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Dan Buettner ist Experte und Entdecker der Blue Zones: der Langlebigkeits-Hotspots, in denen die Menschen besonders gesund altern. Dazu zählen Ikaria in Griechenland, Sardinien in Italien, Loma Linda in Kalifornien, Okinawa in Japan, die Nicoya-Halbinsel in Costa Rica und seit Kurzem auch Singapur, wo gesundheitsfördernde Regierungsmaßnahmen die Lebenserwartung erhöhten. Alles über die neuesten Erkenntnisse der Langlebigkeitswissenschaft!
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Seitenzahl: 251
Veröffentlichungsjahr: 2023
Ein abenteuerlustiger junger Mann erklimmt einen Felsen am Strand. Die Bewohner der italienischen Insel Sardinien sind für ihre außergewöhnlich hohe Lebenserwartung bekannt.
Yoshiko Shimabukuro, 91, Gründerin des Hotels Daiichi auf der japanischen Insel Okinawa, genießt zum Frühstück eine Miso-Suppe.
EINFÜHRUNG
ERSTER TEIL
DIE BLUE ZONES
KAPITEL 1
Sardinien
KAPITEL 2
Nicoya-Halbinsel
KAPITEL 3
Loma Linda
KAPITEL 4
Ikaria
KAPITEL 5
Okinawa
KAPITEL 6
Singapur
ZWEITER TEIL
EINE BLUE ZONE ERSCHAFFEN
KAPITEL 7
Die Kraft der Neun
KAPITEL 8
Leitfaden für Blue-Zone-Ernährung
KAPITEL 9
Ihre eigene Blue Zone
NACHWORT
DANKSAGUNG
QUELLENANGABEN
BILDNACHWEIS
REGISTER
Frank Shearer spielte noch im Alter von 70 Jahren Polo. Der 99-Jährige lebt in Zillah, Washington.
Vieles, von dem wir annehmen, es würde unser Leben verlängern und gesünder machen, führt in die Irre oder ist schlichtweg falsch. Es scheint vernünftig, Diät zu halten, ins Fitness-Studio zu gehen und Vitamine zu uns zu nehmen, oder? Schauen wir uns das mal genauer an.
Im Jahr 2021 gaben die Amerikaner 151 Milliarden Dollar für Vitamine und andere Nahrungsergänzungsmittel aus (Vitamin C, Omega-3-Fettsäuren, Multivitamin-Präparate und Ähnliches). Belastbare Studien belegen jedoch, dass Menschen, die zu Nahrungsergänzungsmitteln greifen, sogar früher sterben als jene, die es nicht tun. Weitere rund 21 Milliarden Dollar investierten die Amerikaner in Eiweißpräparate, dabei nehmen sie nach Angaben der Centers of Disease Control and Prevention im Durchschnitt etwa doppelt so viel Eiweiß zu sich, wie benötigt. Tatsächlich hat sich kein Nahrungsergänzungsmittel und kein Hormon- oder Vitaminpräparat jemals als lebensverlängernd erwiesen.
Das Konzept von körperlicher Bewegung zur Erhaltung und Verbesserung der Gesundheit und Fitness existiert in den Vereinigten Staaten seit mindestens 1820. Es ist tatsächlich eine gute Idee, sich fit zu halten, denn Menschen, die körperlich aktiv sind, haben ungeachtet ihres Alters ein um 30 Prozent geringeres Risiko zu sterben, als solche, die es nicht sind. Doch trotz der 160 Milliarden Dollar, die die Amerikaner jedes Jahr für die Fitness ausgeben, erreicht nur etwa ein Fünftel aller Erwachsenen das empfohlene Mindestmaß von täglich elf Minuten intensiver Belastung. Millionen von Menschen bewegen sich zu wenig.
Desgleichen sind Diätpläne ein gut gemeinter, jedoch völlig untauglicher Versuch, um gesünder und länger zu leben. Sie versagen fast immer und bei nahezu allen. Von 100 Menschen, die sich an Silvester zu einer Diät entschließen, haben die meisten bereits am 19. Januar aufgegeben. Im August werden es nur noch etwa zehn Prozent sein, die sich um eine gesunde Ernährung bemühen, und binnen zwei Jahren rutscht die Quote auf unter fünf Prozent. Würde ein Finanzberater solche Renditen erzielen, würde man ihn feuern. Dennoch geben wir jedes Jahr 200 Milliarden Dollar für Diäten aus und sind überzeugt, dass es beim nächsten Mal klappt.
Wenn aber die üblichen Methoden, gesünder und länger zu leben, nicht greifen, was dann?
In den frühen Nullerjahren beschloss ich, dem Thema Langlebigkeit auf den Grund zu gehen. Unter der Mentorenschaft von Dr. Ancel Keys und Dr. Robert Kane von der School of Public Health der Universität Minnesota stützte ich mich dabei auf zwei Annahmen. Erstens: Unsere Gene haben relativ wenig Einfluss auf unsere Lebenserwartung. Einer dänischen Zwillingsstudie aus dem Jahr 1996 zufolge ist Langlebigkeit nur in geringem Maße vererbbar und lediglich ein Viertel der Abweichungen im Gesundheitszustand sind erblich bedingt. Der Rest wird weitgehend von unserer Umwelt bestimmt. Zweitens: An Orten auf dieser Welt, an denen die Menschen länger leben, machen sie etwas richtig. Ließen sich demografisch gesichert die Regionen ermitteln, in denen die Menschen am längsten leben, und gemeinsame Muster in ihrer Lebensweise identifizieren, so ergäben sich vielleicht Anhaltspunkte.
Statt also im Reagenzglas oder in der Petrischale nach Antworten zu suchen, habe ich mich unter den Menschen umgesehen, die das erreicht haben, was wir uns alle wünschen – ein langes, gesundes Leben und einen wachen Geist bis zuletzt. Die Idee trug mir einen Zuschuss der National Institutes on Aging und einen Auftrag von National Geographic ein.
STATT IM REAGENZGLAS ODER IN DER PETRISCHALE NACH ANTWORTEN ZU SUCHEN, SAH ICH MICH UNTER DEN MENSCHEN UM, DIE DAS ERREICHT HABEN, WAS WIR UNS ALLE WÜNSCHEN – EIN LANGES, GESUNDES LEBEN UND EINEN WACHEN GEIST BIS ZULETZT.
Mit einem Plan im Gepäck machte ich mich auf meine weltweite Suche nach den Oasen der Langlebigkeit. Ich wusste, dass die Ärzte Makato Suzuki, Bradley Willcox und Craig Willcox in Okinawa, Japan bereits eine Volksgruppe identifiziert hatten, die die langlebigsten Menschen der Weltgeschichte hervorgebracht hat. Schnell fand ich heraus, dass auch Dr. Gianni Pes, Medizinstatistiker an der Universität Sassari, auf der italienischen Insel Sardinien nach Hundertjährigen fahndete. Im bergigen Hinterland, das er als »Blue Zone« bezeichnete, stieß er auf eine Ansammlung von Dörfern, in denen der Anteil an Hundertjährigen etwa zehnmal so hoch ist, wie in den Vereinigten Staaten. (Mir gefiel der Begriff »Blue Zone«, und ich übertrug ihn auf sämtliche bestätigte Hotspots der Langlebigkeit weltweit.) Dr. Michel Poulain bestätigte später Pes Erkenntnisse, sie veröffentlichten gemeinsam ihre Ergebnisse im Journal of Experimental Gerontology.
Viele ältere Bewohner der Blue Zone auf Sardinien bleiben aktiv und bestellen einen kleinen Obst- und Gemüsegarten.
In den Vereinigten Staaten veröffentlichte Dr. Gary Fraser von der Loma Linda University die Ergebnisse der Adventist Health Study, die über zwei Jahrzehnte lang das Leben von mehr als 30 000 Siebenten-Tags-Adventisten untersuchte. Er fand heraus, dass die Anhänger der Kirche etwa sieben Jahre länger leben als ihre kalifornischen Mitbürger.
Später leitete ich mit Unterstützung der National Geographic Society Forschungsprojekte zu Langlebigkeits-Hotspots auf der griechischen Insel Ikaria und auf der Nicoya- Halbinsel in Costa Rica. In einer Titelgeschichte für National Geographic aus dem Jahr 2005 und in meinem 2008 erschienenen Buch The Blue Zones: Lessons for Living Longer From the People Who’ve Lived the Longest erstellte ich für jede Blue Zone ein Profil und arbeitete ihre Gemeinsamkeiten heraus. Die Bewohner dieser Hotspots ernährten sich überwiegend vollwertig und pflanzlich, und statt ins Fitness-Studio zu gehen, bewegten sie sich alle 20 Minuten auf natürliche Weise. Tägliche Rituale wie Gebete, Ahnenkult und ein Nickerchen trugen zur Entspannung bei und verringerten das Risiko stressbedingter Entzündungsprozesse. Und lange bevor man über soziale Faktoren in Fragen der Gesundheit sprach, schrieb ich die Langlebigkeit der Sarden ihrer Gewohnheit zu, ihre Eltern auch im Alter in der Nähe zu behalten – was die Lebenserwartung sowohl der Großeltern als auch der Enkel verlängert –, und die Langlebigkeit der Okinawaner ihren sozialen Unterstützungsgruppen (maois genannt) sowie ihrem Lebenssinn (ikigai). (Mehr zu den Einflussfaktoren der Langlebigkeit in Kapitel 7.)
Frauen in traditioneller Tracht ziehen während des jährlichen Sant-Efisio-Festes durch die Straßen von Cagliari auf Sardinien.
Das Blue-Zone-Phänomen der Langlebigkeit ließ jedoch nicht vermuten, dass man die biologischen Grenzen des menschlichen Organismus außer Kraft setzen könnte. Fakt ist, dass die maximale Lebenserwartung für Menschen in der ersten Welt (die also nicht von Infektionskrankheiten wie Malaria, Ruhr oder Cholera betroffen sind) derzeit bei etwa 93 Jahren liegt – bei Männern etwas darunter, bei Frauen etwas darüber. In den Vereinigten Staaten liegt sie hingegen bei nur 77 Jahren. Wir verpassen also 16 Jahre. Warum?
SIE STREBTEN NICHT NACH GESUNDHEIT UND LANGLEBIGKEIT, ALS WÄRE ES EINE LÄSTIGE PFLICHT. ES ERGAB SICH EINFACH AUS IHRER LEBENSWEISE.
Nicht, dass die Menschen in den Blue Zones bessere Gene oder einen überlegenen Körper hätten, auf die meisten traf das nicht zu. Ihnen blieben jedoch die chronischen Krankheiten erspart, die das Leben der Amerikaner verkürzten, von Diabetes über Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz bis zu bestimmten Krebsarten. Nicht etwa, weil sie mehr Disziplin oder Verantwortungsbewusstsein besaßen, sondern weil ihr Umfeld eine spezifische Art zu leben begünstigte. Anders gesagt: Sie strebten nicht nach Gesundheit und Langlebigkeit, als wäre es eine lästige Pflicht. Es ergab sich einfach aus ihrer Lebensweise.
Diese Erkenntnis änderte alles. Statt zu versuchen, ihr Verhalten zu ändern, mussten wir das Lebensumfeld der Amerikaner in den Blick nehmen, ihre Gemeinden, ihre Arbeitsplätze, ihre Wohnungen und die Unternehmen, wollten wir ihre Gesundheit verbessern und ihre Lebenserwartung steigern.
Ich dachte darüber nach, wie ich meine Erkenntnisse über die Blue Zones auf die Vereinigten Staaten übertragen könnte, um die Lebensqualität dort zu verbessern, also gewissermaßen eine eigene Blue Zone zu schaffen. Vor Jahrzehnten finanzierten die National Institutes of Health ein halbes Dutzend Heart Healthy Projects in Städten des ganzen Landes, um Diät- und Bewegungsprogramme umzusetzen und die Gesundheitserziehung zu fördern. In allen Fällen stellten die Forscher kurzfristig eine leichte Verbesserung der Indikatoren für die Herzgesundheit fest, langfristig jedoch führten die Bemühungen zu keiner Verbesserung.
Ich entschied mich für einen anderen Ansatz. Ich würde nicht darauf setzen, das Verhalten der Menschen zu ändern, sondern versuchen, ihr Umfeld physisch, sozial und politisch so zu gestalten, dass gesunde Entscheidungen leichtfallen. Im Jahr 2008 stellte ich mit einem Zuschuss der AARP (Amerikanische Vereinigung der Ruheständler) ein Team zusammen, um einen Versuch zu wagen. Wir sprachen bei fünf Städten in Minnesota vor und entschieden uns für Alberta Lea, eine Gemeinde von 18 000 Einwohnern. Der Bürgermeister, der Stadtdirektor, der Schulleiter, das örtliche Krankenhaus und führende Vertreter der Wirtschaft sagten ihre Unterstützung zu.
Mit einigen der fähigsten Experten des Landes entwickelten wir ein Paket von Maßnahmen, um die Stadt fußgänger- und radfahrerfreundlicher zu gestalten und das Verkehrsnetz schrittweise von auto- auf menschenfreundlich umzustellen. Wir erstellten ein Programm zur Schulspeisung, das auf gesunde Ernährung statt auf ungesunde Fertigkost setzte. Wir überzeugten Restaurants und den Lebensmittelhandel, gesunde Produkte präsenter, leichter zugänglich und attraktiver zu machen. Wir führten ein Blue-Zone-Gelöbnis für Einzelpersonen ein, mit dem Ergebnis, dass sich 25 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ehrenamtlich engagierten und an Workshops für zielorientiertes Handeln teilnahmen. Schließlich erarbeiteten wir ein Konzept, um Gleichgesinnte in Walking-Gruppen zusammenzubringen, um sie zur Bewegung zu animieren und die Entstehung neuer Freundschaften zu fördern. Wir wussten, wenn Freundschaften im Rahmen gesunder Aktivitäten entstehen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass dieses Verhalten zur Gewohnheit wird.
Das erste Blue-Zone-Projekt lief über etwa 18 Monate. »Die Ergebnisse waren erstaunlich«, so Dr. Walter Willett von der Harvard-Universität gegenüber dem Magazin Newsweek. Wie die von Gallup erhobenen Daten zeigten, stieg die durchschnittliche Lebenserwartung um drei Jahre, während die Kosten für die Gesundheit in der Stadt gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent sanken. Das Projekt wurde zum Erfolg. Nicht weil wir versucht hatten, 18 000 Menschen zu bekehren – wir hatten einfach ihr Umfeld verändert.
Angehörige bereiten für einen Hundertjährigen in seinem Haus auf der Nicoya-Halbinsel in Costa Rica eine Mahlzeit zu.
Inzwischen haben wir das Blue-Zone-Modell auf 72 Städte ausgedehnt, von Fort Worth in Texas bis nach Naples in Florida, sowie flächendeckend in den Bundesstaaten Iowa und Hawaii eingeführt. Wir verändern die Dinge zum Besseren, Gemeinde für Gemeinde.
Fast 20 Jahre, nachdem ich erstmals mit einem Rucksack auf Sardinien gelandet war, kehrte ich für die Produktion einer vierteiligen Netflix-Serie in sämtliche Blue Zones zurück. Wie der Rest der Welt haben sich auch die Blue Zones verändert, vor allem durch die Modernisierung und den verheerenden Einfluss der Fast-Food-Kultur. Doch eine Vielzahl von Wissenschaftlern erforscht sie weiter. Dr. Luis Rosero-Bixby verfolgte die gesundheitliche Entwicklung auf der Nicoya-Halbinsel. Dr. Gary Fraser wertet weiter die über Jahrzehnte angelegten Adventist Health Studies aus, um neue Leitlinien der Ernährung zu erarbeiten. Und auch Suzuki und die Willcoxes haben nach wie vor ihre Hundertjährigen in Okinawa im Blick. Pes, meiner Ansicht nach der weltweit größte Experte für Langlebigkeit, beschäftigt sich nach wie vor mit den Bergdörfern Sardiniens, deren starke Traditionen und Isolation weiter jene Faktoren bewahren, die sie so besonders machen. Und Romain Legrand, Wissenschaftler am Universitätsklinikum Dijon, veröffentlichte unlängst eine Umfrage auf Ikaria unter Menschen über 85 Jahren, die bestätigt, wie wichtig es ist, soziale Kontakte zu pflegen, ein Nickerchen zu halten, im Meer zu schwimmen, einen Garten zu pflegen und vieles mehr.
Ein Mädchen dreht eine Runde mit dem Fahrrad. In Okinawa leben Frauen länger als fast überall sonst auf der Welt.
Zudem ist eine weitere Blue Zone in unseren Fokus gerückt. Während meines Aufenthaltes in Singapur im Rahmen einer Reportage über Glück für National Geographic war ich fasziniert vom erfolgreichen Konzept des kleinen Landes, die Lebensqualität seiner Bürger proaktiv zu verbessern. Als ich die Statistiken des Landes zur Gesundheit untersuchte, stellte ich fest, dass die Lebenserwartung seit 1965 um sagenhafte 35 Jahre gestiegen ist. Heute haben die Singapurer die höchste krankheitsfreie Lebenserwartung der Welt.
WEHMÜTIG DACHTE ICH AN DIE MEHR ALS 30 REISEN ZURÜCK, DIE ICH IM LAUFE DER JAHRE UNTERNOMMEN, UND DIE VIELEN HUNDERTJÄHRIGE, DIE ICH GETROFFEN HATTE.
Obwohl ich für die Netflix-Serie mit einem etwa 20-köpfigen Produktionsteam unterwegs war, fand ich gelegentlich die Zeit, über meine Erfahrungen in den Blue Zones nachzudenken. Wehmütig dachte ich an die mehr als 30 Reisen zurück, die ich im Laufe der Jahre unternommen und an die vielen Hundertjährigen, die ich getroffen hatte. Während der viermonatigen Dreharbeiten entstanden fast 100 Seiten mit Notizen und mir wurde bewusst, dass ich umfassende Erkenntnisse über die Blue Zones gewonnen hatte. Diese Notizen inspirierten mich zu diesem Buch.
Eines späten Abends in Singapur, übermüdet und im Jetlag, schrieb ich Folgendes in mein Tagebuch: Obwohl wir in den Vereinigten Staaten im wohlhabendsten Land in der Geschichte der Menschheit leben, ist unser Volk übergewichtiger, zerrissener und ungesünder denn je. Die Lebenserwartung ist in den letzten vier Jahren jedes Jahr gesunken, ebenso die allgemeine Zufriedenheit. Wenn also Wohlstand, wie er bei uns herrscht, nicht die Lösung ist, was dann?
Ich dachte an die Blue Zones zurück, wo ich den unschätzbaren Wert der Entschleunigung, den ausgiebigen Schwatz mit Nachbarn, die häusliche Küche und die entspannten Mahlzeiten in der Familie kennengelernt hatte. Ich erinnerte mich an die frappierend simple Freude, das Lenkrad loszulassen und mich wieder auf die eigenen Beine zu stellen, der Familie näher zu sein, der Schönheit und der Natur und dem Rhythmus des Lebens, der das Tempo der menschlichen Spezies über 25 000 Generationen bestimmt hat.
Ich hoffe, dieses Buch animiert Sie, etwas ebenso Lohnendes in Ihrem Leben zu finden.
Sardisches Fladenbrot, frisch aus dem Holzfeuerofen, aufgebläht und noch warm.
Großeltern geben Liebe und Geborgenheit, leisten finanzielle Unterstützung und Hilfe bei der Kinderbetreuung, sie vermitteln Lebenserfahrung und Vertrauen und sind Motivation, die Traditionen zu bewahren und die Kinder zu fördern.
Ein junges Familienmitglied umarmt den hundertjährigen Giovanni Sannai.
Die Blue Zone der Insel konzentriert sich auf eine Ansammlung von Bergdörfern.
Der Anteil an Hundertjährigen ist auf Sardinien zehnmal so hoch wie in den Vereinigten Staaten.
Die sardischen Hirten ernährten sich hauptsächlich von Brot und Käse.
Die Erbanlagen der lange isoliert lebenden Bevölkerung begünstigen möglicherweise eine hohe Lebenserwartung.
Aus der Luft wirkt das Dorf Villagrande Strisaili wie ein orangefarbener Farbtupfer auf einem riesigen grünen Teppich. Aus der Nähe erkennt man weiß getünchte Häuser mit Bars und Bäckereien, die sich die steilen Kopfsteinpflasterstraßen hinabziehen. Mit nur 3000 Einwohnern ist Villagrande das größte der sechs Dörfer in der Blue Zone Sardiniens, einer kleinen Region im Zentrum der Insel, die schon lange als Hotspot der Langlebigkeit bekannt ist. Von den 17 865 Menschen, die zwischen 1880 und 1900 in den sechs Dörfern Artzana, Baunei, Seulo, Talana und Urzulei geboren wurden, erlebten mindestens 91 ihren 100. Geburtstag.
Hier in der Blue Zone feiert man die Hundertjährigen wie Lokalhelden, deren gemalte Porträts entlang der Straßen die Mauern zieren. Als ich kürzlich mit meinem Freund Gianni Pes, Medizinstatistiker an der Universität Sassari, in das Dorf zurückkehrte, hing an der Fassade des Hauses, das wir besuchten, ein Transparent. Darauf stand: Buon 101° Compleanno Zia Giulia (Alles Gute zum 101. Geburtstag, Tante Giulia). Drinnen saß Giulia Pisanu mit fünf Nichten und Neffen an einem runden Tisch. Sie trug einen blauen Pullover über einer geblümten Bluse und ein breites Lächeln im Gesicht.
»Ich bin nie allein«, sagte sie und deutete auf ihre Familie. »Sie ist fast wie eine Mutter für uns«, sagte Teresa Pisanu, die älteste ihrer Nichten, die alle zwischen sechzig und siebzig sind.
Seit Jahren schon scharen sich Giulias Nichten um ihre hochbetagte Tante. Mindestens eine hilft ihr täglich bei der Hausarbeit oder schaut einfach nur vorbei, um ihr Gesellschaft zu leisten. Als ich mich in dem Wohnzimmer umsah, bemerkte ich ein hochgeklapptes Bett an der Wand. Dort schliefen die Nichten, wenn sie an der Reihe waren, bei ihrer Tante zu bleiben, erklärten sie.
Gemüse und Kräuter aus regionalem Anbau sind wichtiger Bestandteil der sardischen Küche.
»Wir tun nichts Besonderes«, sagte Teresa. »Wir sorgen nur dafür, dass sie anständig isst, helfen ihr beim Baden und führen sie aus, um Zeit mit Freunden und der Familie zu verbringen.«
»Sie haben doch sicher auch etwas davon«, forschte ich vorsichtig nach.
»So denken wir nicht«, entgegnete sie. »Für uns stellt sich nicht mal die Frage. Wir tun es, weil es eine Familie nun mal tut.«
Ich nickte voller Bewunderung. Bereits bei meinem ersten Besuch zwei Jahrzehnte zuvor war ich beeindruckt vom familiären Zusammenhalt der Sarden, vor allem von ihrer Loyalität gegenüber den Älteren. Wie schon in meinem Buch The Blue Zones von 2008 erwähnt, gibt es in diesen Orten keine Einrichtungen zur Langzeitpflege. Hier werden Senioren nicht in Altenheimen »entsorgt«, wie man es vielfach in den Städten tut, hier wächst der Respekt mit zunehmendem Alter. Die jüngere Generation fühlt sich den Eltern und Großeltern in liebevoller Weise verbunden. So hatten von den etwa 50 Hundertjährigen, die ich vor langer Zeit befragte, alle bis auf eine Person eine Tochter oder Enkelin, die sich aktiv um sie kümmerte.
Von den Älteren, die bei ihrer Familie leben, erwartet man in Villagrande, dass sie bei der Kinderbetreuung, in der Küche, bei der Gartenarbeit oder bei anderen im Haushalt anfallenden Dingen helfen. Es gibt ihnen das Gefühl, gebraucht zu werden, eine Aufgabe zu haben und stärkt ihre Selbstachtung. Statt in den Ruhestand versetzt zu werden, erfahren sie Zuwendung, die sie mit Zuwendung erwidern.
»Das ist äußerst wichtig«, so Pes, der weltweit mehr als 500 Hundertjährige befragt hat. »Ihre Familie hält sie geistig und sozial auf Trab.«
Gemeinsam mit dem belgischen Demografen Michel Poulain und Luisa Salaris von der Universität Cagliari wies Pes erstmals nach, dass die männlichen Hundertjährigen in Villagrande die weltweit am längsten lebenden Männer sind. In den meisten Teilen der Welt ist der Anteil an hundertjährigen Frauen viermal so hoch wie der der Männer. In Villagrande ist das Verhältnis fast eins zu eins.
Hinzu kommt, so Pes, dass die Einwohner in Villagrande in der Regel bis zuletzt geistig gesund sind. Nur 19 Prozent der Älteren über 90 leiden an einer Form von Demenz, verglichen mit 33 Prozent in den USA. »Diese Blue Zone lehrt uns, dass Demenz kein unausweichliches Schicksal älterer Menschen sein muss«, konstatierte er.
Aber was ist das Geheimnis?
Um die Faktoren zu ergründen, die für die außergewöhnlich hohe Lebenserwartung der Sarden verantwortlich sind, führte Pes seit den 1990er-Jahren auf der gesamten Insel umfangreiche Befragungen zur Lebensweise von Hundertjährigen und ihrer Familien durch. Aus Unmengen von Daten zur Krankengeschichte, Ernährung, den körperlichen Aktivitäten und zum Stammbaum filterte er einige Anhaltspunkte heraus.
Süße und herzhafte Kartoffelküchlein, frisch aus dem Ofen.
Giovanni Sannai, 103, am Kopfende des Tisches sitzend, isst regelmäßig mit seiner Großfamilie.
Einer davon waren gute Gene. Wie sich herausstellte, hatten viele Hundertjährige Geschwister oder Eltern, die ebenfalls sehr alt wurden oder waren, was einen möglichen genetischen Einfluss nahelegt. Frühere Studien hatten gezeigt, dass sich die Sarden von anderen Europäern genetisch unterscheiden. Könnte die relative Isolation der Region eine Art genetischen Brutkasten geschaffen haben, der manche Merkmale verstärkt, andere unterdrückt und so eine Formel der Langlebigkeit hervorgebracht hat?
Laut Paolo Francalacci, Evolutionsanthropologe an der Universität Sassari, der die DNS der Inselbewohner untersuchte, stammen die Sarden ursprünglich aus Iberien. Vor etwa 14 000 Jahren siedelte eine kleine Gruppe genetisch verwandter Menschen mit einem distinkten genetischen Marker, der M26-Linie des Y-Chromosoms, nach Sardinien über. »Dieser genetische Marker kommt heute bei 35 Prozent aller Sarden vor, ist andernorts hingegen sehr selten«, sagte er.
Einige der von ihren Vorfahren vererbten Eigenschaften erwiesen sich als negativ, etwa die höhere Inzidenz von Typ-1-Diabetes und Multipler Sklerose. Andere wiederum waren positiv, wie die Resistenz gegen Malaria und eine höhere Lebenserwartung. Kommen genetische und kulturelle Isolation zusammen, ergeben sich einige interessante Ergebnisse, so Francalacci. »Die Sarden bewahrten nicht nur ihre genetischen Merkmale, sondern auch ihre ökonomische Eigenständigkeit und ihre traditionellen sozialen Werte wie den Respekt vor den Älteren als Quelle der Lebenserfahrung, die Bedeutung der Familienclans und der ungeschriebenen Gesetze – all das erwies sich im Laufe der Jahrhunderte als wirksames Bollwerk gegen fremde Einflüsse.«
Getreide wie Gerste wächst wild an den zerklüfteten Hängen Sardiniens.
Könnte dieses besondere Milieu im wechselseitigen Zusammenspiel mit dem einzigartigen Gensatz Sardiniens eine Population von superalten Menschen hervorgebracht haben?
Möglicherweise. Doch Pes hatte Zweifel. Zu viele andere Erkenntnisse sprachen gegen eine rein genetische Erklärung. »Nehmen wir zum Beispiel die Gene für Entzündungen«, sagte er. »Wir hatten erwartet, etwas Interessantes in der sardischen DNS zu finden. Wir haben mehrere Dutzend Genvarianten untersucht, die mit Entzündungen in Verbindung stehen, es gab jedoch keine Hinweise auf ihre Bedeutung für das Überleben der Sarden. Dasselbe gilt für Gene, die in Zusammenhang mit Krebs und Herz- Kreislauf-Erkrankungen stehen.
Zelebranten bereiten sich auf eine Osterprozession in Orosei vor. Die Karwoche wird auf der ganzen Insel mit Bräuchen und Umzügen begangen, die größten werden von seit Jahrhunderten bestehenden Bruderschaften organisiert. Studien ergaben, dass Menschen, die einer Glaubensgemeinschaft angehören, vier bis 14 Jahre länger leben.
DIE SARDEN BLIEBEN KÖRPERLICH AKTIV, IHRE ARBEIT WAR JEDOCH WEDER STRESSIG NOCH STRAPAZIÖS, ALLERDINGS MUSSTEN SIE TÄGLICH VIELE KILOMETER ZURÜCKLEGEN.
(im Uhrzeigersinn von oben links): Malerische Dörfer, faszinierende Meerblicke und frische Produkte gehören zu den vielen Reizen Sardiniens.
Nicht nur das: Auch die Ehepartner der sardischen Hundertjährigen lebten länger als ihre Geschwister, wie er feststellte, was darauf hindeutet, dass Ernährung und Lebensweise der Eheleute einen größeren Einfluss auf die Gesundheit und Lebenserwartung haben als die Gene.
Mit Blick auf die Ernährung der Hundertjährigen durchforstete Pes Dutzende Untersuchungen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Diese von Mitarbeitern des öffentlichen Gesundheitswesens durchgeführten Erhebungen offenbarten, dass sich die Sarden früher ausgesprochen einfach ernährten. Die Menschen aßen hauptsächlich Brot, heißt es in einer Erhebung aus dem Jahre 1941. »Die Bauern brechen frühmorgens mit einem Kilo Brot in der Satteltasche zu ihren Feldern auf … Ihr Mittagessen besteht ausschließlich aus Brot und, bei wohlhabenderen Familien eventuell etwas Käse, während sich die Mehrheit der Arbeiter mit einer Zwiebel, ein wenig Fenchel oder einem Bund Ravanelli (Radieschen) begnügt. Das Abendessen der Familie besteht aus einer Gemüsesuppe (Minestrone), in die die Reichsten noch etwas Pasta hineingeben.«
Im Bergdorf Fonni feiern die Einwohner das alljährliche Erlöserfest.
Das änderte sich, als die Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg vom italienischen Festland zurückkehrten, wo sie die Mittelmeerkost aus Pasta, mehr Obst und Gemüse und Fleisch in Maßen, vor allem Schwein und Lamm, zu schätzen gelernt hatten. Pes vermutete, dass diese Umstellung der Ernährung den Bewohnern der Blue Zone genau zum richtigen Zeitpunkt den dringend benötigten Nährstoffschub bescherte, um diese bemerkenswert hohe Lebenserwartung zu erreichen.
Leider haben inzwischen Chips, Limonaden, gezuckerte Joghurts, Pizza und Burger die Insel überschwemmt und frisches Obst und Gemüse verdrängt. Selbst in Villagrande gibt es heute mehrere Pizzerien und Eisdielen. Eine absehbare Zunahme von Fettleibigkeit, Diabetes und Herzerkrankungen sind die Folge.
Bei der Analyse von Blutproben von Sarden, die sich noch immer auf traditionelle Weise ernähren, stieß Pes jedoch auf einige Erklärungsansätze für ihr erfolgreiches Altern. »Im Darm älterer Menschen geschieht etwas Interessantes«, sagte er.
In der Blue Zone Sardiniens ist der Anteil einer speziellen Fettsäure im Blut der über 90-Jährigen doppelt so hoch wie bei anderen Italienern. Diese ungeradkettige gesättigte Fettsäure wird unter anderem mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und chronischen Entzündungen in Verbindung gebracht.
Doch geht sie nicht etwa aus dem Verzehr von Milch, Käse oder anderen Bestandteilen der traditionellen sardischen Kost hervor. Wahrscheinlich, so vermutet Pes, wird sie von der Darmflora gebildet, möglicherweise bei der Vergärung von Ballaststoffen. Wenn sich das belegen ließe, wäre es ein weiteres Argument für die Vorzüge einer vornehmlich pflanzlichen Ernährungsweise.
Forscher analysierten in den Gedärmen von Hundertjährigen auch eine größere Vielfalt an Bakterien als zu erwarten war, fügte Pes hinzu. Gewöhnlich nimmt die Anzahl der Arten in Folge der veränderten Ernährungs- und Lebensweise und des Einsatzes von Antibiotika mit zunehmendem Alter ab. Auf Sardinien hingegen ergab eine Analyse eine größere bakterielle Vielfalt als sie normal ist – eher wie im Darm eines 60-Jährigen. Ein weiterer Hinweis auf die verlangsamte Alterung in der Blue Zone.
Türme überragen das Castello, die Altstadt von Sardiniens Hauptstadt Cagliari.
Dagegen war der Gehalt an Schilddrüsenhormonen im Blut der sardischen Hundertjährigen ungewöhnlich niedrig, so Pes. Obwohl diese Hormone unerlässlich für Wachstum und Stoffwechsel sind, wird eine verminderte Schilddrüsenfunktion auch mit einer höheren Lebenserwartung in Verbindung gebracht. Eine Theorie führt diese Unterfunktion auf Jodmangel zurück. Wie Pes betont, sind auf Fotos von sardischen Frauen von vor etwa hundert Jahren vielfach Kröpfe (vergrößerte Schilddrüsen) zu sehen, die auf Jodmangel zurückzuführen sind. Eine andere Erklärung könnte die Ernährung der Sarden liefern, die einen großen Anteil an Kreuzblütlern wie Blumenkohl, Brokkoli sowie Weiß- und Grünkohl umfasste. Zwar steht der Nachweis noch aus, doch enthalten diese Gemüse Verbindungen, die in Verdacht stehen, die Schilddrüsenfunktion zu beeinträchtigen.
SARDISCHES FLADENBROT
Typisch für Sardinien ist pane carasau, ein dünnes, knuspriges Fladenbrot von runder Form, das seiner Gestalt und seines brüchigen Knisterns wegen in anderen Teilen Italiens auch »Notenblatt« (carta di musica) genannt wird. Es hat seinen Ursprung in früheren Zeiten, als die Schafhirten ein Nahrungsmittel brauchten, das während ihrer langen Abwesenheit von zu Hause nicht verdarb. Auf Sardinien kommt pane carasau zu fast jeder Mahlzeit auf den Tisch und bildet die Grundlage vieler anderer Gerichte. Es wird traditionell einmal pro Monat gemeinsam von den Dorffrauen gebacken.
In der Region Ogliastra bereitet ein älterer Herr in Erwartung seiner Freunde das Essen und den Wein vor.
Die Ernährungsgewohnheiten erzählen jedoch nicht die ganze Geschichte, wenn es um die hohe Lebenserwartung der Sarden geht. Wie Pes betont, spielen noch andere Faktoren der Lebensweise eine bedeutende Rolle, darunter die berufliche Tätigkeit der am längsten lebenden Menschen. Die Analyse seiner Fragebögen ergab zwei eng mit der Lebenserwartung verbundene Faktoren.
Zum einen blieben die Sarden körperlich aktiv. Vor fünfzig Jahren waren die meisten Männer in der Blue Zone Schafhirten oder Bauern, die den ganzen Tag in Bewegung waren. Ihre Arbeit war zwar nicht übermäßig strapaziös, doch mussten sie täglich viele Kilometer zurücklegen. Diese Bewegung von eher geringer Intensität könnte erklären, warum die Wahrscheinlichkeit hundert zu werden, bei den Schafhirten zehnmal höher lag als bei anderen Italienern.
Ein weiterer Faktor war das steile Gelände in der Blue Zone. Um ihre Tiere von den Hochlagen in die Ebene zu bringen, mussten die Hirten die felsigen Berge des Gennargentu hinauf- und hinabklettern. Und auch in den Dörfern bedeutet jeder Gang zu einem Laden, zu einer Bar oder zu Freunden erneut ein Auf und Ab auf steilen Straßen.
Die nächste Generation erlernt die Zubereitung von culurgiones: Michela Demuro zeigt ihrer Tochter Nina, wie die Teigtaschen mit einer Mischung aus Kartoffeln, Schafskäse und Minze gefüllt werden, während die Großmutter Franca Pira (rechts) und die Nachbarinnen Angela Loi und Marisa Stochino den Teig bearbeiten. Culurgiones stammen aus der Provinz Ogliastra im Osten der Insel.
Aus einem Teil der auf dem Weingut Sella & Mosca gelesenen Trauben wird Sardiniens unverwechselbarer Rotwein Cannonau di Sardegna gekeltert.
Daraus können wir alle etwas lernen, meint Pes. Wir neigen zu der Annahme, dass eine gute Gesundheit intensive, adrenalingeladene Trainingseinheiten erfordere, doch wenn wir die Muskulatur überanstrengen, fluten wir unserer Zellen mit freien Radikalen, die uns schneller altern lassen. Die Männer und Frauen auf Sardinien hingegen absolvierten ein langes Muskeltraining, allerdings taten sie es in ihren Gärten, mit ihrem Vieh oder auf dem Weg zur Kirche und zurück. Ihre Lebensweise und ihre Umgebung lieferten die natürliche Grundlage für ihre Kondition.
Nimmt man all diese Faktoren zusammen – eine besondere genetische Vorgeschichte, eine streng traditionsverbundene Kultur und eine von ständiger Bewegung geprägte Lebensweise – so hat man die meisten Zutaten zusammen, die für ein langes, gesundes Leben sorgen, so Pes.
Es kam aber noch ein weiterer Faktor hinzu – vielleicht sogar der wichtigste. »Es ist ihre Einstellung«, sagt Pes. »Sie sind optimistisch, neugierig und pflichtbewusst, ja fast herrisch. Einen traurigen Hundertjährigen sieht man hier sehr selten.«
ZUBEREITUNG: 8 STUNDEN MIT GETROCKNETEN BOHNEN; 30 MINUTEN MIT BOHNEN AUS DER DOSE•FÜR 4 PERSONEN
In allen sechs Dörfern der Blue Zone Sardiniens ist man stolz auf seine Sommer- und Winterrezepte für Minestrone. Die duftende Suppe bietet nicht nur jede Menge Gemüse, sondern auch eine volle Tagesration an Bohnen, meine liebste lebensverlängernde Einlage für ein langes Leben. Bei den Melis, der langlebigsten Familie der Welt, kommt diese reichhaltige Suppe jeden Mittag auf den Tisch.
Meist essen wir gewöhnlich nur die Knollen des Fenchels, die Sarden hingegen nutzen auch das aromatische Kraut, das reich an Antioxidantien ist. Wie der Langlebigkeitsforscher Gianni Pes erklärt, erhöht eine längere Garzeit die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen wie dem Lycopin in Tomaten und anderer Carotinoiden und Antioxidantien.
7 EL natives Olivenöl extra
1 mittelgroße Zwiebel, gehackt
2 mittelgroße Karotten, geschält und gehackt
2 Stangen Sellerie, gehackt
2 Knoblauchzehen, abgezogen und gehackt
1 große Dose (800 g) gehackte Tomaten
3 mittelgroße Kartoffeln, geschält und gewürfelt
1 Knolle Fenchel samt Grün, gewürfelt
1 Handvoll glatte Petersilie, gehackt
2 EL gehacktes frisches Basilikum
90 g getrocknete geschälte Dicke Bohnen, über Nacht eingeweicht, oder 1 Dose Dicke Bohnen (400 g), abgetropft
90 g getrocknete Borlotti-Bohnen, über Nacht eingeweicht, oder 1 Dose Borlotti-Bohnen (400 g), abgetropft
90 g getrocknete Kichererbsen, über Nacht eingeweicht, oder 1 Dose Kichererbsen (400 g)
120 g Fregula (kugelförmige Pasta aus Sardinien), israelischer Couscous oder Acini di Pepe
½ TL Salz
½ TL frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
In einem großen Suppen- oder Schmortopf 3 EL Olivenöl bei mittlerer bis hoher Temperatur erhitzen.
Die Zwiebel, die Karotten und den Sellerie dazugeben und unter häufigem Rühren etwa 5 Minuten anschwitzen, bis das Gemüse weich, jedoch nicht gebräunt ist. Den Knoblauch unterrühren.
Die Tomaten, die Kartoffeln, den Fenchel, die Petersilie, das Basilikum sowie die abgetropften Dicken Bohnen, Borlotti-Bohnen und Kichererbsen hinzufügen und alles etwa 2,5 cm hoch mit Wasser bedecken.
Die Mischung bei starker Hitze zum Kochen bringen, dann auf kleiner Flamme unbedeckt etwa 1½ Stunden leise köcheln, bis die Hülsenfrüchte weich sind. Bei Bedarf weiteres Wasser zugießen. Bohnen und Kichererbsen aus der Dose lediglich 10 Minuten garen.