät ins Wanken, als die Erdmännchen über mögliche Lösungen streiten … Den Erdmännchen um Nadia und Ayo gelingt es in dieser Krisensituation schließlich, die Funktionen von Management und Führung zu verbinden. Sie sind innovativ, zugleich aber auch verlässlich und effizient. Sie sind motiviert, handeln schnell – und ergreifen ihre Chance. 10 Jahre nach der Veröffentlichung ihres Top-Bestsellers "Das Pinguin-Prinzip" präsentieren der renommierte Wirtschaftswissenschaftler John Kotter und der deutsche Unternehmensberater Holger Rathgeber eine neue wegweisende Business-Fabel. Am Beispiel einer Erdmännchen-Kolonie zeigen sie, mit welcher Strategie Führungskräfte Krisensituationen meistern.
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Seitenzahl: 116
John Kotter / Holger Rathgeber
Das Erdmännchen-Prinzip
Besser führen und managen in schwierigen Zeiten
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Jendricke
Knaur e-books
Lange Zeit hatte der Erdmännchen-Clan beste Lebensbedingungen in seiner angestammten Heimat. Doch plötzlich bedroht eine schwere Dürre seine Existenz. Das Gemeinschaftsgefühl gerät ins Wanken, als die Erdmännchen über mögliche Lösungen streiten …
Den Erdmännchen um Nadia und Ayo gelingt es schließlich, die Funktionen von Management und Führung zu verbinden. Sie sind innovativ, zugleich aber auch verlässlich und effizient. Sie sind motiviert, handeln schnell – und ergreifen ihre Chance.
10 Jahre nach der Veröffentlichung ihres Top-Bestsellers Das Pinguin-Prinzip
Das Verhalten der Geier war ein Rätsel. Aus den Aasfressern waren todbringende Räuber geworden. Niemand konnte sich das erklären. Diese schrecklichen, unheimlichen Wesen gaben wahrscheinlich den letzten Anstoß zum Untergang von Matts Clan.
Matt war ein Erdmännchen – eines jener kleinen, in Afrika lebenden Tiere, die viele Menschen niedlich und interessant finden. Matt hatte wie alle Erdmännchen seine ganz eigene Persönlichkeit und erstaunliche Talente. Er war immer schüchtern gewesen und konnte ein wenig stur sein, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Aber dank seines angeborenen Pflichtgefühls, seines sanften Lächelns und seiner Fähigkeiten, die er stets zum Wohl der Gruppe einsetzte, wurde er von allen hochgeschätzt. Das Leben hatte ihm immer Freude gemacht, und meist hatte das Leben auch Freude an ihm.
Aber dann …
Weil der Regen schon lange ausgeblieben war, hatte der Clan dieser flauschigen kleinen Wesen nicht mehr genug Nahrung für alle. Mindestens einmal am Tag aß Matt weniger als gewöhnlich, damit die Jungen, Alten und Kranken mehr bekamen. Aber das trug kaum zur Lösung des Problems bei. Die Zahl der Raubtiere hatte derart zugenommen – so etwas hatte Matt noch nicht erlebt. Einige Erdmännchen meinten, es gebe da einen Zusammenhang. Weniger Regen bedeute weniger Nahrung, und das führe zu seltsamen und unvorhersehbaren Veränderungen im Verhalten der Räuber. Aber wer konnte das schon sicher sagen?
Es gelang ihnen nicht, neue, zündende Ideen zu entwickeln, wie mit den ungewohnten Problemen umzugehen sei, geschweige denn sich auf solche Ideen zu einigen. Matt und viele andere empfanden das als unglaublich frustrierend. Was die Sache noch schlimmer machte, war, dass ein Großteil der alltäglichen Routinearbeit immer schwerer zu bewältigen war.
Nicht, dass Matt nie von vielversprechenden neuen Ideen gehört hätte. Er hatte zwei sehr kreative Freunde, Tanya und Ago, die sich eine Möglichkeit ausgedacht hatten, wie man an mehr Nahrung gelangen und weniger davon verschwenden könnte, und dazu noch eine mögliche Methode, Räuber schneller als bisher zu erspähen. Aber die beiden Erdmännchen stießen mit ihren Ideen auf eine Mauer des »So haben wir das noch nie gemacht«, eine Reaktion, die angesichts der Umstände unsinnig war. Matt tat sein Bestes, den anderen die Absurdität eines solchen Arguments zu erklären. Er sprach mit den Erdmännchen, die er am besten kannte, jene, die ungefähr sein Alter hatten. Er sprach auch mit seinem Familienoberhaupt. Aber er erreichte nichts.
Matt fühlte sich völlig ausgelaugt. Weil er so angesehen war, wurde er von einem der großen Bosse – einem Alphatier – beauftragt, dieses und jenes Projekt zu übernehmen und noch ein weiteres. Die Belastung wurde für ihn immer größer. Er war überhaupt nicht der Typ, der im Stillen oder mit Getöse zornig durch das Leben ging. Aber jetzt sah man … ein sehr zorniges Erdmännchen.
Diese Geschichte handelt von wichtigen Themen, mit denen sich fast alle von uns heute beschäftigen: Veränderungen vollziehen sich immer schneller und in immer größerem Umfang. Diese Tatsache klar zu erkennen oder mit ihr angemessen umzugehen kann schwerfallen. Und wenn es uns nicht gelingt, Risiken zu vermeiden, Chancen zu ergreifen und die Ergebnisse zu erzielen, die wir alle wirklich wertschätzen, kann das Leben ziemlich unangenehm werden.
Wir haben dafür die Form der Fabel gewählt – eine Geschichte mit einer ganzen Fülle von Figuren, darunter auch Matt –, weil Fabeln wichtige Fragen verdeutlichen und vielen Menschen von Nutzen sein können. Und die hier behandelten Fragen sind wirklich wichtig. Um zu verstehen, wie man unter diesen neuen Gegebenheiten bessere Ergebnisse erzielen kann, benötigen wir ein klareres Verständnis davon, wie Organisationen aufsteigen, warum sie schließlich trotz ihres früheren Erfolgs oft in Schwierigkeiten geraten und warum sie untergehen können. Wir benötigen mehr Klarheit darüber, wie einige wenige Organisationen es schaffen, erneut aufzusteigen und wieder zu wachsen, ihre Mission zu erfüllen und großartige Jobs, Dienstleistungen und Wohlstand zu schaffen. Man sollte nicht übersehen, welche Rolle dabei Disziplin, Planung, Verlässlichkeit und Effizienz spielen. Und ebenso Leidenschaft, Vision, hohes Tempo, Opferbereitschaft, geistige Beweglichkeit und Kultur. Und es geht hier um das Thema Management versus Führung – Führung nicht nur durch ein paar Leute in großen Büros mit möglichst vielen Fenstern.
Ja, ja, wir wissen, dies alles ist ein bisschen viel für ein schmales Buch. Und ja, viele Experten haben sich bereits ausführlich zu diesen Themen geäußert. Aber wir denken, dass grundsätzliche Punkte, von denen heute Erfolg maßgeblich abhängt, von Nebel umhüllt sind. Erst wenn wir es schaffen, dass sich dieser Nebel lichtet, haben wir wirklich eine Chance, die Herausforderungen und Gefahren des 21. Jahrhunderts in faszinierende Chancen umzuwandeln – Chancen für unsere Unternehmen, Regierungen, gemeinnützigen Einrichtungen und für uns selbst. Wir könnten jetzt über die seit Jahrzehnten betriebenen Studien berichten, auf denen die in unserer Fabel geschilderten Überlegungen und Erkenntnisse beruhen. Aber würden wir dies alles ausbreiten, würden wir wohl unser Ziel verfehlen, uns kurzzufassen, inspirierend, nutzbringend und vergnüglich zu sein. Am Schluss des Buches präsentieren wir einige Überlegungen zu den Themen, die in den besagten Studien und in unserer Geschichte behandelt werden. Bis dahin soll das obige Diagramm genügen. Es verrät viel über den Aufstieg, Fall und möglichen Wiederaufstieg von Organisationen und auch darüber, was jeder von uns tun kann, um bei der Arbeit wirksamer und glücklicher zu werden. Dies alles werden wir am Schluss des Buches diskutieren (und Sie werden die Relevanz dieser Themen in unserer Fabel erkennen).
Aber genug jetzt. Gehen wir zurück zum Anfang unserer Geschichte.
Es war einmal ein Clan von Tieren, die von uns Menschen als Erdmännchen bezeichnet wurden. Diese Tiere lebten in der Kalahari, einem trockenen Landstrich im Süden Afrikas. Das Stück Land, das sie als ihr Zuhause bezeichneten, sah auf den ersten Blick genauso aus wie viele andere Gegenden. Aber dank einer Mischung aus Pfiffigkeit, harter Arbeit und ein wenig Glück hatten ihre Vorfahren einen Ort geschaffen, der nicht so war wie alle anderen. Vor ihrer Ankunft dort hatte ein Buschfeuer den Boden gerodet und ihnen einen fast perfekten Lebensraum hinterlassen. Viele Raubtiere waren durch das Feuer vertrieben worden, und es gab reichlich Nahrung, die hauptsächlich aus Skorpionen, knusprigen Insekten, Würmern, Eiern und gelegentlich auch aus Früchten bestand.
Der Clan bestand anfangs aus einem Dutzend Erdmännchen und wuchs auf mehr als 150 Mitglieder heran, eine beträchtliche Größe und alles andere als typisch. Erdmännchen können zwischen zwei- und viermal pro Jahr jeweils drei bis fünf Jungen zur Welt bringen. Wenn man das jetzt ausrechnet – nun, der Unterschied zwischen zwei und vier Würfen mit jeweils drei bis fünf Jungen ergibt … sagen wir einfach, die richtigen Lebensverhältnisse kommen der Vermehrung von Erdmännchen sehr zugute.
Nichts ist dabei wichtiger als das gute Funktionieren des Clans, was – wie zu erwarten – mit dessen Anwachsen sich als zunehmend schwieriger erweist. Aber unsere Gruppe hatte gelernt, sich außergewöhnlich gut selbst zu verwalten, und das ist einer der Gründe, warum ihre Geschichte so interessant ist.
Im vergangenen Frühjahr war zum Glück reichlich Regen gefallen. Nahrung zu finden war daher vergleichsweise leicht. Auch wenn ihr Dasein kein reines Zuckerlecken war, lebten sie im Großen und Ganzen recht gut. Jedes Mitglied hatte seinen ihm eigenen Platz, und solange man alles so machte, wie es im Clan erwartet wurde, und keinen Ärger verursachte, war alles in Ordnung.
Könnte sich das ändern? »Natürlich«, würde fast jedes Clanmitglied sagen. »Veränderung ist einfach Bestandteil des Lebens. Erst gibt es eine Trockenzeit, dann ändert sich das, und es kommt eine Regenzeit. Manchmal sind Falken hinter uns her, dann ändert sich das, und es stellen uns Schlangen nach. Aber wir wissen damit umzugehen. Es kann knifflig werden, aber wir haben Methoden, mit solchen Problemen verdammt gut fertig zu werden, vielen Dank.«
Nadia war ein aufgewecktes, abenteuerlustiges und tatkräftiges Mädchen. Sie verfügte über eine Begeisterungsfähigkeit, die ansteckend war, besonders unter den Erdmännchen-Kindern, die ihr am liebsten überallhin nachgelaufen wären. Das machte ihr meist Spaß, auch wenn es ihr, wie zu erwarten, manchmal lästig war.
Als Nadia eines Tages zur Mittagszeit zu ihrem Familienoberhaupt gerufen wurde, war ihr verständlicherweise ein wenig bange. Sie hatte sich fast noch nie mit ihm unter vier Augen unterhalten.
Deshalb sprach sie vorab mit ihren engeren Freunden darüber. Ob sie eine Ahnung hätten, worum es bei diesem Treffen ging? Einer wusste es. So erfuhr Nadia, dass sie für den Job einer Älteren Schwester ausersehen war, das heißt für die Betreuung des jüngsten Nachwuchses, der schon bald seine Erdhöhle würde verlassen können.
Nach einigem Nachdenken kam Nadia zu dem Schluss, dass sie diese Aufgabe übernehmen wollte. Aber erst einmal musste sie das Gespräch mit ihrem Familienoberhaupt hinter sich bringen, das über alle Stellenbesetzungen in ihrer Gruppe entschied.
Da sie zu dem Treffen ein wenig zu früh erschienen war, setzte sie sich und ließ ihre Gedanken schweifen.
»Du bist Nadia, nicht?«, weckte der Familienchef sie aus ihren Tagträumen. Er stand im Ruf, streng, aber fair zu sein. »Ich habe ein paar Fragen an dich«, begann er. »Als Erstes …«
Nadia wusste auf alles richtig zu antworten, und sie tat das so selbstsicher, dass man ihr nicht anmerkte, wie nervös sie in Wirklichkeit war. Das Vorstellungsgespräch war nicht sehr schwierig für sie, weil man ihr seit ihrer Kindheit in der einen oder anderen Weise die erwünschten Antworten beigebracht hatte. Nicht alle Antworten erschienen ihr sinnvoll, aber sie dachte sich, wenn sie diesen Job haben wollte, sollte sie besser keine philosophische Diskussion darüber anzetteln, wie ein Clan zu leiten sei.
Als der Boss sich sicher war, dass die junge Bewerberin die Aufgabe bewältigen konnte, stellte er die alles entscheidende Frage: »Bist du willens, die volle Verantwortung dafür zu tragen, dass den dir anvertrauten Kleinen alles beigebracht wird, was sie für das Erwachsenenleben im Clan brauchen? Bist du willens, ihr Leben zu schützen, bis sie sich selbst schützen können?«
Nadia musste nur etwa eine Nanosekunde lang überlegen, um »Ja!« zu sagen. Damit hatte sie die Prüfung bestanden.
Nach dem Gespräch war sie ganz beschwingt, auch wenn sie, ehrlich gesagt, gar nicht recht wusste, was von ihr in ihrer neuen Rolle verlangt wurde. Das machte sie ein wenig nervös, aber ein schwungvolles und energiegeladenes Erdmännchen-Mädchen war – um noch einmal ehrlich zu sein – nicht geneigt, sich so etwas einzugestehen.
Nicholas war Nadias älterer Bruder und Chef der Wachmannschaft. Er widmete sich seiner Arbeit mit Leib und Seele, war diszipliniert und achtete auf jedes Detail. Außerdem sah er umwerfend gut aus; die Hälfte von Nadias Freundinnen war heimlich in ihn verliebt.
Nicholas hatte gerade die morgendliche Besprechung mit seinen Wachen beendet. Er hatte den Tagesplan erläutert und alle daran erinnert, dass sie angesichts der jüngsten besorgniserregenden Vorfälle wachsamer denn je sein mussten.
Ein Wachmann hatte eine Kobra in einem Baum nahe des Clans erspäht, und auch einen Schakal hatte man umherstreifen sehen. Raubtiere wie diese hätten liebend gern ein Erdmännchen zu Mittag verspeist. In beiden Fällen waren sich die Wachen sicher, dass es nicht dieselben Räuber waren wie tags zuvor. Zwei Schakale und zwei Kobras zur selben Zeit – das war ungewöhnlich. Möglicherweise noch schlimmer war, was eine weitere Wache berichtete. Er hatte etwas am Himmel gesehen, das sich anhörte wie das Wesen, von dem ihnen die Alten erzählt hatten: ein Geier. Der Clan hatte sich erst nach dem Buschfeuer an diesem Ort angesiedelt, deshalb war hier noch nie ein Geier gesichtet worden.
Nicholas war in Gedanken noch bei dem, was er soeben gehört hatte und was jetzt zu tun sei, als Nadia zu ihm kam. Er wusste von ihrem Vorstellungsgespräch und war sich sicher gewesen, dass sie den Test bestehen würde. Die beiden umarmten sich. Nadia war vom Laufen ganz außer Atem und konnte kaum sprechen. Als sie ihm sagte, dass sie den Job bekommen hatte, bemerkte sie die sorgenvolle Miene ihres Bruders. Sie fragte ihn, was ihn bedrückte.
»Nichts Besonderes«, schwindelte er, um sie nicht zu beunruhigen, »nur die übliche Arbeit.« Aber Nadia ließ nicht locker. »Welche Arbeit denn? Du bist Chef der Wachen, aber ich habe dich noch nie Wache stehen sehen.« Sie lächelte, und Nicholas musste lachen. »Nein, ich halte nicht Wache. Ich mache etwas anderes, wie du ja weißt. Aber willst du wirklich, dass ich es dir erkläre?«, fragte er und spürte dabei, dass ein paar Minuten Ablenkung von seinen Sorgen vielleicht guttun könnten. »Früher hat dich das nie sonderlich interessiert.«
»Heute ist nicht früher«, erwiderte Nadia mit ihrer entwaffnenden Begeisterung. Vielleicht können mir diese Informationen jetzt für meinen neuen Job nützlich sein, dachte sie bei sich. Also setzten sie sich, und Nicholas erzählte.