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Ein Großrancher verjagt systematisch seine Nachbarn, um sich deren Land anzueignen. Wer sich ihm nicht fügt, wird bedroht und riskiert sein Leben. Doch dann taucht ein Fremder in der Stadt auf, der aus dem Osten kommt und offensichtlich keine Ahnung hat, in welches Wespennest er sticht. Doch dem Großrancher und seinen Leuten vergeht schon bald das Lachen.... Ein weiterer spannender Western von Starautor Wolf G. Star
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Seitenzahl: 150
Das Greenhorn aus dem Osten
Das Greenhorn aus dem Osten
Wolf G. Star
Impressum
Copyright: Novo-Books im vss-verlag
Jahr: 2024
Lektorat/ Korrektorat: Franz Groß
Covergestaltung: Hermann Schladt
Verlagsportal: www.novobooks.de
Gedruckt in Deutschland
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig
Thorn Hickley fluchte halblaut vor sich hin, als er die beiden Männer in den Ranchhof reiten sah. Mit einem schnellen Griff vergewisserte er sich, dass der Colt im Halfter steckte.
Inzwischen hatten die ungebetenen Besucher den Brunnen erreicht und zügelten die Pferde. Der Rancher ging ihnen einige Schritte entgegen, hielt jedoch genügend Abstand, um beide voll im Blickfeld zu haben.
»Hi, Mr. Hickley«, grüßte einer der beiden Reiter und tippte lässig an seinen Stetson. Sein breiter Dialekt verriet, dass er aus Texas kam. Er war jung, keine zwanzig Jahre alt und seine blauen Augen blickten den Rancher herausfordernd an. »Mir scheint, dass du dich über uns gar nicht freust, oder irre ich mich da sehr?«
Thorn Hickley wusste, dass an diesem Gesindel eher unerschrocken gegenübertreten musste.
»Du hast es genau erfasst«, sagte er heiser. »Verschwindet von meiner Ranch, bevor ich die Geduld verliere.«
»Aber, aber«, ließ sich nun der zweite Reiter vernehmen. Er sprach ruhig und befehlsgewohnt.
Thorn Hickley wusste, dass dies Trace Blue war, ein älterer erfahrener Revolverkämpfer, der seit einiger Zeit für Antony Swarn arbeitete, den jetzigen Besitzer der W-im-Kreis-Ranch. Auch Mel Bannings, der junge Texaner, ritt für diesen Mann, der vor kurzem überraschend im County aufgetaucht war und die größte Ranch des Gebietes gekauft hatte. Allerdings unter sehr merkwürdigen Umständen, wie Thorn Hickley wusste, denn seit dem überraschenden Vertragsabschluss waren die alten Whitelows spurlos verschwunden.
Trace Blue setzte sich im Sattel zurecht und sah den Smallrancher kalt an. »Das sind Töne, wie wir sie gar nicht lieben. Du solltest etwas höflicher sein. Unser Boss, Mr. Swarn, schickt uns. Er möchte eine Antwort auf sein Schreiben haben, das er dir in der letzten Woche zustellen ließ.«
Thorn Hickley ballte in unterdrückter Wut die Hände. »Glaubt er denn wirklich im Ernst, dass ich auf sein lächerliches Angebot eingehe?« rief er aus. »Fünftausend Dollar für dieses Land und die Ranch. Das ist der Gipfel der Frechheit. Sagt ihm das, und richtet ihm aus, dass ich auch nicht für den zehnfachen Preis meinen Besitz verkaufe. Und jetzt verschwindet endlich, damit ich wieder saubere Luft atmen kann!« Er legte die Hand auf den Coltgriff, um zu zeigen, dass er mit seiner Geduld am Ende war.
Die beiden Revolvermänner sahen sich nur kurz an. Sie schienen mit einer derartigen Reaktion gerechnet zu haben.
In Mel Bannings Augen blitzte es gefährlich auf. »Du solltest keine so großen Töne spucken, Mister«, sagte er drohend. »Es wäre für dich wirklich gesünder, wenn du Antony Swarns Wünsche erfüllen würdest.«
»Den Teufel werde ich!« erwiderte Thorn Hickley wütend. Auf seiner Stirn zeigten sich feine Schweißtropfen. »Macht, dass ihr von meiner Ranch kommt, sonst könnte es sein, dass ich mich vergesse.«
»Er will es nicht anders, Trace«, ließ sich da Mel Bannings vernehmen.
»Was habt ihr vor?« fragte Thorn Hickley voll böser Ahnungen. Er verwünschte die Tatsache, dass er heute seine drei Ranchhelps nach Albuquerque zum Einkaufen geschickt hatte. Allein hatte er gegen diese beiden ausgekochten Revolverschwinger keine Chance.
»Das wirst du gleich sehen«, drang Trace Blues ruhige Stimme in seine durcheinanderwirbelnden Gedanken. Der Revolvermann zog sein Pferd herum und ritt langsam zur großen Scheune hinüber, die etwas abseits von den übrigen Gebäuden der Ranch lag.
Mit immer größer werdender Unruhe beobachtete Thorn Hickley, wie Trace Blue sich geschmeidig aus dem Sattel schwang, gelassen zu dein Gebäude ging und das große Tor öffnete.
Dann war er im Innern verschwunden. »He, was hat er da drin vor?« fragte der Rancher heiser. Er machte Anstalten, Trace Blue zu folgen, doch da krachte ein Schuss, und unmittelbar vor seinen Füßen spritzte der Sand auf. Thorn Hickkley blieb stehen, als wäre er gegen eine Mauer geprallt und sah voller Hass zu Mel Bannings, der lässig den Revolver hielt.
»Du wirst schön hierbleiben«, sagte der Texaner warnend »Die nächste Kugel geht nicht mehr in den Boden.«
Verzweifelt sah Hickley den Schießer an. Es war deutlich zu sehen, dass diesem die augenblickliche Situation Spaß machte. Mit brennenden Augen starrte der Rancher zur Scheune hinüber, aus derem Innern undefinierbare Geräusche drangen.
Dann tauchte Trace Blue plötzlich wieder auf. Mit schnellen Bewegungen zog er sich in den Sattel und trieb das Tier auf die beiden wartenden Männer zu. Ein zufriedener Ausdruck lag auf seinem Gesicht. »Alles klar«, sagte er kurz zu Mel Bannings, dann wandte er sich an den Rancher. »Du hast noch einmal acht Tage Zeit, dir Mr. Swarns Angebot zu überlegen, dann kommen wir wieder.« Ohne ein weiteres Wort rissen die beiden ihre Pferde herum, gaben ihnen die Sporen und jagten von der Ranch.
Thorn Hickley sah ihnen verständnislos nach, dann ruckte sein Kopf wieder zur Scheune hinüber. Seine Augen weiteten sich entsetzt. Feiner Rauch zog im schwachen Wind träge davon, und nun bemerkte Thorn Hickley auch den Brandgeruch, der schnell stärker wurde. Sekundenlang stand er wie erstarrt, sah die dichter werdenden Rauchwolken aus der Scheune quellen und auch die ersten züngelnden Flammen.
Mit einem verzweifelten Schrei stürzte er vorwärts, doch in derselben Sekunde erkannte er, dass er zu spät kommen würde. Mit großer Geschwindigkeit fraß sich das Feuer in das trockene Holz, vernichtete unersetzliche Geräte und die eingelagerten Wintervorräte. In ohnmächtigem Zorn musste Thorn Hickley mit ansehen, wie er einen Teil seines Besitzes verlor.
Während er in die hell lodernden Flammen starrte, beherrschte ihn nur ein Gedanke: Für diesen hinterhältigen Überfall musste Antony Swarn bezahlen.
*
»Brrr! Halt, meine Guten!« rief der Kutscher, betätigte die Handbremse und zog an den Zügeln. In einer gewaltigen rotbraunen Staubwolke kam die Postkutsche vor der Station an der Main Street von Albuquerque zum Stehen. Der Mann sprang vom Gefährt und riss eine Wagentür auf. »Aussteigen, meine Herrschaften!« rief er mit einer Stimme, der die Erleichterung anzumerken war. »Wir sind am Ziel. Sie befinden sich in Albuquerque, der schönsten Stadt in New Mexico!«
»Na, das wurde aber auch Zeit«, ließ sich einer der Passagiere vernehmen, ein sehr korpulenter Mann mit einer spiegelnden Glatze, der schnaufend die Kutsche verließ. »Von diesem ewigen Hin- und Herschaükeln wird man ganz krank.« Er zog ein riesiges buntkariertes Taschentuch hervor und wischte sich demonstrativ über den Kopf. Dann sah er sich um, entdeckte auf der gegenüberliegenden Straßenseite den Golden-Star-Saloon und lachte meckernd. »Ha.ha!« rief er aus. »Dort werde ich mir erst mal einen ordentlich hinter die Binde gießen. Meine Tasche.« Auffordernd streckte er die Hand aus und nahm vom Kutscher eine dicke Ledertasche entgegen. Dann wandte er sich um und stapfte über die Main Street.
Ein weiterer Reisender verließ das Gefährt, der sofort die Blicke der Neugierigen, die sich immer bei der Ankunft einer Postkutsche einfanden, auf sich zog. Er war groß und sehr schlank, hatte ein schmales blasses Gesicht mit großen braunen Augen. Das Besondere an ihm war jedoch seine Kleidung, die nicht so recht in dieses Land passte. Er trug einen dunklen Anzug aus sehr teurem Tuch, ein blütenweißes Hemd und eine schwarze Samtschleife. In seiner Rechten hielt er einen weißen. Stetson, der mit vielen Silbermünzen geschmückt war. Der Fremde erhielt vom Kutscher eine kleine schwarze Reisetasche, dankte höflich und sah sich dann aufmerksam um.
»He, Stranger!« rief einer aus der Menge. »Du hast dich wohl verlaufen, wie? Glaubst du wirklich, dass du hier richtig bist?«
Die Umstehenden lachten.
Der Neuankömmling wandte sich dem Sprecher zu. »O ja, ich denke schon, Sir«, sagte er mit einer dunklen, angenehm klingenden Stimme und trat einige Schritte näher. »Wenn ich den Fahrer vorhin richtig verstanden habe, befinden wir uns in Albuquerque, und genau da wollte ich hin.«
Er nickte den Leuten noch einmal freundlich zu, wandte sich um und ging langsam die Main Street hinunter in die Richtung, wo auf der rechten Seite ein großes verblichenes Schild verkündete, dass sich hier das Holiday-Hotel befand. Ein wenig fassungslos sahen ihm die Leute nach.
»Das ist vielleicht ein komischer Vogel«, gab einer seiner Meinung Ausdruck. »Ich bin gespannt, was ihn hierher verschlagen hat.«
Die anderen Passagiere, die die Postkutsche noch verließen, fanden keine Beachtung mehr. Der seltsame Fremde mit dem blassen Gesicht war schon jetzt die Sensation des Tages.
Der Mann hatte inzwischen das altersschwache Holzhaus erreicht, von dem das Schild behauptete, dass es das Holiday-Hotel wäre. Er blickte an der schäbigen Fassade empor, sah die abblätternde Farbe und rümpfte die Nase. Dennoch betrat er nach kurzem Zögern durch eine Schwingtür das Hotel. Einige Sekunden blieb er dicht neben dem Eingang stehen und sah sich aufmerksam um. Auf der rechten Seite führte eine schmale Holzstiege hinauf zu einer Balustrade, die in halber Höhe den gesamten Raum umlief. Mehrere Türen führten von dort in das Innere des Hauses. Auf der linken Seite befand sich eine Art Tresen, hinter dem sich in diesem Augenblick ein kleiner, spindeldürrer Mann erhob und ihn mit unverhohlener Neugierde musterte.
»Hallo, Mister«, grüßte er mit näselnder Stimme, »wenn ich mich nicht sehr irre, möchten Sie ein Zimmer in unserem vornehmen Haus mieten, oder?« Er wartete die Antwort des Fremden gar nicht ab, sondern schob sich hinter seinem Tresen hervor und kam einige Schritte näher. »Sie haben eine gute Wahl getroffen, Sir«, sagte er devot. »Ich bin sicher, Sie werden mit meiner Bedienung zufrieden sein. Wie lange wollen Sie bleiben?«
»Das weiß ich noch nicht«, antwortete der Fremde freundlich. »Es kommt ganz auf die Umstände an.«
»Geschäfte, wie?« Der Hotelier grinste vielsagend und zwinkerte ihm vertraulich zu. »Na, es geht mich ja nichts an. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.«
Oben angekommen, öffnete der Mann die erste Tür neben der Treppe und ließ seinen Gast vorangehen. »Bitte, Sir«, sagte er dazu. »Es ist mein bestes Zimmer. Wenn Sie irgendwelche Wünsche haben, brauchen Sie nur nach mir zu rufen. Mein Name ist Hank David.« Fragend sah er sein Gegenüber an, doch dieser ignorierte die unausgesprochene Aufforderung, seinen eigenen Namen zu nennen.
»Es ist gut, Hank«, sagte er statt dessen, fingerte in seiner Westentasche und zog einen Quarterdollar hervor, den er dem Mann in die Hand drückte.
Hank David machte große Augen, ließ die Münze jedoch blitzschnell verschwinden. »Vielen Dank, Sir«, sagte er ehrfurchtsvoll, machte eine tiefe Verbeugung und verließ nun endlich das Zimmer.
Mit einem tiefen erleichterten Atemzug schloss Horace Whitelow, so hieß der Fremde, die Tür. Er wandte sich um, ging die wenigen Schritte hinüber zum schmalen Bett und stellte die Reisetasche darauf ab. Anschließend wandte er sich dem kleinen Fenster zu und blickte nachdenklich auf die Main Street hinunter. Nun war er also wieder hier im County, das er vor mehr als fünfzehn Jahren verlassen hatte. Doch der letzte Brief seines Vaters, der hier in der Nähe von Albuquerque eine große Ranch besaß, war alarmierend und für Horace Grund genug, sich auf die lange Reise zu machen.
Unwillkürlich tastete er über seine Brusttasche, in der sich das Schreiben des alten Whitelow befand. Darin teilte er seinem Sohn mit, dass er von einigen zwielichtigen Leuten bedrängt würde, die ihn dazu zwingen wollten, seine Ranch zu verkaufen. Da er jedoch dazu nicht bereit war, schreckten diese Männer auch vor unmissverständlichen Drohungen nicht zurück. Auf zwei Briefe, die Horace Whitelow danach geschrieben hatte, war keine Antwort gekommen, und so hatte er sich entschlossen, selbst nach dem Rechten zu sehen.
Mit einem Ruck wandte er sich um. Nun, da er sich endlich in Albuquerque befand, wollte er keine Zeit mehr verlieren. Sein Vater würde Augen machen, wenn er plötzlich auf der Ranch auftauchte.
Einige Sekunden überlegte er, ob er den Waffengurt mit den beiden 38ern umschnallen sollte, doch dann entschied er sich dagegen. Noch wollte er das Bild des harmlosen Reisenden aus dem Osten nicht zerstören. Dafür überprüfte er jedoch gewissenhaft den Sitz der sechs Wurfmesser, die in den Schlaufen eines Kreuzgurts steckten, den er unter seinem langen, eleganten Rock verbarg.
Zufrieden öffnete er die Tür und ging langsam die Stufen in die kleine Eingangshalle hinunter.
Der Hotelbesitzer sprang eilfertig auf, als er ihn kommen sah. »Haben Sie irgendwelche Wünsche, Mister?« sprudelte er hervor.
»Nein, Hank«, antwortete Horace Whitelow lächelnd. »Ich bin für einige Stunden unterwegs. Falls sich irgendjemand nach mir erkundigt, fragen Sie nach seinem Namen.«
»In Ordnung, Sir.« Hank David nickte heftig. »Sie können sich auf mich verlassen.«
Horace Whitelow hob kurz die Hand und verließ das Hotel. Zielstrebig wandte er sich nach rechts, wo sich nur wenige Häuser weiter der Mietstall befand. Er bemerkte die erstaunten, teilweise spöttischen Blicke, die ihm die Einwohner der Stadt zuwarfen. Doch davon ließ er sich nicht beirren. Mochten die Leute von ihm halten, was sie wollten. Solange sie ihn in Ruhe ließen, störte ihn ihre Meinung nicht.
Wenig später hatte er den Mietstall erreicht und betrat durch das weit geöffnete Tor das Innere des Gebäudes. In dem herrschenden Halbdunkel war niemand zu sehen. Langsam ging Horace Whitelow weiter in den Stall hinein. Einige Pferde wandten ihm ihre Köpfe zu, und unwillkürlich musste er an seine Jugend denken, die er auf der Ranch seines Vaters verbracht hatte. Gedankenverloren blieb er neben einer Box stehen, in der sich ein etwa dreijähriger brauner Wallach befand. Das Tier sah ihm neugierig entgegen und nahm mit aufgerichteten Ohren seine Witterung an. Als er jedoch die Hand ausstreckte, um den schmalen Hals des Pferdes zu berühren, warf es erschrocken den Kopf hoch und stieß ein schrilles Wiehern aus.
Mit dieser Reaktion hatte Horace Whitelow nicht gerechnet und zuckte erschrocken zurück. Im selben Augenblick war hinter ihm ein leises, gutmütiges Lachen zu hören.
»Das ist Old Friend, junger Mann«, sagte eine krächzende Stimme zu ihm. »Mit diesem Biest ist nicht zu spaßen. Sie sollten ihm nicht zu nahe kommen.«
Horace Whitelow fuhr herum und sah in ein Gesicht, in dem eine rote Knollennase und zwei listig funkelnde Augen besonders hervorstachen. Der Mann, zu dem dieses Gesicht gehörte, war mindestens sechzig Jahre' alt. Er hinkte leicht, als er auf Horace Whitelow zukam und nun zwei Schritte vor ihm stehenblieb.
»Hast du dich verlaufen?« fragte der Alte respektlos, während er den Besucher von oben bis unten musterte.
»Keineswegs«, antwortete Horace Whitelow. »Ich suche den Besitzer dieses Hauses.«
»Er steht vor dir, Junge«, sagte der Alte und kicherte leise vor sich hin. »Was willst du von mir?«
Horace Whitelow lächelte unmerklich. »Ich brauche ein Pferd«, erklärte er ernsthaft.
Nach dieser Eröffnung war es einige Sekunden still, der Alte starrte ihn fassungslos an.
»Hä?« fragte er, als hätte er nicht richtig verstanden, und dann, nach einigen Sekunden: »Das soll wohl ein Witz sein?«
Horace Whitelow begann die Sache Spaß zu machen. Freundlich lächelnd sah er den Stallmann an. »Ein Pferd«, wiederholte er geduldig, »ich möchte ausreiten.«
Der Alte erholte sich nur langsam" von seiner Überraschung. Sein Gesicht legte sich in kummervolle Falten. »Glaubst du nicht, dass es vielleicht besser wäre, eine Kutsche zu nehmen? Ich meine, kannst du überhaupt reiten?« fragte er dann.
Horace Whitelow zuckte die Achseln. »Ich glaube schon«, sagte er zögernd. »Wenn das Pferd nicht zu schnell läuft. . .«
Der Mietstallowner machte ein Gesicht, als hätte er einen Geist vor sich. »Wenn es nicht zu schnell läuft«, wiederholte er tonlos die Worte seines Gegenübers.
»Ja«, Horace Whitelow nickte eifrig, »ganz recht. Ich bin erst einmal vom Pferd gefallen, das war damals, als.. .«
Schnell schwieg er, als der Alte mit einem verzweifelten Schrei die Hände in seinen Haaren vergrub. »Womit habe ich das verdient?« jammerte er kopfschüttelnd. Dann jedoch wurde er urplötzlich ernst. »Hör auf meinen Rat und nimm dir eine Kutsche. War-um willst du dir unbedingt den Hals brechen?«
»Keine Sorge«, antwortete Horace Whitelow ruhig. »Mir wird bestimmt nichts passieren.«
Irgendetwas am Tonfall des Mannes hinderte den Alten daran, noch weitere Bemerkungen zu machen. Wortlos wandte er sich nach links zu einer Box, in der ein Schimmel stand, der nur müde den Kopf hob, als der Mietstallbesitzer zu ihm trat. »Das ist der Zahmste, den ich habe«, erklärte er dabei, ohne den Fremden anzusehen.
»Den will ich aber nicht«, sagte Horace Whitelow bestimmt. »Dieser Wallach hier gefällt mir viel besser.« Er deutete kurz über die Schulter auf Old Friend.
Kummervoll sah ihn der Alte an. »Ich habe es geahnt«, flüsterte er leise. »Du bist ein unverbesserlicher Optimist, wie?«
»Meistens«, gab Horace Whitelow knapp zurück. Ungerührt sah er zu, wie der Alte den Wallach sattelte. Kurze Zeit später übergab ihm der Mann die Zügel. »Vielen Dank«, sagte Horace Whitelow freundlich. »Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen.«
*
Horace Whitelow zügelte das Pferd auf dem kleinen Hügel, von dem aus er die Gebäude der W-im-Kreis-Ranch deutlich vor sich liegen sah. Sein Herzschlag beschleunigte sich, als er an das bevorstehende Wiedersehen mit seinen Eltern dachte. Fast fünfzehn Jahre war es her, dass ihn der Vater damals in den Osten zu seinem Onkel geschickt hatte, damit er auf einer ordentlichen Schule etwas Anständiges lernen konnte. Und fünfzehn Jahre waren eine verdammt lange Zeit in diesem harten Land. Was mochte sich in der Zwischenzeit alles verändert haben, seit er als Junge über die Weiden der väterlichen Ranch ritt? Nun, er würde es bald erfahren.
Nichts hielt ihn mehr an seinem Beobachtungsplatz. Entschlossen lenkte er den Wallach, der seine anfängliche Wildheit unter seiner starken Hand schon bald verloren hatte, auf den Weg zurück, der geradewegs zum geräumigen Ranchhof führte. Während er dem Haupthaus immer näher kam, sah er sich aufmerksam um. Das große Mannschaftshaus auf der linken Seite, die Stallungen und die Corrals waren tadellos in Ordnung, wie er mit sachkundigem Blick feststellte. Unwillkürlich lächelte er. In dieser Hinsicht hatte sich sein Vater also nicht geändert. Der alte Herr war immer ein strenger, aber gerechter Boss gewesen.