Das faszinierende Spiel der Tiere - David Toomey - E-Book

Das faszinierende Spiel der Tiere E-Book

David Toomey

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Beschreibung

Nominiert für das Wissenschaftsbuch des Jahres

Krähen surfen auf Dächern, Delfine laufen in freier Wildbahn auf ihren Hinterflossen, Elefanten rutschen auf ihren Bäuchen im Schlamm und Tintenfische dribbeln mit Bällen. Der gefeierte Wissenschaftsjournalist David Toomey nimmt uns mit auf einen fesselnden Streifzug durch das rätselhafte Dickicht spielender Tiere: von sich neckenden Affen über kitzelige Ratten bis hin zu Hunden mit Fairplay-Gedanken.

Humorvoll, systematisch und mit einem erstaunlichen Blick für das Ungewöhnliche baut dieses Buch die Brücke vom verspielten Zwei- oder Mehrbeiner hin zur menschlichen Verhaltenswissenschaft. So macht zum Beispiel das Spielen in der freien Natur nicht nur Spaß – es ist auch wichtig für die Entwicklung unseres Gehirns und könnte bestimmte Störungen entscheidend positiv beeinflussen.

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Seitenzahl: 366

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Buch

Krähen surfen auf Dächern, Delfine laufen in freier Wildbahn auf ihren Hinterflossen, Elefanten rutschen auf ihren Bäuchen im Schlamm und Tintenfische dribbeln mit Bällen. Das faszinierende Spiel der Tiere nimmt uns mit auf einen fesselnden Streifzug durch das rätselhafte Dickicht spielender Tiere: von sich neckenden Affen über kitzelige Ratten bis hin zu Hunden mit Fairplay-Gedanken. Humorvoll, systematisch und mit einem erstaunlichen Blick für das Ungewöhnliche baut dieses Buch die Brücke vom verspielten Zwei- oder Mehrbeiner hin zur menschlichen Verhaltenswissenschaft. So macht zum Beispiel das Spielen in der freien Natur nicht nur Spaß – es ist auch wichtig für die Entwicklung unseres Gehirns und könnte Störungen wie ADHS oder Legasthenie entscheidend positiv beeinflussen.

Autor

David Toomey ist Professor für Englisch an der University of Massachusetts, wo er Kurse über das Schreiben und die Geschichte der Wissenschaft unterrichtet. Als Autor widmet er sich den außergewöhnlichsten und skurrilsten Bereichen der Naturwissenschaft. Neben spielenden Tieren beschäftigt er sich u. a. mit Zeitreisen und außerirdischen Lebensformen.

DAVID TOOMEY

DAS FASZINIERENDE

SPIEL

DER TIERE

Warum Elefanten gerne rutschen, Affen Bauchklatscher lieben und was das alles auch für unser Leben bedeutet

Aus dem Englischen von Nikolaus de Palézieux

Die US-amerikanische Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel Kingdom of Play bei Scribner, New York. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Deutsche Erstausgabe August 2024

Copyright © 2024 der Originalausgabe: David Toomey

Copyright © 2024 der deutschsprachigen Ausgabe: Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Eckard Schuster

Umschlag: Uno Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: © FinePic®, München

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

JS ∙ CF

ISBN 978-3-641-32110-9V001

www.goldmann-verlag.de

Inhalt

Einführung

Kapitel 1 Ballspielende Kraken: Was ist Spiel?

Kapitel 2 Das Kalahari-Erdmännchen-Projekt: Spiel-Hypothesen

Kapitel 3 Taumelnde Ferkel und Purzelbaum schlagende Affen: Training für das Unerwartete

Kapitel 4 »Lass uns ein paar Ratten kitzeln«: Die Neurowissenschaft des Spiels

Kapitel 5 Höfische Hunde: Konkurrieren, um zu kooperieren, und kooperieren, um zu konkurrieren

Kapitel 6 Walddrossel-Lieder, Heringsmöwen-Tropfenfangen und Laubenvogel-Kunst: Das Spiel als Wurzel der Kultur

Kapitel 7 Meme und Träume: Träumen als Spielen ohne Körper

Kapitel 8 Die Evolution des Spiels

Kapitel 9 Innovative Gorillas: Die überraschende Rolle des Spiels bei der natürlichen Selektion

Kapitel 10 Tier spielen

Epilog

Dank

Anmerkungen

Bibliografie

Einführung

Im Winter 2020/21 fühlten sich viele von uns ängstlich, verloren und allein. Wir sprachen mit Bildschirmen, gleichzeitig waren wir es leid, mit Bildschirmen zu sprechen. Es war schwierig, sich eine Zukunft vorzustellen, die nicht nur aus einer langen Abfolge von Tagen besteht. Doch eines Morgens im Januar veröffentlichte der Smithsonian National Zoo in Washington, D. C., Videos von seinen Panda-Kameras. Über Nacht waren bald fünfzehn Zentimeter Schnee gefallen, und die beiden erwachsenen Großen Pandas des Zoos, Mei Xiang und Tian Tian, spielten in diesem Schnee – sie wälzten sich, schlugen Purzelbäume und rutschten langsam einen langen, kurvigen Abhang hinunter. Das Video wurde weit verbreitet. Freunde schickten es an Freunde, Enkel an Großeltern, Hundeliebhaber an Katzenliebhaber. Viele, die sich das Video ansahen, vergaßen die Strapazen dieses schrecklichen Jahres und verspürten für einen Moment eine Welle des Glücks. Das Spiel der Pandas war eine Beruhigung, eine Erinnerung nicht nur an die bloße Normalität (und in jenem Jahr war viel von einer Rückkehr zur Normalität die Rede), sondern ein willkommener Beweis dafür, dass die Welt trotz all ihres Leids immer noch ein Ort für Ausgelassenheit, ja sogar für Freude ist. Die Art und Weise, wie sie spielten – vor allem ein Panda, der kopfüber auf dem Rücken rutschte –, war ein williges Sichüberlassen an die Schwerkraft und den Impuls des Augenblicks, ein Vertrauen darauf, dass am Ende alles gut werden würde. In dieser Hinsicht war es sogar ein Akt des Glaubens, als wir ihn am meisten brauchten.

Tiere im Spiel lösen Staunen, Freude und sogar Ehrfurcht aus. Doch bis vor Kurzem haben Wissenschaftler dem Spiel der Tiere kaum Beachtung geschenkt. Das ist ein merkwürdiges Versäumnis. Das Spiel beim Menschen, insbesondere bei Menschenkindern, ist seit mehr als einem Jahrhundert ein Teilgebiet der Psychologie. Andere menschliche Verhaltensweisen – etwa Paarung, Aufzucht und Fürsorge für die Jungen – wurden durch Untersuchungen zu diesen oder ähnlichen Verhaltensweisen bei anderen Lebewesen beleuchtet. Wir könnten also erwarten, dass die Regale in den Bibliotheken unter der Last von Büchern, Promotionen und Zeitschriftenartikeln, die Tierspiele beschreiben und Theorien dazu aufstellen, ächzen würden. Aber das tun sie nicht. Im Vergleich zu anderen Verhaltensweisen von Tieren ist die Zahl der Studien zum Tierspiel dürftig. Es gibt keine Zeitschrift für Tierspiel, kein Handbuch oder keine Enzyklopädie zum Tierspiel, kein Institut für Tierspiel und keine Hochschule oder Universität mit einer akademischen Abteilung, die sich dessen Erforschung widmet. Und in mehr als 120 Jahren haben sich nur fünf Bücher ausschließlich mit diesem Thema befasst.

Warum ist dieses Thema so vernachlässigt worden?

Wahrscheinlich aus mehreren Gründen. Zum einen ist Spiel schwer zu definieren. Fachleute aus verschiedenen Bereichen, von der Kinderpsychologie bis zur Kulturanthropologie, haben Definitionen angeboten, die von »Spiel liegt aller Kreativität und Innovation zugrunde« über »Spiel ist grausamer Sport, es besteht aus Hänseleien und Wettbewerb« bis hin zu »Spiel ist die Quelle von Ritualen und Mythen, nach denen wir unser Leben gestalten« reichen.[1] Spielen ist manchmal schwer von anderen Verhaltensweisen zu unterscheiden, zum Beispiel vom Auskundschaften oder von der Paarung. Selbst wenn das Spiel gut definiert und identifiziert ist, kann es schwierig sein, es zu beobachten, da die meisten Tiere, die spielen, dies nur einige Minuten pro Tag tun. Ein weiterer Grund, warum Wissenschaftler das Spiel vernachlässigen, liegt weniger darin, welches Verhalten bei Tieren als Spiel gilt, sondern vielmehr darin, welches Verhalten bei Wissenschaftlern als Arbeit gilt. Bis vor Kurzem hielten viele der Ausschüsse und Bewilligungsbehörden, die wissenschaftliche Forschung genehmigen und finanzieren, das Spiel von Tieren einer ernsthaften Untersuchung für unwürdig. Niemand wusste das besser als der verstorbene Jaak Panksepp, ein Pionier in der Erforschung von Tieremotionen. Im Jahr 1990 sagte er in einem Interview, das Spiel sei »ein Thema, das viele immer noch als relativ frivol und unwichtig ansehen«.[2] Der Verhaltensforscher Gordon Burghardt stellt mit sichtlichem Bedauern fest, dass, wenn er anderen Wissenschaftlern von seiner Arbeit über das Spiel der Tiere erzählt, diese oft nur mit »amüsiertem Interesse und einer Geschichte über ein Haustier« reagierten.[3] Selbst diejenigen, die dieses Verhalten erforscht haben, meinen, dass sich die Bemühungen, es zu verstehen, als vergeblich erweisen könnten. Der Philosoph Drew Hyland bezweifelt in seinem 1984 erschienenen Werk The Question of Play, dass das Spiel streng definiert, geschweige denn analysiert werden könne. Robert Fagen bezeichnete in seinem meisterhaften Werk Animal Play Behavior, nachdem er über fast fünfhundert Seiten hinweg den Forschungsstand und die Überlegungen zu diesem Thema untersucht hatte, das Spiel als »eine reine Ästhetik, die sich der Wissenschaft, offen gesagt, entzieht«.[4]

Diese Einstellung hat praktische Konsequenzen gehabt. Wissenschaftler, die davon ausgehen, dass Stiftungen und akademische Gremien die Forschung zum Spiel der Tiere nicht finanzieren werden, richten ihre Forschungspläne dementsprechend nicht danach aus. Diese Stiftungen und akademischen Ausschüsse erhalten keine Anträge für die Erforschung des Spiels bei Tieren und gehen daher davon aus, dass es für Wissenschaftler von geringem Interesse und daher nicht förderungswürdig sei, und bieten entsprechend weniger Förderung in diesem Bereich an. Wissenschaftler, die Doktoranden betreuen, die eine finanzielle Förderung erwarten, raten ihnen, sich ein anderes Dissertationsthema zu suchen. Mit der Zeit erhalten diese Doktoranden Stellen an Hochschulen und Universitäten und geben denselben Rat aus denselben Gründen an ihre eigenen Studenten weiter. Und so geht es immer weiter mit der nächsten Generation von Wissenschaftlern, und auch mit der darauffolgenden. 1980 fasste der bekannte Naturforscher, Entomologe und Autor E. O. Wilson die Herausforderungen bei der Erforschung des Spiels der Tiere zusammen: »Kein anderes Verhaltenskonzept hat sich als undefinierter, schwerer fassbar, umstrittener und sogar unmodischer erwiesen.«[5]

Aber die Dinge ändern sich. In den letzten Jahren hat die Erforschung des Tierspiels durch zwei aufkommende Forschungsbereiche neue Impulse erhalten. Ein Bereich ist die Tierkultur. Kultur und Spiel sind eng miteinander verbunden, und jedes Verständnis der Tierkultur wird wahrscheinlich durch das Verständnis des Tierspiels erleichtert. Ein weiterer Bereich sind die Neurowissenschaften. Neue Techniken und Technologien zur Bildgebung des Gehirns (insbesondere Positronen-Emissions-Tomographie und Magnetresonanztomographie) führen zu einer immer detaillierteren Abbildung der neuronalen Netze. Zu gegebener Zeit könnten sie zeigen, wie das Spiel die Chemie und die Nervenbahnen des Gehirns verändert und wie umgekehrt diese Chemie und diese Nervenbahnen wiederum das Spielen ermöglichen.

Ein Bündel von Rätseln

Junge ausgewachsene Raben tauchen ab und wenden sich um, indem sie einen Flügel einziehen, ihn wieder ausbreiten und sich so umdrehen. Sie überschlagen sich mitten im Flug und jagen sich gegenseitig, indem sie »Sturzflüge« vollführen, sich gegenseitig in die Quere kommen und ausweichen. Ein Großer Tümmler wurde Zeuge, wie seinen Gefährten im Rahmen einer öffentlichen Aquariumvorstellung die aufrechte Bewegung mithilfe der Schwanzflosse beigebracht wurde, und nachdem er in die Wildnis entlassen wurde, setzte er dieses Verhalten unaufgefordert fort. Zum Erstaunen der Forscher übernahmen auch seine wilden Artgenossen diese Technik der aufrechten Fortbewegung. Man hat gesehen, wie Elefanten schlammige Hänge hinunterrutschten, manche auf dem Bauch, manche auf dem Hintern. Man könnte sagen, dass die Raben und Delfine alltägliche Aktivitäten ausschmücken, Reflexe und Fähigkeiten entwickeln oder Balzverhalten zeigen. Aber Rutschen im Schlamm scheint für keinerlei Elefantenbedürfnis relevant zu sein.

All diese Verhaltensweisen gehören zum Spiel und stellen ein Problem dar für die Ethologen, die Wissenschaftler, die das Verhalten von Tieren untersuchen. Da diese Verhaltensweisen Zeit und Energie kosten und gefährlich sein können, gehen die meisten Ethologen davon aus, dass das Spielen einem Tier zum Überleben oder zur Fortpflanzung verhelfen und einen oder mehrere Anpassungsvorteile haben muss, gerade weil es so viele offensichtliche Nachteile hat. Sie sind sich jedoch nicht einig, was diese Vorteile sein könnten.

Die Frage, warum Tiere spielen, lädt zu noch viel mehr ein. Das Thema scheint weniger ein zusammenhängendes Forschungsgebiet als vielmehr ein loses Bündel von Geheimnissen zu sein. Es gibt Fragen der Taxonomie. Welche Tiere spielen? Welche nicht? Es bestehen Definitions- und Identifizierungsprobleme. Was genau ist Spielen? Wie können wir sicher sein, dass es sich bei einem bestimmten Verhalten um Spiel und nicht etwa um Erkundung handelt? Es gibt Fragen zur Rolle des Spiels bei der Entwicklung eines Tieres. Spielen diejenigen, die das tun, in bestimmten Phasen ihres Lebens? Es gibt Fragen zur Vererbung und zur Umwelt. Inwieweit ist Spielen instinktiv? Inwieweit ist es erlernt? Es stellt sich die Frage nach der Beziehung des Spiels zum Gehirn und Nervensystem eines Tieres. Welcher neuronale Mechanismus oder Prozess ermöglicht das Spielen beziehungsweise bringt es zustande? Sind bestimmte Teile des Gehirns dafür notwendig? Sind dafür bestimmte Arten von Gehirnen notwendig? Ferner gibt es Fragen der Evolution und der natürlichen Selektion. Wann tauchte in der langen Geschichte des Lebens auf der Erde das Spiel zum ersten Mal auf? Wie hat es sich im Einzelnen entwickelt? Und was ist mit der Zukunft? Ist es möglich, dass wir im Tierspiel die Anfänge der Tierkultur sehen?

Das Spiel der Tiere ist also nicht nur ein weiteres wissenschaftliches Rätsel – es ist ein ganzes Bündel von Rätseln und unterscheidet sich von den meisten anderen Rätseln. Die Phänomene, die den Kern vieler wissenschaftlicher Rätsel bilden – Quantenverschränkung und Dunkle Materie, um nur zwei zu nennen –, sind von unserem Alltag ziemlich weit entfernt. Um sie zu erforschen, braucht man Spezialwissen und vielleicht große und teure Instrumente. Das Spiel der Tiere findet jedoch überall um uns herum statt, wir sehen es jeden Tag. Um es zu studieren, brauchen wir weder einen Hochschulabschluss noch einen Teilchenbeschleuniger. Wir müssen nur ein Tier beobachten und ihm unsere Aufmerksamkeit schenken.

Und es gibt einen Grund dafür, dass es diese Aufmerksamkeit wert ist.

Merkmale des Spiels sind Merkmale der natürlichen Auslese

Seit ihrer Präsentation vor 160 Jahren wurde Darwins Theorie der Evolution durch natürliche Auslese immer wieder verfeinert und weiterentwickelt. Im 20. Jahrhundert erklärte die Mendelsche Genetik den Mechanismus der Darwinschen Theorie; diese Theorie wurde durch Erkenntnisse aus der Mikrobiologie, der Entwicklungsbiologie und in jüngster Zeit aus der Epigenetik ergänzt. Trotz alledem ist die Theorie in ihrem Kern unverändert geblieben. Die natürliche Auslese ist ein Filter oder eine Reihe von Filtern, die nachteilige Variationen herausfiltern und vorteilhafte durchlassen, sodass ein Organismus mit jeder Generation besser angepasst oder »fitter« wird.

Die natürliche Selektion weist eine Reihe spezifischer und genau definierter Merkmale auf. Sie ist zum Beispiel zweckfrei. Sie hat keine Absicht und kein Ziel,a und wie Darwin feststellte, enthält sie »kein notwendiges und universelles Gesetz des Fortschritts oder der Entwicklung«.[6] Sie ist vorläufig. Die Entwicklung eines jeden Organismus ist eine Reaktion auf die Bedingungen, die an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt herrschen. Sie ist ergebnisoffen. Die Evolution eines jeden Organismus hat weder einen Anfangs- noch einen Endpunkt – eine Tatsache, die im letzten Absatz von Über die Entstehung der Arten hervorgehoben wird. Sie ist ein sich langsam aufbauendes Crescendo, dessen letzter Ton in der Luft hängt und der sich nie ganz auflöst: Die Formen des Lebens, so die Schlussfolgerung, werden auch jetzt »entwickelt«. In all diesen Punkten ist die natürliche Selektion wie ein Spiel. Wie wir sehen werden, gibt es noch weitere Ähnlichkeiten – so viele, dass, wenn man die Prozesse der natürlichen Auslese auf ein einziges Verhalten reduzieren könnte, dieses Verhalten das Spiel wäre. Oder umgekehrt: Wenn Sie eine Evolutionstheorie oder eine Sichtweise der Natur wählen würden, für die das Spiel ein Modell zu sein scheint, wäre es die natürliche Selektion.

Natürliche Selektion ist nicht nur eine wichtige Aktivität, an der lebende Organismen teilnehmen. Es ist die wesentliche Aktivität, die Aktivität, die sie von allem anderen unterscheidet. Organismen tun viele Dinge: Sie wachsen, wandeln Materie in Energie um und verschwinden schließlich. Aber solche Aktivitäten sind nicht nur Organismen vorbehalten. Auch Kerzenflammen und Sterne tun diese Dinge, aber sie leben nicht. Man könnte anmerken, dass Organismen etwas tun, was Kerzenflammen und Sterne nicht können: Sie reproduzieren sich. Aber Kristalle reproduzieren sich selbst, und sie leben ebenfalls nicht. Das Einzige, was lebende Organismen tun, was Flammen, Sterne und Kristalle nicht tun – und auch nicht tun können –, ist, dass sie sich durch natürliche Selektion weiterentwickeln.

Da Leben am besten als das definiert wird, was sich durch natürliche Auslese entwickelt, und da natürliche Auslese viele Gemeinsamkeiten mit dem Spiel hat, sind keine großen Überlegungen erforderlich, um zu der These zu gelangen, die in den folgenden Kapiteln vorgestellt und entwickelt wird. Das Leben selbst ist im grundlegendsten Sinne spielerisch.

a Da kein Wesen oder keine Entität wählt oder auswählt, ist »natürliche Auslese« keine Auswahl im üblichen Sinne. Darwin war mit seiner Nomenklatur unzufrieden und schrieb: »Ich nehme an, natürliche Auslese war ein schlechter Begriff, aber ihn jetzt zu ändern, denke ich, würde die Verwirrung noch vergrößern. Ich kann mir auch keinen besseren vorstellen« (Brief an Charles Lyell, 6. Juni 1860, Darwin Correspondence Project). Der Begriff »Überleben des Stärkeren« stammt übrigens von dem englischen Biologen und Soziologen Herbert Spencer. Darwin verwendete den Ausdruck in späteren Ausgaben von On the Origin of Species.

Kapitel 1 Ballspielende Kraken: Was ist Spiel?

Eines Tages im Jahr 1997 ging die Psychologieprofessorin Jennifer Mather an ihr Telefon und hörte die aufgeregte Stimme von Roland Anderson, ihrem Mitarbeiter, bei einer eher ungewöhnlichen Studie über das Verhalten von Tieren. »Sie lässt den Ball hüpfen!« Er sprach in bildlichen Begriffen, von denen er wusste, dass Mather sie verstehen würde. Bei der »sie« handelte es sich um einen vielleicht zwei oder drei Jahre alten Kraken, einen Oktopus; das Tier schwamm in einem Becken im Seattle Aquarium.a Der »Ball« war eine Flasche Tylenol Extra Strength [Schmerztabletten – Anm. d. Ü.], die so beschwert worden war, dass sie knapp unter der Wasseroberfläche schwamm. Und das »Hüpfen« war nicht wirklich ein Hüpfen. Kraken haben einen Ausatmungstrichter, einen Siphon an der Seite des Kopfes, durch den sie Wasser ausstoßen können. Der Krake hielt die Flasche mit seinen Armen fest und ließ sie los; dann richtete er seinen Trichter auf die Flasche und ließ einen Wasserstrahl in ihre Richtung ab, der sie zum anderen Ende des Aquariums schickte, wo der Wasserstrom sie zu ihm zurückbrachte.b Das wiederholte der Krake mehrfach. Nachdem Anderson das Tier 16-mal dabei beobachtet hatte, fand er, es sei an der Zeit, Mather anzurufen.

Jennifer Mather ist eine herausragende Forscherin auf dem Gebiet des Verhaltens von Kraken, von Oktopoden also, dazu eine weitgereiste Wissenschaftlerin, die an vielen Orten geforscht hat. Bei einem Tauchgang in den Gewässern vor den Bermudas bemerkte sie ein interessantes Verhalten des Gemeinen Oktopus, Octopus vulgaris genannt. Dieses Tier fand einen kleinen Stein, klemmte ihn unter seine Arme und setzte ihn in der Nähe seiner Höhle ab. Danach holte der Oktopus einen weiteren Stein. Und noch einen und noch einen. Er schlüpfte in die Höhle und zog alle Steine hinter sich her, um den Eingang vor Eindringlingen zu verschließen, bevor er sich schlafen legte. Es war bekannt, dass Kraken eine rudimentäre Intelligenz an den Tag legen, aber Mather erkannte, dass es sich hier um etwas weitaus Ausgefeilteres handelte. Da der Krake nicht auf eine bestehende Bedrohung reagierte, sondern eine solche erwartete, hatte er Voraussicht und Planung bewiesen.[1]

Wie Mather war auch Roland Anderson Taucher. Sein bevorzugtes Revier waren die etwas kälteren Gewässer des Puget Sound, einer großen Meeresbucht vor Seattle. Er war dafür bekannt, dort auch nachts und im Regen zu tauchen, um nach kleinen Octopus rubescens zu suchen, die in Bierflaschen auf dem Meeresboden lebten. Andersons Berufung und Beruf waren glücklicherweise deckungsgleich. Beruflich war er Meeresbiologe am Seattle Aquarium, wo er sich unter anderem auf die Naturgeschichte und das Verhalten von Tintenfischen spezialisierte. Während Anderson eines Morgens seine Runden drehte, sah er, dass einer der Pazifischen Riesenkraken des Aquariums den Kies vom Boden seines Beckens gegraben, die Nylon-Kabelbinder durchgebissen, mit denen der Filter am Becken befestigt war, und den Filter in kleine Stücke zerrissen hatte. Anderson verstand nicht, warum der Krake den Filter zerstört hatte, aber er wusste, dass sein Verhalten, wie das von Mathers Oktopus, methodisch war und sowohl Voraussicht als auch Planung erforderte.

Mather und Anderson begegneten sich zum ersten Mal auf einer Konferenz und stellten fest, dass sie eine gemeinsame Faszination für eine bestimmte Ordnung der Kopffüßermollusken sowie den Verdacht hatten, dass in deren Köpfen mehr vor sich ging, als viele glaubten. Sie fragten sich, ob Kraken spielten. Diese Tiere hatten eine Vorliebe für die Manipulation von Objekten, was sowohl auf Intelligenz als auch auf Neugier schließen ließ. Der Schritt vom Manipulieren von Objekten zum Spielen mit ihnen mag klein erscheinen, und im Hinblick auf das Verhalten wäre er es auch. Aber was die Taxonomie betrifft, wäre es ein riesiger Schritt – oder vielmehr ein Sprung – über den gesamten Stamm hinweg. Säugetiere und Vögel, die seit Langem als verspielt gelten, gehören zum Stamm der Chordatiere. Aber Kraken sind Kopffüßer aus dem Stamm der Mollusken.

Zu Beginn des 3. Jahrhunderts nach Christus schrieb der römische Naturhistoriker Claudius Aelianus: »Schabernack und Listigkeit müssen schlechterdings als Wesensmerkmale dieser Kreatur angesehen werden.«[2] In den Jahren seither sind sie nicht weniger schelmisch und listig geworden, wie Forscher beweisen, deren Werkzeuge sie bekanntlich auseinandernehmen können. Als die Meeresbiologin Jean Boal und ihre Kollegen die »relative Widerspenstigkeit von Tintenfischen als Versuchsobjekte«[3] feststellten, könnten sie im Namen vieler ermatteter Kopffüßer-Forscher gesprochen haben. Das Verhalten von Tintenfischen scheint durchaus spielerisch zu sein. Doch niemand hatte bisher versucht nachzuweisen, dass es sich um ein Spiel handelt, oder unter experimentellen Kontrollen zu beweisen, dass Kraken spielen. Ein echter, empirischer Beweis für das Spiel der Kraken wäre ein Befund von einiger Tragweite. Es würde bedeuten, dass sich dieses Verhalten in zwei Stämmen entwickelt hat, die sich vor 670 Millionen Jahren auseinanderentwickelt haben.[4]

In den 1990er-Jahren wurden in zahlreichen Experimenten die Intelligenz und die Neugier von Kraken untersucht. Die meisten Experimente beschäftigten sich mit rudimentärer Reaktion auf Reize. Ein Objekt, zum Beispiel eine Muschelschale, wurde in das Becken eines Kraken geworfen. Ein Krake, der auf der Suche nach Nahrung war, untersuchte die Muschel, stieß sie mit seinen Armen an und drehte sie um. Findet er keine Nahrung und auch sonst nichts, was sich zu untersuchen lohnt, verliert der Krake das Interesse an der Muschel und lässt sie in Ruhe.

Würde man dasselbe Experiment mit einem besonders neugierigen Kraken durchführen, könnte die Reaktion anders ausfallen. Wenn die Schale zum ersten Mal auftaucht, würde der Krake sie erkunden. Das Erfühlen von Rillen auf der Oberfläche der Schale könnte ihn zu weiteren Erkundungen anregen, und schließlich würde der Krake die innere Wölbung der Schale finden. Deren glatte Oberfläche, ein besonders faszinierender Kontrast zu den Rillen, könnte ihn zu weiteren Untersuchungen treiben. So würde es weitergehen, ein sich wiederholender Zyklus von Stimulus und Untersuchung, wobei jeder Stimulus zu weiteren Untersuchungen führt und jede Untersuchung einen weiteren Stimulus bewirkt. Dieser Zyklus würde die Untersuchungszeit erheblich verlängern, da ein neugieriger Krake viel länger braucht, um die Schale zu erforschen, bevor er das Interesse verliert.

Mather und Anderson waren der Meinung, dass auf dem Weg von der Erkundung zur Gewöhnung einige Verhaltensweisen zu Recht als Spiel bezeichnet werden könnten. Die Unterscheidung zwischen Spiel und Erkundung wäre schwierig, aber die beiden dachten sich ein Experiment aus, von dem sie hofften, dass es genau das leisten könne. Als Versuchsperson wählten sie den Pazifischen Riesenkraken (Enteroctopus dofleini), eine Art, die gut an das kalte, sauerstoffreiche Wasser der Küsten des Nordpazifiks angepasst ist. Es handelt sich um die größte Krakenart; ein ausgewachsenes Tier kann mehr als fünfzig Kilo wiegen und vier bis fünf Jahre alt werden. Die zu untersuchenden Tiere, fünf Männchen und drei Weibchen, waren etwas leichter und jünger – »subadulte« Tiere im Alter von zwei bis drei Jahren, die zwischen einem und zehn Kilo wogen.

Mather und Anderson wussten, dass sie die Kraken zum Spielen anregen konnten, indem sie ihnen etwas Interessantes zur Erforschung gaben. Sie entschieden sich für vier Pillendosen aus Plastik mit einem Gewicht knapp über dem neutralen Auftrieb. Kraken verfügen nur über ein begrenztes Farbensehen, aber über ein gutes Sehvermögen, was die Lichtintensität angeht, also wurden zwei Flaschen weiß und zwei schwarz gefärbt. Und da Kraken empfindlich auf Oberflächen reagieren, erhielten eine weiße und eine schwarze Flasche eine glatte Oberfläche, die beiden anderen jeweils eine raue. Jeder Krake hatte zehn Gelegenheiten oder »Versuche«, die dreißig Minuten dauerten, was Mather und Anderson als ausreichend Zeit ansahen, damit die Kraken sich entweder mit den Flaschen beschäftigen konnten oder kein Interesse an ihnen zeigten.

Alle acht Tintenfische nahmen auf irgendeine Weise Kontakt mit den Flaschen auf, indem sie entweder einen Saugnapf gegen eine Flasche drückten, einen Arm um die Flasche legten oder einen Arm benutzten, um die Flasche an ihr Maul zu drücken. Mather und Anderson bewerteten diese Handlungen als Untersuchung. Zwei Kraken beschäftigten sich jedoch auf eine Weise mit den Flaschen, die wie ein Spiel aussah. Krake 8 benutzte seinen Trichter, um einen Wasserstrahl zu erzeugen, der eine Flasche an die Wand des Aquariums und wieder zurück schob. Krake 7 erzeugte einen Wasserstrahl, der die Flasche »auf eine kreisförmige Bahn … um den Rand des Aquariums herum« schickte, was Anderson zu seinem Telefonat veranlasste.[5]

Es ist bekannt, dass Kraken Trichter zum Ausatmen verwenden, um sich fortzubewegen, um den Unrat am Eingang ihrer Höhlen zu reinigen und um lästige Fische und stechende Seeanemonen zu vertreiben. In Gefangenschaft benutzen Kraken die Trichter oft, um ein Futter abzustoßen, das sie mit einer gewissen Verachtung betrachten – zum Beispiel gefrorene Garnelen. Aber soweit man weiß, wurden die Trichter noch nie auf diese Weise eingesetzt. Die Kraken 7 und 8 schoben die Flasche nicht weg, sondern fanden einen interessanten Weg, damit sie zu ihnen zurückkehrte.

Mather hat schon Hunderte Male vor allen möglichen Zuhörern gesprochen – von professionellen Tierverhaltensforschern bis hin zu Schulkindern –, aber sie spricht mit einer solchen Bedachtsamkeit, dass man meinen könnte, dass sie jedes Wort, das sie ausspricht, noch einmal überdenkt. Als sie sich später Andersons Metapher zu eigen machte, ging sie vorsichtig vor, um diese Metapher zu erläutern. »Das ist genau das, was wir tun, wenn wir einen Ball hüpfen lassen«, sagte sie in einem Interview. »Wenn man einen Ball aufprallen lässt, will man ihn nicht loswerden, sondern herausfinden, was man mit dem Ball machen kann.«[6]

Die Kategorien des Spiels

Verhaltensforscher haben drei Kategorien des Spiels festgelegt. Es gibt das Einzelspiel, wie das Herumtollen eines Ponys allein auf einer Wiese. Es gibt das soziale Spiel, etwa das Ringkampfspiel der jungen Schimpansen. Und es gibt das Objektspiel, zum Beispiel das Jagen und Apportieren von Stöcken bei einem Welpen – oder bei einem Kraken, der seinen Ausatemtrichter benutzt, um eine Pillendose zu befördern. Diese Kategorien sind klar voneinander abgegrenzt, und für Ethologen, die eine bestimmte Art des Spiels bei einem bestimmten Tier untersuchen, hat diese Unterscheidung Vorteile. Der Preis, der dafür gezahlt wird, ist jedoch die Vernachlässigung einer komplizierteren Realität. Tiere, die für die Kategorien der Ethologen nicht verantwortlich sind, vermischen verschiedene Arten des Spiels. Zwei Welpen, die sich gegenseitig ein Stöckchen entreißen, können sowohl dem Objekt- als auch dem sozialen Spiel frönen. Manche Spiele können mit Verhaltensweisen kombiniert werden, die überhaupt kein Spiel sind: Eine Krähe, die einen Zweig handhabt, kann sowohl ein Objektspiel als auch Erkundung betreiben, und Loris, Papageien, die ein soziales Spiel spielen, können sich dabei auch im Balzverhalten üben. Noch schwieriger wird die Definition des Spiels, wenn man bedenkt, dass Einzel-, Objekt- und soziales Spiel nicht den ganzen Umfang an Spielen ausmachen. Psychologen untersuchen das Spiel menschlicher Kinder seit mehr als einem Jahrhundert und haben viele andere Arten des Spiels identifiziert, darunter das Parallelspiel, das vorgetäuschte Spiel, das Mutter-und-Kind-Spiel und das Konstruktionsspiel. Dass es diese Spiele auch bei Tieren gibt, wird immer deutlicher.

Diese Vielfalt des Spiels macht einen Teil seines Reizes aus; für Ethologen, die sich auf ein bestimmtes Tier konzentrieren, ist sie jedoch kaum von Belang. Aber für diejenigen, die ein umfassendes Verständnis des Spiels, einschließlich seiner Ursprünge und seiner Entwicklung, gewinnen wollen, stellt diese Vielfalt ein Problem dar. Sie müssen das Spiel über Arten und ganze Tierklassen hinweg vergleichen. Dazu müssen sie genau wissen, was sie vergleichen, und sie müssen sicher sein, dass sie nicht nur das vergleichen, was wie dasselbe Verhalten aussieht, sondern das, was dasselbe Verhalten ist. Dazu brauchen sie eine allgemeine, allgemeingültige Definition des Spiels, eine Definition, die eigenständig und eindeutig ist und dennoch das Verhalten in all seinen Varianten und Permutationen berücksichtigt. Und wenn wir eine gründliche Untersuchung des Spiels durchführen wollen, brauchen wir ebenfalls eine solche Definition.

Definition von Spiel

Die Herausgeber des New Oxford American Dictionary führen zehn Definitionen von Spiel auf, die in den meisten oder allen Bereichen des menschlichen und tierischen Lebens Anwendung finden: sechs Verben mit Abwandlungen, vier Substantive mit Abwandlungen und zahlreiche zusammengesetzte Wörter und Phrasen. Es scheint, dass in dem Wort Spiel eine Menge »Spiel« steckt.

Die Definitionen von Spiel sind bewundernswert umfassend, aber die meisten haben ihre Grenzen. Einige verwenden Tautologien und definieren Spiel zum Beispiel als eine Aktivität, die Spaß macht. Was auch immer Spaß ist, es ist mindestens genauso schwer zu definieren wie Spiel. Einige Definitionen stützen sich auf Begriffe wie Vergnügen oder Befriedigung – Begriffe, die vielleicht präziser als Spaß, aber schwer objektiv zu messen sind. Andere Definitionen setzen eine Funktion des Spiels voraus, obwohl keine einzelne Funktion oder eine Reihe von Funktionen benannt wird. Wieder andere Definitionen gehen davon aus, dass es sich um ein Verhalten ohne Funktion handelt,[7] und unterscheiden damit nicht zwischen dem Spiel und anderen Verhaltensweisen ohne klare Funktion, wie zum Beispiel den sich wiederholenden und zwanghaften Bewegungen von Tieren in Käfigen oder in Not. Außerdem ist die Behauptung, dass Spielen keine Funktion hat, nicht ganz richtig. Vieles Spielen erfordert beispielsweise Bewegung, und Bewegung kommt dem Tier zugute, indem sie die Sauerstofftransportkapazität des Blutes erhöht.

Einige Definitionen führen Kriterien für das Spiel auf und qualifizieren diese Kriterien mit Worten wie kann sein oder könnte beinhalten. So zum Beispiel diese: »Spielen ist jede postnatale motorische Aktivität, die anscheinend zweckfrei ist, bei der motorische Muster aus anderen Kontexten oft in modifizierter Form und veränderter zeitlicher Abfolge verwendet werden können.«[8] Wenn wir eine eindeutige Definition anstreben, sind zweideutige Formulierungen wie können oft verwendet werden natürlich wenig hilfreich.

Spielende Tiere sind nur selten in der Lage und bereit, Forschern ihre Erfahrungen zu schildern, und doch setzen viele Definitionen Kenntnisse über diese Erfahrungen voraus. Eine Definition des Spiels, derzufolge es ein Verhalten sei, das »um seiner selbst willen ausgeführt wird«, unterstellt eine Absicht. Eine andere, die das Spiel als »angenehm« bezeichnet, assoziiert es mit Emotionen. Wieder andere schreiben dem Spieler ein Motiv zu oder – wie bei »Verhalten, das ohne die ›Ernsthaftigkeit‹ ausgeführt wird, die ein solches Verhalten in seinem normalen Kontext hat«[9] – das Fehlen eines solchen Motivs.c

Theoretisch könnte man ein Gefühl wie Glück durch die Beschreibung seiner neurologischen Wurzeln definieren. Vielleicht ist das Spiel auch die Aktivität eines spezifischen neuronalen Mechanismus. Studien an den Gehirnen und Nervensystemen von Ratten und Mäusen haben einige Fortschritte in dieser Richtung gebracht. Da solche Studien jedoch in Labors durchgeführt werden, verhalten sich die Versuchstiere möglicherweise anders als in ihrer natürlichen Umgebung, was die Ergebnisse fragwürdig macht. Da viele dieser Studien Autopsien und das »Opfer« der Versuchstiere erfordern, können sie mit den meisten Tieren nicht auf humane Weise durchgeführt werden. Viele würden sogar sagen, mit keinem Tier. Und selbst wenn es einem Forscher gelänge, das innere Erleben eines Tieres zu erfassen, indem er die Aktivität seiner neuronalen Schaltkreise überwacht, ohne das Tier zu verletzen, und während es in seiner natürlichen Umgebung spielt, würde dies nur das innere Erleben eines Tieres erfassen, das nur eine einzige Spezies unter den vielen anderen darstellt, die spielen.

Wir wissen nicht, was ein Tier erlebt, während es spielt. Um das Spiel zu definieren, müssen wir uns also vorerst darauf beschränken, wie es aussieht. Schon das bringt eine Reihe von Problemen mit sich.

Identifizierung des Spiels

Wir könnten annehmen, dass zwei Hunde, die miteinander rangeln, oder eine Katze, die eine Spielzeugmaus schlägt, oder Ottern, die sich in einem Fluss tummeln und planschen, tatsächlich spielen, und wir könnten recht haben. Ihr Spiel sieht unserem Spiel sehr ähnlich, und da sie Säugetiere sind wie wir, ist es vielleicht auch wie unser Spiel. Doch bei vielen Tieren vermischen sich Spiel-, Balz- und Kampfverhalten und sind für den Forscher nicht immer leicht zu unterscheiden.

Diese Schwierigkeit wird durch zwei Verhaltensweisen verschärft, die kein Spiel sind, ihm aber sehr ähneln.

Die erste ist das, was Ethologen Stereotypien nennen, was ein Verhaltensbiologe als »ein Verhaltensmuster definiert, das sich wiederholt, unveränderlich ist und kein offensichtliches Ziel oder keine offensichtliche Funktion hat«.[10] Während Spielen Wohlbefinden anzeigt, signalisieren Stereotypien, dass das Tier keinen Stimulus beziehungsweise einen gewissen Stress verspürt. Wir haben es alle schon gesehen: Ein Papagei, der in einem Käfig immer wieder von Ort zu Ort springt, ein Wolf in einem Gehege, der stundenlang den gleichen Weg geht, oder Sie oder ich, die auf einem Bleistift kauen oder an einer Haarsträhne drehen. Das andere Verhalten, das sich nur schwer vom Spielen unterscheiden lässt, ist das Erkunden – das heißt, sich durch ein unbekanntes Gebiet zu bewegen oder ein Objekt zu manipulieren, um mehr darüber zu erfahren.

Das Spielen ist selbst bei unserem Artgenossen, dem Homo sapiens, nicht so leicht zu erkennen. Spielende Menschen zeigen oft Anzeichen von Vergnügen – ein Lachen, ein Schreien, ein Fauststoß in die Luft. Aber nicht immer. Denken Sie an den angespannten Gesichtsausdruck eines Schachspielers, der einen Zug plant, oder an den Gesichtsausdruck eines Fußballspielers, der einen Ball auf das Tor zubewegt. Es hat einen Namen, Pokerface, das im New Oxford American Dictionary als »der neutrale oder ernste Gesichtsausdruck eines Sportlers, der Entschlossenheit und Konzentration zeigt«, definiert wird. Nur wenige würden dieses Verhalten mit Vergnügen assoziieren, doch diejenigen, die es an den Tag legen, spielen gerade per Definition. Wir können nicht ohne Weiteres Freude bei Mitgliedern unserer eigenen Spezies erkennen, mit denen wir die Physiognomie teilen. Wie viel schwieriger ist es dann, Freude bei Tieren zu erkennen, die etwas weiter von uns entfernt sind? Wie können wir wissen, wie das Spiel eines Krokodils aussieht? Eines Atlantischen Lachses? Einer Termite?

Mehrere Ethologen haben über diese Fragen nachgedacht, aber wahrscheinlich keiner tiefgehender und sorgfältiger als Gordon Burghardt. Burghardt trägt Brille und Bart und verfügt über das sanfte, akkurate und verlässliche Auftreten eines Anwalts vom Lande. Seine Wissenschaftlerkollegen gehen davon aus, dass eine große Bandbreite an Tierarten spielt, die meisten davon Säugetiere und Vögel. Aber Burghardt findet starke Indizien für das Spiel – wenn nicht sogar tatsächliche Beweise – bei Tieren, von denen viele sagen, dass sie dazu gar nicht in der Lage sind: bei einem Salzwasserkrokodil, bei Buntbarschen und sogar bei Honigbienen. Manche mögen solche Behauptungen als etwas abwegig bezeichnen, und wenn sie von jemand anderem stammen, könnten sie es durchaus sein. Burghardt ist jedoch ein renommierter Professor an den Abteilungen für Psychologie sowie Ökologie und Evolutionsbiologie an der University of Tennessee, Knoxville. Seine Karriere ist ebenso bedeutend wie lang. Wenn seine Ideen unorthodox sind, dann verleiht er ihnen Glaubwürdigkeit, weil er zu diesen Ideen durch sorgfältige, maßvolle und wohlüberlegte Schritte gelangt. Einer von Burghardts Kollegen nannte ihn einen »vernünftigen Radikalen«.[11]

Burghardt fand, dass die von vielen Forschern vorgelegten Definitionen des Spielens Mängel aufweisen. Er wollte eine allgemeine, universelle Definition des Tierspiels, die Einzel-, Objekt- und soziales Spiel und deren Variationen abdeckt und auch verwendet werden könnte, um Spiel im Verhalten von solchen Tieren zu benennen, von denen die meisten Menschen annehmen, dass sie nicht spielen. Eine Definition des Spielens, die diesem Standard entspricht, würde Tautologien und mehrdeutige Begriffe vermeiden. Sie würde keine Anpassungsvorteile voraussetzen. Sie würde auf zweideutige Ausdrücke wie »kann sein« und »könnte sein« verzichten. Sie würde nicht den mentalen oder emotionalen Zustand des Spielers berücksichtigen. Und sie würde das Spielen klar von Stereotypien, Erkundungen und anderen Verhaltensweisen unterscheiden, denen es ähneln könnte. In seinem 2005 erschienenen Buch The Genesis of Animal Play vertrat Burghardt die Auffassung, dass ein Verhalten, um als Spiel zu gelten, fünf Merkmale aufweisen muss.

Erstens darf das Spiel »nicht funktional« sein – das heißt, es darf nicht offensichtlich dem Überlebens- oder Fortpflanzungsbedürfnis eines Tieres dienen.

Zweitens muss das Spielen rein freiwillig sein und darf keine erzwungene Reaktion auf einen äußeren Einfluss darstellen.

Drittens muss sich das Spiel offensichtlich von den anderen Verhaltensweisen des Tieres unterscheiden.

Viertens müssen die Bewegungen eines spielenden Tieres wiederholt werden, was sie von den Handlungen eines Tieres, das auf Erkundung ist, unterscheidet, die vielfältig sind. Allerdings müssen dieselben Bewegungen in einer anderen Reihenfolge und mit Modifikationen wiederholt werden, was sie von den Bewegungen stereotypen Verhaltens unterscheidet, das unverändert ist.

Fünftens und letztens behauptet Burghardt, dass Spielen nur dann stattfindet, wenn das Tier gut genährt, in Sicherheit und gesund ist und kein äußerer Einfluss sein Verhalten erzwingt. Dies ist eine Überprüfung des zweiten Kriteriums, da einige vielleicht einwenden würden, dass die Verwendung des Wortes »freiwillig« die innere Erfahrung des Tieres – in diesem Fall die Absicht – voraussetzt, wenn wir nicht wissen können, was diese Erfahrung sein könnte. Das Fehlen von jeglicher äußeren Einwirkung bedeutet wahrscheinlich, dass das Tier nicht spielt, weil es muss; es spielt, weil es spielen will.

Wenn Sie ein Tier sehen, das sich auf eine Art und Weise verhält, die nicht funktional, sondern freiwillig ist und durch wiederholte, aber unterschiedliche Bewegungen gekennzeichnet ist, und wenn dieses Tier gut genährt, in Sicherheit und gesund ist, sagt Professor Burghardt, dann sehen Sie ein Tier beim Spielen.

Wenden wir Burghardts Kriterien auf das Verhalten der Kraken 7 und 8 an. Da die Tintenfische die Flaschen als ungeeignet zur Ernährung und noch weniger als Partner empfanden, war ihr Verhalten nicht funktional und hatte nichts mit Überleben oder Fortpflanzung zu tun. Da die Kraken durch nichts dazu gezwungen wurden, sich mit den Flaschen auseinanderzusetzen, war ihr Verhalten freiwillig. Könnte es eine Erkundung gewesen sein? Wahrscheinlich nicht. Erkundung und Spiel sehen ähnlich aus, insbesondere wenn es um Objekte geht, aber es gibt einen wichtigen Unterschied. Wie Mather feststellte, sammelt ein Tier, das ein Objekt erforscht, Informationen darüber; ein Tier, das mit einem Gegenstand spielt, entdeckt, was man damit machen kann. Die Kraken taten eindeutig Letzteres. Der Wasserfluss des Aquariums brachte die Flaschen in die Nähe der Kraken zurück, jedoch jedes Mal an eine andere Stelle. Um weiterhin auf die Flaschen einzuwirken, passten die Oktopusse die Richtung ihrer Wasserstrahlen an und positionierten sich neu. Somit war das Verhalten durch abwechslungsreiche Bewegungen gekennzeichnet. Schließlich ist ein Tier, das eine neue Umgebung erkundet, auf der Suche nach zwei Dingen: Ressourcen und Bedrohungen – grob gesagt, Dingen, die es fressen kann, und Dingen, die es fressen können. Das mögliche Vorhandensein Letzterer bedeutet, dass sich ein erkundendes Tier nicht ganz wohl fühlt. Erst wenn es sich vergewissert hat, dass keine Gefahr in der Nähe ist, entspannt es sich, und erst wenn es entspannt ist, kann es sich anderen Aktivitäten widmen – zum Beispiel dem Spielen. Die Kraken waren wohlgenährt, gesund und – allein in einem Wassertank ohne äußere Einflüsse – in Sicherheit.

Das »Ballspringen« der Kraken 7 und 8 erfüllte jedes von Burghardts Kriterien. Doch einige Forscher waren skeptisch, als sie von Mathers und Andersons Experiment erfuhren. Jean Boal sagte, das Verhalten »könnte Langeweile widerspiegeln, wie eine Katze, die auf und ab geht«.[12] Burghardt selbst entgegnete, die Tatsache, dass ein Verhalten eine Reaktion auf Langeweile sei, bedeute nicht, dass es kein Spiel sei, und Langeweile könne tatsächlich ein Spiel auslösen.[13]

Im Jahr 2003 führten Mather und mehrere Kollegen eine Fortsetzungsstudie durch.[14] Die potenziellen Spieler waren dieses Mal sieben Octopus vulgaris, und die potenziellen Spielzeuge waren LEGO-Teile und schwimmende Flaschen an Schnüren. Die Vielfalt der Reaktionen machte die Individualität von Kraken deutlich, eine Eigenschaft, die Aquariumbesuchern vertraut ist. Einige Tiere ignorierten die Objekte völlig. Andere nahmen Kontakt auf, als die Objekte zum ersten Mal eingeführt wurden, und ignorierten sie danach. Zwei Kraken brachten die Gegenstände in ihre Höhlen. Nur ein Oktopus zeigte ein Verhalten, das die Forscher als »volles Spiel« definierten, aber andere beteiligten sich an sogenannten »spielähnlichen Interaktionen« – zum Beispiel dem Schieben und Ziehen eines LEGO-Teils, dem Schleppen einer Flasche und dem Weiterreichen eines LEGO-Teils von einem Arm zum anderen. Mather und Kollegen kamen zu dem Schluss, dass in dem Experiment »vielversprechende Hinweise dafür gefunden wurden, dass O. vulgaris ein Spielverhalten zeigt«.[15]

Spiel und natürliche Selektion

Lassen Sie uns drei Aspekte des Verhaltens der Kraken 7 und 8 hervorheben, die auch die natürliche Selektion charakterisieren. Das beschriebene Verhalten ist zweckfrei. Die Kraken, die mit ihren Ausatemtrichtern eine Flasche antreiben, haben kein bestimmtes Ziel, keinen Plan und keine Agenda. Sie bewegen lediglich die Flasche, sind ein wenig daran interessiert und wollen sehen, was passiert, wenn die Flasche bewegt wird. Das Verhalten der Kraken ist nur temporär. Sie können aufhören, die Flasche in eine bestimmte Richtung zu treiben, wenn sie ein interessanteres Ergebnis erzielen, zum Beispiel indem sie sie in eine andere Richtung bewegen. Ihr Verhalten ist kontinuierlich und ergebnisoffen. Es kann ein bestimmtes Stadium erreichen – sagen wir, dass die Flasche einen Kreislauf durch das Wasserbecken abschließt –, aber die Aktivität endet in diesem Moment nicht; es ist auch kein Grund für die Kraken vorhanden, die Aktivität zu beenden.

Als die Kraken 7 und 8 die Flaschen im Aquarium hin und her trieben, verkörperten sie drei Merkmale von Darwins Theorie.

a Das Thema zwingt uns zu einer bestimmten Sprach- und Formulierungswahl. Der Homo sapiens ist ein Tier, und doch wird es oft zweckmäßig sein, ihn von anderen zu unterscheiden. Was diese anderen betrifft, so bezieht sich der Ausdruck »nichtmenschliche Tiere« auf Millionen von Arten, als ob sie eine einzige Kategorie wären, und verkennt somit die Individualität dieser Arten – ein besonders schwerwiegendes Versäumnis, da viele Spiele von einzelnen Tieren initiiert werden. Außerdem ist der Ausdruck umständlich, seine wiederholte Verwendung würde das Lesen erschweren. Mit Vorbehalt und in der Hoffnung, dass Sie sich daran erinnern, dass diese mehr als eine Million Arten sich untereinander genauso unterscheiden, wie sie dies von uns tun, schließe ich mich also dem Vorhergehenden an und verwende das Wort »Tier« für die nichtmenschlichen Arten.

b Die Arme eines Kraken haben Saugnäpfe über ihre gesamte Länge, während die Tentakel per Definition nur an ihren äußeren Enden Saugnäpfe haben.

c In Animal Play Behavior bietet Robert Fagen eine Definition an, die die meisten dieser Mängel umgeht. Sie ist sehr umfangreich und enthält eine Prise Fachsprache, aber sie ist bewundernswert umfassend. Außerdem ist sie vorläufig. »Für die Zwecke dieses Buches«, schreibt er (S. 21), »umfasst Spiel nicht aggressive Kämpfe und Verfolgungsjagden, die durch soziale Kooperation aufrechterhalten werden; solitäre und rotierende Bewegungen, die in Abwesenheit von bedrohlichen Raubtieren, Parasiten und Artgenossen ausgeführt werden; sich entwickelnde solitäre oder manipulative Verhaltensweisen, die mit geringfügigen Variationen auf einem zuvor etablierten Beherrschungsniveau wiederholt werden; und ablenkende Effektorinteraktionen [Greif-Aktionen – Anm. d. Ü.] mit einem unbelebten Objekt, die auf die Beendigung einer anfänglichen Phase der sensorischen und beherrschenden Aktivität, einschließlich der explorativen Manipulation, die auf das Objekt gerichtet ist, folgen.«

Kapitel 2 Das Kalahari-Erdmännchen-Projekt: Spiel-Hypothesen

Kurz nach Sonnenaufgang im südlichen Sommer 1999, tief in der südafrikanischen Kalahari-Wüste, kroch die Doktorandin Lynda Sharpe durch Sauerklee und trotzte Schwärmen von stechenden Insekten. Ihre Aufmerksamkeit galt einer Gruppe von Erdmännchen, einer Mungo-Art aus dem südlichen Afrika, die vor ihrem Bau in der Sonne schliefen. Schnell und leise schnappte sie sich eines der Tiere, schnippelte ein Stück Fell ab und markierte seinen Schwanz mit einem Filzstift. Dann machte sie dasselbe mit einem anderen Tier und noch einem weiteren.

Sharpe war Anfang dreißig, mit offenen Gesichtszügen und einer sommersprossigen Haut, was sie noch jünger erscheinen ließ. Sie hatte einen guten Sinn für Humor, scherzte oft, dass das Studium der südafrikanischen Fauna eine besondere Berufswahl sei, und nannte die Erdmännchen, immerhin Raubtiere mit scharfen Krallen, die sich zuweilen gegenseitig die Jungen töten, »meine kleinen Lieblinge«. Aber ihre Absicht an diesem Morgen war ziemlich ernsthaft. Sie hatte die Erdmännchen markiert, damit sie sie unterscheiden und herausfinden konnte, wer von ihnen mehr spielte und mit wem. Wenn sie diese Dinge wüsste, hoffte sie, eine Antwort auf eine seit Langem bestehende Frage zum Verhalten von Tieren zu finden: Warum spielen Tiere?

Die Kosten des Spiels

Spielen scheint offensichtlich wenig mit Überleben zu tun zu haben. Sehr oft scheint es das Überleben eher zu behindern. Spielen ist aufwendig und kostet Energie und Zeit, die besser für Jagd, Nahrungssuche oder Paarung genutzt werden könnte. Es kann auch gefährlich sein und zu Verletzungen und Tod führen. Sibirische Steinbockjunge, die auf Klippen spielen, stürzen gelegentlich ab[1], und junge Grüne Meerkatzen spielen lieber in einiger Entfernung von Erwachsenen, wodurch sie anfälliger für den Raub durch Gelbe Paviane sind.[2] Einer der erschreckendsten Berichte über die Kosten des Spielens stammt von Robert Harcourt, einem Zoologen, der jetzt an der Macquarie University in Sydney, Australien, arbeitet. Er beobachtete südamerikanische Pelzrobben an einem Strand in Punta San Juan, wo jedes Jahr etwa zweitausend Junge geboren werden. Von Januar bis Oktober 1988 beobachtete Harcourt die Robben zu jeder Tageszeit; 102-mal sah er, wie Jungtiere von Mähnenrobben angegriffen wurden, wobei 26 Jungtiere getötet wurden. Von diesen spielten 22 in den flachen Gezeitentümpeln und schienen »die anderen Tiere in der Nähe, die flüchteten, nicht zu bemerken«[3] – ein klarer Beleg, wie das Spiel zu fesseln vermag, und ein dramatischer Beweis für seine Risiken. Spielen bringt viele Nachteile mit sich. Sharpe und andere Wissenschaftler glaubten, dass es im Verhalten von Tieren kein Spiel gäbe, wenn dessen Risiken nicht durch Anpassungsvorteile ausgeglichen und aufgewogen würden. Doch diese Vorteile waren bisher unentdeckt geblieben.

Die Leidenschaften der Tiere

Edward Thompsons Werk The Passions of Animals